Ballschrank
„Stille Nacht ohne Leben und Leidenschaft“
Kommentare deaktiviert für „Stille Nacht ohne Leben und Leidenschaft“
| Donnerstag, 25. März 2004
„Stille Nacht ohne Leben und Leidenschaft“, titelt die FAZ über die 0:1-Heimniederlage von Meister Dortmund gegen den AC Mailand – stellvertretend für die allgemeine Enttäuschung über das auf dem holprigen Rasen des Westfalenstadion gezeigte. „Herzlos, stupide, berechenbar“, beschreibt die SZ das mutlose Auftreten der Borussia am „Abend der Angst vor dem Risiko“. Die Financial Times Deutschland sah eine „blutleere und uninspirierte“ Elf. Für den Fall, dass man in Dortmund höhere europäische Ziele erreichen wolle, rät die FAZ Trainer Matthias Sammer seine Mannschaft „aufs neue zu befeuern und mit einer Art Furor teutonicus beseelen“.
Auch der zweite deutsche Chapions-League-Teilnehmer musste den Platz als Verlierer verlassen. Beim 2:3 Leverkusens in Mailand sah die SZ ein Spiel, „das zu den ansehnlichsten, fairsten und lebendigsten dieser Saison gehörte“, während die taz hingegen Überlegenheit des italienischen Kontrahenten ausmachte, jedoch auch immerhin ein Lob für die Bayer-Elf übrig hatte: „Dass sich die Leverkusener tatsächlich in schier aussichtsloser Lage wieder reinkämpften in dieses Spiel – das honorierten nicht nur der Trainer und die etwa 500 mitgereisten Fans, das war die eigentliche Erkenntnis aus diesem Spiel.“
Roland Zorn (FAZ 13.12.) zieht ein Europapokalfazit aus deutscher Sicht. „Selbst wenn sich die Bundesliga nun zügig von Europa abkoppelte und auf die heimischen Gefilde zurückziehen müßte, wäre deshalb noch nicht der nationale Fußball-Notstand auszurufen. Eine atypisch schwache Saison haben schon andere europäische Fußballmächte erlebt – zuletzt die Italiener im Vorjahr. Die hochgelobten Spanier müssen sich in dieser Spielzeit erst noch von ihrem Wintertief befreien. Die Serie A, das belegen die Champions-League-Erfolge von Milan, Inter und Juventus Turin, hat sich dagegen eindrucksvoll zurückgemeldet. Die Bundesliga muß aus den bisher leidvollen Erfahrungen mit dieser Spielzeit, in der der FC Bayern München erstmals seit langem nur eine internationale Komparsenrolle spielte, soviel lernen: Prozentfußball mag in der Bundesliga zuweilen reichen, in der Champions League, auch im Uefa-Pokal, rächen sich falsch dosierte Auftritte, scheinprofessionelle Attitüden umstandslos. Und das nicht nur in den Zweikämpfen mit den Riesen der Szene. Wisla Krakau hat es vorgemacht. Mit mehr Mut und unverklemmtem Eroberungsdrang ist auch Favoriten wirksam beizukommen – eine Anleitung zum Handeln, die Borussia Dortmund kennt und schon glanzvoll umgesetzt hat. Zuletzt am 4. April dieses Jahres beim 4:0-Heimsieg über den AC Mailand im Halbfinale der Uefa-Pokalkonkurrenz. Das ist, den Skeptikern zum Trost, noch nicht lange her und verweist in wünschenswerter Deutlichkeit auf das keineswegs ungewöhnliche Auf und Ab im Tagesgeschäft Fußball.“
Borussia Dortmund – AC Milan 0:1
Zu den Ursachen der Dortmunder Niederlage heißt es bei Freddie Röckenhaus (SZ 12.12.). „Das Stadion wimmelte von Menschen, die Konjunktive wie Eisblöcke durch die Kälte schoben. Dortmunds 0:1 gegen den AC Milan war einer dieser typischen Abende, an denen man sich vorwerfen darf, das Mögliche nicht möglich gemacht zu haben. Vor nur acht Monaten hatte der BVB im Uefa-Cup-Halbfinale gegen denselben Gegner ganz anders aufgespielt, Milan mit 4:0 regelrecht vom Feld geblasen, ungestüm auf Alles oder Nichts gespielt. Das war im Frühling. So entschied in dem Duell zweier Mannschaften, die allzu sehr auf Fehler des Gegners und auf Genieblitze ihres Spitzen-Personals setzten, die individuelle mentale Stärke (…) Bis zum Gruppenspiel bei Real Madrid am 19. Februar ist viel Zeit für Sammer, die richtige Risiko-Einschätzung zu justieren Am Mittwoch im Eiskeller aber wollte Dortmunds Truppe.“ offenbar cooler daher kommen als die coolen Italiener, auf Fehler des Gegners warten, sich nicht locken lassen, vor allem aber eigene Blößen vermeiden. Bei diesem Poker zog Dortmund den Kürzeren.“
Roland Zorn (FAZ 13.12.) ist vom Spiel enttäuscht. „Von Phantasie war bei minus zehn Grad hüben wie drüben nichts zu spüren. Vor der Pause blockierten sich die beiden Formationen gegenseitig; nach dem Wechsel taute die Partie aus dem Tiefkühlfach des Fußballs wegen Inzaghis frühem Treffer ein wenig auf, doch von einem lebendigen Fußballabend konnte unter den Augen des deutschen Kanzlers und Borussen-Liebhabers Gerhard Schröder und des italienischen Ministerpräsidenten und Vereinspräsidenten des AC Mailand, Silvio Berlusconi, nie die Rede sein (…) Milan hätte sich an diesem Abend des publikumsunfreundlichen Fußballs vermutlich sogar mit einem Remis beschieden und konnte am Ende doch darauf verweisen, alles richtig gemacht zu haben: Verstecken gespielt, Dortmund im einzigen Augenblick der Unkonzentriertheit erwischt und danach den Sieg verwaltet, das war die perfekte italienische Lösung, wie sie der AC Mailand und andere Spitzenmannschaften der Serie A daheim in der Meisterschaft immer wieder bevorzugen.“
Ulrich Hesse-Lichtenberger (taz 13.12.) schreibt. „Eine Stunde vor Anpfiff landete der Hubschrauber des Kanzlers auf dem Rasen der Anlage Rote Erde, gleich neben dem Westfalenstadion. Dabei verbreitete das Fluggerät einen solch üblen Kerosingeruch, dass einige Fans an einen Giftgasangriff glaubten. Andere vertrauten der Weisheit Wos zum Himmel stinkt, ist Silvio Berlusconi nicht weit und eilten zum Absperrgitter, um einen Blick auf den italienischen Staatslenker und Präsidenten des AC zu werfen. Der aber war längst in der Kabine seiner kickenden Angestellten und machte ihnen wohl klar, dass er nicht zum ersten Mal seit sieben Jahren zu einem Auswärtsspiel mitgekommen war, um ein ähnliches Debakel zu erleben wie vor acht Monaten, als Milan in Dortmund mit 0:4 unterging. Ganz im Gegensatz zu Schröder widersetzt man sich Berlusconi nur selten.“
Internazionale – Bayer Leverkusen 3:2
Toppmöllers positive Bewertung seiner Mannschaft nach der Niederlage in Mailand kommentiert Birgit Schönau (SZ12.12.). „Dem Trainer hatte sich vom Spielfeldrand offensichtlich ein ganz anderes Bild ergeben als dem Publikum von der Tribüne. Aus der Vogelperspektive der oberen Ränge des Meazza-Stadions nämlich sah man eine sehr geordnete, aber nur mäßig selbstbewusste Leverkusener Mannschaft, die abgesehen von einer Viertelstunde der zweiten Halbzeit nach Kräften litt, aber bis zum Schluss nicht aufgab. Die Mailänder Internazionale, sonst eine Meisterin des zelebrierten Leidens, machte das Spiel, zuerst druckvoll, dann cool, schließlich ein wenig zu lässig. Und Toppmöller blieben nur die Konjunktive: „Wenn Berbatov in der zweiten Minute das Führungstor gelungen wäre…wenn wir bei Recobas Ecke besser aufgepasst hätten.. .wenn Hansjörg Butt den Ball nur festgehalten hätte…“ Inter lebte in der Gegenwart, und das zahlte sich aus. Leverkusen sei nicht mehr die Mannschaft, die noch vor kurzem im Finale der Champions League gestanden habe, hatte die Gazzetta dello Sport vor der Partie vorschnell entwarnt. Das stimmte nur zum Teil. Bayers Abwehr war über weite Strecken überfordert, doch die Leverkusener Konter blieben nicht zuletzt durch die Überzahl im Mittelfeld immer gefährlich. Schneider zeigte einige Kabinettstückchen, der unermüdliche Läufer Bastürk wurde zum Schluss von seinem Landsmann Emre getröstet – aber vielleicht waren es auch nur Komplimente, die sie austauschten, denn zeitweise wirkte die Partie dank ihrer Präsenz wie ein türkisches Derby. Schnell, fantasievoll, manchmal genialisch, aber auch mit einem Hauch Egozentrik gaben Bastürk und Emre einem Spiel Pfeffer, das zu den ansehnlichsten, fairsten und lebendigsten dieser Saison gehörte.“
Aus Sicht Erik Eggers´ (taz 12.12.) ist Bayer noch glimpflich davongekommen. „Angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse wunderte sich niemand wirklich, dass Inter schon nach einer halben Stunde glaubte, die Partie für sich entschieden zu haben. Da nämlich hatte der überragende Di Biagio die sich ihm bietenden zwei Chancen eiskalt zur 2:0-Führung genutzt. Dass die Schwarz-Blauen fortan ihren Gast nicht mehr ernst nahmen, zeigte sich in vielen Miniaturen. So etwa in einem schmuckvoll verziertem Dribbling Zanettis, tief in der eigenen Hälfte, das vier Leverkusener Akteure als Slalomstangen missbrauchten: Das also waren die Szenen, die von den Interisti lautstark bejubelt wurden und die mehr als die Tore in die Erzählungen der nächsten Tage eingehen werden. Wie sehr es Internationale danach schon auf künstlerischen Wert ankam, das bewies auch Crespo, als er völlig freistehend einen Kopfball über das Tor jagte und nicht kühl abtropfen ließ. Es hatte seine guten Gründe, dass die Gäste in der Pause eine Vorführung durch Inter befürchten mussten. Dass sich die Leverkusener tatsächlich in schier aussichtsloser Lage wieder reinkämpften in dieses Spiel – das honorierten nicht nur der Trainer und die etwa 500 mitgereisten Fans, das war die eigentliche Erkenntnis aus diesem Spiel.“
FC Barcelona – Newcastle United 3:1
Ronald Reng (taz 13.12.). „Dass Barca zehn Europacuppartien in Folge gewann, was in der Geschichte der Champions League nur dem AC Mailand 1992/93 gelang, ist nicht mehr als Schminke auf einer Narbe. In der spanischen Liga liegt der Verein nur auf Rang zehn, fünf von sieben Auswärtsspielen wurden verloren, die Spitzengruppe ist außer Sicht. Als Champions-League-Gewinner 1995 mit Ajax Amsterdam erlangte van Gaal zu Recht die Reputation eines der besten Strategen im Profifußball. Wie systematisch, erfolgreich und gleichzeitig schön Ajax spielte, ist bis heute unerreicht. In einer ersten Etappe in Barcelona, von 1997 bis 2000, verfestigte van Gaal als zweimaliger spanischer Meister sein Image, und noch immer verschiebt er die Akteure wie Schachfiguren, der spanische Nationalspieler Gaizka Mendieta etwa begann gegen Newcastle auf der Ersatzbank, kam als linker Verteidiger ins Spiel und beendete es im rechten Mittelfeld. Allein, van Gaals Manöver wirken häufig nur noch theoretisch. Van Gaal übersieht, dass sein Team erst einmal wieder die Grundstufe der Taktik beherrschen muss. Irgendwo zwischen seinen ständigen Schachzügen ist die Klarheit und Natürlichkeit im Spiel verloren gegangen.“
Weiteres
Spielbericht Juventus – FC Basel (4:0) NZZ
Reaktionen der italienischen Presse NZZ
Über die 1:4-Niederlage Schalkes im Uefa-Cup schreibt Richard Leipold (FAZ 12.12.). „Im Elfmeterschießen gegen die Bayern verloren zu haben wurde allseits als verzeihlich gewertet. Die Heimniederlage gegen Wisla Krakau aber trug Züge einer Demütigung, nicht nur im Ergebnis, auch dem äußeren Anschein nach. Schalke erlebte die schwerste Stunde seit dem Umzug in die prächtige Arena, in der das kickende Traditionsunternehmen bisher nur architektonisch, nicht aber sportlich internationale Maßstäbe zu setzen vermochte. Mit dem Stadion, diesem Monument, das längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist, sind auch die Ansprüche an das Team stark gewachsen, zu stark, wie es scheint. Nach dem traumatischen Erlebnis auf dem Rasen wurden der neuen Mannschaft und ihrem neuen Trainer Frank Neubarth imaginäre Gegenspieler gegenübergestellt: jene Helden aus der Vergangenheit, die nun zum Vergleich herangezogen werden, weil sie mit geringeren Mitteln als die aktuelle Mannschaft den Europapokal gewonnen hatten. Die Eurofighter sind als Team aufgetreten, sagt Assauer.“
Schalker Reaktionen SZ
Christian Eichler (FAZ 12.12.) porträtiert den FC Fulham (gegen Hertha im Uefa-Cup ausgeschieden). „Das Geld des Milliardärs hat den Fußballklub, schon 1879 gegründet, aber stets nur eine Randerscheinung des englischen Profifußballs, aus der Drittklassigkeit in die Premier League gehievt, wo der FC Fulham als sechstes Londoner Team sonst kaum existieren könnte. Doch der weitere Aufstieg stockt. In der vergangenen Saison träumte der französische Trainer Jean Tigana davon, einmal gegen Real Madrid zu spielen. Doch als Dreizehnter mußte der Aufsteiger froh sein, mangels Interesses der Bessergestellten im UI-Cup starten zu dürfen (…) Al-Fayed wird ungeduldig. Der Marsch des ägyptischen Emporkömmlings in die europäische Elite, den Fulham ihm ermöglichen soll, gestaltet sich zäher als gedacht. Und teurer. Fast hundert Millionen Pfund von meinem eigenen Geld, rechnete er unzufriedenen Fans vor, habe er seit 1997 schon in den Klub gesteckt. Doch im überdrehten europäischen Transfermarkt der letzten Jahre bekam man für viel Geld zu wenig Klasse. So investierte Fulham im Sommer 2001 mehr als fünfzig Millionen Euro, davon allein 18 Millionen für Stürmer Steve Marlet, ohne die gewünschte Wirkung zu erzielen. Marlet ist einer von sechs Franzosen im mit vierzig Profis überblähten Kader. Kein anderes Team der Liga setzte so sehr auf Franzosen, doch die Besten spielen bei den besseren Klubs. Für gewöhnlich investiert al-Fayed sein Geld in erste Adressen. Daß es bei seinem Fußball-Engagement anders war, zeigt, wie schwer Einfluß bei den Großen dieser populären Branche zu gewinnen ist. Um nicht auf halber Strecke stehenzubleiben, hat er angekündigt, nun noch mehr Geld in den Klub zu stecken, zugleich aber angedeutet, daß seine Geduld endlich sei.“
Spielbericht FC Fulham – Hertha Berlin (0:0) Tsp
Gewinnspiel für Experten