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Bundesliga

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Bundesliga

„mühsam wehrt sich Werder Bremen gegen die Gratulationen zum Titelgewinn“ (SZ) – Jürgen Röbers „Rumpelstilzchen-Auftritt vor laufenden Kameras“ (FAS) – 1860 München: „Ist Karl Auer nur eine Marionette seines Vorgängers?“ (FAS) u.v.m.

VfL Wolfsburg – Werder Bremen 0:2

Ja, wir werden Meister

Frank Heike (FAZ 23.3.) erlebt Bremer Vorfreude und Zurückhaltung: „Thomas Schaaf schaute grimmig. Wer so etwas sagt, muß sich über die Konsequenzen im klaren sein. Hatte jemand die Taktik des Trainers kritisiert? Hatte es Streit zwischen Spielern in der Kabine gegeben? Was war passiert, was den Trainer von Werder Bremen so ärgerte und mit Konsequenzen drohen ließ? Das war geschehen: Valérien Ismaël war nach dem Spiel in die Kabine gelaufen, wähnte sich unbeobachtet und rief dabei die Worte: Deutscher Meister! Mindestens zwei Spieler stimmten ein, aber sie blieben inkognito, weil eine Tür sie von der Identifizierung durch neugierige Blicke trennte. Der unvorsichtige Ismaël war einfach stolz gewesen, daß Bremen gewonnen hatte und nun elf Punkte mehr hat als der FC Bayern München. Aber gerade der Franzose darf solche Gefühle zeigen: Er ist in Sachen Entschlossenheit und Kampfkraft der Bremer Vorzeigespieler dieser Saison und steht symbolisch für die glänzenden Leistungen der Mannschaft von Thomas Schaaf. Zur Überheblichkeit neigt er nicht. Aber nicht einmal ihm wollte Schaaf verfrühte Freude erlauben. Die Aufregung um Ismaëls Bekenntnis zum Titel war insofern etwas unverständlich, als daß außerhalb Bremens doch niemand mehr daran zweifelt, daß Werder deutscher Meister wird. Es wird also auch keine wirklichen Konsequenzen geben für Ismaël. Nur waren am Sonntag in der Volkswagen Arena zum ersten Mal in dieser Serie unterschiedliche Wahrnehmungen der Dinge bei Profis und Verantwortlichen festzustellen: Während Schaaf und Sportdirektor Klaus Allofs bremsten und warnten, wo sie konnten, ließen einige Spieler ihren Gefühlen freien Lauf. Sie sind sich nach dem siebten Sieg im achten Spiel der Rückrunde sicher, den Titel zu holen. Fabian Ernst etwa grinste die Fragesteller an, und dieses Grinsen sagte: Ja, wir werden Meister. Was er tatsächlich sagte, war aber etwas anderes: Wir Meister? Da müssen sie den Manager fragen. (…) Wie zuletzt bekämpfte Werder erfolgreich alle Widerstände. Dieses Mal kamen sie mehr aus den eigenen Reihen denn vom Gegner. Ailton vergab nämlich einen Elfmeter und wenig später eine beste Torchance. Danach wurde Ailton ausgewechselt. Sein Gang zur Bank war garniert von allerlei Liebkosungen der Kollegen; Ismaël lief fünfzig Meter, um Ailton über den Kopf zu streicheln und ihn derart zu trösten. So dokumentiert man Mannschaftsgeist.“

Rumpelstilzchen-Auftritt vor laufenden Kameras

Frank Heike (FAS 21.3.) hört und sieht Wolfsburger Ärger: „Seit einer Woche hat auch der VfL Wolfsburg seine Trapattoni-Rede. Sie ist nicht ganz so kultig, weil sie in besserem Deutsch vorgetragen wurde. Doch Jürgen Röbers Sätze nach dem 2:4 bei Bayer 04 Leverkusen können es durchaus mit der legendären Flasche leer-Suada des ehemaligen Bayern-Trainers von 1998 aufnehmen. Beide Male mußte ein ohnmächtiger Trainer Dampf ablassen, nachdem ihn die schwachen Leistungen seiner Mannschaft zur Weißglut getrieben hatten. Bei Röber klang die Bewertung des Wolfsburger Abwehrverhaltens am letzten Samstag so: Das war eine Katastrophe, amateurhaft, Schwachsinn. Da sitzt du draußen auf der Bank und fragst: Was machen die eigentlich da? Tatsächlich traute sich jemand nachzufragen, ob Röbers (zu) offensives System nicht Grund allen Übels der im Mittelmaß festhängenden teuersten Wolfsburger Mannschaft aller Zeiten sei. Das war mutig. Röber antwortete, wutentbrannt: Die Sabbelei vom Offensiv-Fußball kotzt mich an!Man hat sich ein wenig erschrocken bei der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, einer neunzigprozentigen Tochtergesellschaft des Volkswagen-Konzerns. So ein Rumpelstilzchen-Auftritt vor laufenden Kameras – mag er bei 46 Gegentoren und immer wiederkehrenden grotesken Fehlern der Verteidiger aus Trainers Sicht auch verständlich sein –, das möchten die Herren der GmbH von ihrem leitenden Angestellten Röber nicht noch einmal erleben. Also trafen sich Röber und Manager Peter Pander Anfang der Woche und besprachen das weitere Vorgehen. Niemand möchte so zitiert werden, aber Röber ist unmißverständlich klargemacht worden, daß solche Ausraster schlichtweg nicht akzeptabel seien. Mancher in Wolfsburg hat daraus die Entmachtung Röbers abgeleitet und einen weiteren Riß im Verhältnis zwischen Trainer und Manager ausgemacht. Die Wolfsburger Allgemeine Zeitung druckte Röber nebeneinander in groß, mittel und klein, um den schleichenden Autoritätsverlust zu illustrieren. Ganz so schlimm ist es nicht; Pander und Röber pflegen ein normales Arbeitsverhältnis. Aber Panders Wunschkandidat ist Röber nie gewesen – er hätte lieber Morten Olsen geholt, doch der winkte vor rund einem Jahr ab: Wolfsburg sei keine Stadt, in der er leben wolle.Beim millionenschwer verstärkten VfL geht es längst nur noch darum, die Serie halbwegs vernünftig zu Ende zu spielen, vielleicht einen Platz im UI-Cup zu ergattern. Von der langfristigen Planung, bis 2007 in die Champions League zu kommen, spricht niemand mehr.“

1860 München – SC Freiburg 1:1

Niemandem weh tun, schön allgemein bleiben, nur nicht konkret werden

Thomas Becker (FR 23.3.): „Sitzordnung kann grausam sein. Statt ausgelassenem Feiern: Arthrose-Stories der Nachbarin; statt flirten mit der Hausherrin: ernste Gespräche mit dem Vater der Braut – kein Spaß, das. Im Münchner Olympiastadion passiert es schon mal, dass sich bei einem Bundesligaspiel ein Fan auf die Pressetribüne verirrt. Dort sitzt er nicht so entspannt wie der qua Beruf neutrale Reporter. Fan schreit, krakeelt, schimpft, und das 90 Minuten lang. Plus Pause. Das ist anstrengend, gibt aber die Stimmung in der Kurve wieder. Ein Auszug: Wennst di zwoa Stund ärgern willst, brauchst nur do hergehn, do muaßt scho Masochist sei. 1860 München, ein Club der Masochisten? Allzu groß scheint diese Bevölkerungsgruppe nicht zu sein: Nur 19500 wollten sich am Sonntag selbst quälen, zu wenig für so ein wichtiges Spiel, befand Karl Auer, der neue Präsident. Da hat er recht. Und wenn man seinen beachtlichen Medien-Output an diesem Tag anschaut, wird klar, dass genau das sein Ziel ist: Niemandem weh tun, schön allgemein bleiben, nur nicht konkret werden. (…) Von Auer sind mutige Schritte nicht zu erwarten. Der sagt lieber Sätze wie diesen: Die Zukunft steht vor uns, wir müssen jetzt alle nur härter arbeiten. In seinem ersten Spiel als Vereinschef hielt er sich ans Gewohnte und nahm genau dort Platz, wo er das immer tut: Reihe 9, Platz 5. Die Wildmoser-Plätze blieben leer. Niemand hatte nach ihnen gerufen, kein Plakat ihre Rückkehr beschworen. Auf einem Bettlaken stand allerdings: Wir wollen wieder Löwen – Neuanfang mit Lorant. Bewahre!“

Strohmann

„Ist Karl Auer nur eine Marionette seines Vorgängers?“, fragt Elisabeth Schlammerl (FAS 21.3.): „Den 56 Jahre alten Geschäftsmann hatte nach dem Rücktritt von Karl-Heinz Wildmoser niemand auf der Rechnung, vor allem weil es bessere Kandidaten gegeben hätte als den öffentlichkeitsunerfahrenen und wenig eloquenten Auer. Schon deshalb ist es naheliegend, daß der scheidende Präsident es als letzte Amtshandlung geschafft hat, einen ihm genehmen Nachfolger bestellen zu lassen. Er dürfte sogar leichtes Spiel gehabt haben, weil der zuvor gehandelte ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair offenbar hatte wissen lassen, nicht unbedingt an vorderster Front stehen zu wollen. Auer mußte sich deshalb spätestens nach dem Scheitern der Verhandlungen mit Rolf Rüssmann vorwerfen lassen, eine Marionette Wildmosers zu sein, ein Strohmann. Die Reformer setzten ihre Hoffnung auf den neuen Vizepräsidenten Zehetmair, aber der scheint sich noch nicht durchsetzen zu können. Die Ära von Wildmoser ist offenbar nur auf dem Papier zu Ende. In Wirklichkeit regiert er weiter, im verborgenen. (…) Wildmoser gefiel sich in der Rolle des Patriarchen und durchschaute manche Mechanismen des Business Fußball dank einer gewissen Bauernschläue. Sein hemdsärmliges und rustikales Auftreten haben die einen als dumpfbackiges Bajuwarentum ausgelegt, die anderen – mit ein wenig Wohlwollen – als Charisma. Auf jeden Fall hatte Wildmoser seinen Laden im Griff, mit welch fragwürdigen Methoden auch immer. Er regierte wie ein Sonnenkönig, und zu behaupten, er faßte seine Angestellten nicht gerade mit Samthandschuhen an, ist noch maßlos untertrieben. Wer es wagte, ihm zu widersprechen, flog, ebenso, wer versuchte, aus Wildmosers Schatten zu treten und sich zu profilieren. Weshalb im Verein irgendwann nur noch getreue Untergebene wirkten. Dazu gehörte Auer. Es versteht sich von selbst, daß er von der Unschuld Wildmosers in der Schmiergeldaffäre um das neue Münchner Stadion überzeugt ist. Es klingt fast ein wenig ehrfürchtig, wenn er über Wildmoser redet. Als er auf seiner ersten Pressekonferenz gefragt wurde, was er an seinem Vorgänger am meisten schätzt, antwortete er brav: Ehrlichkeit und Korrektheit. Auer spricht über seinen Vorgänger noch immer vom Präsidenten und will auch nicht dessen Tribünenplatz einnehmen.“

„Es gab schon bessere „Schweizer Jahrgänge“ in der Bundesliga“ NZZ

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