Ballschrank
Achtelfinale
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| Donnerstag, 25. März 2004
Mit anderthalb Beinen bereits im Achtelfinale ist die deutsche Elf durch Robbie Keanes Ausgleich in der Nachspielzeit zurückgebunden worden. Von einem für die Iren „hochverdienten“ Ergebnis spricht die NZZ, die taz gar von einem „schmeichelhaften“ Resultat für Deutschland, in dessen Lager nach dem Kantersieg gegen Saudi-Arabien „der Alltag wieder eingekehrt ist“ (NZZ). „Die eigentliche Erkenntnis des Spiels aber war, dass die Mannschaft, die manche deutsche Zeitung nach dem 8:0 gegen Saudi-Arabien schon auf dem Weg ins WM-Finale wähnte, von einer biederen irischen Mannschaft recht problemlos auf Prä-WM-Normalmaß zurechtgestutzt werden konnte“, schreibt Thomas Winkler (taz). In der Tat verweigerten die Iren von Anfang an den Respekt, von dem die Deutschen erhofft hatten, ihn durch die acht Treffer gegen die Saudis in den gegnerischen Lagern verursacht zu haben.
Die Berichterstattung in den Zeitungen trägt teilweise reflexhafte Züge. „Eben noch schien sich die Frage nach dem Lieblingsfinalgegner zu stellen“, liest man in Die Welt. Jedoch bange man nach dem – mit ursprünglichen Erwartungen gemessenen keineswegs enttäuschenden – Remis sogleich um den Einzug in die nächste Runde, lautet der Vorwurf an diejenigen, die durch das Eröffnungsmatch eine Renaissance des deutschen Fußballs eingeleitet sahen. Doch stimmt diese Diagnose, wonach der Auftakterfolg eine allgemeine Euphorie ausgelöst haben soll? In pauschaler Form sicherlich nicht. Vielmehr hatten die Fußballautoren den Sieg gegen die Araber vorsichtig einzuschätzen versucht (if 3.6.). Spielern und Trainern konnte man ebenfalls nicht nachsagen, dem 8:0 zu viel Bedeutung beigemessen zu haben. Allenfalls Mehrheiten der fußballinteressierten Bevölkerung hierzulande sah – Umfragen zufolge – die Elf bereits im Halbfinale. „Das vielversprechende Aufbauwerk von Rudi Völler“ (FAZ) hat nun eine hohe Hürde zu nehmen. Gegen Afrikameister Kamerun darf man sich keine Niederlage erlauben. „Doch Völlers Equipe“, machen uns südliche Nachbarn (NZZaS 2.6.) Mut, „hat während der Qualifikation schon einiges überstanden und weggesteckt.“
Außerdem: „Portugal muss sich vor Amerikas Kickern in acht nehmen; Football, Basketball und Baseball noch nicht“ (FAZ). Aber der 3:2-Sieg des Fußballentwicklungsland war für die Experten keine Sensation. Über Oliver Kahn, Captain der Deutschen, im Vorfeld eines brisanten Duells, wissenschaftlichen Berechnungen über den Turnierverlauf, Japans französischen Trainer, die WM in Nordkorea, die Stimmung in Japan/Südkorea sowie Theatralität im Stadion.
Pressestimmen zum Spiel Deutschland-Irland (1:1)
Pressestimmen zum Spiel USA-Portugal (3:2)
Pressestimmen zum Spiel Russland-Tunesien (2:0)
Pressestimmen zur Stimmung in den Gastgeberländern
Oliver Kahn , Deutschlands Kapitän
vor dem brisanten Duell
Philippe Troussier , Japans Trainer
Über Fußball in Asien berichtet Martin Hägele (taz 6.6.). „Obwohl auch die Länder des Orients zur Asiatischen Konföderation (AFC) gehören, möchten Koreaner und Japaner, aber auch die Chinesen mit den Verbänden aus den Golfstaaten nicht viel zu tun haben. Nur auf dem Papier wird der Einzug der Saudis ins Achtelfinale beim World Cup in USA als größter Fortschritt eines Asien-Vertreters verbucht. Aber nun hat man Angst, mit ihnen über einen Kamm geschoren zu werden. Das 0:8 könnte auch als Blamage der gemeinsamen asiatischen Angelegenheit betrachtet werden, befürchtete die Japan Times. Die Angst, das Gesicht zu verlieren, hat sich über Jahrzehnte hinweg vom Morgenland bis zum Pazifik fortgepflanzt. Weshalb in diesen Regionen Männer gebraucht werden, denen sich Verantwortung aufladen lässt: Guus Hiddink, Trainer der Südkoreaner, der Franzose Philipp Troussier (Japan) und Bora Milutinovic (China). Andererseits funktioniert Fortschritt im Fußball nur über Annäherung.“
Über die Wahrnehmung der WM in Nordkorea informiert uns Henrik Bork (SZ 6.6.). „Anders als die Südkoreaner, die vor allem Baseball lieben, sind die Nordkoreaner seit langem fußballbegeistert. Unvergessen ist der Überraschungssieg des nordkoreanischen Teams gegen Italien bei der WM 1966. Der nordkoreanische Kicker Park Doo Ik, der das Siegestor schoss, gilt noch immer als Nationalheld. Nordkoreas Einzug ins Viertelfinale ist bis heute das beste WM-Ergebnis eines asiatischen Teams (…) Diktator Kim Jong Il, der sich als „Geliebter Führer“ anreden lässt, zeigte sich großzügig. Seit Samstag bekommen die Genossen wenigstens ein bisschen Weltklasse-Fußball zu sehen. „Es gibt jeden Abend eine Zusammenfassung aus zwei oder drei Spielen vom Vortag“, sagt ein deutscher Diplomat in Pjöngjang (…) So kommt ein Volk täglich in den Genuss von 45 Minuten Fußball, das mindestens ebenso nach Unterhaltung hungert wie nach guter Ernährung.“
Richard Kämmerlings (FAZ 6.6.) erkennt Theatralität im Fußballspiel. „Das Wesen des Theaters ist die körperliche Präsenz der Schauspieler. Doch auch in Fernsehübertragungen können besondere Umstände das vermittelte Geschehen zu Erfahrungen unmittelbarer Realpräsenz erheben. Als im Spiel gegen Saudi-Arabien Carsten Jancker das Ende seiner Torflaute mit dem Ausziehen des Trikots feierte, schien er damit beglaubigen zu wollen, dass mit dem Kampfgeist auch das Fleisch wieder auferstanden ist: Seht her, der Körper hat durch die heftigen Attacken der Öffentlichkeit keine Wunden davongetragen. Durch seine Geste wurde er statt des viel besseren Klose zum sinnbildhaften Körper der Nation und der Mannschaft, kurz zur personifizierten Körperschaft.“
La Repubblica (4.6.) berichtet über eine Computer-Berechnung an der Universität Ulster, nach der das WM-Finale von Italien und Brasilien bestritten werden wird. Die Forschergruppe hatte einen PC mit Unmengen von für die Spiele in Korea und Japan relevanten Daten gefüttert: Fifa-Tabellen, Reise-Distanzen, Kollateraleffekte der Reisen zwischen Japan und Südkorea, Ruheperioden zwischen den Spielen, Gesundheitszustand jedes einzelnen Spielers. Nach 2000 Simulationen auf der Basis von mathematischen und statistischen Modellen hat der Computer sein Ergebnis ausgespuckt: Brasilien wird Weltmeister. Ziel des Versuches ist es, herauszufinden, ob Maschinen fähig sind, präzisere Voraussagen zu machen als Menschen. Das Verdikt der künstlichen Intelligenz wurde nämlich der Expertise von fünf Professoren gegenübergestellt, die lediglich über durchschnittliche Fußballkompetenz verfügen. Seltsamerweise kommen diese sowohl bei Besetzung des Finales als bei der Benennung des Siegers zum selben Resultat.
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