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„Hoeneß BSC“

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für „Hoeneß BSC“

„Hoeneß BSC“ (BLZ), Kritik an der Machtfülle des Hertha-Managers – viele heiße Berliner Luft um eine „Nicht-Entscheidung“ (taz) – Spiegel-Interview mit Karl-Heinz Rummenigge über seine Forderungen nach Geld

Thomas Kilchenstein (FR 22.10.) erkennt in dem Berliner und Hamburger Verzicht auf Trainer-Entlassungen keine höhere Moral und höhere Einsicht: „Sowohl Hertha als auch der HSV würden nur zu gern ihre sportlich erfolglosen Übungsleiter in die Wüste schicken, wenn sie es denn könnten. Sie können es sich aber schlicht gar nicht leisten. Der Hamburger SV hat etwa 14,5 Millionen Euro Miese angehäuft. In den laufenden Etat haben die Norddeutschen, was von der beaufsichtigenden DFL nur mit sehr viel Wohlwollen akzeptiert wurde, Einnahmen aus drei Runden in Uefa-Cup-Wettbewerb und DFB-Pokal veranschlagt. Dummerweise ist der HSV (wie auch Hertha) bereits in der ersten Uefa-Cup-Runde ausgeschieden; so fehlen Einnahmen, die längst verplant wurden. Kurt Jara hat einen bis 2005 gültigen Kontrakt. Eine vorzeitige Entlassung würde eine satte Abfindung nach sich ziehen. Geld, das der HSV, der Prämien streicht, nicht hat. Und in Berlin? In Berlin darf Huub Stevens deshalb vorübergehend weitermachen, weil sich Dieter Hoeneß und der Beteiligungsausschuss schlicht noch nicht auf einen Nachfolger haben einigen können. Sie haben noch keinen gefunden, der so kurzfristig verfügbar gewesen wäre. Stevens ist nur noch Platzhalter. Und: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“

Hertha steht still

Michael Jahn (BLZ 22.10.) kritisiert die Machtfülle von Dieter Hoeneß: „Hertha steht still. Diese Entscheidung ist eine Nicht-Entscheidung, und an diesem Phänomen einer halben Trainerentlassung lässt sich deutlich ablesen, wie unbeweglich und starr der Klub in seiner Struktur geworden ist. Das liegt daran, dass der Klub nur einen großen Beweger hat, den mächtigen Manager Dieter Hoeneß. Und wenn Hoeneß sich einmal nicht bewegt – wie im aktuellen Fall – dann findet sich in der gesamten Führungsstruktur keiner, der statt seiner in Bewegung kommt. Es geht dabei längst nicht mehr darum, ob Stevens noch der richtige Trainer ist für diesen Klub namens Hoeneß BSC. Eher geht es darum, dass Stevens von Anfang an eine Personalie von Dieter Hoeneß war, und so schnell will der Manager von seinem Mann nicht lassen – sei es aus vorhandener Restüberzeugung in die Fähigkeiten des Trainers (eher weniger), aus finanziellen Erwägungen (eher mehr) oder aus Mangel an Alternativen (eher noch mehr). Fürs Erste hat es Hoeneß wieder geschafft, dass die Gremien – obwohl durchaus anderer Meinung – auf seinen Kurs eingeschwenkt sind, einstimmig, wie es heißt. Aber man kann sich gut vorstellen, was man von dieser Einstimmigkeit zu halten hat, wenn es fast zwei Tage und Nächte gedauert hat, sie herzustellen. Am Beispiel Hoeneß zeigt sich, dass es Eigenschaften gibt, die für einen Verein gleichzeitig gut und gefährlich sein können. Hoeneß ist mit Durchsetzungsvermögen, Hartnäckigkeit und einer gewissen Beratungsresistenz begabt, und für die leicht chaotisch veranlagte Hertha ist sein straffer Führungsstil oft genug ein Vorteil gewesen. Aber nun, da sich dieselbe Hertha in einer Sackgasse festgefahren hat, wäre die Gelegenheit zu erkennen, dass es neben dem Hoeneß-Weg noch andere Wege gibt – zum Beispiel jenen, Entscheidungen nicht allein als Machtfragen aufzufassen.“

Ein Hauch von Kreml-Astrologie

Über die Berliner Öffentlichkeitstaktik schüttelt Javier Cáceres (SZ 22.10.)den Kopf: „Die Berichterstattung über Hertha entwickelt allmählich einen Hauch von Kreml-Astrologie; ein Begriff, der aus Zeiten des Kalten Krieges stammt und die Kunst der Deutung kleinster Hinweise aus dem Zentralkomitee umschreibt. Die offizielle Version zur Trainerfrage, die Manager Dieter Hoeneß vortrug und die der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Rupert Scholz, unterstützte, lautete, dass Hoeneß „überhaupt nicht“ um Stevens habe kämpfen müssen; es habe, im Gegenteil, „ein überwältigendes Bekenntnis“ zum Trainer gegeben. Am Montagabend verschickte der Klub eine Pressemitteilung, derzufolge der Spielerrat („mit freundlichen Grüßen“) verlautbarte, „zu 100 Prozent hinter der Entscheidung des Vereins“ zu stehen und „sich auf die weitere Zusammenarbeit mit Cheftrainer Huub Stevens“ zu freuen. Doch telefoniert man jenen hinterher, die in den Entscheidungsgremien sitzen, so ergibt ein etwas anderes Bild. Mal heißt es, es habe kontroverse Debatten gegeben; andere wiederum wollen sich erinnern, dass es im Beteiligungsausschuss gar keine Diskussion gab – weil die Entscheidung bereits getroffen war. Von Hoeneß, Stevens’ fraglos größtem Alliierten in Herthas Chefetage. Dass es dort auch solche gibt, die hinter vorgehaltener Hand Distanz zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Limburgers äußern und somit die offiziell verlautbarte Einstimmigkeit in Frage stellen, dürfte Hoeneß hellhörig machen – liegt aber auch in der Natur der Sache. Schließlich werden nun die 16 Mitglieder des Beteiligungsausschusses in der öffentlichen Meinung der Mitverantwortung geziehen, für eine Entscheidung, die in der Berliner Presse und auch von der großen Mehrzahl der Fans mit geballtem Unverständnis quittiert wurde. „Ihr seid doch alle irre!!“, urteilte der bisweilen derbe Berliner Kurier unter dem Kalauer: „Hertha BSE“. Wer will schon dafür verantwortlich gemacht werden, dass „Berlin unter Schock“ steht, wie die BZ herausgefunden haben will?“

Frank Ketterer (taz 22.10.) schildert, „wie ein Verein von den Medien dazu gezwungen wird, ein Nichtereignis, nämlich den Nicht-Trainer-Wechsel, als Großereignis zu inszenieren, vor laufenden Kameras und live übertragen von zwei Fernsehsendern. Normal ist das nicht. Normal wäre es gewesen, den Trainer tagsüber zu feuern und abends vor all den Kameras bereits den neuen zu präsentieren, so jedenfalls kennt man das. Oder den alten, wie geschehen, doch zu behalten – und einfach weiterzumachen, ganz ohne großes Bohei und öffentliches Ultimatum. In der Medienstadt Berlin aber war solches nicht mehr möglich. Die passenden Bild-Schlagzeilen dazu: Siegen oder Fliegen titelte das Blatt am Samstag. Huub, das war das Allerletzte, am Sonntag (nach der 1:4-Niederlage gegen Leverkusen). Heute fliegt Stevens – zu 99,9 Prozent, wusste es am Montag. Die restlichen Hauptstadtblätter, selbst die seriöseren, sangen munter mit im Chor. Tenor: Stevens raus! Am Montag hätte es – endlich – so weit sein sollen. Dass Hertha BSC, allen voran der Manager Dieter Hoeneß, sich diesem Diktat der Medien (noch) nicht beugen wollte, ist ungewöhnlich. Und so wurde letztlich zur medialen Sensation, dass nicht eintrat, was zuvor schon in der Zeitung gestanden hatte – und also alles beim Alten blieb. Vergebens hatten somit die Reporter vom Boulevardblatt BZ die Villa von Hoeneß observiert am Sonntagmorgen ab acht, um zu sehen, mit wem alles er dort verhandelt. Vergeblich hatte ein Kamerateam des ZDFin später Samstagnacht Huub Stevens aufgelauert, um zu filmen, wie er in sein Auto stieg und von dannen brauste – vielleicht zum letzten Mal. Und vergeblich hatte die Meute auch am Montag in der Kälte gelauert vor dem blau-weißen Band, auf dass Stevens endlich zum Abschuss freigegeben würde. Am Ende mussten sie allesamt wieder abziehen, ganz ohne Trophäe. Wie tief die Enttäuschung darüber ist, war anderntags im Berliner Kurier zu lesen:Hertha BSE – Ihr seid doch irre!!, titelte das dünnste Berliner Boulevardblättchen.“

FR-Interviewmit Frank Busch, Fan-Beauftragter von Hertha BSC Berlin

FR: Hat sich Unmut aufgestaut?

FB: Natürlich. Hertha ist die Lachnummer der Liga. Der Trainer hat nach seinen Wünschen eingekauft, er hatte schon ein Jahr Zeit. Jetzt sehen die Anhänger diesen Scherbenhaufen. Beim kritischen Berliner Publikum kann man leicht Kredit verspielen.

FR: Welche Rolle spielt Stevens‘ Schalker Vergangenheit?

FB: Ach, wissen Sie, als Schalke in den 70er-Jahren im Bundesliga-Skandal die Hertha angeschwärzt haben soll, da waren viele dieser Fans noch nicht auf der Welt oder kleine Kinder. Das wird weitergetragen von den Älteren und unreflektiert übernommen.

FR: Wie viel Prozent der Fans sind noch für Stevens?

FB: Nicht viele. Derzeit unter fünf Prozent, schätze ich. Aber ich bin seit 13 Jahren dabei: Drei Siege und die Stimmung kippt.

FR: Vor sieben Jahren spielte Hertha noch in der zweiten Liga vor ein paar Tausend Zuschauern.

FB: Ja, und heute stehen in der Kurve 10 000 Fans. Der Zulauf nach dem Aufstieg war groß, aber dadurch ist die Fan-Szene auch nicht richtig gewachsen. Die Kurve versteht sich nicht als Einheit. Es gibt immer eine Fraktion, die fährt ihr eigenes Ding.

Tsp-Interview mit Sportpsychologe Werner Mickler über das „Ultimatum“ für Stevens

Ich bin ein Freund des Konsenses, nicht der Drohung

Spiegel-Interviewmit Karl-Heinz Rummenigge

Spiegel: als Sprecher der G 14, der wichtigsten europäischen Clubs, fordern Sie 80 Millionen Euro vom Weltverband Fifa. Der soll mit dem Geld die Gehaltszahlungen an die Spieler für die Dauer einer Weltmeisterschaft übernehmen. Womit können Sie der Fifa drohen?

KHR: Zunächst einmal sind wir im Recht. Die G 14 hat eine juristische Bewertung der Fifa-Statuten in Auftrag gegeben. Dabei kam heraus: Die Clubs müssen die Spieler für die Nationalmannschaften abstellen, aber nicht unentgeltlich. Die Fifa nimmt bei einer WM über zwei Milliarden Schweizer Franken ein. Warum sollen nur wir, die Arbeitgeber, die Verlierer sein? Das werden wir uns nicht mehr gefallen lassen. Ich bin ein Freund des Konsenses, nicht der Drohung. Aber wenn nötig, hätten wir da Möglichkeiten.

Spiegel: Welche?

KHR: Die erste wäre, dass wir die Spieler für den fraglichen Zeitraum schlicht nicht mehr bezahlen. Sie sind ja dann nicht bei uns, sondern bei den Nationalmannschaften. Sollen sie sich also an die Nationalverbände wenden.

Spiegel: Das könnte Ärger geben.

KHR: Man kann sich vorstellen, dass das Geschrei groß wäre. Die zweite Möglichkeit, die wir haben, ist die, gegen die Fifa und den europäischen Verband Uefa vor Gericht zu ziehen. Mal sehen, wer Recht bekommt. Und die dritte: Die Clubs stellen die Spieler nicht ab, die zum Länderspiel berufen werden.

Spiegel: Wie kommen Sie auf die 80 Millionen?

KHR: Wir reden, inklusive Vorbereitung im Trainingslager, über einen WM-Zeitraum von sechs Wochen. Bei den G-14-Clubs kostet ein Spieler im Schnitt 7000 Euro pro Tag. Diesen Aufwand wollen wir ersetzt haben.

Spiegel: Sind sich alle Clubs einig, auf die von Sepp Blatter sehr präsidial geführte Fifa Druck auszuüben?

KHR: Ja. Durch die G 14 sind die Clubs selbstbewusster geworden. Die Interessen werden gebündelt. Erst waren wir 8, dann 14, jetzt 18, bald werden wir die Gruppe noch einmal verstärken, dann werden es wohl 26 sein. Die G 14 ist die Lokomotive im Club-Fußball, neben den nationalen und internationalen Verbänden eine dritte Macht – auch wenn das für die Verbände schwer zu akzeptieren ist.

Spiegel: Beim Publikum gibt es in diesem Jahr große Sympathien für den VfB Stuttgart. Der Club wird schon als Gegenmodell zum FC Bayern gehandelt, ähnlich wie in den Siebzigern die Fohlen-Elf von Borussia Mönchengladbach. Ärgert es Sie, dass die Bayern den Respekt der Leute erfahren, andere jedoch die Zuneigung?

KHR: Wir sind über diese Polarisierung sogar froh. Sie spiegelt den Stellenwert des FC Bayern wider. Der Neid, und es handelt sich ja um puren Neid, ist doch die Bestätigung des Erfolgs und der Arbeit, die wir hier jeden Tag leisten. Wir sind nicht daran interessiert, die Liga zu dominieren. Was letzte Saison passiert ist, sollte sich nicht wiederholen. Wenn man dauernd mit 16 Punkten Vorsprung Meister wird, sind die Emotionen weg. Und Sport ohne Emotionen kann man vergessen.

Spiegel: Zuletzt haben Sie den Schalke-Manager Rudi Assauer unterstützt, als der wegen des Transferdeals mit den Bremer Spielern Mladen Krstajic und Ailton kritisiert wurde. Warum?

KHR: Was Assauer gemacht hat, hätten wir genauso gemacht. Er will seinen Club nach vorn bringen. Und wenn zwei Spieler auf dem Markt sind, deren Verträge auslaufen, ist es doch legitim, dass man sich um sie bemüht. Eher muss man Bremens Management kritische Fragen stellen. Die haben mit Ailton ein halbes Jahr lang verhandelt und keine Einigung erzielt. Ich kann nicht akzeptieren, dass die jetzt gegen Schalke wüten.

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