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Seelendoktoren sind gefragte Leute

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Seelendoktoren sind gefragte Leute

Frank Schneller (FTD 9.4.) blickt voraus. „Das Prädikat „Perspektivspieler 2006“ entpuppte sich nicht für alle Auserwählten als Segen. Auch nicht für den Stürmer Benjamin Auer. Der trifft zwar in der U-21-Auswahl des DFB regelmäßig, in Gladbach wurde er aber links liegen gelassen und wechselte deshalb zum Zweitligisten Mainz 05. Dort ist er nur „geparkt“, weil er angeblich bereits einen Vertrag von Bayer Leverkusen in der Tasche hat. Doch selbst in der zweiten Spielklasse ist Auer kein Stammspieler. Die Chancen des 22-Jährigen, sich bei der WM im eigenen Land als der „neue Ulf Kirsten“, als der er einst gehandelt wurde, in den Vordergrund spielen zu können, sind gesunken. Stattdessen feierte der 31-jährige Fredi Bobic sein Comeback im Nationaltrikot. Drei Jahre vor der WM in Deutschland teilt sich die Garde der Nachwuchskicker in zwei Lager. Christoph Metzelder, 23-jähriger Abwehrspieler von Borussia Dortmund, ist mittlerweile im Verein und in der Nationalelf gesetzt, auch die Leistungskurven von Tobias Rau (21, noch Wolfsburg, bald Bayern), Arne Friedrich (23) und Thorben Marx (21, beide Hertha BSC Berlin) zeigen weiter nach oben. Dazu die Erfolge Benjamin Lauths (21, 1860 München) sowie der drei 21 Jahre alten Stuttgarter Kevin Kurany, Andreas Hinkel und Christian Tiffert. Doch die Problemkinder der nächsten Generation werden gerne übersehen. DFB-Teamchef Völler und sein Kollege Michael Skibbe sind als Seelendoktoren gefragte Leute. So quält sich Christian Timm, 24 Jahre alt, nach seinem Wechsel von Köln nach Kaiserslautern nur langsam aus seinem Tief heraus. Die Rolle des Jokers ist aus Sicht des lange Zeit verletzten Stürmers schon ein Aufwärtstrend.“

Einer der merkwürdigsten Fälle des Jahres

Ronald Reng (FR 9.4.) besuchte einen Deutschen in Schottland. “Christian Nerlinger, der acht Jahre lang für die besten deutschen Clubs Bayern München und Borussia Dortmund ein verlässlicher Mittelfelddynamo war und am Ende sogar Nationalspieler, versucht, die hellen Momente zu genießen. Er will die Dinge positiv sehen, er zwingt sich, optimistisch zu sein. Manchmal gelingt es. Manchmal. Was mit ihm in dieser Saison beim 49-maligen schottischen Meister Glasgow Rangers passiert, ist einer der merkwürdigsten Fälle des Jahres; aus seiner Sicht ist es vor allem bitter. Er ist 30, ein gutes Alter, um Fußball zu spielen, er ist fit, seit Oktober hat er keine Trainingseinheit verpasst, er könnte auf der Höhe seiner Karriere sein – und kam gerade dreimal als Auswechselspieler zum Einsatz. Seit dem 29. Januar wurde er noch nicht einmal mehr als Ersatzmann berufen. Wer noch Bilder von Nerlinger im Bayern-Trikot im Kopf hat, mit welcher Energie er durchs Mittelfeld fegte, wer dann sieht, dass am vergangenen Samstag bei den Rangers Spieler mit überschaubaren Qualitäten wie der Niederländer Bert Konterman und Stephen Hughes den Vorzug bekamen, der kommt zu dem Schluss: Da kann doch was nicht stimmen; entweder muss sich Nerlinger mit dem Trainer verkracht haben oder er ist nach einigen Verletzungen nicht mehr der alte. Doch die Wahrheit ist viel unspektakulärer; und deswegen umso härter. Christian ist ein guter Junge, er ist absolut fit – und ich sehe andere Spieler vor ihm, das ist die ganze Wahrheit in einer Nussschale, sagt Trainer Alex McLeish. Und er hat Recht, denn er hat Erfolg. Mit acht Punkten vor dem Uefa-Cup-Halbfinalisten Celtic ist Rangers derzeit Tabellenführer in Schottland (…) Früher habe ich immer gesagt: Leistung setzt sich durch. Jetzt weiß ich, es gibt Sachen, die du nicht beeinflussen kannst: ein blöde Verletzung, ein Trainerwechsel. Und das war dann in Kurzform auch schon seine Geschichte in Glasgow. Eine blöde Verletzung. Im Spätsommer 2001 schießt Nerlinger in seinen ersten drei Partien für Rangers drei Tore. Ich war im Paradies, und als eine Sehne im Fuß reißt, will er sofort wieder zurück ins gelobte Land. Er beginnt zu früh mit dem Training, nicht einmal, sondern zweimal. Eine Verletzung, die nicht länger als vier Wochen dauern sollte, setzt ihn fünf Monate matt. Ein Trainerwechsel. Während Nerlinger in der Reha schwitzt, trennen sich die Rangers von Dick Advocaat, seinem Mentor, dem Mann, der alle Welt in Bewegung gesetzt hatte, ihn aus Dortmund zu holen. McLeish übernimmt, der Rest ist Geschichte.“

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