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Am Grünen Tisch

DFB und Amerell – Ist Theo ein falscher Zwanziger?

Oliver Fritsch | Donnerstag, 18. Februar 2010 2 Kommentare

Die Presse wirft Theo Zwanziger Doppelmoral vor; Manfred Amerell beteuert seine Unschuld und gesteht Suizidgedanken; die Amtszeit von Fifa-Präsident Blatter könnte schon bald zu Ende sein

Wolfgang Hettfleisch (FR) stößt sich am DFB und dessen Aufarbeitung des Falls Amerell: „Der DFB macht im Fall Amerell einen seltsam unentschlossenen Eindruck. Einerseits wirft Theo Zwanziger dem zurückgetretenen Schiedsrichterfunktionär Übergriffe und eine klare Verletzung seiner Pflichten vor. Andererseits wird die interne Aufklärung eilig abgepfiffen, obwohl sie weder zur Einleitung eines verbandsrechtlichen Verfahrens, noch zur Einreichung einer Klage durch eines der vermeintlichen Opfer geführt hat. Die Karten müssen auf den Tisch. Nur ein paar Idioten schert die sexuelle Orientierung von Schiedsrichtern. Gab es aber eine Besetzungscouch unterm Dach des DFB, es wäre ein Riesenskandal.“

Gunnar Jans (Abendzeitung) wirft dem Präsidenten Doppelmoral vor: „Amerell beklagt zu Recht, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit sei ausgehebelt worden. Dies hat Zwanziger zu verantworten, ein promovierter Jurist. Der DFB hat die Hetze gegen Amerell forciert, in dem er die Vorwürfe der sexuellen Belästigung junger Schiedsrichter öffentlich machte und strafrechtliche Schritte nicht ausschloss, ohne Amerell anzuhören. Der DFB hat offenbar weder Interesse an weiteren Ermittlungen noch an einer Debatte über seinen Präsidenten, der nach dem Tod des Nationaltorwarts an der Seite der Witwe stand und salbungsvoll erklärte: ‚Fußball ist nicht alles.‘ Es ist an der Zeit zu fragen: Wie bigott ist dieser DFB-Präsident, ist er gar ein falscher Zwanziger?“

Gedanklich stand ich an der Bahnsteigkante

Im DSF hat Manfred Amerell das Wort ergriffen. Und beklagt sich, dass ihm keine konkreten Vorwürfe gemacht werden, auf die er reagieren könnte: „Wenn Sie im Straßenverkehr eine Übertretung machen, bekommen Sie von der zuständigen Behörde ein Anhörungsschreiben. Daraufhin können Sie zu dem Sachverhalt Stellung beziehen und sagen, ob es stimmt oder es bestreiten. Das ist der normale Ablauf in einem Rechtsstaat. Das ist hier bis zum heutigen Tag nicht geschehen. Ich kenne den Vorwurf nur aus den Medien, keine konkreten Dinge, kein Detail, kein Schriftstück oder Ähnliches, was mir vorgelegt wurde.“ Über seine Beziehung zu Michael Kempter sagt er: „Das Verhältnis war äußerst freundschaftlich und sehr eng. Da kann sich dann jeder seinen eigenen Reim machen, wie er das interpretiert und auslegt. Ich schließe das aus, Kempter bedrängt oder belästigt zu haben.“

Amerell gesteht, Suizidgedanken zu hegen:

„Es geht mir nicht so gut und es treten Gefühle auf, die ich im Rückblick auf die Geschehnisse des letzten Jahres jetzt nachvollziehen kann. Wenn man sich dann schon mal Gedanken macht, ob man hier überhaupt noch entsprechend behandelt wird und Gedanken, dass man sich jetzt an die Bahnsteigkante stellt. Man fragt sich jeden Tag, wie das Leben weitergehen soll. Ich gehe nicht in mein Geschäft und gehe nachts raus, um einzukaufen. Ich ziehe mir eine Kappe über, wenn ich losgehe. Man kann ja gar nicht mehr unter Leute gehen. Ich kann Dinge des täglichen Lebens nicht mehr ausführen. Das ist absolut unmöglich.“

Götterdämmerung in der Fifa

Jens Weinreich kommentiert die Tatsache, dass Joseph Blatter beim Versuch, sich zum Fifa-Präsidenten wiederwählen zu lassen, einen Gegenkandidaten bekommen wird: „In der Fifa steht ein Machtwechsel bevor. Die beiden einflussreichsten asiatischen Fußballfunktionäre haben sich gegen Joseph Blatter verbündet und eine Gegenkandidatur für die Präsidentenwahl 2011 angekündigt. Asiens Konföderationschef Mohammed Bin Hammam (Katar) und der Milliardär Chung Mong-Joon (Südkorea) traten in Seoul gemeinsam vor die Presse. Das allein sorgte für Erstaunen, denn beide galten bislang als verfeindet. Es gibt kaum Zweifel daran, dass Bin Hammam, 60, Blatters Herausforderer wird. (…) Sollten Bin Hammam und Chung mit Scheich Salman aus Bahrein kooperieren, wird Asien geschlossen hinter dem Herausforderer stehen. Das Trio gebietet über große finanzielle Mittel. Eine solche Allianz dürfte das Ende der Ära Blatter besiegeln.“

In seinem Blog schreibt er: „Die sportpolitische Nachricht des Tages kommt aus Asien. Früher als ich erwartet hatte. Das ist ein Hammer. Ich frage mich, warum keine deutsche Nachrichtenagentur darüber berichtet. Das kann das Ende der Ära des Sepp Blatter sein. Schätze, auf den Konjunktiv kann ich verzichten. Ohne Bin Hammam und Jack ist Blatter ein Nichts. Er tut mir schon jetzt leid, denn ich mag ihn ja. Er leidet. Er hat Angst. Er ist einsam.“

Zu den anstehenden WM-Bewerbungen heißt es von Weinreich in der SZ: „Für 2018 könnte Russland dem Favoriten England den Rang ablaufen. Für 2022 gelten Australien und die USA als Favorit. Es bewerben sich auch Katar und Südkorea – die langjährigen Streithähne Bin Hammam und Chung sind also direkt beteiligt und werden einen Deal anstreben.“

Flurin Clalüna (Neue Zürcher Zeitung) hingegen schreibt: „Noch kann keine Rede sein von einem Machtwechsel in der Fifa. Aber was zwei der einflussreichsten asiatischen Fußballfunktionäre an einer Pressekonferenz in Seoul durchblicken liessen, wird Joseph Blatter nicht gefreut haben: Es wird öffentlich über seine Nachfolge diskutiert; Blatters Gegner bringen sich in Stellung. Das ist zwar noch keine offizielle Gegenkandidatur für die Wahl 2011, aber doch ein Zeichen, dass sich Widerstand formiert.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “DFB und Amerell – Ist Theo ein falscher Zwanziger?”

  1. Oliver Fritsch
    Freitag, 19. Februar 2010 um 07:04
  2. Glock Peter
    Freitag, 19. Februar 2010 um 13:18

    Was wird denn jetzt Amerell konkret vorgeworfen?

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