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1:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft über Serbien und Montenegro

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für 1:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft über Serbien und Montenegro

Dem 1:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft über Serbien und Montenegro können die Experten aus der Fußballpresse keine bedeutenden Erkenntnisse entnehmen, war Völlers Equipe schließlich stark ersatzgeschwächt, oder wie Matti Lieske (taz) sie beschreibt: „eine Ansammlung zufällig vorbeigekommener Durchschnittsfußballer, die gerade ein bisschen Zeit hatten, einigermaßen gesund waren und von Völler hinterrücks ein Adlertrikot übergestülpt bekamen? Geschanghaite Matrosen des runden Leders sozusagen.“ Allerdings schlossen sich die Beobachter weitgehend dem Fazit des Teamchefs an, wonach die Nachrücker um Michael Hartmann (Hertha BSC) und Frank Rost (Schalke 04) ihre Tauglichkeit unter Beweis gestellt hätten. Das war nicht immer so, ruft Matti Lieske in Erinnerung. „Seit den chaotischen Zeiten von Erich Ribbeck, als die Spieler sofort alles vergaßen, was sie jemals über Fußball gewusst hatten, sobald sie den Mannschaftsbus des DFB sahen, hat sich in der Bundesliga eine große Menge von begabten Fußballern etabliert, die alle ungefähr gleich gut sind und genau wissen, was sie zu tun haben. Absagen von einem runden Dutzend vermeintlicher Stammkräfte? Pah!“ Auf dem Rasen tat sich allerdings wenig. Der Tagesspiegel notiert: „In den Strafraum kamen die Deutschen selten, sodass die Begegnung als das erste Länderspiel in die Geschichte eingeht, das Deutschland gewonnen hat, ohne sich eine einzige Torchance erarbeitet zu haben.“

In Anbetracht zahlreicher Ausfälle ist Roland Zorn (FAZ 2.5.) mit dem deutschen Spiel zufrieden. „Dem Spielverlauf nach war diese Niederlage nicht verdient, hob deren Trainer Dejan Savicevic hervor und machte sich mit dieser Bemerkung keineswegs einer Sehschwäche verdächtig. Die überaus zweikampforientierten und stets am Rand der Fußball-Legalität ihren Vorteil suchenden Profis aus dem früheren Jugoslawien hatten zweifellos die besseren Torgelegenheiten. Ihr Pech war nur, daß die Deutschen in Frank Rost den besseren Torwart hatten (…) Der Torschütze Kehl, sein Dortmunder Freund und Kollege Torsten Frings und der im Leverkusener Abstiegskampf zum giftigen Fighter mutierte Carsten Ramelow bildeten in der besseren zweiten Halbzeit die stabile Mittelfeldachse des deutschen Spätberufenen- und Debütantenteams. Der Berliner Michael Hartmann feierte mit 28 Jahren eine von ihm selbst kaum für möglich gehaltene Premiere; der Stuttgarter Andreas Hinkel, 21, durfte erwartungsgemäß das erste Mal ran; der Schalker Rost, 29, bekam erst seine zweite Chance wie auch der Stuttgarter Kevin Kuranyi, 21, und der Münchner Löwe Benjamin Lauth, 21. Daran gemessen, kamen sich der vor dem Wechsel beste Deutsche, Arne Friedrich, 23, mit seinen sieben Länderspielen und der Bochumer Paul Freier, 23, mit jetzt acht internationalen Einsätzen schon wie Routiniers vor. Rudi Völler hatte jedenfalls Spaß an diesem Not- und Tugendaufgebot. Das war eine würdige deutsche Nationalmannschaft, lobte er sein engagiertes, couragiertes Team. Völler hatte zuvor nach vielen Absagen nicht mit einer Silbe gejammert und statt dessen darauf gehofft, daß gegen die Serben jugendlicher Eifer fehlende Erfahrung überspielen könne. Der Teamchef behielt mit seiner Einschätzung recht.“

Christof Kneer (FTD 2.5.) hat sich gelangweilt und bezweifelt die Ambitionen des goldenen Torschützen. “ In Bremen hat man ja schon immer gewusst, dass Willi Lemke ein rechter Gutmensch ist. Hat der einstige Manager des SV Werder nicht immer gepredigt, dass die bösen Spieler zu viel Geld verdienen (bevor er ihnen im stillen Kämmerlein bessere Verträge aufdrängte)? Hat er Deutschland nicht gelehrt, wo Gut und Böse sind (Gut ist im Norden und trägt Grün; Böse ist im Süden und spricht Bayerisch)? Wahrscheinlich war es wieder einmal nur Willi Lemke zu verdanken, dass das Land ein bisschen Spaß haben durfte am Mittwoch in Bremen. Alle Schüler, die er finden konnte, hatte Lemke ins Weserstadion bringen lassen, wo die Nachwuchsbremer beim Testländerspielchen folgsam jeden unfallfreien Einwurf von Michael Hartmann hochleben ließen. Man mochte sich lieber nicht vorstellen, was das als brummig bekannte Werder-Publikum mit diesem Spiel gemacht hätte (…) Sebastian Kehl gehörte zur ersten Generation der Superstars 2006, wie Gerald Asamoah, der damals in Bremen ebenfalls als künftiger Weltmeister vom Podium strahlte. Zwei Jahre später gelten beide höchstens noch als bedingt heldentauglich. Längst sind sie zurück aus der Zukunft, längst sind sie wieder in der Gegenwart gelandet. Nur weil ein Dutzend Spieler vom Sport befreit waren, rutschte Kehl in die erste Elf und Asamoah in den Kader. Wahrscheinlich ist dies der Sinn, der in diesem Abend von Bremen steckt. Für ein Spiel hat es Sebastian Kehl noch mal ins Heldenkostüm geschafft, aber gleichzeitig lehrt seine Biografie ein wenig Demut. Niemand kann wissen, ob die zweite Generation der Superstars 2006 – die Kuranyis, Lauths, Raus, Hinkels – tatsächlich in der Zukunft ankommen wird.“

Ralf Wiegand (SZ 2.5.) beleuchtet die Stimmung nach dem Spiel. „Erleichterung war das vorherrschende Gefühl nach Abpfiff einer Partie, die für die Entwicklung des deutschen Fußballs auf dem Weg zur nächsten EM oder WM nicht einmal so wertvoll war wie ein kleines Steak. Eher schon war der anstrengende Pflichttermin ein weiterer Beleg dafür, dass Freundschaftsspiele mitten in der Saison nur noch eine Gefahr für das Image der Auswahl darstellen. Das Publikum rennt dem Verband schon lange nicht mehr die Bude ein für Gegner wie Serbien und Montenegro; die von Abstiegskampf oder Uefa-Cup-Rennen geplagten Spieler verlangen nach Regeneration, weswegen Völler die Trainingsintensität auf das Minimum von zwei leichten Einheiten in zwei Tagen runterfahren musste; und die Vereine möchten ihre Spieler gefälligst gesund zurück, um sie in die diversen Existenzkämpfe der Liga schicken zu können. Die Erwartung aber an die derart gefesselte Nationalelf bleibt immer die gleiche: gefälligst zu gewinnen, wenn möglich entfesselt schön.“

Jan Christian Müller (FR 2.5.) fasst die Reaktionen des Teamchefs zusammen. „Rudi Völler, nach Niederlagen gegen die Niederlande und Spanien und kargen Vorstellungen in Bosnien, gegen die Färöer und Litauen, unversehens in die Defensive geraten, nutzte den bestimmt nicht leicht erkämpften Erfolg zur PR-Offensive für den zwangsweise runderneuerten Vize-Weltmeister. Sehr, sehr zufrieden sei er, eine würdige deutsche Nationalmannschaft und gute Kombinationen habe er gesehen, mit den beiden Neulingen Michael Hartmann (abgezockter Hase) und Andreas Hinkel (tolles Debüt). Wahrscheinlich muss man Verständnis für den Überschwang des Teamchefs haben, der vor lauter Absagen kaum dazu gekommen war, Christian Wörns mitzuteilen, er sei ausnahmsweise mal Mannschaftskapitän. Natürlich hätten die zwecks Auffüllung des Weserstadions in Massen in die Arena gelockten Schulkinder lieber Kahn und Ballack gesehen als Rost und Kehl. Aber, sagte Völler ohne Groll, die Zeiten hätten sich eben gewandelt. Ein Bundestrainer besitzt schon längst nicht mehr die Macht, in der Endphase der Saison für Testspiele Anspruch auf einen proppevollen Kader anmelden zu dürfen. Berti Vogts hatte das nie verinnerlichen können, auch Erich Ribbeck hatte regelmäßig gestöhnt, er habe zu wenig Zeit zum Üben mit den Nationalspielern. Völler dagegen ist schlau genug, sich angesichts der angespannten Haushaltslage bei vielen Clubs auch mal klaglos zu unterwerfen.“

Matti Lieske (taz 2.5.) teilt dazu mit. “Man hatte Rudi Völler seit der leicht märchenhaften WM glücklich gesehen nach Niederlagen (gegen Holland), grantig nach Siegen (gegen Färöer) und vergrätzt nach Unentschieden (gegen Litauen). Diesmal war er ausnahmsweise mal richtig zufrieden nach einem Sieg, auch wenn das Match wahrlich kein berauschendes war. Der Gegner präsentierte sich sehr defensiv, technisch stark, robust in der Abwehr und einigermaßen ungefährlich vor dem Tor – typisch jugoslawisch, hätte man früher wohl gesagt (und Völler auch heute noch gern). Gemessen am letzten Treffen 1998 in Lens bei der WM, wo die Jugoslawen das Vogts-Team eine Stunde lang schwurbelig spielten, um dann noch einen 2:0-Vorsprung zu verplempern, wirkte dieses Match jedoch wie ein Federgewichtsboxkampf gegen einen Schwergewichtsfight. Saubere, schnelle Aktionen, solide Fußarbeit, gute Deckung, aber kaum Höhepunkte, null Schlagwirkung und kein Grund, irgend jemanden anzuzählen. Nicht einmal die zaghaften Versuche von Ramelow und Frings, den Nickligkeitsfaktor etwas in die Höhe zu treiben, waren von Erfolg gekrönt, wohl, weil auf der Gegenseite Altekel Sinisa Mihajlovic nicht mit von der Partie war. Beim Boxen hätte es ein Remis geben, weil es aber Fußball war, reichte es zu einem 1:0-Punktsieg.“

Jörg Marwedel (SZ 2.5.) gratuliert Michael Hartmann zu seinem ersten (und letzten?) Länderspiel. „Hartmann, Michael, geboren am 11.7. 1974, Verein: Hertha BSC Berlin, 1 A-Länderspiel. So wird es fortan und mutmaßlich für immer in den Annalen des Deutschen Fußball-Bundes stehen. Michael Hartmann durfte gegen Serbien und Montenegro dabei sein, weil DFB- Teamchef Rudi Völler ihn für einen „abgezockten Hasen im Fußballgeschäft“ hält, sein stärkerer Fuß der linke ist, womit er einer Minderheit unter den Bundesbürgern angehört (…) Es gab schon viele Nutznießer nutzloser Länderspiele, schneller und unverhoffter als Hartmann aber sind nur wenige ins Adler-Trikot geschlüpft. Allerdings hat das Kuriositätenkabinett des DFB noch andere Schnell-Karrieren zu bieten. 1971 etwa kam der bis dato wackere Amateur-Auswahlspieler Hartwig Bleidick beim 2:0 gegen Albanien zu seinem Debüt – Sekunden vor dem Schlusspfiff löste er seinen Gladbacher Kollegen Berti Vogts ab und wurde Nationalspieler, ohne nur einmal den Ball berührt zu haben. Oder Frank Ordenewitz, später bekannter als „Otze“. Weil sich kein anderer fand, begab sich der nachnominierte Stürmer für seine beiden einzigen Einsätze auf eine 84 Stunden dauernde Odyssee – von Bremen via Tiflis (wo sein Klub Werder Bremen noch ein Uefa-Cup-Spiel hatte) über Constanza, Hannover, Bremen, Frankfurt, Rio de Janeiro bis Brasilia, wo er dann neun Minuten mithelfen durfte, ein 1:1 gegen Brasilien zu erkämpfen. In Rio hatte Ordenewitz übrigens wegen eines Fluglotsenstreiks noch übernachten müssen. Lustig auch die Nationalelf-Vita des Bremers Günter Hermann, des Weltmeisters von 1990, der nie spielte. Nein, falsch: Zweimal durfte er, zuletzt vor der WM in Italien bei der legendärsten Auswechselorgie, die je im Namen des DFB veranstaltet wurde, dem 1:0 gegen Dänemark in Gelsenkirchen. Inklusive Hermann gewährte der Teamchef Franz Beckenbauer 21 Profis Länderspielehren. Zu denen kam schließlich vor zwölf Monaten, im gesegneten Alter von 33 Lenzen, auch noch Martin Max. Der Bundesliga-Torschützenkönig der Münchner Löwen, von einigen Medien vehement gefordert, durfte sich beim WM- Test gegen Argentinien (0:1) sieben Minuten vergeblich als Torjäger versuchen, dann sah sich Teamchef Völler in seinem Vorurteil bestätigt und schickte ihn wieder heim.“

„Uli Stielike ist neuer Trainer der U 21 und feiert mit dem 3:2 gegen Serbien und Montenegro einen prächtigen Einstand“ SZ

(30.4.)

Vor dem Spiel

Frings unersetzlich

Roland Zorn (FAZ 30.4.) porträtiert einen Rückkehrer an alte Wirkungsstätte. „Wenn Rudi Völler dieser Tage über Torsten Frings spricht, wird er zum Schwärmer. Er ist in der Nationalmannschaft und bei Borussia Dortmund fast nicht zu ersetzen, sagt der Teamchef des Deutschen Fußball-Bundes, ohne sich der Lobhudelei verdächtig zu machen. Und dann beschreibt Völler das Besondere an diesem flächendeckend agierenden Mittelfeldspieler. Torsten ist auf vielen Positionen einsetzbar und ist auf diesen vielen Positionen richtig gut. (…) Frings hat zeit seiner Karriere anstehen und Geduld beweisen müssen. Der Junge aus der Gegend von Aachen – dort ist er noch immer als Präsident und Trainingsgast des Kreisligavereins SSG Zopp aktiv – wurde nie in eine deutsche Jugendauswahl berufen und brachte es nur bis in die Mittelrheinmannschaft. Leistung setzt sich am Ende immer durch, sagt Frings heute um so überzeugter. Der früher leichtgläubige Spieler mußte seinen größten Rückschlag in seiner sonst schönen Zeit bei Werder Bremen ertragen, als Felix Magath sein Trainer war. Mit ihm hatte ich riesige menschliche Probleme, weil er mir das Vertrauen entzog und mir sagte, ich könne nicht Fußball spielen. Inzwischen haben sich die beiden, auch weil sich jeder auf seine Weise bemerkenswert weiterentwickelt hat, ausgesprochen und versöhnt. Der vielseitige Frings, der am liebsten aus dem zentralen defensiven Mittelfeld agiert, war damals, im Frühjahr 1999, tief getroffen. Erst als Magath gehen mußte und Thomas Schaaf kam, blühte er so auf, daß er auch für Völler und Dortmund zu einem Spieler mit überaus reizvollen Perspektiven wurde. Gerade weil der emotionale und introvertierte Frings ohne Allüren Schritt für Schritt Karriere machte, hat er nur wenig Verständnis für die Blitzkarrieren so mancher Jungnationalspieler. Im Moment ist es viel zu leicht, in die Nationalmannschaft zu kommen, sagt der auf dem Platz aggressive Lebensgeduldsspieler.“

Ralf Wiegand (SZ 30.4.) wundert sich über den Berliner Neuling Hartmann. „Manchmal glaubt man, alles zu wissen über den deutschen Fußball. Kennt jeden Stammspieler für jede Position und auch deren Ersatz. Denkt, nicht mehr überrascht werden zu können. Und dann meldet sich Christian Ziege, die Nummer eins für die linke Außenbahn der Nationalmannschaft, für Monate in den Krankenstand ab, fällt Tobias Rau, die mögliche Nummer zwei, einer Hüftprellung zum Opfer, können die Masseure bei der Nummer drei, Jörg Böhme, einen Bluterguss nicht mehr rechtzeitig aus der Wade streicheln – und schon ist Fußball wieder ein großes Rätsel: Warum nur sind Spieler mit einem linken Fuß, der zu mehr taugt als einer ordentlichen Statik des Zwei-Säulen-Bauwerks Mensch, in Deutschland so selten wie Orchideen auf einer Giftmülldeponie? Bis zur Beantwortung dieser Frage behilft sich Rudi Völler mal wieder mit dem Griff in die Wundertüte und zaubert Michael Hartmann hervor, der als 21. Neuling seiner Ära am heutigen Mittwoch gegen Serbien und Montenegro zum Einsatz kommen wird. Der Berliner, als 28-Jähriger ein Sehr-Spät-Berufener, komplettiert ein Mosaik, das Teamchef Völler mühsam um die traurigen Reste seines furiosen WM-Kaders anno 2002 gelegt hat. „Wie viele sind denn morgen noch dabei, die im WM-Finale standen?“ fragte sich Torsten Frings gestern und zählte nach: er selbst, Carsten Ramelow, Miroslav Klose und Gerald Asamoah. Der Wandel ist scheinbar die einzige Konstante des DFB-Teams.“

Gemma Pörzgen (Tsp 30.4.) beschäftigt sich mit dem Gegner der DFB-Equipe. „Fußball ist neben Basketball der populärste Sport, doch über lange Zeit blieben die Erfolge aus. Schuld daran ist vor allem der wirtschaftliche Abstieg des Landes. Begabte junge Spieler wandern ins Ausland ab, wo sie mehr Geld verdienen. Wegen der Sanktionspolitik in den Neunzigerjahren fehlte es an ernst zu nehmenden Gegnern. Auswärtsspiele fanden lange nicht mehr statt – und wenn, dann nur gegen China oder Rumänien. Bis heute konnte sich der serbische Fußball nicht so recht vom Negativ-Image befreien. Immer wieder gab es Randale. Im Parlament wird demnächst ein neues Sportgesetz verabschiedet, das härtere Strafen gegen Hooligans vorsieht. Im August vergangenen Jahres waren die Spieler von Bayern München in der Qualifikation zur Champions League gegen Partizan Belgrad noch mit Gegenständen beworfen worden. Zur Strafe mussten die Serben ihr nächstes Heimspiel vor leeren Rängen austragen.“

Stefan Osterhaus (BLZ 30.4.) ruft in Erinnerung. „Es war in den Jahren von 1986 bis 1992, und Jugoslawien galt Anfang der neunziger Jahre als das Team mit den stärksten Individualisten des Erdballs, jene wunderbaren Fußballer, die 1987 in Chile Junioren-Weltmeister wurden, von denen manche in der Mannschaft Roter Stern Belgrads spielten, die 1991 den Europapokal der Landesmeister gewann. Bald wurden sie nur als die Goldene Generation etikettiert – eine plakative, aber treffende Umschreibung, denn beinahe alle vermochten ihr Können in lukrative Vertäge umzuwandeln. Der Dribbler Savicevic, in seinen Aktionen intuitiv wie kaum ein Zweiter, ging ebenso wie der Organisator Zvonimir Boban zum AC Milan; der Gestalter Robert Prosinecki wechselte zu Real Madrid, der Kunstschütze Dragan Stojkovic zu Olympique Marseille. Die Möglichkeit, einen Welt- oder Europameistertitel zu gewinnen. wurde ihnen genommen. 1992, nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges, bannte der europäische Fußballverband Uefa den Jugoslawien von der EM in Schweden.“

(29.4.)

Torwartwechsel

Im morgigen Spiel gegen Serbien-Montenegro (Bremen 20.45h) steht ein Torwartwechsel bevor. Nicht weil Oliver Kahn noch immer Kopfhörer trägt, sondern wegen einer Verletzung wird er fehlen. Da auch Jens Lehmann nicht spielen kann, wird der Schalker Frank Rost sein Debüt geben. Jan Christian Müller (FR 29.4.) kommentiert. “Rost, ganz bestimmt nicht auf den Mund gefallen, will aber partout nicht sagen, ob er die Entwicklung als Beförderung ansieht, nachdem er sich doch mächtig geärgert hatte, nicht mit nach Japan düsen zu dürfen. Das Finale hat er sich an seinem 30. Geburtstag mit Kumpels in seiner alten Heimat Leipzig in einer Kneipe angeschaut und kurz danach im kicker-Interview mitgeteilt, der Kahn-Hype sei ja wohl ein wenig übertrieben, es gebe noch ein paar andere gute Torhüter in Deutschland. Worauf Bundestorwart-Trainer Sepp Maier öffentlich entgegnete, die Bratwurst Rost solle, bitte schön, die Klappe halten und Bild tags darauf eine frisch gegrillte Rostbratwurst im Naturdarm abbildete. Wenn ich gewusst hätte, was daraus wird…, sagte Rost gestern, ich sage zwar gerne meine Meinung, ich bin aber beileibe kein Masochist. Also sagt er jetzt brav Dinge wie ich freue mich, dabei zu sein oder ich will diese Einladung rechtfertigen. Kein Nachkarten, dass der nette Herr Butt bei der WM dabei war und nicht der aufbrausende Rost. Obwohl, ich wäre gern dabei gewesen. Ganz schön frech. Für einen wie Rost, der nach zehn weitgehend gemächlichen Jahren in Bremen eigener Auskunft zufolge noch immer staunend mit offenem Mund durch das extrovertierte Schalker Gefühlsleben taumelt, ist Serbien-Montenegro eine Chance, wenn auch im mächtigen Schatten von Kahn eine weitaus kleinere als jene, die vor zwölf Monaten Torsten Frings wahrgenommen hat. Frings galt damals als gut-durchschnittlicher Bundesligaspieler mit Ambitionen für die Zeit nach der WM und durfte beim 4:2 gegen die USA nur mitspielen, weil – zufällig im April – 14 andere abgesagt hatten. Seitdem ist er Stammspieler bei Völler. April, April. Der Teamchef zieht solche tugendhaften Beispiele gern heran, um die alle Jahre wiederkehrende Diskussion über Sinn und Unsinn solcher internationaler Freundschaftsspiele im April abzumildern.“

Bundessprücheklopfer

Ralf Wiegand (SZ 29.4.) schreibt zum selben Thema. „Sogar dem grundsätzlich gut gelaunten Rudi Völler („schönen guten Tag erst mal alle miteinander“) fehlte der richtige Zugang zu einem Spiel, das keiner braucht. Die Bundesliga hat ihre schwerwiegendste Entscheidung, die über den Deutschen Meister, gerade getroffen, andere existenzielle Weichenstellungen sind in vollem Gange, die Spieler dementsprechend von Glückshormonen bis in die Ellbogen überschwemmt (FC Bayern), von Angst gepeinigt (Leverkusen) oder einfach nur müde. Sogar Frank Rost versicherte glaubhaft, sein Einsatz überrasche ihn „total“ – trotz einer gewissen Logik nach den Absagen von Kahn und Jens Lehmann. Der Torwart gab an, seine Nominierung für die erste Elf habe jäh den Prozess der Spielverarbeitung unterbrochen – Schalke unterlag Bochum 1:2 –, „das dauert normalerweise eine ganze Woche“. Wo ist da Platz im Kopf für Serben und Montenegriner (…) Die Heimkehr des Frank Rost, vor seinem Wechsel nach Schalke zehn Jahre lang bei Werder Bremen beschäftigt, ist eine andere. Der Torwart steht geradezu exemplarisch für jene zweite Garde, die nur in solchen Spielen eine Chance erhält, in denen das Establishment pausiert. Rosts letzte Schlagzeilen im Zusammenhang mit dem DFB-Team waren daher auch keine sportlichen, sondern eher kulinarische. Als „Rost-Bratwurst“ hatte Bild den nicht für die WM berücksichtigten Keeper gegrillt, nachdem BTT (Bundestorwarttrainer) und BSK (Bundessprücheklopfer) Sepp Maier den Rat an Rost übermittelt hatte, „die Bratwurst soll den Mund halten“. Rost hatte nach der WM kritisiert, die Glorifizierung von Oliver Kahn setze das Leistungsvermögen der anderen Torsteher ungebührend herab. Rost hat sich mit Kahn inzwischen ausgesprochen, mit Maier „kein Problem“, und überhaupt: Die Rostbratwürste im Weserstadion gehören zu den leckersten der Bundesliga.“

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