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Ballschrank

1:2 gegen den FC Barcelona

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für 1:2 gegen den FC Barcelona

Nach dem 1:2 gegen den FC Barcelona geht die deutsche Sportpresse mit dem Team aus Leverkusen hart ins Gericht, was als Beleg dafür herhalten kann, dass die Erwartungen an den Vorzeigeklub des letzten Jahres inzwischen deutlich gewachsen sind. Vor Jahresfrist wäre eine solche Niederlage in letzter Sekunde gegen die renommierten Katalanen als unglücklicher Auftritt eines couragierten Außenseiters beurteilt worden. Nunmehr jedoch zeigt sich die FAZ enttäuscht, dass die Bayer-Elf die Erfahrungen der letzten zwölf Monate nicht in wertvolle Routine umwandeln konnte: „Der Finalist der vergangenen Saison kam sich wie im ersten Champions-League-Lehrjahr vor.“ Das Fazit des Tsp gilt folglich nicht nur für die zunächst sehr defensiv agierenden Spanier, sondern gleichzeitig für die Kategorien der hiesigen Beobachter: „Die Unterschätzten aus Leverkusen sind zu Überschätzten geworden.“

Was im Vorjahr noch als Angriffslust ausgelegt wurde – nämlich der Wille zum Torerfolg bis zum Schlusspfiff –, wirft man den Leverkusenern heute als Naivität vor. Ein Detail: Damals glückte dem Team nahezu alles, während heute meist vermeintliche Kleinigkeiten das zuvor mühevoll Erreichte wieder zerstören. Dieses mal „landete der Wanderpokal für spielentscheidende Fehler bei Diego Placente“, heißt es in der SZ. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass der Bonus, den sich Bayer bei den Fußballfreunden und -experten durch seinen Parforceritt in der Vorsaison erspielt hatte, aufgebraucht ist und nun in Form von unnachsichtiger Kritik wie ein Bumerang zurückkommt.

Außerdem: Berichte aus Moskau, Mailand, Berlin u.v.m.

Bayer Leverkusen – FC Barcelona 1:2

Bernd Müllender (taz 29.11.) schreibt zum Spiel. „Individuelle Fehler, Kleinigkeiten mit großer Wirkung, alles ansprechen, vorbereiten, aber dann geht es wieder von vorne los: Und spieltäglich grüßt das Murmeltier. Die US-Komödie von 1993, die am Groundhog Day (Murmeltiertag) im Provinznest Punxsutawney spielt, bekommt wenigstens ein Happy End. Auf Bayers Footballground scheint sich die Zeitschleife derzeit immer neu einzufädeln. Besserung ist nicht in Sicht. Die Fans knurren, die Mediendeuter plagen sich. Toppmöllers Elf liefert seit dem Sommer gelegentlich Glanzvorstellungen ab – und dilettiert gleich darauf als Rumpelcombo. Rund um die BayArena sucht man nach Vergleichen: Bayer ist wie eine Sphinx. Wie eine zickige Geliebte. Wie ein bockiges Kind. Offenbar gehört es zum janusköpfigen Wesen dieser Elf, ständig die Masken zu wechseln (…) Im Vorjahr ist weitgehend unbemerkt geblieben, wie punxsutawneyhaft dieses Leverkusen auch im Kunstglanz Europas geblieben ist. Das Publikum, mehrheitlich aus Bayers Konzernetagen, liebt das Stakkatoklatschen als höchste Form der Ekstase und gibt sich ansonsten dem wohlfeilen Maulen hin – am Mittwoch wurde Angreifer Thomas Brdaric nach seiner ersten misslungenen Szene nach 70 Sekunden ausgepfiffen und zur Auswechslung vorgeschlagen. Wie soll da ein Stürmer Selbstbewusstsein tanken und auch noch das Tor treffen? Während des Spiels schimpften die Zuschauer ungeduldig bei fast jedem klugen Aufbaurückpass, nachher moserten sie tribünenweit: Wat sichern die auch nich den einen Punkt so kurz vor Schluss? Der monoglotte Stadionsprecher im freudlos-preußischsten Anwesen des Rheinlands dilettiert schon bei jeder englischen Durchsage, dass es ein schämenswerter Jammer ist. Und da hatte er diese komischen spanischen Spielernamen noch gar nicht vorgelesen und als Gegner Barca statt Barça verkündet. Nur die Musik ist in Leverkusen so laut, dass man sie auf allen anderen Plätzen der Champions League hören kann. Jetzt droht baldige musikalische Stille.“

Roland Zorn (FAZ 29.11.) kritisiert hart. „Van Gaals Konzept ging auf: Die anders als in der vergangenen Saison nur noch bemühten, aber nicht mehr inspirierten Leverkusener rannten sich müde, verloren an Konzentration und wurden von van Gaals Strategiewechsel überrumpelt. Von der 46. Minute an wirbelten Saviola und Riquelme, von der 75. Minute an auch noch Overmars mit Spielwitz und stürmischem Elan das Bayer-Werk derart durcheinander, daß Berbatows Führungstor am Ende nur noch Erinnerungsmarke an einen Moment der Hoffnung war (…) Die durch nichts gerechtfertigte Leverkusener Naivität nach passabler erster Hälfte rächte sich am Mittwoch. Nur weil van Gaal seine Absicht zunächst maskiert hatte, wiegten sich einige Bayer-Profis in Sicherheit. Deshalb gingen der schon vor dem Wechsel kaum ersichtliche Biß und die Konzentration innerhalb des Teams später vollends verloren. Bayer Leverkusen ließ sich von einer international versierten Mannschaft übertölpeln und war dazu einfältig genug, sich nicht einmal mit dem diesmal höchsten der Gefühle, dem 1:1, bescheiden zu wollen (…) Die Stars Ballack und Zé Roberto sind weg, Kapitän Nowotny ist von seinem Kreuzbandriß noch nicht wieder genesen, andere Protagonisten von gestern wie Schneider, Placente, Bastürk oder Lucio sind mit ihren Formschwankungen zu unsicheren Kantonisten geworden. Dazu zeigte sich am Mittwoch, daß Toppmöllers Jugendprogramm mit Begabungen wie Balitsch, Berbatow, Babic und Bierofka gegenüber erwachsenen Größen am Ball noch unausgereift wirkt. Wenn es nur die Pannen einzelner Spieler wären. Bayer Leverkusen aber erweckt in diesen Wochen insgesamt den Eindruck einer wider besseres Wissen sorglosen Ansammlung von in den Tag hinein kickenden netten Jungs, denen die wahren Bezugsgrößen ihres Berufs abhanden gekommen scheinen. Schönredner, Schönwetterspieler: In Leverkusen ist November, und niemand merkt’s.“

Christoph Biermanns (SZ 29.11.) Vergleich mit den Geschehnissen im Vorjahr fällt aus Leverkusener Sicht nicht gut aus. „Wenn am Ende der Saison bei Bayer Leverkusen Bilanz gezogen wird, dürfte unzweifelhaft die vorletzte Minute der Partie gegen den FC Barcelona noch mal in den Blick geraten. Exemplarischen Wert hatten die wenigen Sekunden, die es von Daniel Bierofkas Versuch dauerte, seinen Gegenspieler zu umdribbeln, bis zum kühl erzielten Siegtreffer der Katalanen. Rasend schnell schlug in diesen Momenten die Aussicht, noch den Siegtreffer zu erzielen, in eine Niederlage um. Bestraft wurde Bayer für die Unterzahl beim Konter und die schlechte Staffelung der Defensive. Es offenbarte viel von dem Drama, das Bayer in diesen Wochen erlebt. „So etwas darf einer guten Mannschaft nicht passieren“, sagte Klaus Toppmöller. Im Umkehrschluss bedeutet das: Sein Team ist nicht gut. Jedenfalls nicht annähernd so gut, wie sie das im Vorjahr war. Nach der Partie am Mittwoch drängte es sich geradezu auf, den Vergleich mit dem Spiel gegen Barcelona in der vorigen Saison an gleicher Stelle zu ziehen, so spiegelverkehrt verlief sie. Vor 14 Monaten ging Barca mit einer 1:0-Führung in die Pause, diesmal war es Leverkusen. Kurz nach der Pause glich damals Bastürk aus, diesmal war es Saviola. Beim Stand von 1:1 vergab Riquelme einen Strafstoß, damals war es Butt. Schließlich drehte Barcelona die Partie noch, wie es einst Bayer gelungen war. Einen kompletten Rollentausch nahmen beide Mannschaften vor.“

Philipp Thommen (NZZ28.11.). „Beide Teams vermochten über weite Strecken nicht zu kaschieren, dass sie ihrer Bestform derzeit noch hinterher laufen, wofür die derzeitigen Klassierungen in den jeweiligen nationalen Championats beredtes Zeugnis ablegen – Bayer belegt derzeit den elften, Barcelona den zehnten Platz. Entsprechend bot die erste Halbzeit auch keinen Fussball für Feinschmecker, obwohl besonders dem Bayer-Werksteam Wille und Engagement nicht abzusprechen waren, diesen aber (wie der Gegner) die grosse spielerische Linie vermissen liess. Bezeichnenderweise resultierten denn auch sämtliche halbwegs gefährlichen Torszenen in dieser Phase aus stehenden Bällen – Berbatow verwertete schliesslich einen Corner mit dem Kopf. Vom stolzen katalanischen Verein war bis dahin noch kaum etwas zu sehen gewesen, sieht man von einem Kopfball des jungen Verteidigers Fernando einmal ab. Daran änderte sich allerdings schlagartig Wesentliches, als Barça-Trainer van Gaal in der Halbzeit (endlich) die beiden argentinischen Youngsters Riquelme und Saviola ins Spiel brachte. Keine drei Minuten vergingen, ehe Saviola auf Vorarbeit seines Landsmannes den Ausgleich erzielte. Van Gaal wird sich wohl wieder fragen lassen müssen, weshalb er die beiden kongenialen Südamerikaner zunächst eine Halbzeit lang auf der Bank hatte schmoren lassen. Begünstigt wurde der Aufschwung Barcelonas allerdings durch den immer stärker zutage tretenden Kräfteabbau im Team Bayers. Die Deutschen liessen jedoch nicht nur physisch nach, sondern offenbarten auch Konzentrationsschwächen.“

Lokomotive Moskau – Borussia Dortmund 1:2

Markus Wehner (FAZ 28.11.) zu den Reaktionen. „Matthias Sammer war die Erleichterung anzusehen. Nach zuletzt vier Niederlagen in fünf Spielen hat Borussia Dortmund im ersten Zwischenrundenspiel der Champions League die Nagelprobe in der russischen Hauptstadt gegen Lokomotive Moskau bestanden. Es war am Dienstag abend ein glanzloser 2:1-Arbeitssieg gegen den russischen Meister, doch Sammer wollte ihn dank der kämpferischen Leistung des BVB nicht als glücklich bezeichnen. Wenn man gegen eine Mannschaft, die durch den Gewinn der Meisterschaft gerade mächtig Rückenwind hat, auf deren eigenem Platz zurückliegt und dann das Spiel trotz widriger Bedingungen noch dreht, dann ist das einverdienter Sieg, lobte Sammer die Moral seiner Spieler. Dabei hatte in den ersten zwanzig Minuten der Begegnung auf holprigem Untergrund und bei Minustemperaturen alles nach einem Sieg der Moskauer ausgesehen (…) Die Mannschaft habe es immer geschafft, unter hohem Druck zurückzukommen. Aber genauso oft haben wir gezeigt, daß wir nach einem Kraftakt wieder nachgelassen haben, malte der Trainer die Zukunft des BVB in den grauen Farben des Moskauer Novembers. Optimisten seien Menschen, die auf den dunklen Wolken wandelten, unter denen Pessimisten Trübsal blasen, hatte Sammer am Vortag im Kreis der Mannschaft in einer lyrischen Anwandlung zum besten gegeben. Dennoch zähle er sich zu den Pessimisten, gab er nach dem Spiel zu. Doch Moskau hat Hoffnung gemacht, selbst dem Berufspessimisten, der nicht auf Wolken wandelt.“

Spielbericht Tsp

AC Milan -Real Madrid 1:0

Birgit Schönau (SZ 28.11.). „Ein Spitzenspiel war angekündigt, eine kleine Revanche erwartet worden nach den mageren Jahren der Italiener in den Uefa-Wettbewerben. Es wurde ein Triumph. Nicht das Ergebnis, ein wenig aussagekräftiges 1:0. Nein, Milan spielte mit den Weißen aus Madrid Katz und Maus, entzauberte die selbstverliebte, wenig konkrete Truppe um den genialen Zinedine Zidane, der an diesem Abend seine Klasse nur aufblitzen ließ. Keine Minute lang dominierte Real dieses Spiel, der Tabellenführer der Serie A hingegen, der eben mit einem Tor von Serginho das Derby gegen Inter gewonnen hatte, zeigte eine vollkommen unitalienische Spielfreude. Einer war der Motor der neuen Wundermaschine: Manuel Ruí Costa. Dem Portugiesen fehlen die Präzision und die beeindruckende Raumdominanz des Franzosen. Zidane spielt auch an seinen schlechteren Tagen noch in seiner eigenen, höheren Liga. Ruí Costa hat zwei, drei überragende Momente im Jahr, in denen er das Publikum verhext. Gegen Real Madrid war wieder so einer. Während sich Rivaldo in den Dienst der Mannschaft stellte, hatte Ruí Costa seinen Auftritt als Solist. Er vergab ein paar Torchancen, so sehr drängte es ihn, dass er den Ball partout nicht abgeben wollte und von der Trainerbank zusammengestaucht wurde. Aber dann zerschnitt sein Pass über 50 Meter das Mittelfeld, flog der Ball vorbei an Salgado, Figo, Roberto Carlos. Andrej Schewtschenko nahm ihn mit dem linken Fuß. Und setzte ihn ins Tor.“

Spielbericht AS Roma – Arsenal London (1:3) NZZ SZ

Reaktionen der englischen Presse auf den 3:1-Sieg Manchesters in Basel NZZ

Reaktionen in Basel NZZ Die Stimmung in Basel NZZ

Hertha Berlin – FC Fulham 2:1 (Uefa-Cup)

Friedhard Teuffel (FAZ 28.11.). „Was sich von Hertha BSC Berlin in dieser Saison bis hierher eingeprägt hat, ist ein ausgeprägtes Gespür für unpassende Bekleidung. Es fing mit Huub Stevens‘ Stoffwechsel vom Trainingsanzug hin zum Ausgehanzug an. Eine Modepanne, weil Stevens doch ein Arbeitertyp ist und man ihm eine gute Spielanalyse abkauft, aber keine Versicherung. Als Stevens dann wieder im Trainingsanzug auf der Bank saß, wollte er Bartosz Karwan im Spiel gegen Bayer Leverkusen einwechseln. Doch der Pole stand auf einmal im T-Shirt da. Er hatte sein Trikot in der Umkleidekabine vergessen. Ehe es der Zeugwart geholt hatte, war Trainer Stevens die Lust auf diese Einwechslung vergangen. Am Dienstag, beim 2:1-Sieg im Drittrundenhinspiel des Uefa-Pokals gegen den Londoner Klub FC Fulham, folgte das nächste Mißgeschick. Spielmacher Marcelinho hatte sich für Noppenschuhe entschieden, anstatt auf seinen Trainer zu hören. Der hatte schon zwei Tage vorher zu Stollenschuhen auf dem rutschigen Rasen des Berliner Olympiastadions geraten und diese Empfehlung von Torwarttrainer Nello di Martino sogar noch einmal überprüfen lassen. Marcelinho bestätigte gleich in den ersten zwanzig Minuten, daß es bei Hertha BSC einen Zusammenhang zwischen falscher Kleidung und sportlicher Leistung gibt. Der Rasen zog ihm ein ums andere Mal die Füße weg. Ein Glück für Hertha, daß Marcelinho nicht standhaft blieb. Kaum hatte er nach zwanzig Minuten seine Schuhe gewechselt, erkämpfte er einen Eckball, spielte ihn präzise auf Stefan Beinlichs Kopf und jubelte über das 1:0. Von da an wurde es ein unterhaltsames Fußballspiel (…) Auf ein modisches Extra verzichtete an diesem Abend Facundo Sava. Eigentlich schmückt sich der argentinische Stürmer nach jedem Tor mit einer Zorro-Maske. In der 68. Minute traf er zwar, zeigte aber offen sein enttäuschtes Gesicht, denn er hatte den Ball nach einem Freistoß von Marcelinho ins eigene Tor befördert.“

(27.11.)

Jörg Stratmann (FAZ 27.11.) bemerkte vor dem Spiel in Leverkusen. „Wenn die Großen kommen, läuft er zur Bestform auf. Dann lähmt ihn kein Respekt, vielmehr scheint ihn die Lust zu beflügeln, auch in diesen Kreisen mitzuhalten. Mit frechen Dribblings und verblüffender Technik handelte sich Bernd Schneider im Sommer so den Ruf ein, der wahre Brasilianer im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft gewesen zu sein. Und auch Hollands Ballkünstler düpierte der Leverkusener jüngst ein ums andere Mal. Das hat internationales Interesse an dem 28 Jahre alten Profi geweckt, der auch seinerseits über den Tellerrand seines Vereins Bayer 04 hinausblickt. Insofern scheint vor dem ersten Zweitrundenspiel der Champions League an diesem Mittwoch gegen den FC Barcelona zumindest dies klar: 22.500 Zuschauer in der BayArena werden einen Mittelfeldspieler Schneider in größter Spiellaune erleben. Nur ein Schelm, der dabei auch anderes vermutet? Denn der berühmte katalanische Verein, so wird in diesen Tagen wieder kolportiert, habe ein Auge auf den Leverkusener geworfen. Vor allem Barcelonas Trainer Louis van Gaal gefalle Schneiders Spielweise, deren Wirksamkeit sich der Holländer beim Länderspiel gegen die Niederlande in Gelsenkirchen noch einmal selbst vor Augen führte.“

Walter Haubrich (FAZ 27.11.) zeichnet ein sehr schönes Vereinsporträt des FC Barcelona. „Louis van Gaal wird in Barcelona inzwischen sogar von den Sportjournalisten gelobt. Mit seinen verbesserten Spanischkenntnissen scheint der holländische Trainer des FC Barcelona auch seine Umgangsformen geändert zu haben, vor allem Ton und Vokabular seiner Antworten bei Pressekonferenzen. Während er früher noch häufig mit Bist du dumm? oder Nur ein ganz negativer Mensch sagt so etwas auf Fragen reagierte, die ihn ärgerten, erklärt er heute mit vorher unbekannter Geduld sein Spielsystem und manchmal sogar den Sinn seiner ständigen Eintragungen in das geheimnisvolle Heft, das er auch am Spielfeldrand fast nie aus der Hand legt. Die Spieler des FC Barcelona begreifen inzwischen auch die Vorteile des harten und ausgedehnten Trainings van Gaals. Sicher tun sich Saviola und Riquelme etwas schwerer mit der harten Gangart des holländischen Coachs und der immer noch leicht besserwisserischen Art seiner Erklärungen. Doch weiß van Gaal, daß die beiden Argentinier die besten Techniker seiner Mannschaft sind und daß ohne ihre aus Dribblings resultierenden Pässe sein Landsmann Kluivert weniger Tore erzielen würde (…) Der FC Barcelona holte sich in seinen guten Zeiten die damals besten Spieler der Welt, Cruyff, Maradona, Schuster, Romario und Ronaldo, in seine Mannschaft. In den vergangenen Jahren kaufte der Verein zwar immer noch viele, aber längst nicht mehr die besten Ausländer. Doch der Hauptgrund für den Prestigeverlust des katalanischen Fußballklubs sind nicht die Spieler, ist auch nicht der immer noch unbeliebte Trainer. Das Problem des FC Barcelona ist sein Vorstand. Wenn Präsident Joan Gaspart den Mund aufmacht, kostet das den FC Barcelona Sympathien. Mit einem rabiaten Fanklub, der zuletzt beim skandalösen Duell mit Real Madrid am Samstag abend unangenehm auf sich aufmerksam machte, trifft er sich regelmäßig; die von ihm mitfinanzierten Sportzeitungen hält der Präsident vor wichtigen Spielen zu Tiraden auf den jeweiligen Gegner an. Wenn die Spieler dem Scharfmacher an der Vereinsspitze ständig zuhören müssen, glauben sie schließlich, es sei wichtiger, den ewigen Rivalen zu besiegen und am Ende der Saison in der Tabelle einen Platz vor Real Madrid zu stehen, als etwa den Europapokal zu gewinnen. Die kommenden Gegner in der Champions League müssen den FC Barcelona nicht zu sehr fürchten; der, milde gesagt, aufgeregte Vereinspräsident wird wahrscheinlich einiges dafür tun, daß seine Mannschaft auf dem Weg zu neuen europäischen Gipfeln wieder ins Stolpern gerät.“

Christoph Biermann (SZ 27.11.) erinnert. „Es war ein Abend, in dem all der Zauber des Anfangs lag. Bayer Leverkusen schlug den großen und ruhmreichen FC Barcelona 2: 1, und es war nicht nur das Ergebnis, das zum Träumen einlud. Erstmals war in der BayArena der Fußball zu sehen, der das Team in den folgenden Wochen und Monaten bis ins Finale der Champions League tragen sollte. Von einem „historischen Durchbruch“ sprach Klaus Toppmöller in jener Nacht, in der er sich als Romantiker des Spiels gezeigt hatte. Nach dem Abpfiff war der Bayer- Trainer auf den Platz gestürzt, um den verblüfften Patrick Kluivert zu fragen, ob er dessen goldenes Trikot für seinen Sohn haben dürfe. 14 Monate später geht es heute beim Auftakt zur Zwischenrunde der Champions League wieder gegen den FC Barcelona, doch so recht in Schwärmen gerät Toppmöller über das letzte Treffen an gleicher Stelle nicht. In Wirklichkeit sei Bayer damals „in der ersten Halbzeit vorgeführt worden“ und habe sich erst später zu „einem tollen Spiel“ aufgeschwungen, sagte er etwas maulend. Offensichtlich ist der Trainer von Bayer Leverkusen derzeit einfach nicht in der Stimmung, sich irgendwelchen sentimentalen Gefühlen und goldgerahmten Erinnerungen hinzugeben. Verflogen ist all der Zauber des Vorjahres.“

FC Basel – Manchester United (1:3)

Felix Reidhaar (NZZ 27.11.). „Die Parallelen zum letzten Vorrundenmatch an gleicher Stelle gegen den FC Liverpool waren offensichtlich. Vor allem vor der Pausewaren die Basler Spieler wenig haushälterisch mit den Kräften umgegangen und hatten dem berühmten Konkurrenten mehr abgefordert, als dieser für möglich gehalten hätte. In dieser Phase schien ein grösserer Vorsprung als das 1:0 auch realistisch, doch Fabien Barthez erwies sich als ruhiger und sicherer Rückhalt für seine ziemlich brüchige Abwehrreihe. Selbst unmittelbar nach Wiederbeginn, als das Team von Christian Gross nochmals energisch insistierte, fehlte wenig zu einem zweiten Treffer, doch nach Ablauf einer Stunde nahm der Match eine völlige Wende, nicht zuletzt verursacht durch Konzentrationsmängel und läuferisches Nachlassen im defensiven Bereich. ManU nützte diese Mängel in abgebrühtem Stil und profitierte dazu von der Klasse eines Stürmers wie van Nistelrooy, der sich derzeit hervorragender Form erfreut. Der sporadisch hochstehende, von Basler Seite lange sehr ambitioniert und gleichwertig geführte Match wurde letztlich verdientermassen von der Mannschaft entschieden, die die Kräfte besser eingeteilt hatte und sich in der eigenen Meisterschaft auch eher gewohnt (oder gefordert) ist, eine Spiel bis zur 90. Minute durchzustehen.“

Deportivo La Coruna – Juventus Turin 2:2

Georg Bucher (NZZ 27.11.). „Nach drei Unentschieden hatte Deportivo den letzten Champions-League-Vergleich 2:0 gewonnen und die Achtelfinals erreicht. Trainer Irureta wollte seinem Naturell gemäss keine Euphorie aufkommen lassen und warnte davor, dass die “Alte Dame” heuer eine schärfere Klinge schlägt, in den Gruppenspielen die wenigsten Gegentore zuliess und auch im nationalen Wettbewerb überzeugte. Seit 23. Oktober in acht Pflichtspielen ungeschlagen, brauchte der Heimklub nicht in Ehrfurcht vor dem renommiertenGegner zu erstarren. Irureta ist stets für Überraschungen gut. Personell und taktisch gab er Marcello Lippi Rätsel auf – nach elf Minuten lag Deportivo schon 2:0 in Führung. Wie der erste Treffer, den Tristan per Kopf erzielte, wurde auch Makaays Exploit, sein achter in der Champions League, von Fran und Capdevila über links vorbereitet. Im zentralen Mittelfeld verzichtete Irureta auf spielerische Akzente und nominierte ein südamerikanisches Double als Auffangstation vor der erneut umformierten Abwehr. Mauro Silva und der Argentinier Duscher ermöglichten den Aussenverteidigern Vorstösse, Iruretas Vorstellung, italienische Abwehrreihen müsse man über die Flügel öffnen, wurde nahtlos umgesetzt. Vom Einfluss Capdevilas war schon die Rede, Scaloni war auf der rechten Seite ebenso aktiv. Zumal Tristan und Makaay eine bewegliche Doppelspitze bildeten, fanden die präzisen Vorlagen Abnehmer, und den Torinstinkt der Goalgetter kann man beinahe voraussetzen. Juventus brauchte gut 20 Minuten, um den Rückschlag wegzustecken.“

Hintergrund

„66 Jahre hatte Lokomotive Moskau auf diesen Tag gewartet. In der vergangenen Woche war es soweit: Der Klub der Moskauer Eisenbahner wurde zum ersten Mal in seiner Geschichte Fußballmeister. In einem Entscheidungsspiel schlug die Mannschaft ihren punktgleichen Moskauer Rivalen, den Armeesportklub ZSKA, 1:0“, berichtet Markus Wehner (FAZ 26.11.) über den heutigen Gegner Borussia Dortmunds. „Das ist vor allem das Verdienst des 55 Jahre alten Trainers: Sjomin hat den Kern der Mannschaft über Jahre zusammengehalten und sie zugleich durch den einen oder anderen neuen Spieler verbessert. An der Tscherkisowostraße in Moskau, wo Lokomotive ein neues Stadion für gut 30 000 Zuschauer hat bauen lassen, ist man sich sicher, daß man mit Real Madrid, dem AC Mailand und Borussia Dortmund die schwerste aller Gruppen zugelost bekommen hat. Doch erinnert man sich gern daran, daß Real im vergangenen Jahr in Moskau 0:2 gegen Lokomotive verloren hat. Die Borussia sei eine „im klassischen Sinne deutsche Mannschaft“, sagt Sjomin, sie zeichne sich, auch wenn Brasilianer in ihr die Glanzlichter setzten, vor allem durch taktische Disziplin aus. Auch Sjomins eigene Elf gilt im russischen Fußball als die Mannschaft, die am diszipliniertesten und taktisch versiertesten spielt. Lokomotive besitzt die beste Verteidigung der russischen Liga und mit Sergej Owtschinnikow einen überdurchschnittlich guten Torwart.“

Walter Lutz (NZZ 26.11.) schreibt über die Ursachen des Basler Erfolgs. „Ist Gross (Trainer FC Basael, of) bei seinem Entscheid, sich auf das Machbare und Verbesserbare zu beschränken, vom bemerkenswerten Buch des argentinischen Weltmeisters von 1986 und späteren Trainer-Philosophen Jorge Alberto Valdano inspiriert worden? Nach dem einstigen Trainer von Real Madrid sind Freiheit, Kreativität und Risiko die Conditio sine qua non, die unabdingbare Voraussetzung guten und erfolgreichen Fussballs. Und Gross scheint irgendwie auch die für die Trainertätigkeit einschränkende Äusserung des deutschen Mittelfeldspielers Bernd Schuster verinnerlicht zu haben: „Das Schöne am Fussball ist, dass es Dinge gibt, die man nicht lernen und trainieren kann, nämlich Inspiration, Kreativität und Raumgefühl. Und die machen den Unterschied zwischen guten und grossen Spielern.“ Hinter Basels Erfolgen stehen ansteckendes Feu sacré und keine „Geheimnisse“. Fussballtrainer sind weder Scharlatane noch Zauberer. Die FCB-Erfolge basieren auf einer weit über das rein Technische hinaus gehenden soliden Trainerarbeit, Motivationskunst eingeschlossen. Noch andere Faktoren haben sie begünstigt. Etwa die Erfahrung und Weitsicht des Ausbildners, sein Wille, Fussball so einfach wie nur möglich zu machen und vorwärts zu spielen. Da ist zunächst die eher banale, von strategisch-taktischen Absichten bestimmte Forderung in der Anlage des Spiels, die gesamte Breite des Platzes auszunützen. Das setzt eine zweckmässige Organisation der Mannschaft, eine entsprechende Raumaufteilung durch die Spieler und konsequentes Platzhalten voraus. Nur so kommen «blinde» weite Pässe an. Ziel ist es, die Abwehr des Gegners auseinander zu reissen, ihn zu zwingen, sich zu verzetteln, damit die eigenen Sturmspitzen in der Mitte mehr Raum vorfinden. Keine Mannschaft in der Schweiz beherrscht die Spielverlagerungen, auch eine Spezialität Valencias, so gut wie der FCB. Die Bemühung, den Gegner da- mit immer wieder vor neue, überraschende Aufgaben zu stellen, setzt allerdings als wirksamstes Mittel eines voraus: den Ball rasch, aber nicht hastig weiterzuspielen. Die FCB-Leute setzen diese Forderung – Direktspiel –, wenigstens so lange sie noch frisch sind, konsequent um.“

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