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Alpay, in England gemobbter Türke – Boom im Frauen-Fußball? – Doping, der ewige Betrug

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Alpay, in England gemobbter Türke – Boom im Frauen-Fußball? – Doping, der ewige Betrug

Andreas Hunziger (FR 25.10.) kritisiert alle Beteiligten am Rauswurf Alpays (ehemals Aston Villa): „Emotionen sind das Fundament, auf das sich der Mythos Fußball stützt. Rivalitäten sind das Salz in der Suppe – gerne werden sie dazu benutzt, ein Fußballspiel zu einer Angelegenheit von übergeordneter Bedeutung zu stilisieren. Die Gefahr, die darin besteht, wird dabei meist klein geredet. Der Fall des türkischen Abwehrspielers Alpay Öcalan, der von seinem englischen Club Aston Villa auf die Straße gesetzt worden ist, steht allerdings als signifikantes Beispiel dafür, wie schnell wissentlich geschürte Emotionen aus dem Ruder laufen können. Was ist passiert? Alpay hat sich von dem nur zur nationalen Sache hochstilisierten EM-Qualifikationsspiel gegen England und von provokanten Sprüchen seines Nationaltrainers Senol Günes vor der Partie offenbar derart anstacheln lassen, dass er ausgerechnet gegen die englische Fußball-Ikone David Beckham ausfällig geworden ist. In der Folge ist Alpay von der englischen Yellow Press in einem beispiellosen und offenbar von einer unerschütterlichen nationalen Arroganz geprägten Kampagne von der Insel gemobbt worden. Alpay als unschuldiges Opfer zu bedauern, wäre nicht angemessen. Zu oft schon sind dem knorrigen Verteidiger auf dem Fußballfeld die Sicherungen durchgebrannt, von einem international erfahrenen Profi darf man erwarten, dass er trotz höchster Motivation, für sein Land zu spielen, den Verstand eingeschaltet lässt und die Kinderstube nicht vergisst. Allerdings wäre die delikate Angelegenheit anders zu lösen gewesen. Dem türkischen Fußballverband hätte es gut angestanden, nach den Entgleisungen Alpays den Weg der Diplomatie zu beschreiten. Man hätte den Spieler zur Ordnung rufen und den englischen Verband um Entschuldigung bitten können. Alpays bisheriger Arbeitgeber Aston Villa war darum bemüht, den heuchlerischen Gedanken vom sauberen Image des Fußballs und seiner Clubs zu pflegen und hat es versäumt, der Fußball-Welt ein Beispiel dafür zu geben, was es heißt, mit dem nötigen Schneid einer Hetzkampagne zu trotzen.“

Die professionellen Frankfurter Strukturen gelten als Musterbeispiel

Thorsten Karbach (taz 25.10.) hofft auf einen Boom im Frauen-Fußball: „Der erste Bundesliga-Spieltag nach dem magischen Moment in den USA, den 13 Millionen Fernsehzuschauer in der Deutschland live verfolgten, bewies: Überall dort, wo die Heldinnen aufliefen, wurden Sportplätze bevölkert wie nie zuvor. In Brauweiler kalkuliert Schatzmeister Rainer Beckmann normalerweise mit durchschnittlich 150 zahlenden Gästen. Als die Frankfurter mit Birgit Prinz, Nia Künzer, Renate Lingor, Pia Wunderlich und Sandra Minnert aufliefen, waren es 1.300. Auf anderen Sportplätzen herrschte dagegen das gewohnte Bild. Gähnende Leere, kaum mehr Leute als bei einem Kellerkick in der Oberliga. Im Schnitt 400 wären mir lieber. Ich hoffe, es bleiben ein paar von den 1.300 übrig und kommen öfters, meint Beckmann. Doch auf Hoffen allein wollen sich die Fußballerinnen, die in der gestern veröffentlichen Fifa-Weltrangliste erstmals Platz eins vor den USA, Norwegen und Endspielgegener Schweden einnehmen, nicht verlassen. Jetzt sind alle in der Pflicht. Nationalelf und Vereine tragen die Verantwortung dafür, ob wir von diesem Triumph wirklich profitieren können, betont die mittlerweile zurückgetretene Stürmerin Maren Meinert. Und die Vereine haben die Zeichen der Zeit erkannt. Wir werden uns künftig stärker auf Marketing und Öffentlichkeitsarbeit konzentrieren. Die Zeit ist reif, sagt Rainer Beckmann. Großes Vorbild für viele Vereine sind die Meisterinnen aus Frankfurt. Dort lenkt Siegfried Dietrich die Geschicke als Manager. Ein umtriebiger Mann am Puls der Zeit. Sprecher der Frauen-Bundesliga, Inhaber einer Sportmarketing-Agentur und nicht zuletzt persönlicher Berater von Künzer, Lingor oder der verletzten Steffi Jones. Mehr als 120 Presseanfragen gingen in der ersten Woche nach dem Triumph bei ihm ein. Endlich wird für die Mädchen etwas übrig bleiben, sagt er. Die professionellen Frankfurter Strukturen gelten als Musterbeispiel für erfolgreichen Frauenfußball. Die anderen Vereine wollen und müssen aufholen.“

Im Leitartikel auf Seite 1 befasst sich Hans-Joachim Waldbröl (FAZ 25.10.) mit Doping: „Sollen alle, die auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko dopen, doch getrost ihre Gesundheit ruinieren? Wer sich solchem weitverbreiteten Defätismus hingibt, übersieht eines: Eine Kapitulation vor betrügerischen Athleten verbietet sich nicht nur von selbst, sie ist auch gefährlich. Denn daß verführbare Kinder und Jugendliche den falschen Vorbildern nacheifern, muß nicht nur der dafür verantwortliche Sport, sondern auch der verantwortungsbewußte Staat zu verhindern suchen. In der DDR ist das genaue Gegenteil passiert. Dort mißbrauchte ein totalitäres Regime seine gezüchteten Athleten zu außenpolitischen Werbezwecken. Allein deshalb ist ein Vergleich zwischen dem systematischen flächendeckenden Staatsdoping und dem gutorganisierten Sportbetrug einzelner Athletengruppen, so empörend er uns jetzt erscheinen mag, allzu weit hergeholt. Die DDR-Politiker haben Schlimmeres verbrochen: Sie haben minderjährigen Talenten ohne deren Wissen Sexualhormone verabreicht, die in extremen Fällen eine Geschlechtsumwandlung einleiteten. Wer abschreckenden Anschauungsunterricht braucht, der kann ihn im Landgericht Frankfurt bekommen. Dort hat am Freitag der Prozeß von DDR-Dopingopfern, die das Nationale Olympische Komitee auf Schadensersatz verklagen, begonnen.“

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