Ballschrank
19. Spieltag der Bundesliga
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| Donnerstag, 25. März 2004
Dortmund: „Borussias Fans schließen Frieden auf Zeit“ (FAZ) –Bremen: „Signale der Unerschütterlichkeit“ (FAZ), „Meister-Mathematik“ (SZ) – Frankfurt: „die Auferstehung“ (FR), „Rache der vertriebenen Geister“ (SZ) – Schalke: „Regisseur gesucht, Assauers Transferoffensive genügt noch nicht“ (FAZ) – Kaiserslautern: „Hier kommt Kurt“ (taz) u.v.m.
Borussia Mönchengladbach – Werder Bremen 1:2
Christoph Biermann (SZ 9.2.): „Der gefühlsgesättigte Fußball und die kühle Mathematik gelten gemeinhin als kaum verknüpfbar, sieht man einmal davon ab, dass stets die Tore und Punkte zur Herstellung einer Tabelle addiert werden müssen. Es gibt jedoch eine Form von Fußballmathematik, die nach dem 2:1 den meisten Beobachtern sofort in den Sinn kam. Fast jeder am Bökelberg machte nämlich reflexhaft folgende Rechnung auf: Höchst mäßig spielen plus auf den besten Angreifer verzichten müssen (bzw. ihn grippekrank nur eine halbe Stunde lang spielen lassen können) plus 20 Minuten in Unterzahl spielen plus Spiel in der letzten Minute noch gewinnen ergibt: So wird man Meister. Der FC Bayern hat dem Publikum hierzulande diese Rechenweise über Jahrzehnte eingeprügelt. Und so gilt inzwischen eine Wahrnehmung, nach der nicht die beste Mannschaft Deutscher Meister wird, sondern jene, die auch ihre schlechten Spiele erfolgreich gestalten kann.“
Jörg Marwedel (SZ 9.2.): „Es ist nämlich so, dass die Indizien schon 15 Spieltage vor Saisonende derart erdrückend sind, dass die Fehlerquote dieser Prognose gegen Null tendiert. Schließlich bleiben selbst nach Abzug sämtlicher ewiger Fußballgesetze („Wer selbst so schwache Spiele wie in Gladbach gewinnt . . .“) genügend bedeutende Daten für diese Hochrechnung übrig. Die wichtigsten wurden soeben geliefert, denn sie handeln von derschwierigste Hürde der Bremer auf dem Weg zum Titel. Die ganze triste Winterpause über hat man ihnen einflüstern wollen, dass er sie wieder ereile, dieser Absturz in der Tabelle wie in den zwei Jahren zuvor. Eine schlimme Hypothek, die nur durch sofortige Siege abzutragen war. Es folgte ein 4:0 über Hertha BSC, der Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals und das 2:1 in Mönchengladbach. Die Bremer Profis haben ihre „Mind Card“, wie Psychologen die innere Programmierung nennen, umcodiert und alte Misserfolgserlebnisse aus den Köpfen getilgt. Und das kann den Lauf des Balles mehr beeinflussen als Wind, Wetter oder gar ein sperriger Gegner.“
Gerd Schneider (FAZ 9.2.): „Es gibt diese vibrierenden Momente, in denen Schicksale von Mannschaften aufscheinen und die deshalb in der Bilderflut des Bundesliga-Alltags überdauern. So wird man sich womöglich noch lange erinnern an diese eine Szene. Im Zentrum dieser Momentaufnahme steht Frank Baumann – ebenjener Baumann, dessen bloße Erwähnung bei eingefleischten Fans des 1. FC Nürnberg noch heute eine allergische Reaktion auslöst: Sie haben es ihm nicht vergessen, daß er im Mai 1999 am letzten Spieltag kurz vor dem Abpfiff von einem besonders schweren Anfall von Torschußpanik heimgesucht wurde und der Club absteigen mußte. Ähnlich wie damals fiel dem längst zur Führungskraft gereiften Würzburger nun der Ball im Torraum vor die Füße, wieder hatte er freie Bahn – nur machte er dieses Mal kurzen Prozeß. Könnte sein, daß sich Baumann damit abermals einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Fans gesichert hat. Sein Tor war der krönende Abschluß einer aufregenden Fußballwoche, die in Bremen Träume weckt und die Konkurrenz einer Hoffnung beraubt hat (…) Überhaupt hat sich Werder in verblüffender Weise mit seinen eigenen Störgrößen arrangiert. Daß sich Ailton und Krstajic einem anderen Klub – dem FC Schalke 04 – verschrieben haben, minderte bislang die Qualität des Bremer Spiels genausowenig wie die Ansprüche, mit denen die Profis nun Kapital aus dem Aufschwung schlagen wollen. Hinter dem Fußball aus der schwarz-grünen Wundertüte steht eine Vereinspolitik der ruhigen Hand. Irgendwann zahlt es sich eben doch aus, wenn man auch in schlechteren Zeiten am Trainer festhält. Genauso gehört zu den Prinzipien des Bremer Stils, auch bei Hochkonjunktur die Maßstäbe nicht zu verlieren. Daß die Vereinsführung das Pokerspielchen des Ungarn Lisztes dieser Tage rasch beendete und ihm die kalte Schulter zeigte, auch das dürfen die Bremer in dieser Woche als Sieg verbuchen: ein Sieg der Vernunft.
Bayer Leverkusen – Eintracht Frankfurt 1:2
Ulrich Hartmann (SZ 9.2.): „Klaus Augenthaler stellt sich gerade eine hübsche Sammlung von Horrorvideos zusammen. Er muss sie immer wieder anschauen, beinahe manisch, als suche er darin eine innere Ruhe, die er aber nicht finden kann in diesen Tagen. Die Aufzeichnung des vor Wochenfrist verlorenen Spiels in Freiburg hat der Fußballtrainer von Bayer Leverkusen in der vergangenen Woche mehrfach analysiert, seinen Spielern hat er das Video aber nicht zeigen mögen, „dazu war es zu schlimm“, hat er gesagt, als habe er einen pädagogischen Auftrag. Sein neuestes Video ist wieder ein Schocker, einer von der ganz harten Sorte, in dem sich ein Freund plötzlich als Monster entpuppt, als habe er sich bei Vollmond in einen Werwolf verwandelt. Der Gruselfilm zeigt den Bayer-Angestellten Ingo Hertzsch im Torjubel, aber er trägt dabei das Trikot von Eintracht Frankfurt, und während die sonst so souveränen Leverkusener verstört über den Rasen torkeln wie über den Friedhof der toten Hoffnungen, gewinnen die Frankfurter und zelebrieren den Auswärtssieg wie ein fröhliches Vampirfest in der finsteren Tabellengruft. Das Video, das Augenthaler schlaflose Nächte bescheren wird, ist für Frankfurts Trainer Willi Reimann eine romantische Komödie. So unterschiedlich sind die Geschmäcker im Genre-Mix Bundesliga.“
Ralf Weitbrecht (FAZ 9.2.) gratuliert dem Mann des Tages: „Ausgerechnet Hertzsch also hat den Weg zum erstaunlichen Auswärtssieg seiner neuen Eintracht bei Bayer geebnet und damit gleichzeitig Hoffnungen geweckt. In Frankfurt glauben sie nun wieder an den Klassenverbleib, schließlich ist der Anschluß an die rettenden Plätze geschafft. Erste Liga – weil es bei Bayer Leverkusen für Hertzsch keine Möglichkeit mehr gab, sich spielend einen Namen zu machen, sah sich der ehemalige Nationalspieler zum Handeln gezwungen. Er suchte das Gespräch mit Bayer-Trainer Klaus Augenthaler, und man wurde sich schnell über ein Ausleihgeschäft mit der Eintracht einig. Erschwerend kam im Herbst eine Verletzung hinzu, die ihn in Leverkusen zu einer siebenwöchigen Pause zwang. Von Bayer ausgemustert, bei der Eintracht sofort zur geschätzten Führungsfigur aufgestiegen: Ich freue mich für Ingo, sagte Augenthaler nach der bitteren Heimniederlage. Das ist ein guter Junge. Der hat nie gemurrt, nie gemeckert. Sondern stets seine Arbeit getan. Als er anfing bei der Eintracht, sagte Hertzsch, daß ich nicht der Heilsbringer bin. Nur einer Mission fühle er sich verpflichtet: Die Eintracht vor dem Abstieg zu bewahren. Callenberg, Chemnitz, Hamburg, Leverkusen und nun Frankfurt. Im Herzen der Republik scheint Hertzsch im Zenit seiner Schaffenskraft genau den richtigen Klub gefunden zu haben.“
Ingo Durstewitz Jörg Hanau (FR 9.2.): „Der Berg wankt. Die Augen sind gerötet, die Haut ist fleckig, Schweiß steht auf der Stirn. Reiner Calmund, Schwergewicht, japst nach Luft, die Lippen beben; ein bisschen sieht der Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen aus wie damals, als sein Lebenswerk vom Untergang bedroht war und der Dämon, den er verniedlichend Abstiegsgespenst nannte, ihn so übel zugerichtet hatte. Calmund feuert im Stakkato vernichtende Wortsalven auf seine Profifußballer, die vor einer halben Stunde bedröppelt vom Platz geschlichen sind, weil ihnen Eintracht Frankfurt die Lust am schönen Spiel geraubt und drei Punkte aus der BayArena entführt hat. Eine Unverschämtheit. Das war grausam, eine Zumutung. Wir haben gespielt wie ein Abstiegskandidat, bellt Calmund. Ohne Feuer, ohne Leidenschaft. Wer jetzt vom Titel redet, ist saublöd. Da haue ich gnadenlos dazwischen. Eine Niederlage wie diese schmerzt, zumal gegen die deutschlandweit belächelten, ach so minderbemittelten Berufsfußballer aus Frankfurt. Ein paar Meter weiter steigt eine Jubelorgie in Blütenweiß. Selbst Eintracht-Trainer Willi Reimann, der kühle Emotionsbändiger, wird von seinen Gefühlen übermannt, er ballt die Faust, reißt die Arme empor, hüpft wie ein Flummi auf und ab, herzt Ioannis Amanatidis, den Schützen des Siegtores, klatscht jeden seiner Spieler ab. Als er seine Gefühle wieder sicher verstaut hat, blitzt Stolz aus seinen Augen. Wer sieht, mit wie viel Leidenschaft die Jungs gefightet haben, der weiß: Wir sind bereit; bereit, in jedem Spiel alles zu geben. Das hier heute kann nur der Anfang gewesen sein. Reimann blickt entschlossen drein.“
VfL Wolfsburg – Borussia Dortmund 2:4
Javier Cáceres (SZ 9.2.): „Am Ende vermochte nicht einmal mehr das große, gelbe Plakat mit der roten Schrift das Idyll zu stören; es hing auch nach Schlusspfiff noch im Dortmund Fanblock. „Versager“, war darauf zu lesen, in Versalien, und die Schmähschrift hatten die Fans auch dann noch hängen lassen, als der Triumph nicht mehr abzuwenden war, jedenfalls nicht nach menschlichem Ermessen. Den Gescholtenen machte es nichts, nach Schichtende in die entsprechende Kurve zu laufen, sich an den Händen zu fassen und mit den rund 2000 Mitgereisten Wiedervereinigung zu feiern, in der sattsam bekannten Choreographie. War da was? Bereits vor der Partie war Protest angekündigt worden. Fünfzehn Minuten lang wollten die BVB-Gläubigen ihrem Block fernbleiben. Doch heraus kam nur eine Art Bummelstreik. Statt von der Tribüne verfolgten die schwarz-gelben Fans das Spiel vom Gang aus (und baten, wie der Chronist des Fanzines www.schwatzgelb.de vorwurfsvoll festhielt, Manager Michael Meier und Nationalverteidiger Christoph Metzelder, die zwecks Deeskalation in den Block geeilt waren, unsolidarisch um Autogramme).“
Marcus Bark (FTD 9.2.): “Matthias Sammer hat bisweilen merkwürdige Ansichten über Fußball. Er will häufig genau das Gegenteil von dem gesehen haben, was die Masse sah. Auch am Samstag sah er wieder einmal etwas, was niemand anderem aufgefallen war. „Die Schlüsselszene war für mich, wie Flavio Conceicao nach dem Elfmeter den Ball im Vollsprint aus dem Netz holte und zeigte: Hier geht noch was“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund. Der Elfmeter war übrigens für Wolfsburg und sorgte in der 35. Minute dafür, dass Dortmund mal wieder zurücklag. Aber irgendwie, so wollte Sammer zu verstehen geben, habe er nach dem Tor von Martin Petrov gewusst, dass sich seine Mannschaft aus dem Sumpf zieht, in den sie schon wieder ein paar Zentimeter tiefer gesunken war. Es ist dann auch tatsächlich so gekommen. Allen voran war es Torsten Frings, der die Rettungsaktion einleitete. Eine Woche nach seinem verschossenen Elfmeter gegen Schalke führte der genesene Mittelfeldspieler eine Mannschaft zum Sieg.“
Schalke 04 – 1860 München 0:0
Christian Zaschke (SZ 9.2.): „Als auch noch Danny Schwarz ausfiel, war klar, dass die Sechziger ohne eingespielte Verteidigung würden agieren müssen, was Götz zu der Äußerung bewog: „Wenn noch einer aus der Defensive ausgefallen wäre, hätte ich wohl Libero spielen müssen.“ Götz kann das, er hat diese Position zu seiner aktiven Zeit bisweilen eingenommen, doch es darf bezweifelt werden, dass der 41-jährige Trainer die Aufgabe so gut gelöst hätte, wie der 34-jährige Marco Kurz das tat. Seit Monaten wird der ehemalige Kapitän nur noch selten eingewechselt, still trainierte er, fleißig lernte er für den Trainerschein, bescheiden fand er sich mit seinem Schicksal ab. Nun die Schalke-Situation: Keine Innenverteidigung mehr da, und er, Kurz, der mit Schalke 1997 dem Uefa-Pokal gewann, motiviertester Mann auf dem Platz. Während der gesamten Partie spielte er hart und sicher, er riss die Mannschaft mit. „Viele reden über unsere jungen Spieler“, sagte Falko Götz, „aber man muss einmal sehen, was Marco Kurz hier geleistet hat, und was Gerhard Poschner mit seinen ruhigen Anweisungen bewirkt.“ Poschner ist ebenfalls 34 Jahre alt, und gemeinsam mit Kurz leitete er eine Mannschaft, welche Andreas Görlitz als „fast eine A-Jugend“ bezeichnete. Das mag ein wenig übertrieben sein, doch immerhin spielten: Lehmann (20), Baier (19), Lauth (22), Görlitz (22) und später noch Davids (18). Und sie spielten diszipliniert, sehr massiert in der Abwehr, sehr konzentriert. Die Mannschaft verschob in der Defensive so gekonnt, als habe sie ein Praktikum in der italienischen Serie A absolviert. Das ist nicht jedermanns Sache, „ultra-defensiv“ nannte Schalke-Trainer Jupp Heynckes diese Spielweise etwas säuerlich, und Rudi Assauer befand: „Gegen so ein Bollwerk hätte auch Zinedine Zidane nicht viel ausrichten können.“ Er meinte das nicht als Lob, aber bei den Sechzigern kam es so an.”
Richard Leipold (FAZ 9.2.): “Den Schalkern fehlt es an Witz und Verve, ein braves Verteidigungsbündnis auszuspielen oder wenigstens zu Fehlern zu verleiten. Wir müssen schneller, präziser, produktiver spielen, sagte Trainer Jupp Heynckes. Von Kopf bis Fuß, von der Nummer 1 bis zur Nummer 33 auf Abwehr eingestellt, verteidigten die Löwen das Remis. Und es schien ihnen nicht einmal schwerzufallen; die Westfalen wirkten so schwerfällig, daß Heynckes abermals vor Augen geführt bekam, was seiner Mannschaft am meisten fehlt: ein Spielgestalter, der zur rechten Zeit den Rhythmus ändert, das Tempo variiert und mit einem Paß Mitspieler wie Gegner dazu zwingt, die ausgetretenen Pfade zu verlassen. So offensiv Assauer auf dem Transfermarkt zuletzt aufgetreten ist: die wichtigste Position in Schalkes Zukunftself ist noch vakant. Dieser neuralgische Punkt, bei der Konkurrenz längst bekannt, ermuntert gerade Teams von begrenzter Qualität, in der Arena so aufzutreten wie die Münchner, die vor den drei hintersten Abwehrspielern ein sechs Mann starkes Mittelfeld aufbauten und ihren einzigen Stürmer Benjamin Lauth damit betrauten, den Schein zu wahren. Je näher die Schalker dem gegnerischen Tor kamen, desto unangenehmer wurde ihnen zumute; in der Enge der Münchner Hälfte wirkten sie wie von Platzangst geschüttelt.“
Hamburger SV –VfL Bochum 1:1
Hans Trens (FAZ 9.2.): „Zum Abschied formulierte er markige Begrüßungsworte. In der Hamburger AOL-Arena, wo die Erfolgsserie seiner frechen Bochumer sich fortsetzte, warf sich Peter Neururer in gewohnte Positur und lieferte ein abermaliges Beispiel für seine bekannte Zungenfertigkeit. Herzlich willkommen, Bayern! So blickte der Trainer des VfL Bochum bereits auf das kommende Wochenende – und er versprach dem Rekordmeister im heimischen Ruhrstadion einen entsprechenden Empfang: Was Frankfurt und Aachen können, das schaffen wir auch. Da war er wieder, der Lautsprecher aus dem Revier, der schlagfertige Fußball-Lehrer, der neuerdings seinen großen Tönen nicht minder imposante Taten folgen läßt. Neururers oftmals als graue Mäuse verspottete Bochumer setzen jedenfalls augenblicklich die Farbtupfer im Fußball-Westen der Republik, wo der Dortmunder Glanz trotz des Achtungserfolgs in Wolfsburg verblaßt, wo Schalkes Königsblau längst nicht mehr erstrahlt und wo selbst die Leverkusener Titelaspiranten im neuen Jahr nicht die Kurve bekommen. Der VfL Bochum indes, wenn auch im Duell mit einem harmlosen HSV nicht gerade souverän wie so oft in dieser Serie, bleibt in der Erfolgsspur (…) Tristesse in der Hansestadt, die an die auslaufende Jara-Ära erinnerte. Das Zwischenhoch unter Toppmöller scheint verschwunden. Resignierendes Geständnis des Abwehrrecken Bastian Reinhardt: Die Tabelle sagt die Wahrheit. Wir sind einfach nicht besser, als es unser Tabellenplatz aussagt. Und dieser weist immer noch den nötigen Abstand zum ersehnten UEFA-Cup-Platz auf. Ob dieses Saisonziel noch realistisch ist, bleibt abzuwarten. Insgesamt verdüstern sich ob der erschreckenden spielerischen Armut, ob der mangelnden Leidenschaft und ob der beschränkten Qualität des Personals die Perspektiven für Toppmöller und den HSV wie der dunkelgraue Februar-Himmel über dem schmucken WM-Stadion. Daß angebliche Talente wie Stephan Kling, dem ein schwerer Stellungsfehler vor dem 0:1 unterlief, daß Nationalspieler wie Christian Rahn auf niedrigem Niveau verharren, ärgert Toppmöller dabei besonders. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Neururer muß der eigentlich fidele Rheinländer beunruhigt sein, weil sein Team eindeutig im Minus liegt.“
1. FC Kaiserslautern – 1. FC Köln 1:0
Rainer Seele (FAZ 9.2.): „Von einem Zehn-Stunden-Tag für Fußballprofis hält Kurt Jara nichts. Den habe ich abgeschafft, sagte er, nachdem seine neue Mannschaft mit dem 1:0 einen kleinen Damm gegen die Pfälzer Not errichtet hatte. Der Trainer Jara ging damit deutlich auf Distanz zu seinem Vorgänger Erik Gerets, der sein Team mit ungewöhnlichen Maßnahmen zu disziplinieren versucht hatte. Die gewünschte Wirkung, man weiß, blieb aus. Jara setzt, er hatte dies gleich zu Dienstbeginn klargemacht, auf die Eigenverantwortung der Spieler. Am Samstag zumindest sah der Österreicher sich bestätigt. Seiner Elf, die sich mit dem Sieg über die Kölner auf den 15. Tabellenplatz verbesserte, hielt er zugute, bereit zu sein, für den FCK alles zu geben. Das hatte man natürlich auch erwarten können in Anbetracht der bedrohlichen Situation der Pfälzer. Obwohl sich die Lage nun ein bißchen entspannt hat, herrscht weiterhin eine gewisse Skepsis auf dem Betzenberg. So räumte der Vorstandsvorsitzende Rene C. Jäggi ein: Ich möchte keine Prognose geben, in welche Richtung es läuft. Er gab sich fürs erste damit zufrieden, nach dem Wechsel von Gerets zu Jara sportlich wenigstens einen kleinen Fortschritt gemacht zu haben. Im Moment reicht das. Allzu begeistert war Jara auf dem Betzenberg nicht empfangen worden. Doch er versuchte, dies gelassen zu betrachten.“
Hansa Rostock – SC Freiburg 4:1
Matthias Wolf (FAZ 9.2.): “Auf den ersten Blick war es eine nette Geste. Als Rade Prica in der 69. Minute ausgewechselt wurde, ging er auf eine Art Ehrenrunde. Vor der Nordtribüne applaudierte er den Zuschauern. Die Fans riefen seinen Namen. So, wie Spieler sonst nach Toren gefeiert werden. Es war die blanke Häme, die beide Seiten in diesem Moment walten ließen. Denn zuvor hatte das Publikum den jungen Schweden ausgepfiffen, nach jeder vergebenen Chance und jedem verstolperten Ball. Parallel forderten sie die Einwechslung des beliebten Magnus Arvidsson. Pricas Landsmann kam dann auch und entschied die Partie. Der 30 Jahre alte Skandinavier erzielte nicht nur das entscheidende 2:1 für den FC Hansa Rostock gegen den Sport-Club Freiburg, sondern bereitete auch noch die Treffer von Gernot Plassnegger, ebenfalls eingewechselt, und von Razundara Tjikuzu vor. 4:1 siegte Hansa, und Trainer Juri Schlünz sagte, der Sieg habe auch bei Prica, der sofort in die Kabine gerannt war, noch Freude ausgelöst. Auch wenn ihm das keiner ansah, als er wortlos und mit finsterer Miene aus dem Ostseestadion lief. Arvidsson gab da gerade sein nächstes Interview. Schlünz gefiel dieser Kontrast überhaupt nicht. Er, der stets das Gesamte sieht, betonte, die Tore der Joker seien weder sein Verdienst noch Heldentaten einzelner. Sondern vielmehr ein Beweis dafür, daß jeder bei uns wichtig ist.“
morgen auf indirekter-freistoss: die Sonntagsspiele in München und Berlin
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