Ballschrank
1860 München – VfB Stuttgart 0:3
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| Donnerstag, 25. März 2004
Die haben da zwei Tiere hinten drin
Christian Zaschke (SZ 29.9.) sah überlegene Gäste: „Nachdem Trainer Felix Magath rasch zwei Sätze hingeworfen hatte, sprach er über das, was ihm wirklich im Kopf herumging. „Wir müssen uns auf den Mittwoch konzentrieren, da wird es 90 Minuten heiß hergehen.“ Magath wirkte sehr ernst. „Das ist ein wichtiges Spiel, in dem wir punkten müssen. Wir wollen ja nicht nur in der Bundesliga mitmischen.“ Deutlicher hätte er kaum sagen können, dass der TSV 1860 kein Gegner für seine Mannschaft war, als in seiner Spielanalyse vom kommenden Mittwoch zu sprechen. Dann spielt der VfB in der Champions League gegen Manchester United. Die Partie gegen die Münchner interessierte Magath eine halbe Stunde nach Spielschluss nicht mehr. Dabei gab es einiges zu sagen über diese Begegnung zweier ungleicher Teams. Das besorgten die Profis der Sechziger. Torwart Michael Hofmann sagte: „Ich denke, von Nummer eins bis Nummer elf waren wir gegen Stuttgart absolut chancenlos.“ Torben Hoffmann bemerkte: „Die wirken sehr gefestigt und sind in der Spielanlage sehr weit.“ Benjamin Lauth erkannte: „Die haben es ruhig runtergespielt, die sind clever und sehr abgeklärt.“ Schließlich analysierte Andreas Görlitz: „Die Innenverteidigung – die haben da zwei Tiere hinten drin, da geht nicht viel, und dann haben die noch Super-Spieler davor, das ist einfach eine geschlossene Mannschaft.“ Erstmals in dieser Saison waren die Münchner vollkommen chancenlos, und sie waren Profis genug, das zu erkennen.“
Der Hunger nach Erfolg ist groß
Thomas Becker (FR 29.9.) findet „es erstaunlich, wie abgebrüht die Schwaben die Sechziger vorführten. Schon in der ersten Halbzeit probierte man sämtliche Freistoßvarianten durch – wie bei einem Testspiel gegen einen Viertligisten. Genauso selbstverständlich wieselte der überragende Alexander Hleb kurz nach der Pause von der Mittellinie aus Richtung Tor und schoss zum 3:0 ein. Spätestens jetzt begann die Vorbereitung auf das Champions-League-Spiel gegen ManU am Mittwoch. Muss man noch sagen, dass beim VfB auch hinten mal wieder die Null stand? 735 Minuten ist es nun schon her, dass Timo Hildebrand einen Gegentreffer in der Liga kassierte, nur 67 fehlen zum Kahn-Rekord. Und doch zweifelt niemand, wenn er sagt: Das ist mir schnurzpiepegal. Diese Stuttgarter Mannschaft hat einiges mehr vor, als solche Rekorde zu brechen. Der Hunger nach Erfolg ist groß. Sieben der eingesetzten Spieler sind 23 Jahre und jünger. Bei den Löwen, die sich schon auf einem ähnlichen Weg wähnen, waren es gerade mal zwei: Ausnahmespieler Lauth und Andreas Görlitz, der auf der rechten Außenbahn den direkten Vergleich mit Andreas Hinkel um Längen verlor. Ansonsten: Nichts zu sehen vom eifrig bejubelten Jugendkult bei den Löwen.“
Elisabeth Schlammerl (FAZ 29.9.) fügt hinzu: „Sie haben in dieser Saison dort weitergemacht, wo sie in der vergangenen aufgehört haben. Nein, sie sind sogar noch besser geworden, noch erfolgreicher, weil sie nicht aus purer Spielfreude ungestüm drauflosstürmen, sondern das ökonomische Prinzip, das seit Jahren dem FC Bayern München Titel um Titel beschert, adaptiert haben. Zugetraut haben das dem Jugendensemble nicht sehr viele, zumal es nun mit der Doppelbelastung Champions League zurechtkommen muß. Weil Magath nicht die personellen Möglichkeiten wie sein Kollege beim FC Bayern, Ottmar Hitzfeld, hat, um fast nach Belieben zu rotieren, muß die Mannschaft eben versuchen, mit ergebnisorientiertem Fußball Kräfte zu sparen. Das mag dem einen oder anderen Ästheten nicht besonders gefallen, aber es ist die einzige Chance, sich in der Bundesliga oben zu behaupten. Daß die jüngste Bundesliga-Mannschaft schon so abgeklärt spielen kann wie die Routiniers des deutschen Meisters, verblüfft aber sogar Magath. So langsam wird mir das unheimlich, gibt er zu. Die Mannschaft scheint derzeit nichts aus dem Konzept bringen zu können. Nicht die 1:2-Niederlage im ersten Champions-League-Spiel gegen Glasgow Rangers in den letzten Minuten, der sofort wieder der Sieg gegen Borussia Dortmund folgte. Nicht die leise Kritik, unansehnlicheren Fußball als im Vorjahr zu zeigen. Für Magath ist die abgebrühte Spielweise das Ergebnis eines ganz natürlichen, wenngleich erstaunlich schnellen Reifeprozesses.“
1. FC Köln – Werder Bremen 1:4
Unruhige Domstadt
Die FR (29.9.) analysiert die Strategie Andreas Rettigs: „Friedhelm Funkel weiß nicht erst seit gestern, dass sich sein Manager vom Druck der Tribüne nicht zu einer Ad-hoc-Entscheidung verleiten lässt. Das liegt daran, dass Rettig erstens ein besonnener Mann ist und zweitens einige Jahre lang in Freiburg tätig war. Dort lernte der gebürtige Rheinländer, dass gegebenenfalls sogar mit dem selben Trainer (dort: Finke) ein Abstieg und Wiederaufstieg möglich sein kann, sogar mehrmals. Nun ist Köln nicht Freiburg und Funkel nicht Finke. Deshalb ist der aktuelle Kölner Coach nach dem kommenden Wochenende vielleicht schon wieder ein Ex-Trainer auf Jobsuche. Wer den Kölner Präsidenten Albert Caspers Samstag im Fernsehen gesehen hat, wird unschwer den Unterschied zum ehrenamtlichen Freiburger Boss Achim Stocker erkannt haben: Caspers hat wenig Geduld mit Funkel, Stocker hatte immerfort viel mit Finke. Vor diesem Hintergrund ist es bestimmt schlau, dass Rettig, der Manager, der sich beim 1. FC Köln bereits eine weitreichende Machtposition erarbeitet hat, derzeit auf Schmusekurs mit der mitunter unberechenbaren örtlichen Presse geht, vor allem mit dem traditionell gnadenlos urteilenden Boulevard. Denn die über exzellente Quellen im Hintergrund verfügenden Kölner Medien, das weiß Rettig aus vergleichender Betrachtung, sind ungleich schwerer zu gängeln als die einsame Badische Zeitung in Freiburg. Da empfiehlt sich in der unruhigen Domstadt (sic!) die Umarmungstaktik.“
Kein Spieler darf glauben, er darf sich hier verpissen
Die Lage in Köln erläutert Erik Eggers (Tsp 29.9.) ergänzt: „Der FC präsentierte sich bei seiner sechsten Niederlage im siebten Bundesligaspiel den 33 000 Zuschauern in desolatem Zustand. Funkel, der gewöhnlich das Spiel mit lautstarken Anweisungen begleitet, verfolgte die Arbeitsverweigerung seiner Elf geschockt, wie angewurzelt stand er die ganze Zeit am Spielfeldrand. Später musste er, weil Hunderte von wütenden Fans das Marathontor blockierten, in Abstimmung mit der Polizei separat von der Mannschaft aus dem Stadion gefahren werden. Ein Auftritt vor den Fans, die nach Christoph Daum riefen, „wäre kontraproduktiv gewesen, die Stimmung war zu aufgeheizt“, sagte Manager Rettig. Die Konsequenzen, die den Journalisten gestern mitgeteilt wurden, betreffen indes nicht den Trainer, sondern die Spieler, deren „Einstellung zum Arbeitgeber und zum Beruf“ sich laut Manager Rettig ändern müssten. Ab sofort ist der freie Montag gestrichen, und die Spieler haben nun einen Zapfenstreich einzuhalten. Laut Rettig muss „jeder Spieler um 22 Uhr zu Hause erreichbar sein“. Zudem werden die Spieler am Dienstagabend in den Fanklubs Öffentlichkeitsarbeit verrichten müssen, denn „jeder Einzelne soll jetzt spüren, wie die Stimmung ist,“ sagte Rettig. Keiner dürfe sich hinter den „Funkel-Raus“-Rufen verstecken, „kein Spieler darf glauben, er darf sich hier verpissen“. Funkel werde vor dem nächsten Spiel in Stuttgart nicht entlassen, und auch eine schleichende Entmachtung des Trainers schloss Rettig aus. Dennoch ist klar: Einen weiteren Auftritt dieser Qualität kann sich Funkel nicht leisten.“
Was wollen die protestierenden Kölner Fans?, fragt Ulrich Hartmann (SZ 29.9.): „Sie wollten ihren Groll den Fußballern gern persönlich mitteilen nach einem 90-minütigen Trauerspiel, und weil die hoch bezahlten Mitglieder des Kölner Aktivkreises eine so zerstörerische Leistung gezeigt hatten, „mussten sie eben an die Front“, wie der Manager Rettig im Militärton erklärte. Auf seinen Befehl hin schlichen die Profis an Kampfhunden mit Maulkörben und einer halben Hundertschaft von Polizisten und Sicherheitsleuten vorbei zu den lustig kostümierten, aber umso erregteren Anhängern und wurden Mann für Mann verschluckt von einer pulsierenden Menge, die sich erst beruhigte, als sie in persönlichen Gesprächen den Wunsch äußern durfte, es möge bald alles wieder gut werden. „Bitte, bitte, bitte schmeißt den Funkel raus!“, sagte ein zuvor höchst aggressiver Mann so demütig zum Manager, als flehe er um die Erlassung einer langjährigen Zuchthausstrafe. Im selben Moment begann der Rest der Schar den Namen eines geeignet erscheinenden Trainers zu skandieren („Christoph Daum“), doch Rettig machte allen klar, dass er noch nicht gewillt ist, Funkel zu feuern. „Wir holen nicht das Scharfbeil heraus, nur weil die Menge Köpfe rollen sehen will“, hat er gesagt und clever solche brachiale Vokabeln benutzt, die suggerieren sollten, dass es hier doch bloß um Fußball gehe und alles halb so schlimm sei. Das Problem ist allerdings, dass die Kölner Fußballer in den vergangenen fünf Jahren bereits zweimal abgestiegen und die Fans dadurch traumatisiert sind. Deshalb haben sie in einer über Jahre hinweg fast schon lieb gewonnenen Tradition wieder einmal vor dem Marathontor des Stadions protestiert, und das nach einer Woche, die vielen in Köln zu harmonisch erschienen war angesichts der prekären Situation.“
Der beste Kunde jedes Klubs
René Martens (FTD 29.9.) schildert die „dritte Halbzeit“ in Köln: „Wenn man bedenkt, dass die vorher von Werder vorgeführten FC-Kicker von 18.20 Uhr bis 19 Uhr mit den Demonstranten diskutiert haben, fragt man sich doch: Haben solche Fans kein Zuhause? Oder wartet nach dem Spiel dort niemand auf sie? Sind sie auch noch nie darauf gekommen, dass das Leiden ein essenzieller Bestandteil des Fan-Daseins ist? „Trainer muss im Auto aus dem Stadion fliehen“, textete „Bild am Sonntag“ gestern künstlich aufgebauscht: Als ob Funkel sonst mit dem Mountainbike nach Hause radelt. So lange bei den Protesten keine Feuerwerkskörper fliegen wie jetzt in Köln, loben die Betroffenen die Krakeeler sogar als konstruktive Kritiker. Kein Wunder: Wer bereit ist, so viel Zeit in den Fußball zu investieren wie ein Mannschaftsbusblockierer, ist der beste Kunde jedes Klubs.“
Borussia Mönchengladbach – VfL Bochum 2:2
Borussia Mönchengladbach steht vor einer Trümmerlandschaft
Christoph Biermann (SZ 29.9.) schildert die zerbrechliche Stimmung auf dem Bökelberg: „Die Passivität der Borussen war es, die das Publikum so aufbrachte. Den Trainerwechsel und seine besonderen Umstände hätten sie wohl akzeptiert, wenn seine Wirkung gleich zu spüren gewesen wäre. Doch weil die damit verbundenen Ereignisse für viele Anhänger offensichtlich einen seltsamen Unterton von Intrige und Verschlagenheit haben, überwog schließlich das Misstrauen. Denn auch am Ende einer Woche mit vielen Zeitungsartikeln und Fernsehberichten war ihnen der Fall nicht transparent genug. Dieses Gefühl hatten auch einige Spieler, allen voran die Köpfe des Teams, die sich so deutlich wie nie hinter die Entscheidung des Klubs stellten. Torhüter Jörg Stiel nannte die Entlassung von Lienen ausdrücklich „richtig“, weil unter ihm „Kaninchen-vor-der-Schlange-Fußball“ gespielt worden sei. „Vom sportlichen Geschehen fand ich es korrekt, dass Lienen gegangen ist“, sagte auch der zweimalige Torschütze Arie van Lent. Nach den fast feindseligen Reaktionen des Publikums gefragt, meinte er: „Vielleicht müsste man ganz ehrlich alles erzählen, was vorgefallen ist, dann würde viele auch wieder hinter uns stehen“, sagte er. Aus diesen Äußerungen war deutlich abzusehen, dass die Mannschaft mit ihrem geschassten Trainer wirklich fertig gewesen ist. Zum Beginn des Herbstes und nach nur sieben Spieltagen steht Borussia Mönchengladbach derzeit erst einmal vor einer Trümmerlandschaft. Das Verhältnis zwischen Vereinsführung, Trainer und Mannschaft auf der einen und den Zuschauern auf der anderen Seite ist gestört. Hier den Wiederaufbau zu schaffen, so war am Samstag deutlich zu spüren, dürfte einige Zeit dauern. Eine seltsame Schicksalsgemeinschaft ist in der letzten Woche in Mönchengladbach zusammengeschmiedet worden. Nicht nur, was das weitere Schicksal von Trainer und Sportdirektor betrifft, auch die Mannschaft gehört mit ihren klaren Aussagen nun dazu.“
Aufstieg und Fall eines Sportdirektors
Roland Zorn (FAZ 29.9.) ergänzt: „Völlig unfreundlich und ohne jeden Charme hat der einst stockseriöse VfL Borussia Mönchengladbach vor einer Woche den ersten Trainerwechsel der Saison vollzogen. Von einer Wunderwirkung des hinterrücks inszenierten Akts auf der niederrheinischen Provinzbühne war beim 2:2 der Borussia gegen den VfL Bochum jedoch rein gar nichts zu sehen. Nur mit viel Glück entging Holger Fach, Ewald Lienens Nachfolger von Sportdirektor Christian Hochstätters Gnaden, einer Niederlage zum Wiedereinstand auf dem Bökelberg. Die Fans, vom absurden Theater fast so überrascht wie der düpierte Lienen, halten erst einmal auf Distanz zu den Protagonisten ihres Klubs. Nicht nach ihrer Meinung gefragt worden zu sein in einem Stück, bei dem die öffentliche und veröffentlichte Meinung zumindest den Prolog in aller Regel mitbestimmt, kreiden sie vor allem Strippenzieher Hochstätter an. Wer weiß, ob nicht eines Tages das Stück Aufstieg und Fall eines Sportdirektors auf dem Spielplan der Bökelberg-Bühne steht?“
Vetternwirtschaft und Kungelei
„Ein Grund für den Trainerwechsel war, so das Borussen-Präsidium, dass den Sponsoren nicht zugemutet werden sollte, bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt zu zittern. Mit der Performance von Samstag müssen sie froh sein, wenn sie am letzten Spieltagen noch zittern dürfen“, schreibt Bernd Müllender (taz 29.9.): „Es war ein fürchterliches Spiel gewesen mit Höhepunkt-Abstinenz und Befreiungsschlägen, wo es gar nichts zu befreien gab. Zeitweilig schienen sich beide Teams zu einem Fehlpass-Rekordversuch fürs Guinness-Buch verabredet zu haben. Spielkultur? Mangelware. Eine Darbietung, die zum unreifen Nachgetrete aller Beteiligten unter der Woche passte. Da hatte Ewald Lienen nochmal nachgehakt und -geharkt, Intrigen beklagt, Verschwörungen angedeutet, sich als unschuldiges Opfer stilisiert: Mein Vertrauen wurde schändlich missbraucht. Nur: Die volle Wahrheit könne er noch nicht erzählen. Hochstätter und er warfen sich putzigerweise gegenseitig vor, jeweils zur Unzeit in Urlaub gefahren zu sein, wodurch Spielertransfers nicht klappten. Hochstätter beteuerte, es sei nichts abgekartet gewesen, als er Holger Fach mit geheimer Rückholoption aus Essen wie ein Kaninchen aus dem Hut zurückgezaubert hatte. Holger Fach bekrittelte nachträglich mehrfach Maßnahmen des Vorgängers, was wiederum Lienen unfair und stillos nannte. Reichlich Gschmäckle bleibt, weil Fach schon vor einem halben Jahr Hochstätters Wunschkandidat gewesen sein soll, aber beim Präsidium nicht durchsetzbar. Die Fanseite Torfabrik.de verweist derweil darauf, dass Hochstätter eben jenen Fach schon vor zwei Jahren unter dem Verdacht von Vetternwirtschaft und Kungelei als Amateurtrainer geholt hatte.”
Richard Leipold (FAZ 29.9.) fügt hinzu: “Wenn das Krisenmanagement der Schicksalsgemeinschaft Hochstätter/Fach nicht greift, könnte das Band zwischen der Mönchengladbacher Mannschaft und ihren Anhängern bald durchgescheuert sein. Dieses Band hatte der Borussia im Abstiegskampf der vergangenen Saison Halt gegeben, trotz oder wegen Fachs skurrilem Vorgänger Ewald Lienen. Selbst der Sportdirektor in seiner kühlen, manchmal berechnenden Art erkannte am Samstag nachmittag, wie schwierig es wird, wenn die feindselige Stimmung anhält. Natürlich habe er Verständnis für den Unmut. Ein Jahr lang waren wir auf dem Bökelberg eine Macht. Nun haben wir nur vier Punkte aus vier Spielen eingefahren. Wir müssen daran arbeiten, die Fans wieder auf unsere Seite zu bringen. Kurz nach dem Spiel hatte er noch gesagt, die Proteste der Basis machten ihm nichts aus.“
VfL Wolfsburg – Bayer Leverkusen 0:1
Sie wissen aus verschütt gegangener Erfahrung, wie Spitzenfußball geht
Katrin Weber-Klüver (FTD 29.9.) berichtet die nüchterne Reaktion des Siegers: „Augenthaler fand einigen Anlass, ungehalten zu sein: Er war sauer über mangelhafte Einstellung der Spieler – außer Torwart Jörg Butt und den Innenverteidigern Juan und Lucio – in der ersten Halbzeit und fügte nur ungnädig an, dass das Spiel in der zweiten Hälfte besser geworden sei. Er war sogar immer noch mürrisch, weil seine Mannschaft in der Vorwoche in München einen Vorsprung verspielt hatte. Und hätte er nicht abreisen müssen, wäre Augenthaler das Material zum Meckern in Wolfsburg vermutlich nicht ausgegangen. Nun könnte aber gerade die grantelige, geradlinige Nüchternheit dieses Trainers ziemlich genau das sein, was den in den letzten Jahren unter mal anstrengend exzentrischen, dann enervierend hausbackenen Trainern durch stürmische Aufs und Abs des europäischen und nationalen Fußballs gejagten Leverkusenern gefehlt hat. „Wir konzentrieren uns jetzt mehr auf die wesentlichen Dinge“, sagte Butt, der selbst weit entfernt ist von den flatterhaften Leistungen der letzten Jahre. Und dann sagte der Torwart: „Es ist ein bisschen früh, von Meisterschaft zu sprechen.“ Zwar hatte nach Meisterschaftsambitionen niemand gefragt, aber womöglich fangen die Leverkusener gerade von ganz allein wieder an, von einem Titel zu träumen. Sie wissen ja aus nur vorübergehend verschütt gegangener Erfahrung, wie Spitzenfußball geht. In Wolfsburg ist das anders. In Wolfsburg ist alles noch neu. Stadion und Mannschaft und Trainer. Und auch der Erfolg. Beeindruckende Siege gegen den Hamburger SV (5:1) und Bayern München (3:2) hat Wolfsburg schon hingelegt. Der Fußball, den Trainer Jürgen Röber spielen lässt, ist riskant und offensiv ausgerichtet. Es ist Unterhaltungsfußball.“
1. FC Kaiserslautern – Hannover 96 1:0
Im Existenzkampf braucht der FCK keine Versatzstücke aus dem DFB-Museum
Martin Hägele (FR 29.9.) urteilt hart über Steffen Freund: „Man muss fragen, warum es über einen Monat gedauert hat, bis der Belgier gemerkt hat, dass er mit Steffen Freund einem Alibi-Fußballer aufgesessen ist. Der vermeintliche Frühpensionär aus der Premiere League befindet sich zwar oft in der Nähe des Balls, aber fast nie erbeutet er ihn. Allerdings kann der 33-Jährige mit der Nummer 44 gestikulieren und dirigieren, als sei er ein Maestro der Extraklasse. Im Existenzkampf des FCK aber braucht man keine Versatzstücke aus dem DFB-Museum, sondern Leute, die sich den Hals aus dem Leib rennen und um jeden Ball kämpfen. Das ist kein schöner Sport, aber die einzige Chance der Fritz-Walter-Erben, in der Bundesliga zu überleben.“
Die Bedeutung des Lauterer Siegs beschreibt Peter Heß (FAZ 29.9.): “Was wäre, wenn? Wenn Schiedsrichter Gagelmann eine Minute früher abgepfiffen hätte? Oder sein Assistent an der Linie Kloses Abseitsstellung erkannt hätte? Oder der Hannoveraner Torwart Ziegler auf der Torlinie geblieben wäre? Oder der Ball nur ein paar Zentimeter höher geflogen – gegen die Latte des Tores – wäre? Dann hätte der 1. FC Kaiserslautern nicht gegen Hannover 96 1:0 gewonnen und die berufliche Zukunft des Trainers Erik Gerets in der Pfalz wäre noch immer auf das ärgste gefährdet. Aber so ist es nun mal im Fußball: Nur ein bißchen Glück, und alles wird gut. Wenige Sekunden nach Kloses Kopfballtor in der Nachspielzeit pfiff Schiedsrichter Gagelmann ab, und 32 000 Fans im Fritz-Walter-Stadion feierten ausgelassen einen sensationellen Sieg, wie ihn der Stadionsprecher bezeichnete. Alle hatten sich wieder lieb, alle waren stolz darauf, zur Pfälzer Fußballfamilie zu gehören. Das hatte sich kurz vor dem Anpfiff noch ganz anders angehört. Der Ball rollte noch nicht, da skandierte die Lauterer Anhängerschaft schon: Wir wollen euch kämpfen sehen. Eine halbe Minute war gespielt, da gellten schon wütende Pfiffe am Betzenberg. Hengen hatte den Ball vertändelt und die erste Hannoveraner Torchance heraufbeschworen. Die Geduld des Pfälzer Fußballvolkes war nach vier Heimspielen ohne Sieg erschöpft. Verstrickt in Verunsicherung und Nervosität, gelang spielerisch zunächst gar nichts. Hannover beherrschte das Spiel und hätte in Führung gehen müssen. Doch der herrlich freigespielte Stajner schob den Ball gegen den Innenpfosten. Was danach passierte, beschrieb der Hannoveraner Trainer Ralf Rangnick so: Meine Mannschaft hat sich einschläfern lassen. Die Niedersachen wiegten sich so lange in der trügerischen Sicherheit ihrer spielerischen Überlegenheit, bis sie die Kontrolle verloren hatten. Und einmal am Drücker, ließen sich die robusten Pfälzer die Initiative auch nicht mehr entreißen. Dabei erreichten sie kein höheres Niveau, aber ein Grotten-Kick, wie ihn Hannovers Trainer Rangnick sah, boten die Lauterer auch nicht.“
Hansa Rostock – Bayern München 1:2
Christian Ewers (FAZ 29.9.) stellt fest: “Der FC Bayern hat in Rostock mit viel Glück gewonnen. Das Siegtor vier Minuten vor Abpfiff war nicht das Ergebnis eines atemlosen Sturmlaufs gewesen. Es war die Einzelleistung eines Mannes, der 85 Minuten der Auswechselbank wesentlich näher war als einem Torerfolg. Roy Makaay genügte eine einzige Körpertäuschung, um Rostocks Keeper Schober zu Boden sinken zu lassen und den Ball ins leere Tor zu schieben. Das sah sehr souverän aus; Makaay wirkte so lässig wie ein Koch, der zum hundertsten Mal ein Spiegelei in die Luft wirft und es zum hundersten Mal mit der Pfanne auffängt (…) Die Akzeptanz, die Makaay in der Mannschaft besitzt, dürfte sich hauptsächlich auf seine Erfolge als Torjäger gründen. Denn noch fremdelt Makaay im Spiel der Bayern. Integration bedeutet für ihn nicht fleißige Laufarbeit und Ballschlepperei, sondern die Suche nach dem richtigen Platz in der entscheidenden Sekunde.“
Den Bayern geht es schon wieder derart gut, dass sie sich über Lappalien aufregen
Matthias Wolf (BLZ 29.9.): „Diese Nachricht aus Rostock dürfte die Konkurrenz wohl am meisten beunruhigen: Den zuletzt kriselnden Münchner Bayern geht es schon wieder derart gut, dass sie sich über Lappalien aufregen. So stapfte Trainer Ottmar Hitzfeld nach dem Schlusspfiff im Ostseestadion zu Schiedsrichter Herbert Fandel und diskutierte über die letzte Spielminute. Bayern-Verteidiger Lizarazu hatte den Ball ins Aus geschlagen, weil sich ein Rostocker, Gernot Plassnegger, verletzt hatte. Statt den Ball aber gemäß Ehrenkodex sofort zurück zu den Bayern zu spielen, rannte René Rydlewicz Richtung Tor und ermöglichte Jochen Kientz eine Chance. Ein Affront, ausgerechnet am Tag des Fairplay, den der Weltverband Fifa ausgerufen hatte, erregte sich Hitzfeld. Er war so aufgewühlt, dass er noch einmal die Kabine des Referees aufsuchte. Es gibt keine entsprechende Regel, aber die sollte die Fifa schnell schaffen: Da muss man abpfeifen und die gelbe Karte zeigen können, schimpfte er. Manager Uli Hoeneß fauchte sogar, er hätte Rydlewicz am liebsten über die Aschenbahn gehauen. Die Bayern und ihre neuen, kleinen Sorgen.“
Borussia Dortmund – SC Freiburg 1:0
Wie so oft hat Kampf über die Kunst triumphiert
Claus Dieterle (FAZ 29.9.) besänftigt Dortmunder Sorgen: „Die Mannschaft steht trotz des Ausfalls einer kompletten Elf nicht schlechter da als zur gleichen Zeit im Vorjahr, ist im nationalen Pokal weiter im Geschäft und im Uefa-Cup beinahe in der zweiten Runde. Aber natürlich fragt sich so mancher, wie lange das noch gutgehen kann angesichts der düsteren Personallage, zumal eine Entlastung des Krankenstandes in nächster Zeit eher unwahrscheinlich ist. Daß das letzte Aufgebot derzeit nicht in der Lage ist, spielerische Hochglanzprodukte abzuliefern, dürfte keinen verwundern. Aber das war mit Amoroso, Rosicky und Koller auch nicht viel besser. Im Gegensatz zu den künstlerisch hochveranlagten Stars praktiziert die zweite Dortmunder Besetzung allerdings eine Tugend, die im Kohlenpott einmal zu den Selbstverständlichkeiten gehörte: Fußball als harte Wochenendarbeit. Gegen Freiburg, das der Borussia in der künstlerischen Note weit voraus ist, reichte eine eher destruktive Auffassung von Fußball, um unbeschadet über die siebte Spielrunde zu kommen. Mochten die badischen Kleinkünstler hinterher über die Dortmunder Vorstellung lästern und mochte Bajramovic behaupten, daß die bessere Mannschaft verloren habe, so steckte darin wohl der Frust, daß der Kampf wie so oft über die Kunst triumphiert hat. Und die Borussia um den überragenden Abwehrchef Christian Wörns beginnt zu entdecken, wie weit man mit Minimaltugenden wie Einsatz, Kampfkraft, Behauptungswillen – und einer sicheren Abwehr – kommt.“
morgen auf indirekter-freistoss: die Sonntags-Spiele in Berlin und Schalke
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