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1:0-Sieg gegen Südkorea
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| Donnerstag, 25. März 2004
Die deutsche Fachpresse spricht über den 1:0-Sieg gegen Südkorea einhellig sowohl von einem verdienten Sieg als auch von der besten Turnierleistung der deutschen Auswahl. „Die Magier, die nicht zaubern“ schreiben „ein Stück mit heißem Herzen erkämpfte Sportgeschichte“ (SZ). Die FAZ sah „solide deutsche Wertarbeit“ und eine „exzellente Defensive“, aber auch„eine überaus konzentrierte und über weite Strecken auch spielerisch beachtliche Leistung“. Die FR meint zum Spiel: „Die Spieler haben mit ihrem couragierten Auftritt sich, den kritischen deutschen Medien und der Weltöffentlichkeit gezeigt, dass sie nicht nur auf Kopfball und Kahn bauen müssen.“ „Wer auch immer der Endspielgegner sein mag“, wirft die SZ einen Blick nach vorne, „leichtes Spiel wird er mit dieser bravourösen Elf nicht haben.“ „Die Koreaner dagegen durften sich am Dienstag trotz ihrer ersten Niederlage als einer der ganz großen Gewinner dieser Titelkämpfe fühlen“, widmet die FAZ ihre Aufmerksamkeit den Verlierern. Einstimmig bedauern die Kommentatoren die „unglücklich-glücklichen Minuten“ (Tsp) des „tragischen Helden“ (FR) Michael Ballack, der zwar das Siegtor schoss, jedoch im Finale gesperrt sein wird.
Ludger Schulze (SZ 26.6.) erzählt „eine Heldensage der besonderen Art. Als das Spiel null zu null und Spitz auf Knopf stand, die Koreaner mit verzweifelten Angriffen die Entscheidung suchten, grätschte Michael Ballack Lee Chun Soo von hinten in die Beine. Nicht der folgende Freistoß war das Übel, sondern die – leider berechtigte – Gelbe Karte für den Neu-Münchner. Es ist seine zweite in der K.o-Runde, und sie hat eine folgenschwere Bedeutung: Ballack ist für das Finale gesperrt. Doch seine Reaktion auf diesen Schock spiegelt den Charakter des Teams aufs Genaueste wider: Ballack nahm sich nicht die Zeit für düstere, um die eigene Person kreisende Gedanken, sondern raffte sich zu einer weiteren Steigerung auf, um seine Kollegen auf dem Weg zurück nach Japan voranzutreiben. Die Gelegenheit ergab sich knapp vier Minuten später, als Oliver Neuville davon rannte und scharf nach innen passte – mit dem rechten Fuß schoss Ballack aus zehn Meter zunächst Keeper Woon Jae Lee an, schob dann aber reaktionsschnell den abprallenden Ball zum entscheidenden 1:0 ins Netz.“
Thomas Kilchenstein (FR 26.6.) über einen „tragischen Helden“. Die ganzen Strapazen des letztenJahres, die vielen, vielen Schmerz stillenden Spritzen, die Plackerei, die ewige Schinderei – alles für die Katz‘. Den Lohn der Entbehrungen kriegt nicht Michael Ballack. Auch Laurent Blanc, der Kapitän der französischen Nationalelf, hat 1998 wegen der zweiten gelben Karte im Finale zusehen müssen, auch Andreas Möller beim EM-Finale 1996 in England. Aber so was hilft einem nicht wirklich über den Schmerz hinweg. Ohne Michael Ballack wäre die deutsche Elf nie und nimmer ins Finale gekommen. Drei Tore hat der so vielseitige Mittelfeldspieler geschossen, vier vorbereitet. Der Neu-Bayer war es, der in den entscheidenden Spielen die entscheidenden Tore erzielt hat.“
Ralf Wiegand (SZ 26.6.) zum Siegtorschützen. „Schöner Fußball, schlimmer Fußball, die ganze Palette in vier Minuten. Was mag Michael Ballack, 25, bloß gedacht haben in diesen Momenten seiner Karriere, die, so steil sie auch verlaufen ist in den letzten Jahren und Monaten, einen solchen Gipfel noch nicht erlebt hat. Innerhalb von 360 Sekunden verlor er persönlich ein Finale und schenkte der Mannschaft eines; das ist mehr, als die meisten Spieler in ihrer ganzen Laufbahn erleben.“
Michael Horeni (FAZ 26.6.) erkennt Parallelen im Turnierverlauf beider Mannschaften. „Vor Turnierbeginn hatten die Deutschen – genauso wie die Koreaner – nicht einmal Mut zum Träumen gehabt. Die einen wären schon froh gewesen, mal ein Spiel zu gewinnen. Die anderen wollten bloß die Vorrunde überstehen. Träume sehen tatsächlich ganz anders aus; um so schöner, wenn sie erst entdeckt und geweckt werden müssen. Von Tag zu Tag wuchs bei Deutschen und Koreanern in ihrem Fußballsommer der Mut, an große Ziele zu glauben. Hier beim fulminanten 8:0 gegen Saudi-Arabien, dort mit dem 2:0 gegen Polen der erste, heißersehnte Sieg (…) Wie es sich für eine traditionsreiche Turniermannschaft gehört, steigerte sich der dreimalige Weltmeister im Halbfinale zu seiner besten Turnierleistung in einem Stadion, in dem der Ausnahmezustand zum Normalfall erklärt worden war. Mit aller Entschlossenheit ließen die Deutschen gegen Korea ihren Traum nicht mehr los, der nun Weltmeisterschaft heißt.“
Ralf Wiegand (SZ 26.6.) beleuchtet die Zukunfstperspektiven der deutschen Mannschaft. „Ein Großteil der Spieler, die jetzt das Endspiel erreicht haben mit – darf man es sagen? – deutschen Tugenden, wird die nähere Zukunft des Fußballs sein im Land des WM-Gastgebers. 2006 wird von ihr nicht weniger verlangt als der Titel, sie kann jetzt schon daran riechen und daran wachsen. Sie hat genug Spielraum gelassen in diesem Turnier, den Anspruch, ein WM-Finalist oder mehr zu sein, in den vier langen Jahren bis zum Heimspiel zu bestätigen, und sie hat mit ihrem Gemeinsinn und ihrer Bereitschaft, sich auf das zu beschränken, was sie am besten kann, auch genug Hoffnungen geweckt. Hoffnung auf mehr.“
Eine Spielanalyse von Jan Christian Müller (FR 26.6.). „Die Deutschen schlugen die Gastgeber mit deren eigenen Mitteln. Vielleicht nie zuvor in der mehr als hundertjährigen Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes sind deutsche Nationalspieler innerhalb von 96 Minuten so viel gelaufen wie an diesem recht kühlen Abend in der intensiven Atmosphäre des World Cup Stadiums von Seoul (…) Nie zuvor in ihrer Historie hat eine deutsche Nationalmannschaft derart erfolgreich ihr Defensivsystem von Spiel zu Spiel, mitunter von einer Halbzeit zur anderen, immer wieder umgestellt. Wohin immer die ermattenden Koreaner auch liefen – ein Deutscher war schon da, und meistens sogar zwei. Zudem erwies sich die Ankündigung von Trainer Guus Hiddink, seine Mannschaft könne nur eines, nämlich nach vorn spielen, als großer Bluff. Bis auf die erste und die letzte Viertelstunde dominierte die taktisch hervorragend eingestellte DFB-Elf die unruhige Begegnung.“
Roland Zorn (FAZ 26.6.) sah „eine starke Leistung, die Respekt abnötigte, wenn auch nicht zu Liebeserklärungen veranlasste. Wieder einmal haben die Deutschen bei diesem Turnier bestätigt, dass sie nicht viele große Momente brauchen, um ihre Ziele zu erreichen. Gleich, ob nun Brasilien oder die Türkei am Sonntag in Yokohama der Gegner sein wird – viel verlieren kann die Elf von Völler dort nicht mehr.“
Stefan Herrmanns (Tsp 26.6.). „Was hatte die deutsche Mannschaft nicht alles an Kritik ertragen müssen. Schlecht hätte sie gespielt, glücklich sei sie bei der WM weitergekommen. Im Halbfinale aber kam nun der Moment, an dem Rudi Völlers Team alle Nörgler widerlegte. Toll gespielt, toll gekämpft und vollkommen zu Recht gewonnen.“
Christoph Biermann (SZ 26.6.) analysiert die Spieltaktik beider Teams. „Wenn sich die deutsche Mannschaft mit einer Qualität während des Turniers deutlich profiliert hatte, war es ihr überragendes Kopfballspiel vor des Gegners Tor. Wenn es eine deutliche Schwäche der tapferen koreanischen Mannschaft gab, lag sie bei der Abwehr von Kopfbällen. Dieser Ausgangspunkt bestimmte auch weitgehend die taktische Ausrichtung beider Mannschaften im Halbfinale. Rudi Völlers Team suchte den Weg über die Flügel, um den Ball hoch und damit gefährlich vor das Tor zu bringen, während die Mannschaft von Guus Hiddink genau dies unbedingt zu verhindern suchte (…) Besonders beeindruckend war es, wie sehr sich alle deutschen Spieler in den Dienst der Defensive stellten. Selbst die Künstler Schneider oder Ballack rückten bis in die letzte Reihe ein, wenn es notwendig war.“
Frank Ketterer (taz 26.6.) zum Spiel. „Dass nun ausgerechnet die deutsche Mannschaft die Roten Teufel aus dem Rennen warf und schaffte, was Portugal, Italien und Spanien nicht gelang, mag schon deshalb etwas heißen, eine ganze Menge sogar. Oder anders gesagt: Deutschland zeigte im Halbfinale seine bisher beste Leistung bei diesem Turnier und siegte nicht unverdient (…) Die deutsche Mannschaft zeigte im Hexenkessel von Seoul, in dem nicht nur 65.000 Südkoreaner ihre Mannschaft anfeuerten, sondern die Seele eines ganzen Volkes, eine in allen Bereichen starke Leistung, die der Mannschaft in dieser Form kaum einer zugetraut hatte. So war Carsten Ramelow umsichtiger Chef einer stabilen Viererkette, Didi Hamann als Antreiber im defensiven Mittelfeld an Effektivität kaum zu übertreffen, Michael Ballack ein umsichtiger Spielmacher, Oliver Neuville, der viel über außen kam, stets ein Gefahrenquell, während Marco Bode vor Dynamik nur so strotzte. Und alle zusammen waren sie in der Hitze des Gefechts unglaublich clever, cool, abgezockt beinahe, ohne diesmal das Wesentliche zu vergessen: Fußball zu spielen.“
Michael Horeni (FAZ 26.6.) über die Verlierer. „Auch wenn die famosen Teil-Gastgeber dieser Weltmeisterschaft nun nicht mit dem Finale für eine die Welt aufregende Gesamtvorstellung belohnt werden – ihre Träume waren längst wahr geworden. Eine Mannschaft, die vor diesem Turnier nicht ein einziges Mal über einen Sieg bei der WM jubeln konnte, versetzte ein Land wochenlang in nicht gekannte Glücksgefühle. Und auch nach dem 0:1 herrschte beim Publikum nie der Eindruck vor, noch etwas versäumt zu haben.“
Roland Zorn (FAZ 26.6.) zur Stimmung in Südkorea. „Das hat es sich verdient: Am Montag, wenn die große Party endgültig vorbei ist, gewährt Südkoreas Regierung ihrem Volk einen Tag Extraurlaub. Damit zahlt der Staat, der dann schon ein ehemaliger Festausrichter sein wird, seinen Bürgern post festum eine Prämie für deren unnachgiebige Begeisterung im Monat Juni. 47 Millionen Menschen im Süden des geteilten Landes haben während dieser Zeit aus ihrer Mitgastgeberrolle bei der Weltmeisterschaft ein gigantisches Heimspiel gemacht – vor allem dann, wenn die eigene Mannschaft die große Bühne enterte und, bis Dienstag, einen Favoriten nach dem anderen in die Knie zwang. Rund um diese nationalen Feiertage strömten immer mehr Menschen massenhaft auf die Straßen. Am Dienstag erreichte der nationale Enthusiasmus seinen Siedepunkt: Sieben Millionen Koreaner schlossen sich auf 400 Plätzen des Landes kurz und wurden wieder einmal mit dem mächtigen „Tae han min guk“-Schlachtruf zu einem einig Volk von Chorknaben und Sangesschwestern.“
Jan Christian Müller (FR 26.6.) zum selben Thema. „Es darf aber bezweifelt werden, ob das größte Fest, dass das Land am 52. Jahrestag des Ausbruchs des Koreakrieges erlebt hat, auch einen politischen Hintergrund hat. Wohl eher einen sozialen: Die zurückhaltenden Koreaner genießen den nationalen Ausnahmezustand, sie vermitteln geradezu kindliche Begeisterung, wenn sie ihre Freude nicht nur mit ihresgleichen, sondern auch mit den vielen Ausländern teilen, die dieses Land bald auf Nimmer-Wiedersehen verlassen werden. Es ist eine gefahrlose Hysterie.“
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Einzelkritik SZ
Stimmen zum Spiel SZ FR Die Welt (I) Die Welt (II)
Interview mit Völler SpOn
vor dem Spiel (25.6.)
„Auch die Deutschen sind, selbst wenn viele das nicht mehr glauben mögen, in Asien nur eine von zahlreichen Überraschungsmannschaften, die durch den Hintereingang auf die ganz große WM-Bühne gelangt sind“, ruft die FAZ ursprüngliche Erwartungshaltung gegenüber der deutschen Elf sowie ihre anfängliche Außenseiterrolle in Erinnerung. Die Chancen auf einen heutigen Finaleinzug gegen die Gastgeber aus Südkorea stehen – um es mit Reiner Clamund zu sagen – 50:50 oder sogar 60:60. „Wenn Südkorea jetzt einen Präsidenten wählen dürfte und nicht erst im Dezember, dann wäre das Wunsch-Ergebnis klar: Guus Hiddink“, beschreibt die FAZ die Wertschätzung des niederländischen Fußballtrainers seitens der südkoreanischen Öffentlichkeit. Vor etwa einem Jahr übrigens war er höchst umstritten.
Michael Horeni (FAZ 25.6.) kommentiert die Halbfinalteilnahme der Deutschen. „Wer vor dem Halbfinale gegen Südkorea noch ehrlich zu sich und zum deutschen Fußball sein kann, sich dabei jeden einzelnen deutschen Spieler betrachtet, seine Fähigkeiten beurteilt und sich dann noch der Qualifikationsspiele zur WM erinnert, der wird feststellen: Deutschland ist in dieser Runde, die jeden Hauch von Exklusivität vermissen lässt, bestens aufgehoben. Die No-Name-Teams sind nach vier Wochen WM-Leistungsschau genau die angemessene Umgebung für den dreimaligen Weltmeister aus früheren, lange vergangenen Zeiten. Es gibt nur noch einen Grund, weiterhin so zu tun, als hätte Deutschland eine bessere Gesellschaft verdient: die ruhmreiche Vergangenheit.“
Zur Stimmung im deutschen Lager schreibt Philipp Selldorf (SZ 25.6.). „Manches Problem haben die Deutschen durch ihre Geschlossenheit kompensiert, als sie in schwierigen Spielen wie gegen Paraguay und USA bestehen mussten. Den Rest, die womöglich grandiose Kür, werde seine Mannschaft mit neuem Enthusiasmus angehen, glaubt Rudi Völler (…) In der Kunst, fußballerische Nachteile durch Hingabe auszugleichen, unterscheidet sich das deutsche Team nicht so sehr von ihnen. Mancher Spieler befindet sich längst im Rausch des WM-Trips.“
Roland Zorn (FAZ 25.6.) zum selben Thema. „Der scharfe Wind bläst dieser Auswahl schon seit zwei Jahren ins Gesicht. Vom ersten Tag nach dem Desaster der Europameisterschaft unter dem neuen Teamchef bis hin zur Abfahrt um den Einzug ins Finale der Weltmeisterschaft ist dies die prägende Konstante für eine chronisch unterschätzte und eine sich geringgeschätzt fühlende Mannschaft. Daraus entwickelte und verfestigte sich vor und während der WM eine eigentümliche Grundhaltung, die aber womöglich sogar bis ins Endspiel trägt: Wir gegen Korea. Wir gegen Beckenbauer. Wir gegen alle.“
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Interview mit Horts Hrubesch FR
PorträtMiroslav Klose taz
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