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| Donnerstag, 25. März 2004
Themen: die Qualitätskriterien des FC Bayern – sensationeller Transfer in Wolfsburg – soziale Typbeschreibung Fußballfan – Jovialität in Schalke – neues Leitbild VfB Stuttgart
Thomas Klemm (FAS 13.7.) erläutert die Qualitätskriterien des FC Bayern bei der Spielerwahl. „Warum aber rechnen die Bayern-Verantwortlichen damit, daß aus einem stillen Techniker urplötzlich eine extrovertierte Führungsfigur wird? Auch Hoeneß und Rummenigge kennen doch den Charakter des Nationalspielers, den sie vor einem Jahr verpflichtet haben und den schon Trainer Röber bei Hertha BSC dazu anhalten wollte, sich zu öffnen. Vor Deislers Wechsel riet Röber gar, in München das Spiel mitzumachen. Ebenjenes Schau-Spiel, in dem es keine Nebenrollen zu geben scheint, sondern jeder mindestens eine kleine Hauptrolle bekleiden muß. In der Filmstadt München geht es an der Säbener Straße zu wie bei Dreharbeiten: Klappe auf, Klappe zu – Action. Mehr als bei anderen Erstligaklubs, wo sich die Spieler im Verdrängungswettbewerb durchsetzen müssen und, wie im Falle des neuen Dortmunder Jung-Kapitäns Christoph Metzelder, durch ihr Auftreten das Vertrauen der Führung gewinnen, muß ein Bayern-Profi spielend und sprechend seinen Willen zur Macht zeigen. Immer nach dem Motto: Der FC Bayern ist toll, ich bin beim FC Bayern, also bin ich toll. Werktags trainieren und am Wochenende spielen, das reicht nicht – da mache Deisler laut Rummenigge einen gedanklichen Fehler. Im Zweifelsfall, so die insgeheime Botschaft der Bayern-Chefetage, sollten die Profis lieber beim Aufmucken über das Ziel hinausschießen und Geldstrafen in Kauf nehmen.”
In der FR lesen wir. „Aufregung in Wolfsburg: Im Stadtbad hatte sich ein Hornissenschwarm eingenistet. Gottseidank hat die Feuerwehr die Sache mittlerweile unter Kontrolle.“
Javier Cáceres (SZ 15.7.) porträtiert den spektakulären Neuzugang des VfL Wolfsburg. „Dass Andrés D’Alessandro, 22, bisher Regisseur beim argentinischen Rekordmeister River Plate, künftig Angestellter des VfL sein wird, ist eine der Sensationen der ereignisarmen Fußball-Sommerbörse. In Spanien galt seit Ende vergangenen Jahres als ausgemacht, dass sich Barcelona und Real Madrid um den Mittelfeldspieler der „burlesken Dribblings“ (El País) prügeln würden, und noch am vergangenen Freitag versicherte die italienische Gazzetta dello Sport, dass die Führungskräfte der Serie-A-Clubs Juventus Turin und AC Milan D’Alessandro umgarnten – unter anderen, selbstverständlich. Die Auktion aber gewann Wolfsburg, der Klub einer Stadt also, die den Experten der argentinischen Sportzeitung Olé nicht besonders bekannt zu sein scheint: außer Autos seien dort auch hübsche Häuser im Kolonialstil und „einige der besten Weine Deutschlands“ zu erstehen. Dass sich Wolfsburg die Dienste des argentinischen Nationalspielers sichern konnte, hat viel mit der Ebbe in italienischen und spanischen Vereinskassen, aber auch mit der Volkswagen AG zu tun. Vor vier Jahren übernahmen die Autobauer 90 Prozent der Anteile an der VfL-GmbH, seither läuft der Versuch, den titelfreien Klub in einen global player der Fußballwelt zu verwandeln. „Zukunftsweisend“ hat VfL-Manager Peter Pander D’Alessandros Verpflichtung genannt, weil der Kicker dabei mithelfen soll, den Verein mittelfristig, bis 2007, in der Champions League zu platzieren. Die Bundesliga werde viel Freude an D’Alessandro haben, glaubt Trainer Jürgen Röber. Wegweisend ist der Transfer aber auch in anderer Hinsicht. Denn Wolfsburg macht sich nunmehr das VW-Firmennetz zwecks Aufrüstung der Fußballmannschaft zunutze. Ähnliches ist auch von Bayer Leverkusen bekannt. Doch beim Werksklub beschränkt sich die Unterstützung durch die brasilianische Filiale vorrangig auf logistische Unterstützung bei Spielertransfers. VW hingegen fädelte über seine Vertretung in Argentinien eine strategische Partnerschaft zwischen dem VfL und River Plate ein, dessen Nachwuchsarbeit in der Branche als vorbildlich gilt.“
Philipp Selldorf (SZ 15.7.) war auf der Pressekonferenz und beobachtete die Stimmung innerhalb der Führungsriege. „Offensichtlich rätselt der Chef des WM-Komitees darüber, warum er so intensiv zum Weitermachen gedrängt wird, nachdem ihn Hoeneß und Rummenigge oft genug für abweichende Meinungen gerügt hatten. Und auch gestern bewies er wieder, dass seine Ansichten nicht jederzeit übereinstimmen mit den strategischen Bemerkungen des AG-Vorstands. Hatte Uli Hoeneß kürzlich noch Real Madrid wegen des Aufsehens um David Beckham als „Circus“ verspottet, meinte Beckenbauer gestern: „Wie die das mit Beckham machen wollen, ist zwar deren Geheimnis, aber diese geballte Kraft in einem Klub – ich find’s großartig.““
Thomas Klemm (FAS 13.7.) betreibt Fansoziologie. „Miteinander redet man nicht, sondern übereinander. Manager Uli Hoeneß habe eine Engelsgeduld bewiesen, hat Hörwick gesagt, Gesprächsangebote des Vereins, die es laut Fanklubs nie gegeben habe, hätten nichts gefruchtet. Was vordergründig als Münchner Problemfall erscheint, hat erhebliche Auswirkungen auf das gütliche Miteinander von Anhängern und ihren Vereinen. Manche Fanklubs haben Angst, sie könnten die nächsten sein, sagt Thomas Schneider von der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) in Frankfurt. Matthias Bettag, Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans, schließt nicht aus, daß es sich beim Vorgehen des FC Bayern um einen Testballon des mächtigsten Vereins gehandelt habe. Demgegenüber fürchten Vereine, daß Fans vor allem mit pyrotechnischen Produkten die Gesundheit der Stadionbesucher gefährden. Von Ausschreitungen ganz zu schweigen.Zwar ist den Profiklubs mit Hilfe der Fan-Projekte weitgehend gelungen, Gewalt aus den Stadien zu verbannen; eine positive Entwicklung hinsichtlich der Weltmeisterschaft 2006 hierzulande. Doch genießen die Ultras, zu denen sich auch Schickeria München zählt, keinen guten Ruf. Mit ihnen wissen manche Vereine nicht umzugehen, sagt KOS-Leiter Schneider. Sie sollten gelassen hinnehmen, daß zu einer bestimmten Fankultur gehört, provokant aufzutreten. So wie die Münchner Fanklubs, die mit zahlreichen Aktionen gegen eine Kommerzialisierung des Großklubs wetterten. In der Regel seien Ultra-Gruppen weder Biedermänner noch Brandstifter, sondern kämen mehrheitlich aus gebildeten Milieus mit mittelschichtsorientiertem Verhalten, behauptet Schneider. Sie seien nicht asozial, undemokratisch und gewaltbereit wie einst Hooligans nach englischem Vorbild, sondern prosozial, urdemokratisch und kreativ wie ihre italienischen Rollenmodelle. Im Stadion sorgen sie vor allem mit Choreographien und Selbstinszenierungen für Stimmung. Gilt also für die Führungsetage der Profiklubs: Der Fan, das unbekannte Wesen? Die Ultras bezeichnen sich zwar als nicht gewaltbereit, aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen hier oft Welten, sagt Professor Gunter A. Pilz. Wie Bayern-Manager Hoeneß, der von gewissen Elementen sprach, hat auch Konfliktforscher Pilz einen Trend ausgemacht, daß die Ultras zum Sammelbecken auch für Gewaltbereite und Rechtsradikale würden.Die Ultraszene der Frankfurter Eintracht beispielsweise bezeichnet KOS-Leiter Schneider als tonangebend; für andere sind deren – verbotene – bengalische Feuer furchteinflößend.“
Philipp Selldorf (SZ 12.7.) zufolge ging es im Schalker Trainingslager gemütlich zu. „Am Vorabend der Abreise aus dem Trainingslager im Erzgebirge, nahe der tschechischen Grenze, dort wo eine Caipirinha 2,50 Euro kostet, hat der FC Schalke 04 die mitgereisten Journalisten zum „Elefantenrunde“ genannten Gesprächskreis mit Manager Rudi Assauer und Trainer Jupp Heynckes geladen. Man möchte sich ein bisschen besser kennen lernen. Statt Scampi und Langusten, wie sie Heynckes bis vor drei Wochen in der Wahlheimat Spanien vorgesetzt wurden, gibt es Rollmops und Brathering. Jeder Reporter führt sich mit Namen und Arbeitgeber ein, einer erklärt sich statt seiner Zeitung der 4. Panzer-Division zugehörig, und den neuen Trainer stellt, nicht weniger launig, Manager Assauer vor: „Gute Freunde dürfen ihn Josef nennen, weniger gute sagen Jupp zu ihm.“ Am Ende des geselligen Abends mit dem verblüffend fröhlichen Coach waren die meisten Berichterstatter möglicherweise versucht, Josef zu sagen, und es hätte einen nicht gewundert, wenn sie ihn nach dem Erinnerungsfoto beim Pils auf ihren Schultern aufs Zimmer getragen hätten. Beobachter meinten scherzeshalber, im Hotel „Am hohen Hahn“ in Bermsgrün sei der erste deutsche Heynckes-Fanklub gegründet worden. Zweifellos herrscht neuer Schwung rund um Schalke 04.“
Zur Situation beim VfB Stuttgart heißt es von Michael Ashelm (FAS 13.7.). „Viele Augen werden in den nächsten Monaten auf den Meisterschaftszweiten schauen, beobachten, ob das Modell im Jahr eins nach der großen Überraschung noch funktioniert. Die hohe Verschuldung hatte den Verein für Bewegungsspiele dazu gezwungen, vor allem junge, billige Arbeitskräfte einzusetzen und so den Wettbewerb mit den Schwergewichten aus Dortmund, Schalke oder Berlin aufzunehmen. An dieser Grundlinie hat sich vor Beginn der 41. Bundesligaspielrunde nichts geändert, selbst mit dem Erreichen der Champions League nicht. Zugänge wie Jurica Vranjes (Bayer Leverkusen), Imre Szabics (Sturm Graz), Cacau (1. FC Nürnberg) oder Philipp Lahm (Bayern München) sind nicht älter als 23 Jahre, ein Comeback des siebenunddreißigjährigen Krassimir Balakow, der seine Karriere zum Saisonende beendet hatte, wird vom Bulgaren selbst kategorisch ausgeschlossen. So wird der VfB Stuttgart immer jünger und setzt auch woanders Trends: Kein anderer Klub der Liga hat in seinen Funktionärsreihen mehr hochkarätige Wirtschaftsmanager sitzen, kein anderer vertraut so sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Trainer.Der allmächtige Magath arbeitet seit der Trennung von Rolf Rüssmann in Personalunion als Teammanager und zieht in allen sportlichen Belangen des Vereins die Strippen. Abwerbeversuche wie von Schalke 04 im Mai hat er geschickt dazu genutzt, weitere Kompetenzen für sich zu gewinnen. Im Gegenzug bietet er sportlichen Aufschwung und neues Selbstvertrauen. Vor der Zukunft ist mir nicht bange. Warum sollen wir vor den Großen Real Madrid, Arsenal London oder AC Mailand Angst haben? Laßt sie doch kommen, wir werden uns gut verkaufen, sagt der Fußball-Lehrer. Solch markige Botschaft hört der VfB-Fan natürlich gerne, hat er doch lange Jahre mit der Mittelmäßigkeit auskommen müssen. Die Muskelspiele des Trainers passen gut zu den großen Plänen des neuen Präsidenten, des Nachfolgers von Manfred Haas, der aus dem Stuttgarter Traditionsklub eine Art Massenbewegung unter dem Arbeitstitel VfB Baden-Württemberg kreieren will. Herr Magath ist sehr, sehr positiv für uns. Er ist ein souveräner Mann, der jegliche Unterstützung von uns bekommt, sagt Staudt. Der 55 Jahre alte ehemalige Linksaußen vom TSV Eltingen ist im Hauptberuf Vorsitzender des Aufsichtsrates des Computer-Riesen IBM mit Sitz in Berlin. Doch bald, wenn er erst die Fußballsparte des VfB in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt hat, soll er den Posten eines Vorstandsvorsitzenden oder bezahlten Präsidenten übernehmen.“
Eintracht Frankfurt vor der Saison Tsp
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