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Alle wollen beim Ligastart immer das Neue wissen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Alle wollen beim Ligastart immer das Neue wissen

„Alle wollen beim Ligastart immer das Neue wissen. Was ist anders? Was wird? Was kann? Und warum nicht? Erst mal bleibt alles beim Alten“ kommentiert die FR den mit viel Spannung erwarteten, letztendlich jedoch „ernüchternden“ (SZ), Auftritt der „neuen Bayern“ beim torlosen Remis auf dem Gladbacher Bökelberg. Insgesamt war die erste Runde der Saison 02/03 kein Tag der Arrivierten, was allerdings angesichts der kurzen Vorbereitungszeit und des frühen Wettbewerbstadiums niemanden über die Maßen überraschte. Die Gunst der Stunde nutzten daher zwei Aufsteiger. „Die große Stunde der Kleinen und die Schwierigkeiten der Favoriten zum Start des Bundesliga-Alltags haben sich übers ganze Wochenende hingezogen. Arminia Bielefeld und für lange Zeit auch Hannover 96 erwischten nämlich jene Erfolgsspur, welche die Aufstiegskollegen vom VfL Bochum am Samstag in der neuen Klasse vorgelegt hatten“ schreibt die NZZ und deutet auf die Tabellenspitze, von der zwei Aufsteiger grüßen. Doch wird dieser erfreuliche Anblick wohl kaum von Dauer sein, denn: „Nie enden Zwergenaufstände erfolgreicher als zu Saisonbeginn“ (FAZ).

Zur Lage

Über die Ursachen des Fehlstarts der Favoriten schreibt Peter Heß (FAZ 12.8.). „In der Sommerpause sammeln die Kleinen Kraft, Mut und Selbstvertrauen, die Psyche ist von Misserfolgen noch nicht beeinträchtigt. Für die Großen dagegen reicht die Freizeit nicht aus, die Belastungen der vorigen Saison zu verarbeiten und die vielen neuen Spieler zu integrieren. Gerade in Jahren von Welt- und Europameisterschaften. Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und Bayern München litten am Wochenende unter den Nachwirkungen des glorreichen Einzuges ihrer Nationalspieler in das WM-Finale. Zwei Wochen hartes Training reichen einfach nicht aus, um die Bestform wieder zu erreichen (…) Die Trainer Hitzfeld und Toppmöller forderten in fast gleich lautenden Textbeiträgen Verständnis für die Nationalspieler und vertrösteten die Fans um zwei, drei Wochen, bis die Spielzeit so richtig losginge. Und irgendwie mochte den Helden auch niemand böse sein. Denn die Erinnerung daran, wie sie sich in Japan und in Korea durchkämpften, ist noch frisch. Die Mär von den wehleidigen, bequemen Besserverdienenden in kurzen Hosen wird nicht mehr geglaubt.“

Michael Horeni (FAZ 10.8.) beschreibt die Gesamtsituation. „Obwohl der Liga die Luft an manchen Ecken auszugehen droht, hat der Fußball in Deutschland beim Publikum wieder Konjunktur. Der umjubelte Auftritt der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft bis ins Endspiel schenkte dem Volkssport neue Kraft und Dynamik. Der in seiner bescheidenen und seriösen Art unbezahlbare Dienst am deutschen Fußball weckte bei den Anhängern Sympathien und Hoffnungen auf eine glänzende Zukunft, für die die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land steht. Die Errichtung neuer, wenngleich teurer und weitgehend konformer Stadien könnte schon die nächste Blüte des deutschen Fußballs andeuten. Der Umbruch, der sich in der Bundesliga vollzieht, mag zwar Profis und Vereine schmerzen. Aber die Zuschauer, an das Maßhalten schon lange gewohnt, dürften die Sparwelle zu schätzen wissen. Eine Rückkehr zur Normalität ist das zwar noch nicht. Aber immerhin eine Rückkehr aus der Stratosphäre von Selbstherrlichkeit und Profitgier.”

Christian Zaschke (SZ 12.8.) über den (ungewöhnlichen) Druck des ersten Spieltags. „In Kaiserslautern: Andi Brehme, hoch gewettet als erste Entlassung. In Gladbach: Ottmar Hitzfeld, vom ersten Spieltag an sollte er Erster sein, und dabei gefälligst noch schön spielen lassen. In Nürnberg: Klaus Augenthaler, früh wollten sie dort den Abstiegsplätzen entfliehen; nun sind sie Letzter als Folge des Geschenks an Bochum. Dieser erste Spieltag, der sonst eher ein munteres Vorspielen ist, ein Tasten – er fühlte sich beinahe an wie ein letzter Spieltag. Es geht von Beginn an um alles.“

Borussia Mönchengladbach – FC Bayern 0:0

Zum Auftritt der „neuen Bayern“ beim 0:0 in Mönchengladbach schreibt Andreas Burkert (SZ 12.8.). „Der FC Bayern gibt beim 0:0 in Mönchengladbach ein ernüchterndes Entrée und bittet um Geduld. Der neue FC Bayern, vor ihm haben ja alle ein wenig Angst gehabt, nicht nur die ersatzgeschwächten Gladbacher. Doch der neue FC Bayern spielte am Samstag wie der alte: kühl, wenig dominant, ideenlos, fast zaudernd und mit „Leichtigkeitsfehlern“, wie es Thomas Linke formulierte.“

Hartmut Scherzer (FAZ 12.8.) dazu. „Die Bayern haben viel Rouge aufgelegt. Rund 15 Millionen Euro ließen sich die Münchner die Schönheitskur durch Bayer Leverkusen kosten. Mit Zé Roberto und Michael Ballack will der Rekordmeister künftig nicht nur effektiv, sondern auch so attraktiv Fußball spielen wie zuletzt Leverkusen. Doch lässt sich Schönheit so ohne weiteres kaufen? Bei der Saisonpremiere rieben sich 34.500 Zuschauer auf dem Bökelberg und Millionen vor den Bildschirmen die Augen: Das sollen die neuen Bayern sein, „die besten aller Zeiten“? Ohnehin eine anmaßende Selbsteinschätzung, die Franz Beckenbauer, Gerd Müller und die glorreiche Mannschaft der siebziger Jahre beleidigt.“

Borussia Dortmund – Hertha Berlin 2:2

Die Schiedsrichterdiskussion in Dortmund beschreibt Freddie Röckenhaus (SZ 12.8.). „Der Dortmunder Trainer hatte die Begründung für die Fehleinschätzung des bei der WM so viel gelobten Merk parat: „Uli Hoeneß hat vor gut einem Jahr eine regelrechte Kampagne gegen Otto Addo eröffnet und behauptet, er könnte wegen seiner angeblich theatralischen Art im Zirkus auftreten. Damit hat Hoeneß viel Wirkung erzielt. Heute zum Beispiel, denn Herr Merk hat sich diesen Unsinn von Hoeneß offenbar gemerkt.“ Eine Freundschaft wird es zwischen Merk und dem BVB ohnehin nicht mehr geben. Ausgerechnet der international anerkannte Merk hat seine schwachen Tage oft bei Spielen in Dortmund, so dass Manager Michael Meier vor Jahren schon einmal beim DFB ersucht hatte, Merk nicht mehr in Dortmund einzusetzen.“

Interview mit Matthias Sammer FR

Energie Cottbus – Bayer Leverkusen 1:1

Zum 1:1-Remis zwischen Energie Cottbus und Bayer Leverkusen schreibt Katrin Weber-Klüver (SZ 12.8.). „Nun beginnt das Spiel von vorn für ein Team, das noch keines ist. Ein Schwung junger Zugänge wie Juan und ein Schwung WM-Spieler, die erst seit zwei Wochen trainieren, können schwerlich aus dem Stand der anspruchsvollen Spielanlage gerecht werden, die Leverkusener Selbstverständnis ist. Noch beunruhigender ist: vielleicht geht es ohne Michael Ballack sowieso nicht (…) Sorgen dieser Art gibt es in Cottbus nicht. Die Cottbusser haben ihren Ballack noch, der hier Vasile Miriuta heißt. Und weil der Glatzkopf trotz angelegentlicher Ankündigungen, den Verein zu verlassen, doch wieder mal geblieben ist, ist im dritten Erstligajahr alles wie immer: Man rennt und rackert, und wenn es gut läuft, springen ein paar Torchancen heraus. Gegen Leverkusen mit seiner illustren Verteidigung um Weltmeister Lucio war das erstaunlich häufig der Fall.“

Matti Lieske (taz 12.8.) zum selben Spiel. „Auch mit schlappen Beinen und einem gewissen Grad an vizeweltmeisterlicher Überheblichkeit ließ Bayer hin und wieder seinen Spielwitz schillern und anklingen, dass die Abgänge von Ballack und Zé Roberto möglicherweise doch verschmerzbar sind. Neuzugang Hanno Balitsch bestach durch Emsigkeit und Initiative, Jan Simak wirkte zwischen Schneider und Bastürk zwar oft etwas überflüssig, zeigte aber mit seinem Treffer, dass er das Zeug hat, in Ballacks Fußstapfen als Produzent wichtiger Tore zu treten. Was den Leverkusenern fehlte, war die Kaltblütigkeit und Entschlossenheit, nach dem 1:0 die Sache endgültig zu entscheiden. Eine lässliche Sünde am Beginn einer Saison, sollte man meinen, aber wie viele Punkte waren es doch gleich, die vergangene Saison die Meisterschaft kosteten?“

Markus Völker (FR 12.8.) dazu. „Schenkte man den Verantwortlichen von Bayer Leverkusen Glauben, so waren sie mit dem 1:1-Unentschieden hochzufrieden. Das klingt zunächst ein wenig paradox, spielte doch ein erklärter Meisterschaftsfavorit gegen einen Abstiegskandidaten. Doch Bayer plagt sich eben noch mit Altlasten aus der vergangenen Spielzeit herum: als sich die Saison wie ein Gummiband dehnte und die Bayer-Profis nicht nur im Finale der Champions League und des DFB-Pokals standen, sondern für einige aus dem Kader auch noch eine Weltmeisterschaft folgte. Die Dauerbelastung hatte zu einem hohen Verschleiß geführt. Deswegen, und weil viele Profis erst kürzlich aus dem Urlaub zurück kehrten, steht es um die Fitness nicht zum Besten.“

Das Verhältnis zwischen Bayers Trainer und seinem Neuzugang kommentiert Matthias Wolf (FAZ 12.8.). „Toppmöller und Simak – das ist eine argwöhnisch beäugte Beziehung, in der beide äußerst sensibel agieren. Schließlich ist der Tscheche mit Eskapaden belastet, von einer Alkoholfahrt bis hin zu Wettschulden und Prügeleien. Der 23jährige Offensivspieler gibt sich darum betont vorsichtig. Obwohl er sich auch auf deutsch artikulieren könnte, gab er nur Interviews in seiner Muttersprache. Simak sagt, er wolle vermeiden, dass ihm ein falsch gewähltes Wort zum Verhängnis werden könnte. So bleibt nicht zu klären, ob er oder nur sein Dolmetscher dafür verantwortlich waren, dass nur Belanglosigkeiten übersetzt wurden. Er wolle nach seinem ersten Tor nicht feiern, weil es nicht zum Sieg gereicht habe. Und er sei stolz, von so vielen WM-Teilnehmern lernen zu dürfen.“

FC Schalke 04 – VfL Wolfsburg 1:0

Zum letztendlich erfolgreichen Einstand Frank Neubarths, Trainer des FC Schalke 04, heißt es bei Roland Zorn (FAZ 12.8.). „Wie dünn das Seil ist, auf dem ein Berufsanfänger in der ersten Trainergilde balancieren muss, bekam Neubarth schon bei seinem Debüt zu spüren: Etwa, als die Schalker Fans unter den 59.000 Zuschauern in der Arena den schwachen Auftritt der ersatzgeschwächten Mannschaft bei Halbzeit mit einem lautstarken Pfeifkonzert bedachten oder als sich der Trainer die Freiheit nahm, den beim Volk beliebten Nationalspieler Böhme gegen den noch populäreren Rekonvaleszenten Mpenza auszuwechseln. Da murrte die Basis, und der linke Flügelmann bedankte sich demonstrativ applaudierend, obwohl der Personaltausch schon vorher abgesprochen war. Neubarth hat Glück gehabt und darf das Finale dieser mäßigen Partie durchaus als gutes Omen für seinen weiteren Berufsweg auffassen.“

VfB Stuttgart – 1. FC Kaiserslautern 1:1

Über Kaiserslauterns Verpflichtung von Ciriaco Sforza lesen wir bei Jan Christian Müller (FR12.8.). „Es gehört zur Ironie dieser Geschichte, dass der später gegen Rehhagel aufbegehrende Sforza vor kaum zwei Jahren vom Berg gejagt wurde und von Glück sagen konnte, dabei nicht noch geteert und gefedert zu werden. Und es gehört zu der derzeit reichlich unübersichtlichen Unternehmensstrategie des 1. FC Kaiserslautern, dass einer, dem man schlicht den Charakter abgesprochen hat, ein guter Roter Teufel zu sein, nun als Retter in der Not auf den berüchtigten Berg zurück holt.“

Zur Bedeutung des 1:1-Unentschiedens in Stuttgart für die allgemeine Lage in Kaiserslautern heißt es bei Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 12.8.). „Am Samstag kommt Schalke, haben die Lauterer mit Sforza, der einst im Unfrieden mit Cheftrainer Otto Rehhagel von dannen zog und als Störenfried abgestempelt wurde, ein Heimspiel. Und wieder wird das Ergebnis die Weiche stellen für eine Bewährungsfrist, die maßgeblich von der Formkurve bestimmt wird. Dagegen geht es in Stuttgart geradezu beschaulich zu. Von Neugier auf eine neue Bundesligasaison ohne neue Gesichter war nichts zu spüren. Auch nichts von Herzklopfen über das mutmaßliche Abschneiden der Fußballprofis im Musterländle. 28.000 zahlende Kunden waren Magath wie Manager Rolf Rüssmann auch viel zuwenig an einem Nachmittag, für den Starkregen vorhergesagt war. Es kam meteorologisch so ganz anders wie atmosphärisch für Andreas Brehme. Der geriet vorübergehend in eine Schönwetterzone. Ob das Hoch anhält? Am Samstag werden es 40.600 im nach Lage der Dinge ausverkauften Fritz-Walter-Stadion wissen wollen. In Stuttgart grantelte Magath, dass die Stadt wohl eher ein akademisches Leichtathletik-Publikum habe. Das ist in Kaiserslautern garantiert ganz anders.“

Martin Hägele (NZZ 9.8.) über den DFB-Präsidenten. „Gerhard Mayer-Vorfelder, 25 Jahre lang der Sonnenkönig vom Cannstatter Wasen, lässt sich mittlerweile als Verbandspräsident hofieren; in dem irrigen Glauben, er habe entscheidend zur WM-Finalqualifikation und zum neuen Boom im deutschen Fußball beigetragen. Der 69-jährige Politiker a. D. fühlt sich mittlerweile als Messias der WM 2006; ihm und dem von ihm initiierten millionenschweren Förderprogramm soll es im Sommer in vier Jahren zu danken sein, wenn die Bundesliga-Kicker zum vierten Mal den Rest der Welt als Champions grüßen. Mit solchen Visionen vor Augen und der Selbstkritik eines gewieften Aussitzers erträgt der Multifunktionär ungeniert den Blick auf sein Erbe im „Ländle“: Am Ende eines Vierteljahrhunderts MV sind im Roten Haus gut und gerne 20 Millionen Euro Schulden aufgelaufen.“

1. FC Nürnberg – VfL Bochum 1:3

Volker Kreisl (SZ 12.8.) sah die Auftaktniederlage der Nürnberger gegen Aufsteiger Bochum. „Der 1. FC Nürnberg offenbart zum Saisonauftakt gleich alle seine Schwächen. Diese Nürnberger treten auf wie vergangenes Jahr. Abgeschottet vom Publikum, verbindungslos untereinander, jeder in seiner eigenen Welt (…) Verbindend für alle Nürnberger Beteiligten dürfte die falsche Vorstellung sein, dass der neue Kader nun selbstsicherer ist als die Mannschaft der letzten Saison. Das Team ist neu zusammengestellt, die Positionen stehen immer noch nicht fest, und Erfahrung nach gezählten Bundesligaspielen gibt es auch nicht viel mehr, weshalb auch die Aussicht auf den Saisonverlauf die gleiche ist wie vergangenes Jahr: Einbrüche wie gegen Bochum wird es noch eine ganze Reihe geben. Ziel sei es, nicht mehr bis zum Schluss der Saison um den Klassenerhalt zittern zu müssen, hatte die Nürnberger Führung gesagt. Mit dieser falschen Hoffnung müssen die Nürnberger nicht lange leben, sie war schnell korrigiert worden. Nach sechs Minuten.“

Direkte Freistöße

1. FC Nürnberg – VfL Bochum 1:3 FR

Eintracht Frankfurt – St. Pauli 4:0 FR

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