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| Donnerstag, 25. März 2004
Themen: Gerüchte um Mauscheleien im Abstiegskampf – Staunen über großen Zuschauerzuspruch in der Liga – unzufriedener Magath ? – was macht eigentlich Dietmar Jakobs?
Fränkisch-rheinländisches Austauschprogramm
Vor dem Abstiegsduell zwischen Bielefeld und Leverkusen berichtet Andreas Morbach (FTD 22.5.) Unschönes. „Die Gerüchte, die aus den Chefetagen des 1. FC Nürnberg und von Bayer 04 Leverkusen in den vergangenen Wochen aufgestiegen sind, behagen den Bielefeldern gar nicht. Am Samstag spielen die beiden Vereine im Frankenstadion gegeneinander. Holt Absteiger Nürnberg dabei einen Punkt, und gewinnt Bielefeld zeitgleich gegen Hannover – beide Resultate keinesfalls verdächtig, später als achtes Weltwunder ausgerufen zu werden –, bleibt die Arminia in der Liga. Und Vizemeister Leverkusen, das vor einem Jahr im Frankenstadion schon verlor, als man noch Meister werden und nicht bloß Bundesligist bleiben wollte, würde den Klub und Cottbus in die zweite Liga begleiten. Im Normalfall müssten die Bielefelder bei so einer Konstellation toben vor Vorfreude. Aber von Heesen tobt nicht. „Alles, was in Nürnberg passiert“, sagt er gelassen, „liegt nicht in unserer Hand.“ Über das fränkisch-rheinländische Austauschprogramm ist der Ex-Profi aber natürlich im Bilde: Der Tscheche David Jarolim, einer von Nürnbergs Besten, steht vor einem Vereinswechsel – nach Leverkusen. „Wenn Bayer drin bleibt, geht Jarolim zu Klaus Augenthaler.“ Das hat FCN-Präsident Michael A. Roth dem Kölner „Express“ erzählt und damit bewiesen, dass er bisweilen vielleicht seltsam daherkommen mag, aber ein ehrlicher und offener Mensch ist. Roth hat im Zusammenhang mit dem möglichen Jarolim-Transfer noch mehr gesagt. Bayer, kündigte der Teppichhändler mit der roten Gesichtsfarbe und dem weißen Vollbart eine Nürnberger Niederlage fast schon an, „hat bei uns noch was gut. Sie haben uns Paulo Rink gegeben, der hat uns dann vor dem Abstieg gerettet“. Nicht zu vergessen die Geschichte mit Augenthaler, vor drei Wochen in Nürnberg entlassen. „Da kann man sich ja vorstellen, was Roth da für einen Zirkus veranstalten würde“, plapperte Bayer-Geschäftsführer Reiner Calmund vor einer Woche angesichts des pikanten Duells am letzten Spieltag. Einen Tag später präsentierte er Augenthaler als neuen Trainer. Die reichen, bedrängten Leverkusener, die den klammen Absteigern aus Franken das Leben leichter machen, indem sie zum Beispiel Augenthalers Abfindung hinfällig machen?“
Das Fernsehen ist der große Verlierer
Gerd Schneider (FAZ 22.5.) ist erstaunt über den Zuschauerzuspruch in deutschen Bundesliga.-Stadien. „Die Serie verbreitete, mal abgesehen vom Fall Bayer Leverkusens, sportlich nicht viel Aufregung und Spektakel. Da wirkt es paradox, daß die höchste Klasse ausgerechnet in dieser Saison bei der Kundschaft so gut ankam wie noch nie. Erstmals in ihrer vierzigjährigen Geschichte wird die Bundesliga am Wochenende bei den Zuschauerzahlen die Zehnmillionengrenze überschreiten. Dabei ist der Bundesliga-Boom nur die auffälligste Erscheinung einer Entwicklung, die sich auch in anderen Sportarten beobachten läßt: Es geht eben doch nichts über das sinnliche Erleben. Die Zeiten, in denen sich das öffentliche Interesse bei Sportveranstaltungen allein an den Einschaltquoten der Fernsehsender ablesen ließ, scheinen vorerst jedenfalls vorbei zu sein (…) Die Botschaft, die hinter dem Zuschauerboom zum Vorschein kommt, ist deutlich: Der zahlende Kunde ist eben doch der König. Womöglich wird sich auch die Wirtschaft bald neu orientieren. Denn im Spiel um Werbekraft und Einschaltquoten darf sich der Zuschauer in diesem sportlichen Frühjahr als Sieger fühlen. Und das Fernsehen ist der große Verlierer.“
Sportlichen Erfolgen zum Trotz kursieren immer wieder Gerüchte um eine vorzeitige Vertragsauflösung Felix Magaths in Stuttgart. Roland Zorn (FAZ 22.5.) schreibt dazu. „Bis zum Auftakt des neuen Spieljahrs müßten aus Magaths Sicht jedoch einige Dinge in seinem Sinne geklärt sein, soll der Meister in spe in Zukunft voller Überzeugung zu seinem jetzigen Verein stehen. Für mich als Trainer ist es hier wunderbar, verweist Magath auf sein aus der Not gewachsenes sportliches Aufbauwerk beim VfB. Als Teammanager, der sich um die Verpflichtung neuer Spieler kümmern soll, verkündet Magath eine ganz andere, traurige Zwischenbilanz: Meine Handlungsfähigkeit ist beschränkt. Ich kann zwar Spieler ansprechen, aber reden allein ist ein bißchen dürftig, wenn man kein konkretes Angebot machen kann. Der noch immer mit rund 16 Millionen Euro verschuldete Klub, den demnächst Erwin Staudt, der Aufsichtsratsvorsitzende von IBM Deutschland, anstelle von Manfred Haas hauptamtlich anführen wird, wartet vielleicht etwas zu lange, wohin die sportliche Reise geht. So lange aber will Magath sich nicht gedulden. Der Mann, der schon ein Meisterszenario 2005 mit dem VfB Stuttgart auf dem deutschen Fußballgipfel entworfen hat, sieht voraus, was ihm droht. Meisterschaft? Das geht nur, wenn wir in der Lage sind, den einen oder anderen Spieler zu holen. Klappt das nicht, erübrigt sich das Thema.“
Großes Theater
Josef Kelnberger (SZ 22.5.). „Das Bier spielt eine elementare Rolle im Fußballprofigeschäft. Das Trinken aus überdimensionalen Biergläsern zählt zum Repertoire bei Meisterfeiern, auch Bierduschen sind gern gesehen. Der Fußball wird damit seinem Image als Proletariersport recht, und befriedigt nebenbei die Ansprüche von Sponsoren aus der Bierbranche. Auch nach Niederlagen wird Bier gern in Anspruch genommen. Reiner Calmund, Bayer Leverkusens Manager und damit Repräsentant eines Weltkonzerns, forderte den Einsatz von Alkohol als Mittel zur Frustbewältigung, nachdem die Mannschaft vergangenes Jahr das Pokalfinale verloren hatte. Auch auf der Heimreise nach der 1:4-Niederlage vor zwei Wochen in Hamburg sei die Bayer-Führung nicht mehr nüchtern gewesen – außer ihm selbst, weil krank –, so zitiert ihn Bild. Es war eine Erwiderung auf neuerliche Andeutungen des Nürnberger Präsidenten Roth, wonach Trainer Augenthaler, jetzt Leverkusen, durchaus dem Weißbier zugesprochen habe. Bier, lernen wir, eignet sich im Fußball für jeden Zweck: zum Feiern vonSiegen, Verarbeiten von Niederlagen, und, im Fall Roth, sogar zur Personalpolitik: um einen Trainer nachträglich vor den Fans zu diskreditieren und von eigenen Fehlern abzulenken. Zwischendurch bleibt genügend Zeit, um zum Beispiel für Keine Macht den Drogen zu werben. Großes Theater.“
Ein Leben ohne Grätsche
Anlässlich des 20. Jahrestags des HSV-Europokalsiegs erinnert Jan Christian Müller (FR 22.5.) an das Schicksal Dietmar Jakobs´. „Er kann noch nicht mal joggen, nicht einen Meter. Schwere Arthrosen in den Sprunggelenken, vor allem aber die leidige linke Hüfte, die schon dreimal operiert werden musste, zuletzt im Januar, weil die Hüftpfanne immer wieder rausgesprungen ist, gar beim Duschen. Und dann die Sache mit dem Dings, wie Jakobs sagt, seit dem Dings geht nichts mehr. Er spricht viel von Glück. Wahrscheinlich hat er es so geschafft, jenen 20. September 1989 zu verarbeiten, den Tag, als ein Karabinerhaken sich in seinen Rücken bohrte, einen Nervenstrang zerquetschte und zwei Wirbelfortsätze wegknackte, wie Jakobs es mit einem schrägen Lächeln formuliert. Und dann wieder von Glück redet: Wenn ich Pech gehabt hätte, wäre meine Wirbelsäule weg gewesen. Ich hatte Glück, denn ich konnte auf 18 Jahre Profifußball zurückblicken. Das Ende war für ihn, den nimmermüden Kämpfer, der noch zwei Jahre einen Vertrag hatte, gleichzeitig auch ein Anfang. Der Anfang für ein neues Leben. Ein Leben ohne Grätsche. Fast eine halbe Stunde hing Jakobs an diesem nass-kalten Abend im zugigen Volksparkstadion wie ein Fisch im Netz. Es war das Nordderby gegen Werder Bremen, der Neuseeländer Wynton Rufer hatte Mitte der ersten Halbzeit den langen Torwart Richard Golz überlupft, der Ball wäre ins Tor getrudelt, hätte Jakobs nicht den feuchten Rasen zu Hilfe genommen, wie er es zuvor schon zehntausend Mal getan hatte, wäre er nicht hinter dem Ball hergerutscht und hätte ihn von der Linie gekratzt. Dann gab es dieses dumpfe Geräusch. Jakobs hing fest: Ich hatte keine Schmerzen, aber ich merkte, dass ich nicht mehr weg kam. Der Arzt hat mich dann rausgeschnitten. Solche Karabiner als Torbefestigungen gab es schon damals nur noch in Hamburg. Der HSV gewann 4:0. Jakobs erfuhr davon im Krankenhaus. Aber er ist, kaum war die Wunde vernäht, noch in derselben Nacht wieder nach Hause gekommen. Er hat noch nicht ahnen können, dass er nie wieder Fußball würde spielen dürfen. Ein Jahr lang hat er sich gequält. Aber die neurologischen Ausfälle im rechten Bein machten ein Comeback unmöglich. Irgendwie, erzählt der dreifache Familienvater in einem seltenen Anflug von Melancholie, habe ich gewusst, dass ich den Fußballplatz nicht normal verlasse. Dafür hatte ich vorher zu viel Glück. Er sagt, er habe niemals eine Muskelzerrung erlebt. So was gab es bei uns nicht, außer bei Ivan Buljan. Er selbst sei so gut wie nie verletzt gewesen, sagt er. Was auch daran liegt, dass der Fußballprofi Ditmar Jakobs die Bezeichnung Verletzung sehr eng auszulegen pflegte.”
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