Ballschrank
3:1-Sieg Polens über USA
Kommentare deaktiviert für 3:1-Sieg Polens über USA
| Donnerstag, 25. März 2004
Vom 3:1-Sieg Polens über USA berichtet Christoph Biermann (SZ 15.6.). „Während dieser Weltmeisterschaft ist den Koreanern wohl keine Nation so sehr ans Herz gewachsen wie die polnische. Zwar hinterließen die Besucher aus dem Osten Europas einen etwas seltsamen Eindruck mit ihren dicken Bäuchen, kahl geschorenen Köpfen und der Angewohnheit, auf der Straße Dosenbier zu trinken. Doch wenn einige von ihnen auch dem Schauerbild entsprachen, das man sich in Fernost vom Hooligan macht, ging von ihnen doch keine Bedrohung aus. Weder auf den Rängen noch auf dem Fußballplatz. Das polnische Nationalteam wird im Gegenteil sogar auf ewig seinen Ehrenplatz in den Geschichtsbüchern des koreanischen Fußballs haben: Gegen sie gelang der erste Sieg bei einer WM-Endrunde überhaupt, und dann halfen die Polen beim Spiel gegen die USA auch noch, die im Land völlig überreizten Nerven zu schonen.“
Die NZZ (15.6.) zum 3:1-Sieg der Polen über die USA. „Die massiven Umstellungen von Coach Jerzy Engel, der sechs Positionen neu bestzt hatte (darunter die ganze Verteidigung inklusive Keeper Dudek), ermunterten das Team offenbar zu einem ehrenvollen Abschiedsgruß (…) Weiter sind die Amerikaner, aber Balsam für das Selbstbewusstsein im Hinblick auf das Nafta-Derby gegen Mexiko war diese Partei sicherlich nicht.“
Thomas Kilchenstein (FR 15.6.) über das Spiel Südkoreas gegen Portugal (1:0). „Eigentlich war es kein Fußballspiel. Es ist nie ein Fußballspiel, wenn Südkoreas beste Fußballer Fußball spielen. Es ist immer ein nationales Ereignis, mindestens (…) Mehr als eine Millionen Menschen sollen allein in Seoul auf den Straßen und vor den Leinwänden mitgefiebert haben. Und wenn einer vom Mond auf die Erde gucken würde, er wüsste genau sehen, wo Südkorea liegt – der rote Fleck da, das ist Südkorea.“
Felix Reidhaar (NZZ 15.6.) zum selben Spiel. „Wenn die Qualität des koreanischen Teams auch mehr in der Physis und weniger im Spieltechnischen und Mannschaftlichen liegt, so wies es gegenüber dem enttäuschenden Konkurrenten an diesem Abend doch augenfällige Vorteile auf. Der Wille zu einem Effort war ihm anzumerken, die Portugiesen verschoben diesen Beweis auf die Schlussviertelstunde, als sie sich schon um zwei Spieler dezimiert sahen.“
Ralf Itzel (taz 15.6.) über die Schlussoffensive der unterlegenen Portugiesen. „Zu neunt führte Portugal am Ende einen verzweifelten Überlebenskampf. Mehrmals scheiterten sie knapp auf der Suche nach dem Ausgleichstreffer, der auch ihnen ins Achtelfinale verholfen hätte. Die Enttäuschung war so groß wie die Freude auf der anderen Seite. Während Figo und ein paar andere dem argentinischen Schiedsrichter sportlich die Hand schüttelten, wollten andere ihm an den Kragen.“
Von der „Massenhysterie“ in Südkorea berichtet Ralf Wiegand (SZ 16.6.). „Die Spirale des Wahnsinns dreht sich weiter, und langsam sollte in Korea mal jemand auf den Gedanken kommen, ob die Sache nicht außer Kontrolle geraten könnte. In einer für Europäer nicht nachvollziehbaren Bereitschaft zur totalen Aufgabe der eigenen Identität, um Teil eines unglaublichen, uniformierten Jubels zu werden, berauschten sich die Koreaner an einem Fußballspiel, das für ihre Mannschaft zum Triumphmarsch geriet und für die Portugiesen in einem Drama endete (…) Der rote Rausch, der gleichzeitig ein Jugendkult ist – man sieht fast nur Teenager im Stadion und auf den Straßen – hat auch groteske Züge. So reagierte die aufgedrehte Menge im Stadion wie programmiert auf die Anzeigentafel, buhte die in Großaufnahme gezeigten Portugiesen aus und bejubelte die eigenen Helden – mitten im Spiel, und wenn Hiddink eingeblendet wurde, „der Fußball-Messias“ (Korean Herald), brach ein Begeisterungssturm los, selbst wenn der Ball gerade ins Aus gerollt war. Mit diesen Leuten könnte Hiddink alles machen, sie würden ihm bedingungslos folgen.“
Zum Spiel Portugal gegen Südkorea (0:1) schreibt die NZZ (15.6.). „Die Zeit der „goldenen Generation“ ist wohl abgelaufen, die (an sich) großartigen Fußballer verabschieden sich durch die Hintertüre von der globalen Bühne. Stellvertretend für die Leistung darf die Darbietung Figos angeführt werden, der (geplagt von verschiedenen Wehwehchen) an diesem Turnier nicht einmal annähernd sein gewohntes Rendement erreichte.“
Thomas Kilchenstein (FR 11.6.) über das Spiel Südkorea gegen USA. „ihre große Stärke gleichzeitig auch ihre große Schwäche ist: Sie sind schnell und athletisch, aber eben auch zu hektisch. Gerne hätte man den elf roten Zappelphilipps auf dem Feld zugerufen, mal auf den Ball zu treten, mal ruhiger zu spielen, doch es gab nur eine Richtung: nach vorne. Hiddink will das so, also machen sie es, das schnelle Umschalten auf Angriff habe ihm imponiert, lobte er prompt seine Windmacher, die mit schier unbeschreiblicher Leidenschaft und Herzblut, niemals ermüdend, immer ungestüm, das Feld beackerten. Aber keinen Sturm entfachten. „Korea ist ein Powerteam“, sagte US-Trainer Bruce Arena nach der Partie. Aber eben auch leicht auszurechnen. Manchmal hatte man an das Gefühl, da spielte eine Jugendmannschaft gegen ausgebuffte Senioren.“
Helmut Schümann (Tsp 11.6.) ergänzt. „Umgekehrt agierten die Amerikaner, kühl, clever, erfolgreich.“
Den Imagegewinn der Gastgeber beurteilt Hans Trens (FAZ 11.6.). „Die Fußballspieler aus Südkorea, vor Wochen noch belächelt, werden nun ernst genommen. Was übrigens auch auf die Kicker aus den Vereinigten Staaten zutrifft. Es finden sich Parallelen in der Entwicklung, die der Sport in den beiden Ländern genommen hat. Taktisch und technisch geschult, konditionell optimal ausgebildet. Zu bestaunen waren diese Tugenden am Montag, als sich die beiden Parteien ein Match auf höchstem Niveau lieferten.“
Thomas Kilchenstein (FR 11.6.) über Südkoreas Trainer. „General nennen sie hier in Südkorea den Trainer Guus Hiddink, der nicht geliebt, aber respektiert wird, weil er die Elf der Nation trimmt. Und wer erlebt hat, wie der herrische, ein wenig zur Arroganz neigende Niederländer in der Pressekonferenz Fragesteller abkanzelt, kann sich vorstellen, dass man als Spieler besser genau das macht, was der Coach vorschreibt, will man im Team bleiben. Hiddink mag Spieler, die athletisch sind, zweikampfstark und schnell rennen. Also rennen südkoreanische Spieler, als gebe es kein Morgen mehr. Sie rennen viel, sie rennen schnell, sie rennen ununterbrochen. Sie könnten wohl auch 120 oder 150 Minuten rennen, doch ein Fußballspiel dauert für gewöhnlich nur deren 90.“
Christoph Biermann (SZ 11.6.) über den 4:0-Sieg Portugals über Polen. „Ganz so leicht, wie es das Ergebnis nahe legt, fiel den Portugiesen der Erfolg jedoch nicht (…)Lange strahlte vom Team in den grün-roten Trikots auch eine Art schlechter Stimmung ab, die sich in kleineren Streitereien der Spieler untereinander zeigte. Doch im Laufe der Partie spielte das immer weniger eine Rolle, die Mannschaft schien langsam zusammenzufinden. Die frühe Führung in der ersten Viertelstunde half entscheidend, weil die Portugiesen dadurch mit den Polen die Rollen tauschen konnten. Mit zunehmender Spielzeit war die polnische Mannschaft gezwungen, ihre Konterstellung aufzugeben und stärker die Initiative zu ergreifen. Das tat sie ansatzweise ansehnlich, war aber in entscheidenden Szenen glücklos.“
Thomas Klemm (FAZ 11.6.) zum selben Spiel. „Nachdem sich beide Mannschaften im strömenden Regen auf dem rutschigen Untergrund im Worldcup-Stadion von Jeonju leidlich zurechtgefunden und die Versuche der Polen mit Distanzschüssen ebenso wenig zum Erfolg geführt hatten wie Joao Pintos Sololauf, der mit einem Ausrutscher endete, kamen die Iberer mit einer schnellen und den Bodenverhältnissen angepassten Kombination zum Erfolg. Der agile Joao Pinto, der später Rui Costa weichen musste, fand mit einem langen Diagonalpass Pauleta; der nominell einzige Stürmer der Portugiesen täuschte den Schalker Hajto mit einer Körperdrehung und traf in die Torwartecke. Daß Jerzy Dudek, Weltklassetorhüter vom FC Liverpool, noch die Fingerspitzen an den Ball brachte, ließ ihn nicht besser aussehen.“
Die NZZ (11.6.) dazu. „Was die Lusitaner an diesem Tag auszeichnete, war die Tatsache, dass sie nicht als überhebliche Solisten, sondern als Mannschaft auftraten. Mit dem guten Beispiel ging hier Figo voran, der sich völlig in den Dienst des Kollektivs stellte, überall anzutreffen war und auch in der Defensive engagiert rackerte. Zwar noch weit von der Bestform entfernt, war der Star mit seiner Einstellung richtungsweisend (…) Was die Equipe Polens hingegen bot, war über weite Strecken ein einziges Ärgernis. Ohne Zusammenhang, Inspiration und fußballerisches Können spulte sie das Pensum ab, als wäre sie längst für die nächste Runde qualifiziert“
Thomas Kilchenstein (FR 6.6.) über das portugiesische Team. „So wie Figo geht es vielen im Team, Rui Costa etwa oder Serge Conceicao oder Fernando Couto wirken überspielt, schlapp, unkonzentriert. Niemals hatten sie das Tempo gehen können, das sie brauchen für ihr gepflegtes Kurzpassspiel, „Rhythmus, Rhythmus“, rief Oliveira immer wieder von der Seitenlinie ins Spiel, sie fanden ihn zu keiner Phase. Sie standen regelrecht neben sich, körperlich und geistig ausgelaugt, wie Schlafwandler bei Vollmond.“
Mark Schilling (NZZ 6.6.) über das „Kreativpotenzial portugiesischer Mittelfeldkünstler. „Wenn Rui Costa leichtfüssig durch die Zentrumszone trabt, Sergio Conceição und Figo auf den Flanken den Gegenspielern Knöpfe in die Beine wickeln – ja, dann gibt es kaum Spektakuläreres auf diesem Planeten (…) Von lusitanischer Spielkunst war kaum etwas zu sehen, dafür umso mehr von eklatanten Schwächen in der Abwehr. Das Ensemble Oliveiras wirkte stumpf und uninspiriert, Galaxien entfernt von einstiger Spielfreude.“
Die NZZ (6.6.) analysiert die Gründe für den Sieg der Amerikaner. „Längst schon weiß man um den „fighting spirit“ und die Siegermentalität US-amerikanischer Sportler – vor allem an Grossanlässen. Nicht unbedingt als „Reißertypen“ haben sich indessen die (männlichen) amerikanischen Fußballer bisher hervorgetan (…) Doch es scheint, dass den Männern von US- Soccer just zum Saisonhöhepunkt der Knopf aufgeht. Mit einem Blitzstart – 1:0 nach vier Minuten – und zwei weiteren Treffern noch vor der Halbzeit zeigten die Amerikaner auf, dass sie nicht gewillt sind, wiederum nur die Rolle der Prügelknaben zu mimen. Die hoch favorisierten Portugiesen waren jedenfalls derart perplex, dass sie in der Folge kaum ein Bein vor das andere brachten. Die physisch robusten und bemerkenswert einsatzfreudigen US-Boys kontrollierten die Portugiesen in der Folge trotz den verletzungsbedingten Absenzen zweier nomineller Stars (Reyna und Mathis) ohne größere Probleme und bestachen mit schnörkellosem, diszipliniertem und kompaktem Spiel.“
Roland Zorn (FAZ 6.6.) vermutet die Ursachen für den 3:2-Sieg des Teams USA gegen Portugal im Vorfeld des Turniers. „Dass hier eine nach strapaziöser Saison anscheinend falsch vorbereitete und im heißen Macau wie in der Militärakademie von Seoul zu heftig rangenommene Mannschaft vor Kraftlosigkeit kaum laufen konnte, sah am Mittwoch jeder. Die Spieler können sich, wenn sie beim Spiel gegen Polen so weitermachen, als nächstes auf ihren Urlaub vorbereiten. Die Amerikaner dagegen schlugen zum ersten Mal Kapital aus ihrer langen, von Ligapflichten nur zum Teil beeinträchtigten Vorbereitung (…) Das Team USA gehört inzwischen zu den etablierten Mittelmächten dieses Sports, jederzeit imstande, alle zu ärgern, die nicht richtig aufpassen.“
Michael Martin (FR 5.6.) hat sich das Auftaktspiel der Gastgeber angesehen. „Südkorea bot beim 2:0 gegen Polen die beste Leistung, die je eine asiatische Mannschaft bei einer WM gezeigt hat (…) Das Team hat in der Tat Qualitäten, die es für seine Anhänger attraktiv macht. Es ist gut organisiert in seinem 3-5-2, der Abwehrchef heißt Hong Myung Bo und pflegt einen unaufgeregten Stil, der fast scho n ein krasser Kontrast war zu der überdrehten Stimmung um ihn herum. Doch lange ist Hong nicht in Ballbesitz; auch getragen von den Zuschauern geht’s bei den Südkoreanern auf direktem Weg in die Spitze (…) Allerdings waren die Polen gestern ein harmloser Gegner. Ihnen war in Busan alles eine Spur zu schnell.“
Helmut Schümann (Tsp 5.6.) war von der Stimmung in Busan angetan. „Dabei war stark zu relativieren, was man vorher und sicherlich auch richtig über die ausbleibende Fußballbegeisterung der Koreaner geschrieben hat – geht’s um die eigenen Belange, dann können die einheimischen Zuschauer von einer Verve sein, die sicherlich bald jemand auf die Idee bringen wird, sie als Brasilianer Asiens zu bezeichnen. So schnell vergessen werden die Polen auf jeden Fall nicht, was ihnen gestern widerfuhr. Und auch nicht, was ihnen 54.000 enthusiastische Koreaner stundenlang um die Ohren gebrüllt haben: „Dae han min gook, was „Koreaner heißt. Jetzt dürfte die WM auch im Gastgeberland angekommen sein.“
Philipp Thommen (NZZ 5.6.) analysiert das Spiel Südkorea gegen Polen. „Das Heimteam schlug während der gesamten Spielzeit ein horrendes Tempo an, dem die Polen kaum gewachsen waren, und zog diese Pace unbeirrt bis zum Schluss durch, was auf eine hervorragende physische Verfassung schließen lässt. Zudem – und dies erstaunte doch leicht – gewannen die Asiaten die große Mehrheit der Zweikämpfe zu Boden und in der Luft mit zäher und nie nachlassender Kampfbereitschaft und waren zudem spielerisch und konzeptionell ebenfalls mindestens eine Klasse stärker als der Gegner. Ein rundum geglückter Beginn also, der der allgemeinen Stimmung im Turnier nur gut tun kann.“
Thomas Klemm (FAZ 5.6.) befasst sich mit den Verlierern. „Es war wohl trotz des jüngsten Aufschwungs der Asiaten ein Stück Überheblichkeit im polnischen Spiel, hatte doch Kapitän Waldoch vor dem Spiel noch getönt: „Wir wissen, dass die südkoreanischen Angreifer für viele Mannschaften gefährlich sind – aber nicht für Polen.“ Mit verantwortlich für die Niederlage Polens, das sich nach 16jähriger WM-Abstinenz viel vorgenommen hatte (…) Nach dem Hochmut folgte Waldochs ganz persönliches Fallbeispiel: Der wortgewaltige und tatenschwache Kapitän erlebte kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit hautnah, wie sehr er sich geirrt hatte.“
Christoph Biermann (SZ 5.6.) honoriert den südkoreanischen Beitrag zur Weltkultur. „Bislang hat Korea der Welt mehr große Violinisten und Pianisten als überragende Fußballer geschenkt. Die Brücke zwischen klassischer Musik und dem populärsten Sport der Welt wollte vor dem ersten Auftritt der koreanischen Nationalmannschaft bei dieser Weltmeisterschaft offensichtlich das völlig aufgedrehte Publikum in Busan schaffen, denn sie hatten Beethoven in ihr Repertoire aufgenommen. Die Melodie von „Freude schöner Götterfunken“ wurde im Stadion schon vor dem Spiel gesungen, was sich als ein Versprechen erwies, das am Ende des Premierenspiels eingelöst sein sollte.“
Gewinnspiel für Experten