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Ailton geht mit Krstajic zu Schalke – Juri Schlünz, zum dritten Mal Rostocker Übergangslösung – Michael Roth, „Der Berlusconi des deutschen Fußballs“ (FAZ)
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| Donnerstag, 25. März 2004
Was Ailton angeht, ist es eine Riesenenttäuschung
Sven Bremer (FTD 8.10.) berichtet Schalker Interesse an Bremer Fußballern: „Es ist nicht nur ein Wermutstropfen, den der SV Werder Bremen nach dem Sturm an die Tabellenspitze zu schlucken hatte – es kommt dem zweifelhaften Genuss einer ganzen Flasche übelsten Fusels gleich, den die Bremer seit gestern verdauen müssen. Serviert zunächst vom gelernten Kellner Mladen Krstajic. Der 30-jährige Nationalverteidiger Serbien-Montenegros erklärte jetzt, dass er nach vier Jahren beim SV Werder ablösefrei ab Sommer 2004 Ligakonkurrenten Schalke 04 wechselt. Der Mann ist wichtig in Bremens Abwehr, aber sein Verlust blieb nicht der einzige Schrecken: Auch Werders Goalgetter und Publikumsliebling Ailton verlässt den Klub zum Nulltarif in Richtung Gelsenkirchen. Schalke-Manager Rudi Assauer war also wieder einmal Shoppen an der Weser: nach Torhüter Frank Rost und Trainer Frank Neubarth wechseln nun die Nummer drei und vier innerhalb von nur zwei Jahren zu den Königsblauen. Ailton, der derzeit – gemeinsam mit Martin Max – mit sieben Treffern die Torschützenliste anführt, erhält auf Schalke einen Vertrag bis 2006 plus Option auf ein weiteres Jahr. Über die Summe seiner zukünftigen Bezüge schweigen sich, wie stets, alle Parteien aus. Doch es dürfte klar sein, dass der Brasilianer auf Schalke erheblich mehr verdienen kann als an der Weser. Werders Sportdirektor Klaus Allofs, ansonsten ein Meister der Diplomatie, reagiert verschnupft: „Was Ailton angeht, ist es eine Riesenenttäuschung. Ich bin sauer und enttäuscht. Sowohl von Ailton als auch vor allem von Rudi Assauer“, sagte er. Es gebe ein ganz besonderes Verhältnis zwischen dem Ex-Werderaner Assauer und dem Verein aus Bremen. Ein bislang sehr gutes, was spätestens jetzt gestört sein dürfte.„Assauer weiß Dinge, die andere in der Liga nicht wissen“, sagt Allofs, „wenn er das dahin gehend ausnutzt, unsere Spieler reihenweise wegzukaufen, ist das nicht redlich.“ Assauer selbst scheint das alles kalt zu lassen.“
Über den Trainerwechsel in Rostock heißt es bei Javier Cáceres ( 8.10.): „Zwei Mal schon hat Juri Schlünz als Interimscoach gewirkt, nur eine Niederlage bei fünf Spielen aus den Jahren 2000 und 2001 stehen zu Buche. Schon damals wurden in Rostock Rufe nach einer dauerhaften Anstellung Schlünz’ laut, doch er winkte regelmäßig ab. Vielleicht kommt sein Sinneswandel auch daher, dass er seinem Verein mit der Bereitschaft zur Beförderung entgegen kommen würde. Schließlich wirkt der Trainermarkt in diesen Tagen erstaunlich abgegrast. Die früher üblichen Verdächtigen sind entweder in Lohn und Brot (Funkel, Reimann, Pagelsdorf) – oder haben ihren Nimbus als Hoffnungsbringer verloren (Lienen, Lorant). Nicht ganz von Ungefähr, so scheint es, zeichnet sich in der Bundesliga ein Trend zu Trainern ab, die nicht zum Kreis der Etablierten zählen – eine Art schleichender Generationenwechsel. Kurt Jara (Hamburger SV), Eric Gerets (Kaiserslautern), Thomas Schaaf (Werder Bremen) und zuletzt Holger Fach (Borussia Mönchengldbach) sind Beispiele für Trainer, die in ihren Lebensläufen kein einziges Bundesliga-Engagement vorweisen konnten, ehe sie ihre jetzigen Beschäftigungen antraten. Dazu kommt, dass man sich in Rostock mit der Möglichkeit eines vorzeitigen Trainerwechsels „überhaupt nicht beschäftigt“ hatte, wie Herbert Maronn, der Chef der Lizenzabteilung des FC Hansa, auch gestern beteuerte, „wir hatten keinen Notplan“. Dass diese Darstellung zutrifft, muss wohl als gesichert angesehen Werden.“
Menschenverachtende Andeutung
„Roth ist einer der letzten autokratischen Fußballpräsidenten“, stellt Volker Kreisl (SZ 8.10.) fest: „Beim 1. FC Nürnberg ist die Wortwahl öfter mal falsch. Manager Edgar Geenen hatte seine Spieler einst als „Abschaum“ und „Lepra“ beschimpft, und Michael A. Roth, der Präsident, hatte unbewiesen Alkohol-Exzesse des entlassenen Klaus Augenthaler angedeutet und dem Trainer damit ein übles Etikett verpasst. Schon diese Ausrutscher waren peinlich, die neueste falsche Wortwahl ist fast nicht mehr zu steigern: Die menschenverachtende Andeutung, man könne die Fußballer vielleicht motivieren, indem man ihnen eine Pistole an die Schläfe setzt. Dass dies auch als Überzeichnung unfassbar ist, hat Roth nicht verstanden. Sonst würde er nicht linkisch darauf hinweisen, dass er die Drohung doch eh niemals wahr mache. Roth rechtfertigt sich damit, er sei erregt gewesen, wollte den Spielern Beine machen. Der Nürnberger Präsident wird aber nicht von bösen Reportern zu Fehlgriffen gezwungen, er begibt sich freiwillig auf die Medienbühne, kooperiert mit den Nürnberger Boulevardjournalisten. Er müsste nach neun Jahren viel Erfahrung haben, doch von der Wirkung seiner Worte hat er offenbar keine Ahnung. Wer so etwas sagt, der offenbart, dass er Angestellte eher als Material betrachtet. Roth ist als Teppichhändler groß, dann als Fußballpräsident bekannt geworden, und am Sonntag hat er angedeutet, dass seine Macht beim Club in Selbstherrlichkeit umschlägt. Roth kontrolliert alle Club-Gremien, Roth stiftet Bürgschaften für den Club und Roth verlangt Erfolg. Wegen solcher schlimmen Worte sind Politiker mit Charakter schon zurückgetreten, doch über einen Rücktritt muss sich der Präsident keine Gedanken machen. Er ist unersetzlich – der Verein hängt finanziell an ihm, Mitbewerber hatte er nie zu fürchten.“
Berlusconi des deutschen Fußballs
Uwe Marx (FAZ 8.10.) fügt hinzu: „Es ist nicht so, daß der Profifußball je ein Hort der Nächstenliebe oder der Etikette gewesen wäre. Daß hier viele Freunde deftiger Worte zu Hause sind, ist nicht neu. Bemerkenswert ist vielmehr, daß diese Worte immer häufiger ungefiltert in Mikrofonen und Notizblöcken landen. So beschimpfte am achten Spieltag der Bundesliga Schalkes Torhüter Frank Rost nach Spielschluß Thomas Brdaric von Hannover 96 derart heftig – und dummerweise auch noch öffentlich –, daß ihn die Sportgerichtsbarkeit des Deutschen Fußball-Bundes zu einer Stellungnahme aufgefordert hat. Sogar ein sonst zurückhaltender Spieler wie Michael Ballack ließ sich vom Revival der verbalen Kraftmeierei animieren. Der soll nicht so einen Scheiß erzählen, empfahl er Karl-Heinz Rummenigge, der Ballack gerne weniger häufig im Einsatz für Deutschland sähe (…) Was raus muß, muß raus. Lieber das Herz auf der Zunge als Geschwüre im Magen – auch wenn die Schmerzgrenze dabei überschritten wird. Das ist das Prinzip Berlusconi in der Bundesliga. Der italienische Ministerpräsident nannte zum Beispiel Richter anthropologisch anders als der Rest der Menschheit und bot einem kritischen deutschen Europa-Abgeordneten (den er später um Pardon bat) eine Filmrolle als Kapo, als Scherge der Nationalsozialisten, an. Michael A. Roth, der sich am Dienstag für seine Wortwahl entschuldigte, mag sich nun als eine Art Berlusconi des deutschen Fußballs vorkommen. Präsident eines Fußballvereins ist der Italiener schließlich auch: beim AC Mailand.“
Mathias Klappenbach (Handelsblatt 8.10.) befasst sich mit der Diskussion um Jan Simaks Krankheit: „Das Thema wird im Sport tabuisiert, vielleicht, weil die Kluft zwischen dem Bild eines strahlenden Siegers und dem eines niedergeschlagenen, müden Menschen zu groß ist. In der Männergesellschaft Profifußball ist es sowieso schwierig, Schwäche zu zeigen und damit ernst genommen zu werden. Der Brasilianer Jardel und der Franzose Claude Makelele haben sich psychische Probleme attestieren lassen, um einen Vereinswechsel zu forcieren. Danach ging es ihnen schnell besser. Klaus Toppmöller, der Simak in Leverkusen trainierte, hatte den Tschechen als „Pflegefall“ bezeichnet. Der lustige Spruch wurde schnell zum geflügelten Wort. „Wenn jemand verschlossen ist, ist es für Außenstehende sehr schwierig, psychische Probleme als solche zu erkennen“, sagt Experte Kirchhof. „Persönliche Risikoeigenschaften sind Introvertiertheit und emotionale Instabilität. Bei solchen Persönlichkeiten dominiert oft die Intuition gegenüber der Rationalität“, sagt Kirchhof. Wer auf dem Platz „verrückte Dinge“ macht und mit spielerischer Intuition glänzt, gilt als genialer Fußballer. Wenn sich der Erfolg in Misserfolg verwandelt, kann der Druck aber schnell zu negativem Stress werden. Extrovertierte Spieler wie Mario Basler oder Stefan Effenberg lassen in solchen Situationen ihre Wut an anderen aus. „Bei in sich gekehrten Persönlichkeiten können kritische Lebensereignisse, egal ob im Beruf oder privat, eher Störungen hervorrufen. Mangelnde Integration in einem anderen Land und Probleme mit der Sprache können das noch verstärken“, sagt Kirchhof.“
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