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Abpfiff für die fetten Jahre

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Abpfiff für die fetten Jahre

„Abpfiff für Dortmunds fetten Jahre“ (Spiegel) – „Vielleicht haben wir zum falschen Zeitpunkt zu viel in Spieler investiert“ (Michael Meier, Manager Borussia Dortmunds, im SZ-Interview) – Tagesspiegel-Interview mit Rudi Assauer, Manager Schalke 04s

Abpfiff für die fetten Jahre

Jörg Kramer (Spiegel 26.1.) weissagt den Dortmunder ein böses Ende: „Das Revier-Derby gegen Schalke 04 wird noch einmal unter Festbeleuchtung stattfinden. Aber es wird, so viel steht schon fest, für den ambitionierten Traditionsclub Borussia Dortmund das Ende des Glamours einleiten. Abpfiff für die fetten Jahre. Zwar wird erstmals seit dem vollständigen Ausbau das Westfalenstadion mit 83.000 Besuchern ausverkauft sein. Doch schon zum nächsten Ruhrpottschlager in der Saison 2004/05 wird der BVB eine abgespeckte Version seines Starensembles präsentieren. Der Sparzwang – Analysten rechnen für dieses Spieljahr mit einem Umsatzrückgang um 31 Prozent und einem Verlust von rund 45 Millionen Euro – setzt den Schlusspunkt unter die Prasserei der Ära Niebaum. Anfang der neunziger Jahre begann die Club-Führung um den Dortmunder Wirtschaftsanwalt, mit dem Zukauf teurer Kicksternchen – vorzugsweise aus Italiens Eliteliga – ehrgeizig am Thron des deutschen Branchenführers zu kratzen: Niebaum wollte dem FC Bayern München auf Augenhöhe begegnen. Spätestens nach dem Börsengang im Herbst 2000, resümieren clubinterne Mahner, habe die BVB-Führung dann sukzessive die Zukunft verfrühstückt. So seien Erlöse in Höhe von insgesamt rund 200 Millionen Euro, herbeigeschafft durch den Verkauf von Vermarktungsrechten des Clubs sowie von Rechten am BVB-Sportausstatter goool.de und durch die Börsenemission, längst wieder verbraucht. Manöver nach dem Prinzip Sale Lease back (Verkaufen und Zurückleasen) brachten einige Male frisches Geld, aber auch immer höhere Fixkosten. Zuletzt wurden die Stadionanteile verschachert – das kostet den Club jetzt jährlich rund 15 Millionen Euro an Pacht. Erstmals in 18 Jahren unter Niebaums Führung formiert sich deshalb rund um die kühlen Büroräume am Rheinlanddamm so etwas wie eine Opposition. Niebaums Lage vergleicht ein BVB-Insider mit der Helmut Kohls in der Endphase – da kamen die Kritiker aus der eigenen Partei, nachdem sie 16 Jahre stillgehalten hatten, plötzlich aus allen Löchern“ (…) Klar ist, dass der Spielerkader um einige Empfänger von Millionengehältern verkleinert wird – notfalls, sagt ein kühler Rechner mit Zugangsberechtigung zu den BVB-Geschäftsräumen, würden eben Stars verschenkt. Denn das Dortmunder Geschäftsmodell, erkannte dieser Tage auch der Analyst Hasler, basiert auf dem Erreichen der Champions League. Nun gilt als wahrscheinlich, dass Dortmunds immer weiter aufgerüstete Mannschaft an Europas Geldbeschaffungs-Liga zum zweiten Mal in Folge vorbeischrammt. So droht dem Club die Ernüchterung eines durchnässten Biergartenbetreibers, dessen Kalkulation auf jährlich 365 Sonnentagen fußt. Niebaums und Meiers Fahndung nach Kompensation für die Einnahmeausfälle wirkt leicht panisch. Zum 15. März müssen alle Clubs die Anträge für die Lizenz der nächsten Spielzeit bei der DFL eingereicht haben – inklusive einer testierten Bilanz zum Ende 2003, Gewinn- und Verlustrechnung sowie wesentlicher Verträge. Die DFL, die die Liquidität zum Ende der nächsten Saison errechnen muss, darf Auskünfte bei Kreditinstituten und beim Finanzamt einholen. Jetzt bestellte der wachsame DFL-Geschäftsführer Christian Müller (Wir müssen den Puls fühlen) die BVB-Spitze für Mitte der Woche zum Rapport. Nach Beschwerden von Geschäftspartnern wie den städtischen Verkehrsbetrieben, wonach der BVB seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, verlangt Müller von der Borussia eine neue Finanzplanung (…) Ohnehin wird die letzte Ausbaustufe der kolossalen Arena von internen Mahnern als schwerster Managementfehler bewertet: Dieses Prestigeobjekt koste den Club mindestens 255 Millionen Euro. So habe sich der Weltmeisterschaftszuschlag an Deutschland 2006 für den BVB desaströs ausgewirkt. Geleitet von der Aussicht, ein WM-Halbfinalspiel ins Westfalenstadion zu holen, schraubten die BVB-Bosse die Zuschauerkapazität weiter nach oben. Um die Mittel für den Ausbau zu beschaffen, wurde der Club-Anteil am Stadion abgetreten. Die vermeintliche Eitelkeit des Präsidenten macht auch Mitarbeitern in den Club-Gremien Sorgen. Ein Konsolidierungskurs, sagt einer aus der Runde, sei auf Dauer nicht realistisch: Eine Mannschaft mit preiswerten Spielern aus der 2. Liga – das ist nicht die Welt von unserem Gerd. Der BVB-Chef, seit 1986 Präsident und seit Anfang 2002 mit rund einer Million Euro dotierter Geschäftsführer der KGaA, bietet Angriffsflächen. „Wozu beschäftigen wir für viel Geld einen Volljuristen, wenn der für juristische Dienstleistungen zusätzlich ein Honorar berechnet?, fragte ein Widersacher.“

Vielleicht haben wir zum falschen Zeitpunkt zu viel in Spieler investiert

SZ-Interview mit Michael Meier, Manager Borussia Dortmunds

SZ: Herr Meier, wann haben Sie das erste Mal das Gefühl gehabt, dass Sie mit Borussia Dortmund in eine finanzielle Schieflage geraten?

MM: Zuerst war das nach dem Unentschieden im Mai gegen Energie Cottbus. Wir mussten ja, als Resultat des verfehlten zweiten Bundesliga-Platzes, in die Qualifikationsspiele zur Champions League. Obwohl wir die Qualifikation schon zweimal erfolgreich überstanden hatten, kann man rückblickend sagen: Das hätte der Zeitpunkt für Maßnahmen sein können. Wir haben aber dann das Risiko in Kauf genommen.

SZ: Sie haben Torwart Jens Lehmann an Arsenal London verkauft, kurz danach aber, wegen der Verletzungsserie, Spieler nachgekauft. Wann wussten Sie, dass die Sache aus dem Ruder läuft?

MM: Zunächst haben wir im Einklang mit den Spielern den zwanzigprozentigen Gehaltsverzicht hingekriegt. Das hat es vorher nie irgendwo gegeben. Wir haben außerdem darauf gesetzt, zusätzliche Marketingerlöse zu erzielen, und wir haben darauf gesetzt, dass wir eine werthaltige Mannschaft haben.

SZ: Fest steht, dass Sie, um die Löcher zu stopfen, gerne jetzt, in der Winterpause, Spieler verkauft hätten.

MM: Richtig ist: Der Markt ist derzeit nur offen für eine sehr begrenzte Anzahl von Spielern. Das heißt: Jeder, der derzeit mal einen für gutes Geld verkaufen kann, das glauben Sie mir bitte, der tut es. Der Verkauf von Spielern gehört ja nun zu den originären Einnahmefeldern eines Fußballvereins.

SZ: Sie haben in den letzten Jahren mindestens 230 Millionen Euro an außerordentlichen Einnahmen gehabt. Börsengang, Stadionverkauf, Vermarktungsrechte, Namensrechte für Ihre Sportmarke goool.de an den Gerling-Konzern. Trotzdem müssen Sie jetzt noch Spieler verkaufen. Wie erklären Sie das?

MM: Es ärgert mich, wenn uns nachgesagt wird, wir hätten Geld verbrannt. Wir haben auch Werte geschaffen. Wir hatten zum Zeitpunkt des Börsengangs im Oktober 2000 Verbindlichkeiten in Höhe von 72 Millionen Euro, davon rund 25 Millionen für das Stadion. Wir haben dann 130 Millionen aus dem Börsengang bekommen und davon erst mal 20 Prozent in unsere Kreditlinien zurück geführt. Das Bild bei Ihnen ist allerdings, dass wir nur Löcher gestopft haben. In Wahrheit haben wir aber auch unseren Besitz am Stadion auf 75 Prozent erhöht, haben Finanzanlagen gekauft, das Hotel Lennhof. Und wir haben Spieler gekauft. Vielleicht haben wir zum falschen Zeitpunkt zu viel in Spieler investiert.

SZ: Geben Sie zu viel für Spieler aus?

MM: Ein klares Ja.

SZ: Warum?

MM: Weil wir keine ausreichende Flexibilität mehr in unseren Gehältern haben. Die Höhe der Gehälter ist nur gerechtfertigt, wenn wir dauerhaft Champions League spielen. Sonst leider nicht. Das macht den Unterschied zum FC Bayern aus. Die haben relativ durchgängig Champions League gespielt – wir hatten zu viele Aussetzer. Das holt uns jetzt ein.

SZ: Zu der Berichterstattung in der SZ und im Kicker über die Lage in Dortmund haben die Informationen aus dem Inneren des Klubs maßgeblich beigetragen. Zum Teil kamen sie von aktuellen oder ehemaligen Gremiumsmitgliedern, die sich offenbar keinen Rat mehr wussten, als ihr detailliertes Insiderwissen mitzuteilen. Sagt das nicht etwas über das Regime aus, das es im Verein geben muss?

MM: Das ist ein möglicherweise ein Problem. Diese Lektion ist gelernt, denke ich. Aber Gremiumsmitglieder, die an die Öffentlichkeit gehen, verstoßen trotzdem gegen einen Kodex. Der Erfolg hat viele Väter – im Misserfolg dagegen fällt manchem auf, was ihm schon immer nicht gepasst hat. Wir könnten momentan wirklich ein geschlosseneres Erscheinungsbild brauchen.

SZ: Ist Borussia zurzeit ein Sanierungsfall, wie es einige Fachleute in die Debatte werfen? MM: Ich würde mich gar nicht gegen eine Sanierung stemmen. Es gibt viele Begriffe, die die Situation beschreiben. „Sanierungsfall“ aber finde ich nicht angebracht. Dazu ist die Substanz dieses Unternehmens einfach zu groß. Mit einem glücklichen und geschickten Management kann man noch eine Geschäftspolitik hinbekommen, die den gewohnten Stellenwert des BVB weiterhin aufrecht erhält. Bei einem Sanierungsfall würde ich von einer völligen Umkehr ausgehen. Das hielte ich für übertrieben.

Tsp-Interview mit Rudi Assauer

Tsp: In der Liga wird Ihnen eine Scheckbuch-Mentalität vorgeworfen, Bremens Manager Allofs sprach davon, Ihre Vorgehensweise sei eine Sauerei.

RA: Ich kann das nicht nachvollziehen. Es steht nirgendwo geschrieben, dass wir keine Spieler verpflichten dürfen. Uns ist damals Thomas Linke von den Bayern weggelotst worden, und Jens Lehmann ist über den Umweg Mailand in Dortmund gelandet. Wenn die Bayern irgendwo jemanden wegholen, ist das normal, bei Borussia Dortmund war das bisher genauso. Nur wenn Schalke gestandene Spieler ablösefrei holt, geht das Gezeter los. Die Leute sollen lieber vor der eigenen Haustür kehren. Wir verwirklichen hier jetzt lediglich das, wofür wir zehn Jahre lang mit viel Kraft gearbeitet haben.

Tsp: Am Freitag steigt in Dortmund vor 83 000 Zuschauern das Revierderby. Da treffen zwei Religionen aufeinander.

RA: Hören Sie mal, da wird auch nicht länger gespielt als sonst, und jeder trägt sein Trikot. Wie immer. Natürlich elektrisiert dieses Spiel die Massen, diese Rivalität geht nicht nur im Revier, sondern im Sauerland und im Münsterland durch Familien und Betriebe. Aber am Ende geht es nicht um Freundschaft oder Feindschaft – es geht um Sport. Es ist gut für unsere Region, dass wir zwei Vereine mit einem so hohen Stellenwert haben. Aber Religion? Nee.

Tsp: Im Revier steht eine Trendwende bevor: Schalke rüstet mit auf, Dortmund wird wegen finanzieller Probleme Spieler verkaufen.

RA: Das tut schon weh, wenn dein Rivale solche Probleme bekommt. Wir brauchen im Ruhrgebiet zwei starke Vereine. Deshalb hoffe ich, dass die Dortmunder aus diesen Turbulenzen herauskommen und wieder zum normalen Tagesgeschäft übergehen können.

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