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Ballschrank

Verdachtsmomente gegenüber dem DFB

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Verdachtsmomente gegenüber dem DFB

Angesichts der Verdachtsmomente gegenüber dem DFB, wie der FC Bayern von Kirch verdeckte Zahlungen erhalten zu haben, wirft Wolfgang Hettfleisch (FR 17.3.) ein. „Eine Lappalie? Nein. Aufschlussreich sind nicht die Unterschiede der Nebenabsprachen von DFB und FC Bayern mit Kirch, sondern die übereinstimmenden Rückschlüsse, die sie hinsichtlich der offenkundig verlotterten Sitten der Akteure im Milliardenspiel Bundesliga-Fernsehrechte zulassen. Im Zuge des damaligen 700-Millionen-Mark-Deals mit Kirch klammheimlich einen Millionen-Bonus für einen medialen Restposten zu kassieren, der zwingend Bestandteil des großen Geschäfts hätte sein müssen, das riecht kein bisschen besser als die finanzielle Vorzugsbehandlung des FCB durch den Münchner Medienmulti. Und wenn der heutige Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung, Wilfried Straub, der anno ‚92 das Geschäft mit ISPR abgeschlossen hatte, sich damit rechtfertigt, die Zusatzvereinbarung sei formal rechtens gewesen, so erinnert das fatal an die Verteidigungsstrategie der Bayern-Bosse in den vergangenen Wochen. Von Unrechtsbewusstsein hier wie dort keine Spur. Wenn’s hart auf hart kommt, hat man ja seine Juristen. Die aber können allenfalls unmittelbar materielle Verluste abwenden. Nicht aber den Imageschaden. Und der ist gewaltig. Hat Kirch sich den DFB mit Geld gefügig gemacht? So wie später Bayern München? Beckenbauer-Intimus Fedor Radmann desgleichen? Und wen noch?“

Frank Ketterer (taz 17.3.) veranschaulicht. „Uli Hoeneß tat das, was er kann wie auf Bestellung: lächeln. Nicht freundlich und nett, wie es normale Menschen tun, sondern so leicht von oben herab, geprägt von jener ureigenen Arroganz und Feistheit also, wie sie dem Bayern-Manager eigen ist. Dazu ließ der Münchner Wurstfabrikant sein Wurstgesicht blutwurst-rot im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras glänzen und sagte, dass er nichts sagen wolle zu der ganzen Angelegenheit, schließlich mangele es ihm an Kenntnis der durchaus pikanten Details. Das dürfte, so sei unterstellt, zum einen glattweg gelogen sein; wenn nicht, wird Herr Hoeneß dem mittlerweile längst Abhilfe geschaffen haben. Montag ist schließlich Spiegel-Tag, und in dem ist ziemlich exakt nachzulesen, was die Liga schon am Samstag in Aufregung versetzt hat.“

Jörg Hahn (FAZ 17.3.) bezweifelt die Wirksamkeit von Trainerwechseln. „Wenn’s gutgeht, haben es viele ja immer schon gewußt. Wenn’s schiefgeht, dann natürlich auch. An Kurt Jara und an Erik Gerets auch in schwierigen Zeiten als Trainer festzuhalten scheint sich für den Hamburger SV und den 1. FC Kaiserslautern nun als genau die richtige Entscheidung herauszustellen. Im Falle Eduard Geyers hat man das nach der Winterpause zunächst auch gedacht, doch nach drei Niederlagen und dem 1:3 gegen den 1. FCK steht Energie Cottbus wieder ganz am Ende. Die Planungen für die zweite Liga sollten beginnen, oder nicht? Einen zweiten Kraftakt wie an den ersten Rückrundenspieltagen erwartet selbst in der Lausitz kaum einer mehr. Wie soll Geyer die Mannschaft denn noch stark reden? Es ist wahrscheinlich alles gesagt. Hilft ein Trainerwechsel überhaupt, gibt es dafür eigentlich einen idealen Zeitpunkt? Blicken wir nach Leverkusen, stellt sich das generelle Problem des Abstiegskampfs in aller Schärfe dar. Ob Klaus Toppmöller, Thomas Hörster oder ein anderer – wenn Bernd Schneider seine Elfmeterchancen nicht nutzt, spielt der Name des Trainers keine Rolle (…) Was kann die Liga noch aufregen? Die Mannschaft, die vollends die Nerven zu verlieren scheint, nicht allein bei internen Zusammenkünften, sondern nun auch noch auf dem Platz, der FC Schalke 04? Der Sieger des Tages, Arminia Bielefeld? Diese beiden Beispiele zeigen ebenfalls, daß Mißerfolg oder Triumph offenbar weniger mit den großen strategischen Überlegungen zu tun haben, sondern stark von persönlichem Unvermögen oder individuellem Können abhängen.“

Marc Schürmann (FTD 17.3.) meint dazu. „Die armen Trainer, das sind doch auch nur Menschen wie du und ich, wie halten die den Druck bloß aus, wie verkraften sie diesen immer neuen Sturz vom Heilsbringer zum Sündenbock? Aber man tut den Trainern Unrecht. Sie sind keine Menschen wie du und ich. Bei der Hochzeit eines Trainers sagt die Frau nicht Ja, wenn die Frage nach dem Lieben und Ehren und BisderTodeuchscheidet kommt. Sie sagt: „Ich stehe voll hinter meinem Mann. Es gibt keine Gattendiskussion. Wir ziehen das gemeinsam durch.“ Zu Hause ist der Mann ständig unruhig. Er stellt überall im Haus rote Hütchen auf und will, dass seine Kinder den Briefträger abgrätschen. Den Hund führt er nur Gassi, wenn der sich an die taktischen Vorgaben hält: ein möglichst früher Haufen, dann die Gegend konzentriert weiter markieren und am Ende noch mal in die Wiese kontern. Aber manchmal hilft auch die größte Mühe des Trainers nicht – trotzdem kommt der Briefträger durch und der Hund kackt ins Wohnzimmer. Dann ist klar, was passiert. Die Frau beteuert, sie habe ihre Meinung seit der Hochzeit nicht geändert, aber in Wahrheit muss sich der Mann nach einer anderen umsehen. Deswegen sind Bundesligatrainer so seltsam. Natürlich ist es ein hartes Los. Und wenn der Spieler den Elfer verschießt, kann der Trainer wirklich nichts dafür. Aber eine Entlassung ist halb so wild. Erst dann kann sich ein Trainer endlich voll auf die Familie konzentrieren.“

1. FC Nürnberg – Hertha Berlin 0:3

Die FTD (17.3.) berichtet aus Nürnberg. „Präsidenten von Bundesliga-Klubs sind nicht nur Chefs von Unternehmen, die den Menschen Freude bereiten sollen. Manchmal sind es einfach nur Mittelständler, denen der erreichte Wohlstand nicht reicht und die nach Höherem streben – öffentlicher Anerkennung zum Beispiel oder Glamour. Michael A. Roth, Teppichhändler aus Nürnberg, ist so ein Mann. Und wenn der Präsident des 1. FC Nürnberg die Angestellten in seinem Teppichhandel so behandeln würde wie den Trainer seiner Profimannschaft, dann wäre er wohl nie zu seinem Reichtum gekommen. Trainer Klaus Augenthaler, verkündete Roth dieser Tage, müsse am Sonntagabend drei Punkte gegen Hertha BSC Berlin holen, um noch weiter sein Gehalt zu beziehen. „Trainer ist der schönste Job, wenn man Erfolg hat“, sagte Augenthaler vor dem Spiel, „und der beschissenste, wenn man keinen Erfolg hat“. Gestern Abend hatte Augenthalers Truppe wieder einmal keinen Erfolg. Mit 0:3 mussten sich die „Clubberer“ der Hertha beugen. Und was passierte nach dem Spiel? Da blieben die Fans auf den Tribünen stehen und feierten Augenthaler so lange, bis der Mann wieder aus der Kabine herauskam, um die Ovationen persönlich anzunehmen. Eine Demonstration gegen einen Vereinspräsidenten, wie sie die Liga lange nicht erlebt hat.“

1860 München – VfB Stuttgart 0:1

Die SZ (17.3.) schreibt zum Spiel. „„Falko, viel Glück + hau rein“, hatten die Fans auf ein Laken gepinselt und im Löwen-Block aufgespannt. Es klingt alles gut, was der junge Mann in der vergangenen Woche erzählt hat, vor allem, dass er sich der Traditionen dieses Vereins erinnerte. Kratzen und kämpfen müssten die Löwen wieder und so ihr Image als Arbeiterverein aufpolieren. Er selbst würde deshalb nicht wie damals in Berlin, als er die Hertha von Sieg zu Sieg führte, im edlen Anzug das Spiel verfolgen, sondern im Arbeitsanzug. Götz trug eine dunkle Hose und einen hellbraunen Pullover, drüber hatte er eine Trainingsjacke gezogen. In Berlin waren Spieltage für ihn Festtage. Bei Sechzig wird die Krawatte noch eine Weile im Schrank bleiben müssen. Falko Götz hat am Mittwoch zum ersten Mal das Training bei den Sechzigern geleitet, am Sonntag musste er erkennen, dass drei Tage zu wenig waren, um den Komplex zu heilen, an dem seine Mannschaft leidet. Im Olympiastadion gelingt es ihnen nicht, das Spiel zu machen, inzwischen glauben sie offenbar auch nicht mehr daran, dass es ihnen überhaupt gelingen könnte – sie versuchen es gar nicht erst.“

Hamburger SV – Schalke 04 3:1

Jörg Marwedel (SZ17.3.) porträtiert einen erfolgreichen Österreicher. „Jara ist ein ausgeschlafener Trainer, kämpft um die Ehre Austrias und macht sich verdient um den Hamburger SV – jenen Klub, mit dem Happel anno 1983 den Europapokal der Landesmeister eroberte. Gut, Jara ist erst auf Bundesliga-Rang vier angekommen, aber das ist viel, wenn man bedenkt, in welchen Tiefen des Raumes er den HSV im Herbst 2001 übernommen hatte. Mit Recht hat Jara deshalb am Samstag darauf hingewiesen, dass „auch Österreicher ordentliche Arbeit abliefern können“. Das war wichtig, weil ihn noch immer Skepsis begleitet, und er unlängst sogar beklagte, er habe beim großen Nachbarn noch längst nicht jenen Status erreicht, den er daheim genieße. Einmal haben die Fans ein Schild an die Straße zum Trainingsgelände des HSV gestellt: „Nach Innsbruck links abbiegen!“, stand darauf. Zuletzt hat Jara der kaum versteckte Flirt des Vereins mit dem in Stuttgart wirkenden HSV-Idol Felix Magath gekränkt. Doch weil Magath vermutlich sein schwäbisches Mirakel über 2004 hinaus fortsetzen will, darf er wohl weiter in Hamburg am Ruf Österreichs arbeiten. Das heißt: mit diesen hartnäckigen Vorurteilen aufräumen, wozu wir an dieser Stelle gern einen Beitrag leisten wollen. Es sei also festgestellt, dass der HSV unter Jara hundertprozentig unösterreichisch spielt: diszipliniert wie ein Kadettenchor, beinhart wie eine Horde kanadischer Holzfäller, nüchtern wie hanseatische Kaufleute.“

Frank Heike (FAZ 17.3.) beschreibt Schalker Reaktionen. „Es ist ein Jammer – die Schalker fühlten sich nach zehn Punkten aus acht Spielen der Rückrunde im allgemeinen und dem 1:3 am Samstag beim Hamburger SV im speziellen betrogen, beschädigt, verurteilt. Verfolgt? Ein wenig wirkte es so, nach dieser harten, schnellen, aber niemals hochklassigen Partie zweier Teams, die der Tabelle nach die erweiterte Spitze der Bundesliga darstellen. Denn mögen die Schalker Klagen über die Fehler der Unparteiischen bei Heimspielen in ihrer Arena zuletzt berechtigt gewesen sein, gab es an den Handzeichen und Pfiffen von Schiedsrichter Jürgen Aust in der AOL-Arena wenig auszusetzen: Sowohl die Gelb-Rote Karte gegen Christian Poulsen als auch die Rote Karte gegen Annibal Matellan waren akzeptabel. Die beiden Schalker hatten es mit ihrem Einsatz übertrieben und den Ellenbogen ausgefahren (…) Ohne die Platzverweise hätten wir hier nie verloren, sagte Manager Assauer, kündigte Strafen an und erklärte, wo denn dieses Mal die Ungerechtigkeit gelegen habe. Nicht etwa bei den Entscheidungen gegen die eigene Elf. Sondern bei den Karten, die der Gegner nicht bekommen habe. Schuldig im Sinne der Schalker Anklage, freigesprochen von Aust, mußte sich Bernd Hollerbach fühlen. Der sei herumgelaufen wie ein wildgewordener Rasenmäher, sagte Neubarth. Wie der Hamburger Verteidiger von Beginn an provoziert, wie er zuerst Asamoah und dann Varela gefoult habe, das hätte allemal einen Platzverweis geben müssen. Dabei hatte Hollerbach doch nur gespielt wie so oft: den Gegner etwa in der dritten Minute überhart angehen, hoffen, daß der Schiedsrichter Gnade vor Recht ergehen läßt, und dann bei jeder Aktion so nah am Mann sein, daß der irgendwann die Lust verliert. Einmal drehte der fränkische Rasenmäher dabei aber zu sehr auf. Als er Varela beim Aufstehen hinterhältig aufs Bein trat, hatte er Glück, daß der Schiedsrichter-Assistent nichts sah. Insofern klagten Assauer und Co. zu Recht. Besonders klug und weitsichtig ist es aber nicht, Platzverweise für den Gegner zu verlangen. Neben dem Rückfall auf Platz sechs war es wohl auch der unangenehme Spielverhinderungsfußball des HSV, der die sich zu Recht als besseres Team betrachtenden Schalker so ärgerte. Mit vollem Einsatz, dem Vertrauen auf die Mannschaft und einer starken Ersatzbank sind die Norddeutschen von Platz 15 nach dem vierten Spieltag auf Rang vier geklettert. Trainer Kurt Jara, der an Profil gewinnt und sich nach achtzehn Monaten als Trainer allmählich von Vereinsführung und Umfeld verstanden fühlt, ist dabei nicht entgangen, daß seine Mannschaft vor allem durch Wucht und Behauptungswillen gewinnt, nicht durch Raffinesse.“

René Martens (taz 17.3.) meint dazu. „Assauers Ärger über das Auftreten des Hamburger Mittelfeldspielers war einerseits verständlich, denn Poulsen hatte seine zweite gelbe Karte für eine Tat gesehen, die einer von Hollerbach an Gustavo Varela 20 Minuten vorher stark ähnelte, verwarnt worden war der Hitzkopf der Gastgeber dafür freilich nicht. Neubarths Gemecker mutete andererseits auch ein bisschen weltfremd an: Wie ein wild gewordener Handfeger – um mal bei diesem nicht hundertprozentig gelungenen Bild zu bleiben –, spielt Bernd Hollerbach seit jeher, und dabei hat er stets von einem höchst liberalen Strafvollzug profitiert. Die 55.000 Zuschauer in der ausverkauften Arena am Volkspark waren sowieso froh gewesen, dass da einer wie Hollerbach auf dem Feld stand. Oder einer wie Frank Rost, der die allgemeine Schalker Gereiztheit der letzten Wochen dokumentierte, indem er zweimal aus dem Tor rannte, um sich an gar nicht mal so dringlichen Diskussionen zu beteiligen. Immerhin fanden die beiden nominellen Spitzenteams so wenigstens über die Hektik zur Unterhaltung. In der ersten Halbzeit hatten sie bestenfalls gepflegte Langeweile produziert.“

Zur Situation von Schalke-Trainer Frank Neubarth heißt es bei Jörg Marwedel (SZ 17.3.). „Die Diskussionen um ihn und die Frage, ob er, der junge Trainer, die Mannschaft im Griff hat. Und Ruhe bei der Arbeit, die sei ebenfalls nicht zu erwarten. „Ruhe“, sagte Neubarth mit feiner Ironie: „Ich will nicht sagen, dass dieses Wort auf Schalke gänzlich unbekannt ist…“ Und weil man die Mannschaft nicht abschirmen könne („Das ist gegen die Vereinsphilosophie“), werden wohl auch die „Konsequenzen“, die man den Rot- Sündern Christian Poulsen und Annibal Matellan für deren „Disziplinlosigkeiten“ (Assauer) in Aussicht stellte (vermutlich Geldstrafen), die Aufgeregtheiten kaum dämpfen. Schließlich waren die beiden Ellbogenchecks von Poulsen und Matellan nur eine Folge der wochenlangen Spannungen und des Frusts. Schalke, das ist weiter ein explosiver Ort. Und man mag Strategie dahinter vermuten oder auch nicht – neben den vielen internen Problemen (zu denen sich in Hamburg der Ausfall von sechs Stammspielern gesellte) hat man längst ein weiteres Thema entdeckt, das den Klub als Opfer höherer Mächte erscheinen lässt: Schalke jammert über die Schiedsrichter, die aus blau-weißer Sicht die Gerechtigkeit außer Kraft gesetzt haben. Einen ganzen Film über die vergangenen sechs Wochen könne er zusammenstellen, hat Manager Assauer im Premiere-Studio behauptet, mit dem ließe sich „genau nachweisen, wie viele Punkte wir durch falsche Schiedsrichterentscheidungen verloren haben“. Auch in Hamburg hat Schalke den Spielleiter Jürgen Aust nicht als Freund und Helfer empfunden, obwohl selbst Assauer die Platzverweise als „absolut korrekt“ einordnete. Torwart Frank Rost hat sich gar gewünscht, „dass wir auch mal so einen Schiedsrichter zuhause haben“. Dabei konnte man Aust entscheidende Vergehen kaum nachsagen.“

Bayer Leverkusen – VfL Wolfsburg 1:1

Christoph Biermann (SZ 17.3.) kommentiert das Dilemma in Leverkusen. „Vielleicht fiel die Ödnis gerade deshalb so deutlich auf, weil eigentlich gar nichts Besonderes passiert war. Das 1:1 gegen den VfL Wolfsburg war für Bayer Leverkusen enttäuschend, aber kein neuer, ungeheurer Tiefpunkt oder gar ein grausames Fiasko. Es war ein Unentschieden, wie es sie in der Bundesliga zu Hunderten gibt. Nach einem irgendwie unterdurchschnittlichen, aber auch wieder nicht komplett ungenießbaren Spiel. Medioker in jeder Hinsicht und provinziell verlief der Nachmittag und war von daher doch dramatisch. Bayer Leverkusen ist nämlich ein Klub, der unterhalten muss, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als werbetreibende Tochter des Konzerns fliegen der Fußball GmbH nur wenige Herzen einfach so zu. Die Mannschaft muss besonders gut spielen oder besonders schlecht. Dann wird der Klub wahrgenommen, der in den vergangenen Jahren ein Leben in den Extremen geführt hat. Der Samstag, an dem gegen Wolfsburg unentschieden gespielt wurde, markiert jedoch den Beginn einer anderen Zeit. Wo jahrelang alles strahlend weiß oder tiefschwarz war, hat nun offenbar die graue Phase begonnen. Am kommenden Mittwoch wird gegen Inter Mailand die Champions League abgeschlossen, der DFB-Pokal ist es längst. Es bleibt allein der Kampf um den Klassenerhalt. Das mag anderswo das Publikum elektrisieren, in der BayArena war davon nichts zu spüren. Gegen Wolfsburg kamen nicht einmal alle Inhaber einer Karte ins Stadion, wie man an den vielen leeren Sitze im nominell ausverkauften Stadion sehen konnte. Bayer hat die Mühen der Ebene erreicht, eigentlich sind es die der Tiefebene. Und niemand illustriert die damit verbundene Tristesse besser als Trainer Thomas Hörster. Um ein Interesse für den Klub zu wecken und für die Mannschaft und ihr Ringen zu werben, ist er die größtmögliche Fehlbesetzung. Man spürt jedes Mal, wie sehr ihn der Gang vor die Mikrofone quält. Dort presst er sich spröde Statements ab, um sich bei Nachfragen daran festzuklammern, als hätte er gerade die Weisheiten eines Zen-Meisters hervorgebracht.“

Thomas Kilchenstein (FR 17.3.) meint dazu. „Goldig, diese Wolfsburger Fans. Wedelten ein bisschen mit ihren Schuhen, ehe sie anfingen, so richtig schmutzige Schmähgesänge auf Bayer Leverkusen anzustimmen. Ihr werdet nie deutscher Meister, nie deutscher Meister, ihr werdet nie deutscher Meister. Ach Gottchen, wie lang liegt das eigentlich zurück, dass Bayer Leverkusen was mit dem Titel zu tun hatte? Es muss Dekaden her sein. Heute stoppelt sich der Club, der mal ewiger Zweiter und begeisternden Fußball zu spielen in der Lage war, zu einem mickrigen 1:1 gegen einen in der Fremde gewohnt leblosen VfL Wolfsburg zusammen, und hinterher tun alle so, als sei das eine Riesenleistung. Ordentlich und vernünftig habe sich die Mannschaft präsentiert, befand Manager Reiner Calmund, gar Charakterstärke gezeigt. Darauf müsse man aufbauen können, blies Kapitän und Torschütze Carsten Ramelow ins selbe Horn, dieweil Trainer Thomas Hörster alles, was ich sehen wollte, gesehen hatte – Leidenschaft, Wille, Disziplin. Vielleicht muss man die Leverkusener Weichspüler verstehen. Vielleicht sind sie wirklich schon zufrieden mit so einer mäßigen Vorstellung ihrer Mannschaft. Vielleicht haben sie ja tatsächlich befürchtet, dass es noch schlimmer hätte kommen können – etwa so wie in der Champions League, an deren Schauplätzen sich die Bayer-Spieler zuletzt derart lustlos übern Rasen schleppten, dass selbst Calmunds Duz-Freund Sepp Blatter, Fifa-Boss, not amused war (…) Mit der Darbietung von Samstag wird sich Bayer Leverkusen schwer tun, den Abstieg zu verhindern. Selbst Ramelow schwante: Es wird knapp. Es wird deswegen eng werden, weil Bayer Leverkusen eine Mannschaft ist, die immer spielen will, und keine, die kämpfen kann, zumindest nicht so wie ein Abstiegskandidat kämpfen muss. Alle waren sehr bemüht, sprach Hörster nach dem Spiel. Bemüht? Das klingt nicht wirklich zuversichtlich, es klingt vor allem nach: so reicht es nicht. Eine Reihe von Spielern, etwa die Nationalspieler Balitsch, Bastürk und Neuville, hinken meilenweit hinter ihrer Normalform her. Neuville hatte seine beste Szene nach 35 Sekunden, als er eine schöne Flanke auf Daniel Bierofka schlug. Später bekam er noch mal Beifall, als er an der Außenlinie einen Gegenspieler angeschossen hatte.“

Christoph Bertling (Tsp 17.3.) berichtet aus Leverkusens Katakomben. „Offiziell geben die Spieler noch Solidaritätserklärungen für Thomas Hörster ab: „Der Trainer steht bei uns nicht in der Kritik“, sagen Bernd Schneider und Hanno Balitsch. Intern sieht es anders aus. Aus dem Spielerkreis verlautete, dass 90 Prozent nicht mehr hinter dem Trainer stehen. Dabei hat Thomas Hörster alle seine Mittel eingesetzt. Mit Kampf, Maloche und Knochenarbeit versucht er, die Mannschaft irgendwo zwischen Schweiß und Tränen auf den Abstiegskampf einzustimmen. Doch dies sind Tugenden, die den Spielern des Millionenunternehmens Bayer Leverkusen noch immer fremd scheinen. In den Niederungen, wo Fußball nur noch Kampf bedeutet, sind die meisten Spieler mental noch immer nicht angelangt. So scheint es, als sei Hörster am Ende seiner Mission. Angeblich hat Pagelsdorf schon einen Vertrag für die kommende Saison unterschrieben, könnte aber schon kurzfristig einspringen. Der frühere Hamburger scheint besser zu Leverkusen zu passen als der medienscheue, manchmal etwas unbeholfene Hörster. Pagelsdorf hat beim HSV immerhin schon mal ein Millionenunternehmen betreut. Bedrohlich haben sich die Zeichen zugespitzt, dass Hörster eben doch nur eine Interimslösung auf Abruf ist.“

Von Jörg Stratmann (FAZ 17.3.) lesen wir. „Dem Meisterschaftszweiten der vorigen Saison bleibt in diesen Tagen keine Zeit, zu Atem zu kommen. Das liegt nicht so sehr daran, daß am Mittwoch Bayers wohl auf lange Sicht letzter Auftritt in der Champions League gegen Inter Mailand ansteht. Die Gelassenheit, die Trainer Thomas Hörster zu vermitteln versuchte, kann flatternde Nerven nicht verbergen. Sein Fazit blieb zwiespältig. Das 1:1, sagte er, bringt uns jetzt nicht nach vorn, wirft uns aber auch nicht zurück. Doch übersah er, daß diese Standortbestimmung gar nicht mehr allein in Leverkusener Händen lag. Es sind auch solche ungeschickten Bemerkungen, die den Neuling, der bislang keine Erfahrung im Medientheater Bundesliga besaß, schon wieder ins Gerede bringen. Sei es, daß sich angeblich Spieler auf dem Boulevard auslassen, neunzig Prozent aller Kollegen hätten keinen Bock auf den schroffen Übungsleiter. Oder sei es, daß Frank Pagelsdorf schon als Nachfolger gehandelt wird.“

Energie Cottbus – 1. FC Kaiserslautern 1:3

Christian Ewers (FAZ 17.3.) sah kein schönes Spiel. “Über die wenigen schönen Momente der Begegnung, die 3:1 für den 1. FC Kaiserslautern endete, mochte sich Trainer Erik Gerets jedoch nicht freuen. Wichtig sind nur die Punkte, sagte Gerets nach dem ersten Auswärtssieg der laufenden Spielzeit. Es ist das erste Mal, daß wir etwas Luft im Abstiegskampf haben, seit ich in Kaiserslautern bin. Das ist ein gutes Gefühl. Ein Gefühl jedoch, das sich schnell verflüchtigen könnte. Denn der Abstand zur Abstiegszone ist gering. Siege der Konkurrenz und eine Niederlage im nächsten Heimspiel gegen Bayer Leverkusen – und schon finden sich die Pfälzer im Tabellenkeller wieder. Verhaltene Freude äußerte daher auch Präsident René C. Jäggi: Das war heute nur ein kleiner Schritt Richtung Klassenerhalt. Jäggis Cottbuser Kollege Dieter Krein dagegen war tief frustriert und lästerte auch über den Gegner: Die Niederlage war ein Knacks für uns. Wir haben heute gegen eine Gurkenmannschaft verloren. Wie soll das erst nächste Woche werden, wenn wir gegen ein Topteam wie Hertha BSC spielen müssen? Die Gurkenmannschaft Kaiserslautern jedenfalls ist bereits seit sieben Bundesligaspielen nacheinander unbesiegt; eine längere Serie kann nur der FC Bayern München vorweisen. Die Partie gegen Cottbus hat gezeigt, auf welchem Weg die Lauterer dem Abstieg entgehen können. Den wichtigsten Part im System von Trainer Erik Gerets spielt zur Zeit die Abwehr. Sie steht sicher. So sicher, daß sogar schwache Tage einzelner Defensivarbeiter verkraftet werden können. Gegen Cottbus zum Beispiel war Kapitän Alexander Knavs außer Form. Die Viererkette arbeitete dennoch zuverlässig – auch weil sie von Sforza und Anfang im Mittelfeld unterstützt wurde. Die Lauterer Viererkette ist kein Verbund ballwegschlagender Verteidiger. In der Viererkette steht ein Mann wie Mario Basler. Mit seinen Ideen und seiner Gestaltungslust ist er wichtig für die Offensive. Wenn er Luft hat, schafft Basler es, den Ball aus der Abwehr bis in den gegnerischen Strafraum zu schleppen. Und das auch noch im richtigen Moment.“

Roland Zorn (FAZ 17.3.) porträtiert den Lauterer Trainer. „Der unverdrossene Belgier, wegen seiner Glaubwürdigkeit und Bodenständigkeit von den Fans auch in den schlimmen Tagen des Herbstes und Winters geliebt wie einst Karl Heinz Feldkamp, hat im neuen Jahr ein imposantes Aufbauwerk zustande gebracht. Die Konsequenz daraus: neun Pflichtspiele nacheinander ungeschlagen, Abstiegsplatz nach sieben Monaten verlassen, DFB-Pokalfinale erreicht und am Samstag in Cottbus erstmals auswärts erfolgreich. Diesen Umschwung hat Gerets eingeleitet, der den Lauterern die Viererkette beibrachte, die Spielweise der Mannschaft veränderte (forcierte Attacken über die Flügel, zwei defensive Mittelfeldspieler, eine echte, eine hängende Spitze) und vor allem aus Verlierern wieder Gewinner machte. Wie er die zuvor kapriziösen und beim FC Bayern verwöhnten Mario Basler und Ciriaco Sforza in die Gemeinschaftspflicht nahm und ihnen en passant ihre eingebildeten Privilegien nahm, auch das war ein Meisterstück des Mannes, dessen Dienst- und Freizeitkleidung der Trainingsanzug zu sein scheint. Als Gerets am Samstag im Aktuellen Sportstudio über sich und die Seinen redete, wollte er ausnahmsweise im Anzug erscheinen. Pech gehabt. Auf der Dienstreise nach Cottbus merkte der Belgier, daß er die Hose zum Sakko daheim gelassen hatte. Also trat er so auf, wie ihn die Fans sowieso am liebsten haben: im Arbeitsornat, ganz in Rot. Einmal Roter Teufel immer Roter Teufel. Erik Gerets bleibt sich treu.“

Spielbericht taz

Interview mit Eduard Geyer Tsp

Arminia Bielefeld – Borussia Mönchengladbach 4:1

Roland Zorn (FAZ 17.3.) berichtet. „Momo – das ist für die Verantwortlichen des DSC Arminia Bielefeld eine inzwischen schier unendliche Geschichte. Deren wichtigstes Kapitel soll am morgigen Dienstag geschrieben werden. Es wird Momo bleibt oder Momo geht heißen. Passend zum Stichtag produzierte der senegalesische Wunderknabe des ostwestfälischen Fußball-Bundesligaklubs am Samstag eine weitere Schlagzeile. Sie lautete: Momo trifft. Und das gleich dreimal, so oft wie nie in seiner erst siebeneinhalbmonatigen Karriere erster Klasse. Mamadou, genannt Momo, Diabang war mit drei Toren der Spieler des Tages (…) Was nun, Momo? Mamadou lächelt und verweist auf Papa Diabang. Ich möchte gern in Bielefeld bleiben, aber ich lebe in einer anderen Kultur, und darum ist es sehr wichtig, meine Entscheidung mit meinem Vater abzusprechen. Vater Ismail ist die höchste Instanz im Familienclan der Diabangs; dazu hört Sohnemann Momo auch noch auf zwei französische und einen senegalesischen Berater. Guter Rat ist teuer. Das wissen inzwischen auch die Arminen, die für die Dienste eines dieser Berater schon einmal einen sechsstelligen Euro-Betrag zahlen sollten, aber nicht wollten. Der Stürmer geisterte in den ersten sieben Rückrundenspielen wie sein polnischer Partner Artur Wichniarek bemüht, aber nicht bedrohlich durch die Strafräume der Bielefelder Gegner. Erst am Samstag tauten die zwei nach acht sieglosen Spielen des Aufsteigers im Bielefelder Vorfrühling wieder auf.“

Daniel Theweleit (SZ 17.3.) erlebte heiteres. „Es war ein großer Tag in Bielefeld, an dem Benno Möhlmann sogar über die Posse um die Vertragsverlängerung von Mamadou Diabang scherzen konnte: „Wichtig ist, dass Momo die Leistung der letzten 14 Tage bringt. Ob er das dann bis zum 30. Juni 2003 oder bis zum 30. Juni 2010 macht, entscheiden allein Momo, sein Vater, seine Berater, seine zukünftige Frau und was weiß ich, wer noch alles.“ Die Reporter im Presseraum lachten laut– so locker können sogar die Menschen in Ostwestfalen nach ein paar Toren werden.“

Spielbericht FR

VfL Bochum – Bayern München 1:4

Andreas Burkert (SZ 17.3.) zeigt sich von den Gästen beeindruckt. “Es ist ja auch ein schöner Nachmittag in Bochum gewesen, Bayern- Manager Uli Hoeneß hatte ihn sogar schön „wie im Traum“ empfunden. Firmenvorstand Karl-Heinz Rummenigge wiederum wähnte sich 90 Minuten verzaubert im Manegenzelt, „das hatte schon zirkus-artistische Züge“, formulierte er und erschauerte nochmals. Der Genuss wirkte nach. Sogar das Bochumer Publikum verzichtete nach dem 1:4 gegen den Tabellenführer auf Empörung und goutierte den anspruchsvollen Vortrag der Münchner Tricksertruppe. Als Zé Roberto nach 86Minuten vom Platz ging, erhielt er stürmischen Beifall. Er hatte brillant gespielt, gut wie nie für die Bayern. Brillant, so muss man den gesamten Auftritt der Münchner in Bochum nennen. Sie gaben „eine Demonstration ihrer Klasse“, wie VfL-Coach Peter Neururer fand, gefangen zwischen einem seltsamen Gefühl aus Begeisterung und Schmerz. Sie beeindruckten die 32.645 Bewunderer mit ihrer Raumaufteilung und ihrem Eifer, und sie verzückten allesamt mit ihrem Passspiel und den zauberhaften Einlagen. Einmal spitzelte Zé Roberto den Ball einem Bochumer Statisten (Name der Redaktion bekannt) mit der Hacke durch die Beine, und selbst Christian Vander, Reservekeeper beim tapferen VfL, scheute sich nicht zu gestehen, das Lehrstück gerne konsumiert zu haben. Er sagte: „Ich hab’s zwar nur von der Bank gesehen, aber das ist schon toll anzuschauen.“ Mehr als Hochachtung blieb dem VfL nicht.“

Richard Leipold (FAZ 17.3.) schreibt. “Die Bayern plagen sich mit Sorgen, die andere gern hätten. Sie spielen und klagen auf so hohem Niveau, daß die Konkurrenz aus dem Staunen nicht herauskommt. Nach dem 4:1 über den VfL Bochum haben sie sich sogar ein wenig geärgert, wenn auch nur kurz. Im Ruhrstadion hatte Oliver Kahn doch tatsächlich ein Gegentor hinnehmen müssen. Trotzdem hatte der Schlußmann wenigstens einen neuen deutschen Rekord aufgestellt: 549 Minuten auswärts ohne Gegentor. Wäre Thomas Christiansen nicht in letzter Minute mit einem Freistoß erfolgreich gewesen, hätte Kahn sogar von sich behaupten können, in sechs aufeinanderfolgenden Bundesliga-Auswärtsspielen zu null gespielt zu haben. Ein Fernsehreporter hatte den Torhüter trösten und ihm eine CD überreichen wollen. Doch Kahn lehnte ab. Die hab‘ ich schon. Es ist eben schwer, den Bayern eine kleine Freude zu machen. Sie schießen ein paar Tore, nehmen routiniert drei Punkte mit, das reicht ihnen. Sie sind der Konkurrenz enteilt und wirken manchmal wie entrückt.“

Spielbericht FR

Hansa Rostock – Werder Bremen 1:0

Matthias Wolf (FAZ 17.3.) verfolgte die Schiedsrichterdiskussion um Weiner. “Um 20.10 Uhr kam endlich auch der Beteiligte aus der Kabine, der laut Thomas Schaaf die Partie entschieden hat. Das Spiel lief so vor sich hin, nichts wäre passiert, schimpfte der Trainer von Werder Bremen, wenn nicht ein Mann etwas dagegen gehabt hätte. Nicht Dietmar Hirsch, der Torschütze für Hansa Rostock war gemeint, sondern Michael Weiner. Fast drei Stunden hatten Journalisten geduldig auf den Schiedsrichter gewartet, doch der sagte nur en passant: Wir haben eine Videoanalyse gemacht und festgestellt, daß es eine gute Leistung war. Manfred Amerell, Schiedsrichtersprecher und Spielbeobachter, sprach davon, Weiner habe die Anforderungen voll erfüllt. Dennoch schien es, als habe da gerade ein junger Mann eine Strafarbeit über sich ergehen lassen müssen. Nachsitzen in den Katakomben, Amerell spulte gnadenlos vor und zurück. Als ob 90 Minuten live allein nicht schon Strafe genug nach einem Duell voller Fouls und laienhafter Schauspieleinlagen gewesen wären. Amerells Urteil: Das war Kampf und Krampf, wenig Disziplin. Das sollten die Trainer mal aufarbeiten. Geschickt spielte er den Ball zurück zu Schaaf. Der sonst so besonnene Trainer war außer sich wegen der Gelb-Roten Karte gegen Johan Micoud und der Roten Karte für Krisztian Lisztes. Spieler beider Teams empfanden die Entscheidungen als zu hart, aber andererseits hatte der Unparteiische die Provokateure oft ermahnt. Sieben Gelbe Karten zeigte Weiner zur Abschreckung, dann entschied der Polizist: Wer nicht hören will, muß fühlen! (…) Die Spieler nutzten geschickt das Alibi, das ihr Trainer ihnen gab. Weiner sei der Situation nicht gewachsen gewesen, sagte Schaaf. Er habe versäumt, Micoud auszuwechseln und vor diesem Schiedsrichter zu schützen. Kaum zu glauben, über welch bissige Ironie dieser sonst so kühle Nordländer verfügt: Ich sehe schon die Schlagzeilen: Überhartes Spiel, brutale Fouls, Wahnsinnsgrätschen. Das muß ja so gewesen sein bei so vielen Karten, zischte Schaaf. Am Tag der Unsachlichkeit forderte er Weiner noch auf, gleich in unseren Bus zu steigen, da fällt er nicht auf – seine Leistung war indiskutabel wie die unserer Spieler.“

In der Berliner Zeitung (17.3.) liest man dazu. „Die Anschuldigungen gipfelten in der abstrusen Theorie von Schaaf und Sportdirektor Klaus Allofs, Weiners Pfiffe seien Konzessionsentscheidungen wegen Hansas Protest gegen den Phantom-Pfiff von Hannover gewesen. Veh bezeichnete das als absoluten Blödsinn, doch Allofs blieb dabei: Die Verhandlung kann sich das Sportgericht sparen, heute ist alles gut gemacht worden.“

Borussia Dortmund – Hannover 96 2:0

Freddie Röckenhaus (SZ 17.3.) über die Siegerreaktionen. „Matthias Sammer bleibt dabei: Schönspielen ist Luxus und manchmal sogar kontraproduktiv. Und von hinten schießt man am besten durch die Brust ins Auge. Die durchwachsene Qualität von Borussia Dortmunds 2:0 gegen Hannover 96 wollte Sammer deshalb am liebsten damit erklären, dass seine Mannschaft am Mittwoch zuvor gegen Lokomotive Moskau viel zu gut gespielt hatte. „Ein richtig geschmackloser Sieg gegen Moskau“, tüftelte sich Sammer eine Erklärung zusammen, „wäre mir deshalb fast lieber gewesen.“ So sehr sich Dortmunds Trainer auch miserable Vorstellungen seiner Mannschaft (mit gutem Ausgang) wünschen mag: Ganz von der Hand weisen lässt sich seine vertrackte Logik nicht. Während also Kollege Ralf Rangnick eine Spur zu blasiert mit der Niederlage haderte („Der Spielstand bei Halbzeit war ein Treppenwitz, wir hatten ein Chancenübergewicht, wir haben versäumt, 1:0 oder 2:0 in Führung zu gehen“), konterte Sammer mit der Kühle des Siegers: „Optische Überlegenheit interessiert hinterher nicht mehr, wenn der andere die Tore macht. Wir waren letzte Woche in Gladbach ja auch überlegen.“ Hannover 96 führte in der Tat eine Halbzeit lang schön einstudierte Laufwege und Spielzüge vor.“

Peter Heß (FAZ 17.3.) berichtet den glücklichen Sieg des Meisters. „Welch ein Fußball-Nachmittag im Westfalenstadion! Einfach wunderbar? Nein, nein, Borussia Dortmund hat das Publikum beim 2:0 über Hannover 96 nicht mit einem Fußballfest verwöhnt. Der deutsche Meister lieferte eine Vorstellung ab wie so viele zuvor. Engagiert, aber wenig inspiriert. Effizient, aber schmucklos. Es war die Frühlingssonne, die die Bundesligapartie zum Erlebnis werden ließ. In ein mildes Licht getaucht, wirkte die Inszenierung im mit 68.000 Zuschauern voll besetzten Westfalenstadion noch bewegender als sonst: Der inbrünstige Gesang zum eingespielten Fußball-Hit You never walk alone, die wogenden überdimensionalen Fahnen der Fanklubs, die Architektur der Südtribüne, die wie eine aus gelb-schwarzen Leibern bestehende Mauer bedrohlich aufragt. Sogar Borussen-Trainer Matthias Sammer, oft als notorischer Nörgler bezeichnet, fällte ein gnädiges Urteil über seine Mannschaft, nahm die drei Punkte wohlgestimmt entgegen, ohne wie sonst größer auf die Defizite einzugehen. Dabei hatte sein Team – bösartig formuliert – durch einen Glücksschuß und ein irreguläres Tor gewonnen. Und dies gegen einen in der Spielanlage und im Kombinationsfluß überlegenen Gegner, der sich zudem den Luxus leistete, einen Elfmeter zu verschießen und zwei weitere große Torchancen zu vergeben (…) BVB-Trainer Sammer gab den Vorteil vor Teams wie Hannover gerne zu: Vor einem Jahr wären wir vielleicht in so einem Spiel nervös geworden, jetzt sind wir uns unserer Mittel bewußt. Die individuelle Klasse ist einfach gegeben. Einem bescheinigte Sammer sogar Extraklasse: Wenn man Spieler wie Torsten Frings in den Reihen hat, gibt das einfach Sicherheit. Der frühere Bremer sei unser wichtigster Mann, er leistet Unglaubliches. Mit so vielen Einzelkönnern gesegnet, hätte sich die Frage aufdrängen können, wieso die Borussen so oft als Kollektiv Wünsche offen lassen und sich spielerisch sogar von Hannover Dinge abschauen könnten. Aber solche Gedanken mochten in der milden Frühlingssonne über dem Westfalenstadion einfach nicht aufkommen.“

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen – Torschützen NZZ

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