Ball und Buchstabe
Der Werner Mauss des Weltfußballs
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| Freitag, 27. Oktober 2006Wie ein Ein-Mann-Betrieb die besten Fußballer, Trainer und Schiedsrichter der Welt wählt und die deutschen Sportredaktionen an der Nase herumführt – das Statistikkabinett des Dr. Alfredo Pöge von der IFFHS
Erik Eggers geht in den 11 Freunden der Frage nach, wer eigentlich hinter der IFFHS steckt, der „International Federation of Football History & Statistics“ – die Organisation, die jährlich die besten Spieler, Torjäger, Trainer und Schiedsrichter kürt und lange Zahlen- und Anekdotensammlungen publiziert, die sie für Geschichtsforschung hält. Eggers‘ Antwort gleicht einer Enttarnung, die IFFHS scheint der Ein-Mann-Betrieb eines Sonderlings zu sein: Dr. Alfredo Pöge [Name von der Redaktion nicht geändert].
Eggers beschreibt, wie er stutzig wurde: „Jeder, der die Bücher und Zeitschriften dieser Gesellschaft durchblättert, bekommt das Gefühl, alles über den internationalen Fußball zu erfahren. Nur eines erfährt der interessierte Leser nicht: wer hinter dem Klub steht, der diese Statistiken mit Absolutheitsanspruch veröffentlicht. Was vor allem an dem Chef des ganzen liegt: Dr. Alfredo Pöge.“ Bei seiner Nachforschung ist Eggers auf dessen Hartnäckigkeit gestoßen: „Der ‚Präsident‘ [Anführungszeichen i. O.] der IFFHS gewährt keine Audienz, sondern läßt sich nur am Telefon ein paar Sätze entlocken. Keinen Zweifel läßt er daran aufkommen, daß es für Fußballstatistiken nur eine Kapazität gibt: ihn und die IFFHS.“ Eggers schließt: „Pöge ist ein Phantom. Er meidet die Öffentlichkeit wie der Vampir das Tageslicht. Einer, der aus dem Hintergrund die Fäden spinnt, beinahe sowas wie der Werner Mauss des internationalen Fußballs.“
Die internationale Unterstützung und Vernetzung, auf die sich Pöge beruft, ist wohl ein Potemkinsches Dorf; diese Vermutung stützt Eggers durch Nachfragen in der Sportwissenschaft. Zudem faßt sich Eggers an den Kopf, weil Pöge sich auf seiner Website, die einige herrliche vergilbte Fotos von Pöge, unter anderem mit Fußballprominenten, zeigt, als Widerständler des DDR-Regimes stilisiert. „Auch nach welchen Kriterien er die besten Fußballer der Welt ermittelt“, schreibt Eggers, „will er der deutschen Öffentlichkeit partout nicht erklären. Auch die Leser der 11 Freunde, einem Magazin, von dem der Fußballexperte vor dem Telefonat noch nie gehört hat, will er nicht in die Arkana des internationalen Fußballs einweihen: ‚Wir haben keinerlei Interesse an PR.‘“
Pöges Wahl sagt nichts aus
Köstlich das ganze! Die Fußballwelt wird bunter durch solche Streiche. Doch es ist eigentlich eine Medien-Story, die ein schwaches Licht auf die Branche wirft, denn „sollte die Arbeit von ‚Don Alfredos‘ Firma tatsächlich darin bestehen, daß ein älterer Herr in Heimarbeit ellenlange Statistiken aufstellt“, staunt Eggers, „ist die mediale Präsenz spektakulär. Seit Jahren nämlich drucken nahezu alle deutschen Zeitungen Pöges Ranglisten bedenkenlos ab, von der SZ bis zur FAZ. Auch die ZDF-Redaktion des ‚Aktuellen Sportstudios‘, das Pöge noch im März ein Forum gab, als er dort José Mourinho, Petr Cech und Markus Merk ehren durfte, hat laut Chef Thomas Fuhrmann ‚nicht groß recherchiert‘. Jede Sportsendung nehme Stars wie Mourinho ‚mit Kußhand‘.“ Als Multiplikator der IFFHS-News hat Eggers den Sportinformationsdienst ausgemacht; die dpa hingegen habe sich für einen Verzicht entschieden, auch Matti Lieske von der Berliner Zeitung (früher taz) wird als Pöge-Skeptiker von Eggers zitiert.
Bitte, liebe Kollegen, nach dieser Entmummung sollte man die Auszeichnungen, die die IFFHS vergibt, nicht mehr als Grundlage für eine ernste Recherche oder einen Kommentar heranziehen. Daß Markus Merk zweimalig Pöges Weltschiedsrichter des Jahres (2004 und 2005) gewesen ist, sagt, bis Eggers widerlegt ist, nichts aus. Jüngst etwa hat die Sport Bild Merks Auszeichnung angeführt, um den Streit zwischen Merk und Hans Meyer zu bewerten. Doch das ist keine alleiniger Fauxpas des Boulevardjournalismus, denn auch viele andere Zeitungen beriefen sich auf diese Wahl.