Ballschrank
„Ultimatum“
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| Donnerstag, 25. März 2004
Stevens darf in Berlin weitermachen – weiterhin Naserümpfen über das „Ultimatum“ (das außer mir niemand in Anführungszeichen setzt) – Uli Hoeneß nach erneut schwachem Bayern-Spiel vor dem Ausbruch – glückliche Stuttgarter
Hansa Rostock – Hertha BSC Berlin 5:6 n.E.
Wie banal ein aufgeblasenes Ultimatum verpuffen kann
Dirk Böttcher (FR 30.10.) hält die ganze Sache für kindisch: „Wie banal doch so ein aufgeblasenes Ultimatum verpuffen kann. Stevens‘ Arbeitsplatz ausgerechnet an zwei unsäglichen Auftritten beim krisengeschüttelten FC Hansa Rostock festzumachen, war wirklich etwas schwach. Eine bessere Mannschaft ist Hertha BSC nach diesen zwei Siegen jedenfalls nicht, und einen besseren Trainer hat sie schon gar nicht. Die Berliner hatten nur dieses Ultimatum – und eine Menge Glück. Denn das Ultimatum/die Verabredung/die Vereinbarung war im zweiten Teil am Dienstagabend bereits für 15 Minuten abgelaufen. Stevens wäre draußen und Hertha verdient gegen wackere Rostocker ausgeschieden. Und viele hätte es gefreut, hätte diese lauthalse Hertha am Ende mit einem nicht erfüllten Ultimatum dagestanden. Schön knapp nach Möglichkeit, die Elfmeter-Lotterie hätte doch einfach in die andere Richtung ausschlagen können. Es wäre nett gewesen, sich die verbogenen Rücken von Hoeneß, Stevens und den anderen Hauptdarstellern anzuschauen. Was hätten sie dann wohl gesagt und gemacht? Die Betrachter werden es nie erfahren, dürfen sich aber darauf freuen, wenn Berlin das nächste Mal länger nicht gewinnt.“
Nebenwirkungen sind nicht auszuschließen
Christof Kneer (BLZ 30.10.) warnt: „Dieter Hoeneß, der Erfinder dieses speziellen Abkommens, hatte das Glück des Mächtigen. Er hat es mit der beachtlichen Hartnäckigkeit eines Überzeugungstäters geschafft, dem Schicksal seinen Willen aufzuzwingen. Er hat Mannschaft und Trainer mit hineingenommen in einen künstlich errichteten Tunnel, und das Praktische an so einem Tunnel ist, dass in ihm ziemlich einfache Gesetze gelten: Wir sind Hertha BSC und halten zusammen. Die da draußen sind nicht Hertha BSC und im Zweifelsfall schuld. Das Problem an so einem Tunnel ist nur, dass er irgendwann zu Ende ist. Hinter dem Tunnel kommt wieder die Bundesliga, und erst in ihr wird sich erweisen, ob Hertha in dieser Woche wirklich Sieger gewesen ist. In dieser Woche hat Hertha seinen Trainer behalten, aber man kann nicht davon ausgehen, dass sich deshalb die Ursachen der Krise vom Hof gemacht haben. Herthas Kader ist fatal falsch gemischt, und man hat noch nie gehört, dass eine falsche Mischung durch ein Ultimatum wieder weggeht. Man darf gespannt sein, ob es dem vorerst entlasteten Trainer nächstens besser gelingt, die Personalien zu moderieren. Man darf gespannt sein, wie die Fans reagieren, wenn der Trainer, den sie nicht lieben, wieder verliert. Hertha ist ins Risiko gegangen in der letzten Woche, und Hertha hat vorerst bestanden. Nebenwirkungen sind nicht auszuschließen.“
Eines der dramatischsten Spiele der Vereinsgeschichte
Christian Ewers (FAZ 30.10.) erläutert die Bedeutung des Berliner Siegs: “Dieter Hoeneß hatte so seine Schwierigkeiten, diesen Fußballabend zu verarbeiten. Einen Fußballabend, wie er ihn nach eigener Aussage noch nie erlebt hatte. Tatsächlich besitzt das Pokalspiel gegen Hansa Rostock beste Chancen, als eines der dramatischsten in die Vereinsgeschichte von Hertha BSC Berlin einzugehen. 4:3 gewannen die Berliner im Elfmeterschießen – so lautet das nackte Ergebnis. Der Sieg gegen Hansa erzählt auch noch eine anrührende Geschichte: Von einer Mannschaft, die eigentlich schon verloren hatte, und von einem Trainer, der eigentlich schon entlassen war. Und von einem Torwart, der der Mannschaft im letzten Moment den Sieg schenkte und seinem Trainer den Arbeitsplatz rettete. Der Held des Abends hieß Gabor Kiraly. Der ungarische Nationaltorwart blieb einfach stehen, als Gernot Plassnegger seinen Elfmeter geradeaus Richtung Tor schoß. Kiraly kippte nur leicht zur Seite, dann berührte der Ball seine Handschuhe. Das Pokalspiel war entschieden – Hertha BSC zieht in die dritte Runde ein. Und das mit Huub Stevens als Trainer (…) Den Nachweis eines Reifungsprozesses in der Krise sind die Berliner Profis allerdings schuldig geblieben. Das Niveau ihres Spiels war dürftig, allein der kämpferische Einsatz in den Schlußminuten konnte überzeugen. Hoeneß wollte sich nicht feiern lassen für den Sieg. Ihm war keine Genugtuung anzumerken, er nahm das Spiel bescheiden wie ein zu üppig geratenes Geschenk. Neben Stevens, der nun in Berlin weiterarbeiten darf, profitiert besonders Hoeneß von dem gewonnenen Pokalspiel. Die Diskussionen über sein umstrittenes Krisenmanagement werden vorerst verstummen – auch wenn die causa Stevens letztendlich nur durch einen gehaltenen Elfmeter entschieden wurde.“
Javier Cacéres (SZ 30.10.) beobachtet Dieter Hoeneß im entscheidenden Moment: „Da stand er nun, Dieter Hoeneß, in den Katakomben des Rostocker Ostsee-Stadions, vor einer Werbewand mit bunten Logos und harrte einer Live-Schaltung in das abendliche, öffentlich-rechtliche Fußballprogramm. „Noch eine Minute“, gab ihm ein TV-Mann weiter und wachte gleichzeitig darüber, dass nur ja keiner der vielleicht 20 Journalisten, die der Hoeneß’schen Antworten harrten, durchs Bild liefen. „Dreißig Sekunden noch“, hieß es, und Hoeneß war weit davon entfernt, nervös zu werden. Er schmunzelte, wandte sich wippend einem der Reporter zu und sagte: „Manchmal ist’s verrückt. Oder?“ Ja, manchmal ist es das. Als Hoeneß noch in höchster Anspannung am Spielfeldrand stand, noch eine Minute, dann dreißig Sekunden der Verlängerung des Pokalspiels zu absolvieren waren, da lag Hansa Rostock vorne, 2:1, und Trainer Huub Stevens war dem ursprünglichen Wortlaut der skurrilen Erfindung namens „ultimative Vereinbarung“ zufolge seine Beschäftigung los. Ein letzter Eckball flog hinein, von einem Spieler, auf dessen Rücken der Schriftzug Marcelinho stand, und Hansas Abwehr konnte einen letzten, verzweifelten Kopfball von Andreas Schmidt noch abwehren – den Nachschuss des Stürmers Nando Rafael nicht mehr. Der Referee piff ab. Es folgte ein Elfmeterschießen, in dem Hertha obsiegte. Der ultimative Ausgang eines Ultimatums, sozusagen. „Ein Happy-end-Szenario“, urteilte Hoeneß und mutmaßte, dass Hollywood-Regisseur Steven Spielberg „die Hand im Spiel gehabt haben könnte“. Oder eine vergleichbare Kapazität. Zum Beispiel aus dem Horrorgenre oder dem film noire.“
Michael Jahn (BLZ 30.10.) porträtiert Huub Stevens, indem er zurückblickt: „Die Episode liegt schon einige Monate zurück. Stevens hatte ein paar Furchen weniger im Gesicht als in diesen Tagen. Dafür plagten ihn andere Sorgen. Der Niederländer verspürte ausgerechnet vor dem Trainingsauftakt zur neuen Spielzeit heftige Schmerzen im Knie. Herthas Mannschaftsarzt riet zu einer Operation, zwei Tage später. Das gehe überhaupt nicht, monierte Stevens, wir machen das sofort. Ein paar Stunden später lag der 49-Jährige auf dem Operationstisch und konnte bald darauf das Training leiten. Die Ärzte hatten ihn aber dringend um Schonung gebeten und so thronte Stevens einige Male auf einem weißen Plastikstuhl am Rande des Trainingsplatzes. Als in den Boulevardzeitungen Fotos von Stevens auf seinem Stuhl erschienen, war der Übungsleiter sehr verärgert. Was sollten denn die Leute denken? Er, der harte Hund, sitzt bequem auf einem Plastikstuhl? Es passte nicht ins eigene Bild. Stevens pflegt gern sein Image vom Malocher und vom knorrigen Typ. Auch der nervenaufreibenden Krise von Hertha BSC (neun sieglose Spiele in der Bundesliga, Ausscheiden in Runde eins des Uefa-Cups) hielt er dauerhaft seinen Dickkopf entgegen. Ich gehe meinen Weg, sagte Stevens stoisch, wenn er gefragt wurde, wie er die Mannschaft aus der Malaise führen wolle. Sein Weg – das bedeutete vor allem eines: noch mehr arbeiten, noch akribischer jede Übungsstunde planen. Man sagt, Stevens sei im Privatleben ein humorvoller Mann, er soll sogar ein angenehmer Plauderer sein. In den Tagen der Krise war davon nichts zu sehen. Der öffentliche Stevens gab sich hart und unnahbar.“
Ich hoffe, dass Stevens eine faire Chance bekommt
SpOn-Interview mit Dieter Hoeneß
SpOn: Sind Sie mit dem Gefühl ins Bett gegangen, alles richtig gemacht zu haben?
DH: Genugtuung ist nicht meine Denke. Ich bin Überzeugungstäter. Es ging einfach darum, die richtige Entscheidung für den Verein zu treffen. Und danach sieht es jetzt aus. Die einzige Alternative wäre die Trennung gewesen. So war es unsere einzige Möglichkeit, den Bann zu durchbrechen. Ich glaube, dass es gelungen ist.
SpOn: Stevens wäre heute schon nicht mehr Trainer, wenn das Spiel gestern verloren gegangen wäre.
DH: Wir haben eine Vereinbarung getroffen, dass wir zwei Spiele gewinnen wollen, um eine gute Basis zu haben, um mit Stevens weiter zu arbeiten. Aber wir waren uns im Vorstand auch einig, dass die Vereinbarung nicht so rigoros gehandhabt worden wäre. Fakt ist, dass wir gewonnen haben. Jetzt brauchen wir im Nachhinein nicht zu diskutieren.
SpOn: Die Vorgabe von zwei Siegen ist also erfüllt. Kann Stevens jetzt in Ruhe weiterarbeiten?
DH: An mir soll es nicht liegen. Spieler und Fans haben klare Signale gesendet. Wir haben einen sehr unpopulären Weg eingeschlagen. Die Zeichen standen auf Trennung. Ich habe für ihn gekämpft wie ein Löwe. Ich hoffe, dass Stevens eine faire Chance bekommt.
Bayern München – 1. FC Nürnberg 7:6 n.E.
Elisabeth Schlammerl (FAZ 30.10.) hat seismografische Fähigkeiten: „Uli Hoeneß sucht offenbar nur noch den richtigen Moment, um eine seiner berühmten und berüchtigten Attacken zu starten. Der richtige Moment könnte schon nach der Partie beim FC Schalke 04 sein, oder vier Tage später nach dem Champions-League-Spiel gegen Olympique Lyon, spätestens aber nach dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund. Siege allein werden wohl nicht genügen, um Hoeneß zu beruhigen, sondern es müssen überzeugende Siege sein. Es erinnert bei FC Bayern alles ein wenig an die Krise im vergangenen Jahr, obwohl diese damals sehr viel ernster und folgenreicher war. Dem Ausscheiden in der Champions League drohte Anfang November auch noch der Verlust der Tabellenführung in der Bundesliga, und was dann passiert wäre, will sich beim FC Bayern heute niemand mehr vorstellen. Das Duell mit Verfolger Dortmund brachte damals die Wende, die Münchner erkannten gerade noch rechtzeitig den Ernst der Lage. Sie fanden zurück zu einer Einheit, die nach dem Formtief zwar zunächst noch nicht spielerisch überzeugte, aber wenigstens leidenschaftlich kämpfte (…) Das ist das Problem der Bayern: Mit Ausnahme vielleicht des Duells mit Leverkusen fehlte in dieser Saison bisher ein Höhepunkt, ein Gegner, der für einen Adrenalinschub sorgte, eine Partie, die die Bayern auch gedanklich herausfordert.“
Philipp Selldorf (SZ 30.10.) fügt hinzu: „Meister? Was für ein Meister? Nicht viel wies darauf hin am Dienstagabend im Olympiastadion, als sich der FC Forever Number One Bayern und der ewig strauchelnde 1. FC Nürnberg zum Pokalspiel trafen. 1:1 nach 120 Minuten, ein 7:6-Duselsieg im Elfmeterschießen – der Dank der Mitspieler an Oliver Kahn, den „Elfmetertöter“ (Ottmar Hitzfeld), fiel recht verhalten aus. Schon im glücklichsten Moment des Pokalabends verdunkelte das schlechte Gewissen die Gemüter. Sie wussten wohl, dass ihnen der Trainer wieder eine Predigt über die richtige Berufsauffassung halten würde, und auch der Blick auf den Spielfeldrand, wo Karl-Heinz Rummenigge vor lauter Wut ganz rot wurde, verhieß ihnen nichts Gutes. Als die Sache überstanden war, machte Rummenigge stracks kehrt und marschierte wortlos in die Katakomben. Einen Appell an Ehre und Gewissen hatte Hitzfeld bereits am Sonntag an die Spieler gerichtet, weil er beim beschönigend hoch ausgefallenen Sieg gegen Kaiserslautern den Trend zur Überheblichkeit in seiner Mannschaft erkannt hatte. Genutzt hatte das nichts.“
Wacker Burghausen – VfB Stuttgart 0:1
Rudolf Neumaier (SZ 30.10.) sieht Felix und seine Stuttgarter im Glück: „Wenn er demnächst im Champions-League-Finale steht, denn wer würde daran zweifeln, wird sich der Über-Schwabe Felix Magath vermutlich nur noch in Bruchstücken an diesen Ort erinnern. Kalt ist es dort, und hinter der Gegentribüne des kleinen Stadions ragen die bizarren Schlote einer Chemie-Fabrik in den Himmel. Und die Fans der Heimmannschaft singen so jugendlich herzhaft, dass sie bei einer Cover-Version von Pink Floyds „The Wall“ den Schülerchor geben könnten. Und Altötting liegt um die Ecke – vielleicht, mag sich Magath denken, hätte man dort vor der Heimfahrt eine Kerze bei der Muttergottes anstecken sollen, man weiß ja nie. Naja, Imre Szabics hat an diesem Abend das Tor geschossen, das einzige und entscheidende. Es war ein Spiel im DFB-Pokal. Aber wo war das? Ach ja, Burghausen. Es hätte anders laufen können. Wenn das Schussglück dem Burghauser Defensivspieler Franz Berger holder gewesen wäre, als es dem Stuttgarter Szabics war, würde Magath diese Stadt als Ort der Schmach wohl niemals vergessen. Bergers Schuss titschte von der Latte ins Aus, Szabics’ von der Latte ins Tor. „Wir hätten uns in ganz Deutschland, sogar in Europa einen Namen machen können. Schade“, sagt Matthias Örüm, der beim Zweitligisten SV Wacker Burghausen in der Innenverteidigung spielt. Ein bisschen schade – das drückt die Stimmung bei Wacker Burghhausen ziemlich exakt aus. Der Trainer, der Manager und die Fans wirken nach dem Aus wie Kandidaten einer Quiz-Sendung, die an der Millionen-Frage gescheitert sind.“
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