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Beckham-Tansfer nach Madrid
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| Donnerstag, 25. März 2004
Christian Eichler (FAZ 20.6.) erläutert die Motive der Madrider Vereinsführung, David Beckham zu verpflichten. „David Beckham, das Schnäppchen der Saison. Sportdirektor Valdano spricht von einem ziemlichen billigen Einkauf. Das mag klingen, als wäre der Mann jeder ökonomischen Realität enthoben. Doch hat seine Sichtweise im Binnenmarkt der Marketing-Millionen, zu denen die kleine Fußballwelt der großen Klubs geworden ist, eine innere Logik. Diesen Freitag beginnt bei Real Madrid der Verkauf des Beckham-Trikots, man rechnet mit riesiger Nachfrage. Es wird, nimmt man die Zahlen nach den fast doppelt so teuren Verpflichtungen von Zidane und Ronaldo, die Transferkosten schon zu einem Großteil abdecken. Im Vergleich zu den beiden weltbesten Fußballern hat der Spieler Beckham Grenzen. Das Vermarktungsobjekt Beckham hat keine. Deshalb kommt er Real wirklich billig. Daß der Einkaufspreis von maximal 35 Millionen Euro unter dem Marktwert blieb, liegt daran, daß Beckhams Beziehung zu Manchester United zu offensichtlich zerrüttet, sein Zug nach Madrid zu deutlich war. Spielerisch war er kein Gewinn mehr für United. Das Gehabe als Society-Star, das er seit der Ehe mit einer mittelmäßigen Popsängerin annahm, störte den Teamgeist. Bei der letzten Weihnachtsfeier saß Beckham mit seiner Entourage am eigenen Tisch (…) Wer nun fragt, wo Beckham die Weltelf aus Madrid überhaupt verstärken soll und ob nicht ein billiger knorriger Verteidiger der Schönspielequipe viel mehr nützte, outet sich vor diesem Hintergrund als hoffnungslos von gestern. Beckham muß das Team gar nicht verstärken. Es reicht, wenn er oft genug zu sehen ist, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Ab und zu wird er einen schönen Freistoß schießen, vielleicht auch tolle Spiele machen, das wäre aber nur eine schöne Zugabe. Denn das Schnäppchen David Beckham muß nicht treffen, um seinem Verein Millionen einzubringen.“
Der Popballer
Ronald Reng (FR 20.6.) teilt dazu mit. „Der von monatelangen fiebrigen Spekulationen begleitete Vereinswechsel gibt dem Phänomen Beckham noch eine neue, im Sport ungekannte Dimension. In den USA, wo die Mehrheit Soccer als Sport für Frauen und Memmen betrachtet, erklärte die New York Times ihren Lesern in einem Leitartikel, dass Beckhams schlechtes Verhältnis zu Uniteds Trainer Alex Ferguson der Grund des Umzugs sei. In Madrid machte Reals Sportdirektor Jorge Valdano den Eindruck, sie hätten einen Werbestar und keinen Mittelfeldspieler verpflichtet: Er ist mehr als ein Fußballer, er wird unsere Marke stärken. Auf Tokios Flughafen Narita klickten hunderte Blitzlichter, als Beckham mit seiner Frau, Popsängerin Victoria alias Posh Spice, durch das Gate kam; Beckham lächelte und sagte: Ich bin entzückt. Entzückt, in Japan zu sein, entzückt, zu Real zu wechseln. Wer Beckham kennt, mag es manchmal nicht glauben: Welche Gefühlswallungen dieser höfliche, sympathische, aber ruhige, wortkarge 28-Jährige in Leuten auslöst. Doch ein Star, das war bei Marilyn Monroe schon so, muss nur die passende Hülle haben, auf die die Fans ihre Träume projizieren können: Sein schönes Lächeln wie seine Sanftheit, seine Ehe mit Posh sowie der Fakt, dass er aus England kommt, einem Land, dem weltweit, auch wegen der Sprache, mehr Aufmerksamkeit als den meisten zukommt, machen ihn zur Ikone für Millionen, die ihn nie haben Fußball spielen sehen. Der Popballer, nennt ihn Spaniens Tageszeitung, El País. Bloß als Fußballer hätte ihn Real nicht gebraucht. Ein Beckham im Team garantiert höhere Werbeverträge, mehr Fans, ein besseres Image. Natürlich wollte ihn Real auch deswegen unbedingt; und für 25 Millionen Euro Ablöse, die sich je nach Erfolg auf 35 Millionen erhöht, bekommt es ihn ein bisschen billig, weiß Valdano. Für ein Dutzend anderer Fußballer wurde in den jüngsten Jahren mehr gezahlt. Doch Beckham als Spieler kleinzureden, weil er als Popstar größer ist, ist eine törichte Masche. Seine Flanken sind einzigartig, sein Passspiel klinisch rein, in Bestform kann ihn jede Elf gebrauchen.“
O.F.: Ich sah den 6:1-Erfolg Manchester Uniteds über Arsenal London (März 2001) – die beste erste Halbzeit (5:1), die ich jemals sah – in einem englischen Pub, wo ManU-Hasser in der Überzahl waren. Als Beckham in der eigenen Spielhälfte an der Seitenlinie einen Gegner mit einer blitzschnellen und nicht zu beschreibenden Fußbewegung ausspielte und sein zentimetergenauer 60-Meter-Pass noch in der Luft war (den Ole Gunnar Solksjär sodann zum 3:1 verwertete), sagte ein Arsenal-Fan in resignierender Hochachtung: ‚Oh! He´s got marvellous feet!‘
Von Spanien-Korrespondent Peter Burghardt (SZ 20.6.) lesen wir dazu. „Die erste Präsentation war gleich ein großer Erfolg, wie sollte es anders sein. Als Victoria Adams und David Beckham am Mittwoch auf dem Flughafen Narita von Tokio eintrafen, da erwarteten sie bereits Hundertschaften enthemmter Japanerinnen und Japaner wie einst die Beatles. Zwischen dem umfangreichen Fanklub mit seinen Fotohandys und Videokameras hatten sich internationale Reporter in Stellung gebracht, und so erlebte auch das Publikum von Real Madrid, wie toll die neueste Errungenschaft 11000 Kilometer östlich ankommt. Sicherheitskräfte mit Megaphonen mussten das Empfangskomitee in Zaum halten, damit kreischende Jungen und Mädchen den Gästen aus Manchester nicht zu nah kamen. Japan liebt die Beckhams. Deshalb mag sie ja auch Florentino Perez so sehr. Fußballspiele stehen bei diesem Besuch nicht auf dem Programm, ein Jahr nach der Weltmeisterschaft ist das Ehepaar zu Werbeterminen nach Asien zurückgekehrt. David macht unter anderem Reklame für japanische Schokolade und japanische Kosmetik, wozu nebenbei bemerkt der Hinweis des künftigen Mitspielers Ronaldo passt, Beckhams Trikot rieche „nach Parfüm“. Die Privatverträge erweitern sein Grundgehalt von zuletzt 6,6 Millionen Euro (plus Prämien) jährlich um weitere 9,1 Millionen Euro. Außerdem wurde seine Biographie allein in Japan 330000 Mal verkauft, und im vormaligen WM- Quartier der Engländer kosten die Zimmer 35 Euro Beckham-Zuschlag. Da bekam der neue Arbeitgeber also gleich nach Vertragsabschluss bestätigt, was er schon wusste: „Es gibt keinen Zweifel“, verkündete Perez in seiner technischen Sprache, „dass uns seine Medienprojektion helfen wird, die Marke Real Madrid auf dem angelsächsischen Markt, in Asien und den USA zu konsolidieren.“ Darum geht es schließlich beim Handstreich des Jahres 2003, deshalb war an den Verhandlungen vor allem der PR-Chef beteiligt.“
Fleißig, aber menschlich eine Niete
Über den Konflikt zwischen Beckham und seinem Trainer heißt es bei Ralf Sotscheck (taz 19.6.). “Ein Freund von Ferguson sagt: Alex will Fußballer und keine Filmstars. Beckham ist mit seiner Frau Victoria, besser bekannt als Posh Spice, zuletzt öfter in den Klatschspalten der Regenbogenpresse als auf den Sportseiten aufgetaucht. Ferguson glaubt außerdem, Beckhams fußballerisches Können werde maßlos überschätzt. Für eine Reihe wichtiger Spiele der vergangenen Saison hat er ihn gar nicht aufgestellt. David war ein integraler Bestandteil aller Erfolge, die United in den vergangenen zehn Jahren errungen hat, sagte Ferguson vorgestern. Ich möchte ihm und seiner Familie Erfolg für die Zukunft wünschen und danke ihm für alles, was er für den Verein getan hat. Das ist nicht gerade überschwänglich. Wenn man solche Sätze im Zeugnis einer Sekretärin läse, würde man denken: Aha, fleißig, aber menschlich eine Niete. Bei den Fans war der Kapitän der englischen Nationalmannschaft lange eine Hassfigur. Nachdem er bei der WM 1998 gegen Argentinien vom Platz gestellt worden war und England ausschied, wurde Beckham monatelang ausgepfiffen. In London hängten sie eine lebensgroße Beckham-Puppe an einer Laterne auf. Das änderte sich, als Beckham eine Reihe wichtiger Tore für England schoss (…) Dass er bei Real nicht das Trikot mit der Nummer 7 bekommt, sondern die 11 tragen muss, ist lediglich für die Kaufhauskette Marks Spencer Anlass zur Trauer: Sie vermarktet die Beckham-Mode unter dem Label DB07.“
Geschäftsgebaren von angeblich guten Freunden
Felix Reidhaar (NZZ 19.6.) lässt Beckhams Karriere Revue passieren. „16 war er, als er im Sommer 1991 als Trainee zu Manchester United stiess. Zuvor hatte der aus der Grafschaft Essex gebürtige Nachwuchsmann mit Leyton Orient gespielt und Tottenham’s School of Excellence besucht. Sein Début im Fanionteam gab er Anfang April 1995, die folgende Saison bescherte ihm schon einen Stammplatz. Er trat die Nachfolge des Ukrainers Andrei Kantschelskis an, dessen Rushes auf der rechten Seite Berühmtheit erlangten. Vom 1.September 1996 wird noch heute gesprochen: Von der Mittellinie aus erzielte Beckham im Selhurst Park Wimbledons ein famoses Tor. 394 Mal hat er in acht Saisons den Dress von Englands erfolgreichstem Klub in dieser Phase getragen, 85 Mal getroffen und 60 Mal im Nationalteam gestanden. Jetzt schien ihm die Zeit reif für einen Wechsel – wirklich? Ob die ebenso polarisierende wie faszinierende fussballerische Pop- und Kultfigur ganz aus eigenem Antrieb das doch etwas risikobehaftete Abenteuer Real Madrid eingeht, wird man kaum je erfahren. Eine Schlüsselrolle ist auf jeden Fall Sir Alex Ferguson beizumessen. Was Mitte Februar als „The Dressing Room Incident“ [sic!] („Garderoben-Unfall“) Schlagzeilen machte oder von dem in Sachen Beckham angeblich am nächsten informierten Tabloid The Sun mit „Fergie decks Becks“ (sinngemäss „Ferguson verziert Beckham“) übertitelt wurde, riss eine tiefe bis heute nicht mehr verheilte Wunde in die zwischenmenschliche Beziehung zwischen den beiden (…) Auch die angeblich in langen Sitzungen festgelegten finanziellen Modalitäten verraten keinen guten Stil – oder hält nach einer Phase der Grossspurigkeit nun der Krämergeist Einzug? 30 Millionen Pfund war dem englischen Meister vor Jahresfrist der mittelmässige Verteidiger Rio Ferdinand wert gewesen, der charismatischste Star der Premier League geht weit darunter über den Tisch. Gemäss Manchester-Homepage werden von der durch Bankgarantien abgesicherten Summe von 25 Millionen Euro deren 7,5 Millionen sofort fällig; der Rest wird über vier Jahre hinweg abgestottert. Dazu sind von Real jährlich Erfolgsprämien von je 1,25 Millionen Euro für das Erreichen der Champions League bzw. den Vorstoss in deren Viertelfinals nach Manchester zu überweisen, womit im besten Falle nochmals 10 Millionen Euro hinzukämen. Dass Ronaldo noch nicht abbezahlt ist und Inter noch 10 Millionen Euro Ausstände reklamiert (in Verrechnung mit Figo?), passt in dieses Geschäftsgebaren von angeblich guten Freunden (Stichwort G-14).“
Macht- und Imagegewinn gegenüber der europäischen Konkurrenz
Die FAZ (20.6.) bezweifelt den sportlichen Wert Beckhams. „ist Real mit Beckham besser dran? Für die Präzisionsbälle des Briten in die Sturmmitte dagegen fehlt es in Madrid an einem klassischen Mittelstürmer: Real spielt nicht lang und hoch, sondern mit Vorliebe kurz und flach. Kopfballtore von Ronaldo sind die große Ausnahme. Gebraucht wird dagegen dringend ein schneller Mann in der Defensive. Gerade das jedoch ist Beckham nicht. Als ahnte er die Probleme, die auf seine Mannschaft zukommen, hat Präsident Pérez vorsorglich angedeutet, der Wert des Neuzugangs liege nicht allein im spielerischen, sondern auch im kommerziellen Bereich, im Macht- und Imagegewinn gegenüber der europäischen Konkurrenz.“
Peter Burghardt (SZ 20.6.) porträtiert den spanischen Verhandlungsführer. „Vereinschef Florentino Perez, 56 Jahre alt, gehört nicht zu den Funktionären, die sich gerne vor den Kameras produzieren. Vorgänger Lorenzo Sanz erinnerte an einen Paten aus Mafiafilmen; der aktuelle Amtsinhaber ähnelt eher einem Schalterbeamten, obwohl er längst zu den mächtigsten Männern Spaniens zählt. Sanz und Perez allerdings eint ihr Beruf: Beide sind wie die meisten Fußballpräsidenten des Landes Bauunternehmer, doch niemand nützt seinen Job so geschickt wie der gegenwärtige Herr über den weißen Mythos, Real Madrid. 2000 gewann Perez im zweiten Versuch nach 1994 die Wahlen, indem er den Mitgliedern Luis Figo versprach und dessen vormaligen Arbeitgeber FC Barcelona demütigte, den Erzrivalen. Damals war das königliche Kollektiv mit 300 Millionen Euro verschuldet und galt als besonders abschreckendes Beispiel der Geldverschwendung. Mittlerweile strotzt der frühere Patient trotz sagenhafter Einkäufe vor Kraft, obwohl das Finanzamt 61 Millionen Euro fordert und die Branche über schwindende Einnahmen jammert. Vom Weltverband Fifa wurde Real Madrid im Rahmen seines 100.Geburtstags 2002 zum bedeutendsten Klub des Jahrhunderts ernannt; er hat seit 1999 zweimal den Europacup gewonnen und besitzt eine Mannschaft, wie es sie noch nirgends gab.“
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