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aktuelle Hintergrundinformationen zum Saisonauftakt der Bundesliga-Saison 02/03

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für aktuelle Hintergrundinformationen zum Saisonauftakt der Bundesliga-Saison 02/03

Die Lage in der Bundesliga, die heute mit dem Spiel des Meisters Borussia Dortmund gegen Hertha Berlin eröffnet wird, ist widersprüchlich. „Der optimistischen Erwartung des Publikums steht eine Liga gegenüber, in der Unsicherheit herrscht“ schreibt die SZ angesichts der Euphorie auslösenden Finalteilnahme der DFB-Elf in Asien einerseits sowie der durch die Kirch-Pleite verursachten Finanzkrise im deutschen Fußball-Oberhaus andererseits. Dass die Millionenverluste – abgesehen von zahlreichen unbeschäftigten Profis – vornehmlich die kleinen und im Mittelfeld platzierten Vereine trifft, lässt eine zunehmende Stabilisierung der Hierarchieverhältnisse befürchten; unschwer zu erraten, dass der sportliche Reiz auf Dauer unter solchen Bedingungen leiden wird. Schließlich lebt der Fußball nicht zuletzt von Wellenbewegungen, welche vermeintliche Underdogs auf Kosten Ambitionierter an die Oberfläche spülen. Daher stimmt es den Fan bedenklich, dass die durch Europapokalgelder aufgepäppelten „Big Five“ aus Dortmund, Leverkusen, München Berlin und Gelsenkirchen die lukrativen Plätze an der Sonne mittlerweile Jahr für Jahr unter sich ausmachen. Die Vorhersagen der Experten – die FAZ spricht sogar von einem „ungleichen Wettbewerb“ – lassen für die anstehenden Ereignisse keine Veränderung des Status quo erwarten. Scheinbar übermächtiger Meisterschaftsfavorit ist dabei der letztjährige Dritte aus München, der auch dieses Jahr die sommerliche Aufmerksamkeit der Gazetten absorbierte, allen voran des Bayern-ergebenen kicker: Die gestrige Titelseite des Fachblatts gibt Trainer Hitzfeld in Feldherrenpose Gelegenheit zum Saisonvorwort: „Wir werden Meister“.

Diesen allgemeinen Entwicklungen zum Trotz richtet der Fußballfreund gebannt den Blick auf den rollenden Ball, denn „ein unbezahlbares Extrapräsent hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft von ihrer versilberten Weltmeisterschaftsexpedition gen Japan und Korea heimgebracht: Bonuspunkte für die Bundesliga“ (FAZ). „Der Boom hat in diesem Jahr viele Gesichter“ schreibt die SZ, und weiter: „Es sind die Gesichter der Spieler der WM. Von Michael Ballack oder Bernd Schneider. Oder von Miroslav Klose.“ Wird die Saison 02/03 tatsächlich unter dem positiven Vorzeichen des Erfolgs von Völlers Equipe stehen, der ein Großteil der hiesigen Öffentlichkeit bis zu einem fortgeschrittenen Turnierstadium immerhin skeptisch und teilweise missmutig gegenüber stand? „Mit dem ersten Spieltag dieser 40. Bundesliga-Saison beginnt die Vorbereitung auf die WM 2006“, bejaht die SZ diese Frage ausdrücklich.

Kurzum: Die fußballlose Zeit ist endlich vorbei. Halten wir es also mit Roland Zorn (FAZ). „Hier und heute wird das Comeback der Bundesliga gefeiert, und dazu sind sogar die Verlierer des ersten Spieltages noch herzlich eingeladen.“

Zur finanziellen Lage in der Liga lesen wir bei Christian Zaschke (SZ 9.8.). „Wie alle Unternehmen in der Krise wollen die Vereine zunächst die Personalkosten senken. 108 arbeitslose Profifußballer hat die DFL registriert, die Spielergewerkschaft VdV geht von 200 arbeitslosen „Nicht-Amateuren“ aus, was Profis in den Regionalligen einschließt. Der börsennotierte Meister Borussia Dortmund wollte sein Personal zum Gehaltsverzicht bewegen – und scheiterte am Widerstand der brasilianischen Spieler. In Stuttgart fühlen sich die Spieler mittlerweile als Sündenböcke. Und mitten in diese trübe Stimmung kam der Verdacht, dass in der Liga Schwarzgeld gezahlt wurde und gezahlt wird (…) Völlig unbeeindruckt von den schlechten Nachrichten sind die Fußball-Fans. Mehr als 300.000 Dauerkarten haben die Vereine bereits verkauft, das ist ein Rekord.“

Roland Zorn (FAZ 9.8.) schreibt zu diesem Thema. „Die Spieler von Teamchef Rudi Völler können nun mit dem einmal erworbenen Zusatzpfund wuchern – wenn aus der guten Tat von gestern der gute Vorsatz für morgen abgeleitet worden ist. Der Fan und Konsument erhofft sich nämlich einiges von der an diesem Freitag in Dortmund beginnenden vierzigsten Saison: eine Gala der Stars und eine Schau der Talente. Und das, obwohl die neue Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist (…) Die dem Irdischen allzu lange entrückten Profis sind auf die Erde zurückgekehrt und sollen sich nun in der neuen Wirklichkeit mit möglichst spektakulären Nachweisen ihrer trotzdem ungebrochenen Schaffenskraft behaupten. Die noch in Lohn und Bundesligabrot sind, werden zumindest von der sportlichen Revolution verschont. Die oben waren, werden oben bleiben, die eben oben angekommen sind, schauen schon wieder nach unten. Die Gleichheit der Verhältnisse gibt es zum Nulltarif nur vor dem Anpfiff zu einer Spielzeit, die den Experten zufolge wie selbstverständlich mit einem weiteren Meisterstück der Münchner Bayern abgeschlossen werden dürfte.“

Des Weiteren hat Christian Zaschke (SZ 9.8.) einen Imagewandel deutscher Fußballer wahrgenommen. „Die Spieler der WM tragen ein neues Gefühl in die Bundesliga. Früher wollten die Kinder und Jugendlichen auf den Bolzplätzen Netzer sein, oder Overath. Dann kamen die Jahre, in denen sie so ziemlich jeder sein wollten, aber nicht Dremmler oder Reuter oder Freund. Sie hatten nichts gegen diese Spieler, es sind solide Fußballer. Doch sie wollten auch nicht Matthäus sein, oder Brehme. Eher schon van Basten, und später dann Zidane oder Ronaldo, elegante Fußballer mit einem guten Image. Das hat sich geändert. Heute sind Spieler wie Ballack, Schneider oder Klose wieder Vorbilder (…) Dem Zuschauer helfen diese Spieler, sich mit dem Fußball weiterhin zu identifizieren. Sie machen es ihm möglich, über Kirch-Krise, Schwarzgeldverdacht und auf zwei unerträgliche Stunden gedehnte Fußballshows hinwegzusehen. Und innerhalb der Bundesliga haben sie eine Wirkung auf die jungen Spieler, die sich nun für die Nationalmannschaft empfehlen wollen.“

Richard Leipold (FAZ 9.8.) blickt auf die Bundesliga-Landkarte. „Wo könnten die Grundlagen für eine spätere Tradition besser geschaffen werden als tief im Westen, in diesem Schmelztiegel der Emotionen, die für Spieler und Trainer heute Last und morgen Lust bedeuten? Während Kohle und Stahl inzwischen mehr Legende als Lebensinhalt sind, ist die Fußballtradition geblieben: Sechs Erstligaklubs sind in Nordrhein-Westfalen daheim; der Fußball ist in diesem Ballungsgebiet ein Lebensgefühl geblieben, das auch der kalte Kommerz noch nicht hat unterdrücken können.“

Über arbeitslose Fußballprofis heißt es bei Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 8.8.). „In den aktuellen Serviceheften, die alles über das Kommen und Gehen auf dem Spielermarkt verraten, verbergen sich hinter dem Hinweis „Ziel unbekannt“ Problemfälle. Dabei ist deren persönliches Ziel sehr konkret: weiter Fußball spielen, die Sicherheit haben, wo man künftig hingehört, wo man sein Einkommen hat. Am liebsten bei einem europäischen Spitzenverein, zur Not sogar in der Regionalliga, aber nur als Zwischenstation, wenn überhaupt (…) Nicht gefragt zu sein, nicht unter mehreren Angeboten auswählen zu können scheint etwas Ehrenrühriges unter gestandenen Profis zu sein. Die Dunkelziffer der arbeitslosen Profis ist groß. Längst nicht alle melden sich, um das ihnen zustehende Arbeitslosengeld zu beantragen (…) Was danach kommt, empfinden einst vom Beifall umrauschte Profis kaum als „Karriere“, aber als Anstoß, etwas für die Zukunft getan zu haben. Nicht mehr mittendrin, aber noch nah dran am Geschehen. Immer noch viel besser, als unter der Berufsbezeichnung „Künstler, Artisten und Berufssportler“ auf eine Vermittlung des Arbeitsamtes zu warten. Das nagt an Sportlerseelen, für die ein Attribut wie Künstler oder Artisten etwas Brotloses hat.“

Die Aufstiegseuphorie in Hannover beschreibt Jörg Marwedel (SZ 8.8.). „Vergangene Woche bildeten die Fans eine Schlange von einem halben Kilometer, um Tickets für dieses Spiel zu ergattern – morgens um halb acht. Bis zu 15000 wollen „die Roten“ nach Hamburg begleiten und werden die gegnerische AOL-Arena „in ein rotes Stadion verwandeln“, wie 96-Präsident Martin Kind mutmaßt. Dafür stellt die Bundesbahn Entlastungszüge bereit. 14 000 Dauerkarten sind bislang abgesetzt – dreieinhalb mal mehr als vor zwölf Monaten. Daheim sind 40.000 Zuschauer im Schnitt keine Utopie. Und auch die Wirtschaft in Hannover hat die alten Skandale im Klub und die herrschende Rezession vergessen: Reiseveranstalter TUI wirbt für etwa 2,5 Millionen Euro auf dem Trikot, Finanzdienstleister AWD zahlt für die Umbenennung des Niedersachsenstadions in AWD-Arena zwei Millionen Euro per annum – ein Vorgang, den zu Kinds Erstaunen sogar die Traditionalisten abnickten.“

Zur gegenseitigen Vertragsauflösung zwischen Bayern München und Ciriaco Sforza bemerkt Jürgen Ahäuser (FR 8.8.). „die Zeiten sind nicht immer rosig. Es muss Verzicht geleistet werden. Ciriaco Sforza gibt ein leuchtendes Beispiel. Statt ein Jahr Golf zu spielen, wie schon so mancher vor ihm ausgemusterte Bayern-Profi, sucht der Schweizer wieder eine geregelte Arbeit. Ganz bescheidener Eidgenosse, gibt sich der ehemalige Star mit einer Abfindung zufrieden. Hauptsache er kann wieder professionell gegen den Ball treten. Im Star-Ensemble des FC Hollywood wäre der einstige Dirigent nur noch ein bemitleidenswerter, wenn auch gut bezahlter Müßiggänger gewesen. Sforza wird bald wieder auf irgendeiner Gehaltsliste stehen und vermutlich wird nie jemand erfahren, ob die flüssige Unterschrift unter den neuen Vertrag nicht zufällig durch ein nicht rückzahlbares Darlehen befördert wurde.“

Zur Situation bei Borussia Dortmund schreibt Freddie Röckenhaus (SZ 9.8.). „Die Nervosität im Kader des Überraschungsmeisters ist mit Rickens Ausfall auf alarmierendem Niveau angelangt. Torjäger Amoroso fällt mit entzündeter Achillessehne voraussichtlich drei Monaten aus, Christian Wörns braucht noch ein paar Wochen. Das am letzten Wochenende bei RW Oberhausen verlorene Testspiel war auch nicht gut für die Stimmung. Obendrein plagt sich der Klub mit drei teuren Fehlinvestitionen herum, die aufs Betriebsklima drücken (…) Unterdessen hat Matthias Sammer zu seinen Lieblings-Parolen zurück gefunden. Während der gesamten Vorbereitung monierte der Coach die mangelnde Quälbereitschaft einiger seiner Meisterspieler. Nicht zuletzt, um ja nicht als Favorit in die neue Saison gehen zu müssen.“

Neuigkeiten vom Betzenberg erzählt Roman Herrmann (FR 8.8.). „Der nervlich aufgewühlte Weltmeister Andreas Brehme ist dabei, es sich mit allen um sich herum zu verderben. Beim Stadionfest der Pfälzer am Sonntag beleidigte er offenbar einen Reporter des Südwestrundfunks. Nun, teilte der SWR mit, Brehme wolle sich offiziell entschuldige, teile dies auch der Mannschaft mit und der Journalist nehme die Entschuldigung auch an. Ein Brandherd weniger. Als echter Trost in einer beklemmenden Lage allerdings taugt der Friedensschluss nicht.“

Christian Ewers (FAZ 9.8.) beschreibt die Lage bei Hertha BSC. „In Berlin hat sich nämlich eine Menge verändert seit dem Saisonende im Mai. Der Trainer Huub Stevens ist neu, die Mannschaft wurde umgebaut auf wichtigen Positionen, und auch die Geschäftspolitik hat sich gewandelt. Transfers, Vermarktung und Sponsorenbetreuung – Hertha-Manager Dieter Hoeneß verfolgt ein neues Konzept. „Wir mussten reagieren“, sagt Hoeneß. „Uns blieb nach der Kirch-Krise keine andere Wahl.“ Die wirtschaftlichen Probleme des Münchner Medienkonzerns haben die Klubs hart getroffen; in der neuen Saison muss die Deutsche Fußball Liga mit 290 Millionen Euro haushalten. Das sind 70 Millionen Euro weniger als ursprünglich kalkuliert. Arrivierte Klubs wie der FC Bayern München können Einbußen bei den Fernsehgeldern gut kompensieren, sie sind nicht abhängig von einzelnen Geldgebern. Hertha hingegen, ein Verein, der zur erweiterten Bundesligaspitze zählt, tut sich da schwerer. Manager Hoeneß erwartet Mindereinnahmen von 15 Prozent im Bereich der TV-Gelder.“

Zur Rolle Ottmar Hitzfelds meint Oliver Trust (Tsp 9.8.). „In allen Interviews, die er gibt, steht viel vom „Druck, den ich mir selbst mache“ und vom harten Durchgreifen, wenn es mit der Disziplin hapert. So oft wie diesmal hat Hitzfeld das noch nie gesagt. Er muss den Chef spielen. Hitzfeld hat seine Erfahrungen mit den Auswirkungen solcher Vorgaben gemacht. Der Körper meldet sich irgendwann, weil kein Mensch es aushält, ständig so gefordert zu werden. Das hat Hitzfeld in Dortmund gespürt. Und ist krank geworden davon.“

Den gescheiterten Transfer Ronaldos nach Spanien kommentiert Roland Zorn (FAZ 8.8.). „Inter aber hat sich von gestreuten Gerüchten, wilden Spekulationen und mit Tatsachen bewusst verwechselten Trendmeldungen nicht verrückt machen lassen. Auch Real vermied es, an Ronaldos italienischem Arbeitgeber vorbei mit dem wankelmütigen Star zu verhandeln. Somit ist Ronaldo selbst größter Verlierer des Sommertheaters um seine Person. Drei Jahre lang hat Inter Mailand seinen bekanntesten Rekonvaleszenten auch finanziell bei Laune gehalten; als Ronaldo dann endlich keine Kniebeschwerden mehr plagten, freuten sich Moratti und die Inter-Tifosi, nicht aber die brasilianische Diva (…) Soll Ronaldo, dessen Vertrag mit Inter bis 2006 gilt, nicht zum Spießrutenläufer werden, muss er demnächst Woche für Woche beweisen, dass Geld für ihn wirklich nicht das wichtigste ist. Die Tore des 25 Jahre alten Brasilianers werden die einzige Münze sein, die beim Tifoso zählt, soll Ronaldos misslungenes Dribbling zwischen Mailand und Madrid alsbald vergessen und vergeben sein.“

Frank Gerstenberg (SZ 8.8.) vermisst kritischen TV-Sportjournalismus. „Warum kommen keine kritischen Fragen an Herrn Effenberg oder an Herrn Beckenbauer? „Dann kommt er beim nächsten Mal nicht mehr“, heißt es unter den Sportjournalisten. Die meisten befänden sich in einem Dilemma, räumt Koch (Hörfunkreporter, of) ein: Nicht Effenberg habe ein Problem, wenn er nicht erscheine, sondern der Sender und damit in erster Linie der Reporter. Angesichts der „dramatischen wirtschaftlichen Situation auf dem Medienmarkt“ sei das ein Risiko, das immer weniger Reporter eingehen wollten. Rückendeckung für einen freien, unabhängigen Journalismus? Eine kritische Kultur wird oft schon an oberster Stelle untergraben. ZDF- Sportchef Wolf-Dieter Poschmann, Meister der unverständlichen Fragen, funktioniert das Aktuelle Sportstudio schon mal zur Hall of Fame um: „Niederlagen sind das Schicksal großer Menschen, ausgezeichneter Menschen, hochdekorierter Menschen.“ Der Münchner Kommunikationswissenschaftler Michael Schaffrath fand heraus, dass in 65 Prozent aller Fragen, die ZDF-Reporter stellen, eine positive Bewertung liegt. Die ARD-Quote liegt bei 62,8 Prozent, die von RTL bei 55,6.“

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