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Am Ende siegt das alte Geld und der alte Biß
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| Donnerstag, 25. März 2004
Bayern siegt, die Presse freut sich nicht über „Herz zerreißend schlechten Fußball“ (FTD) und „beklagenswert langweiligen Sicherheitsfußball“ (FAZ) – VfB Stuttgart zu harmlos – Werder Bremen besteht Reifeprüfung dank „hanseatischem Neorealismus“ (SZ) – VfL Bochum, die Nummer Eins an der Ruhr – auch Andreas Thom bringt Hertha BSC Berlin kein Glück und Geschick – Falko Götz, der „Mini-Magath“ (BLZ) – Klaus Toppmöller legt seine Romantik ab u.v.m.
Bayern München – VfB Stuttgart 1:0
Am Ende siegt das alte Geld und der alte Biß
Michael Horeni (FAZ 15.12.) klagt: “Der bayerische Fußball-Katechismus lehrt zwei Wahrheiten. Erstens: Münchner Erfolge sind immer verdient. Zweitens: Wer etwas anderes behauptet, ist neidisch. So haben nun zwei mickrige 1:0-Erfolge genügt, um die Bundesliga mal wieder zu ihrem Lieblingsthema zu führen: die Dusel-Bayern. Und die Dusel-Bayern wiederum zu ihrem Lieblingsthema: die Neid-Gesellschaft. Beides zusammen ist der ideale Stoff, aus dem Provokationen und Spekulationen über den Jahreswechsel hinaus gemacht werden. Drei Tage also nachdem der Rekordmeister gegen Anderlecht gerade so über die europäischen Runden kam, siegten die Münchner wiederum mit dem italienischsten aller Siege gegen die jugendlichen Stuttgarter und fühlen sich schon fast wieder wie ein erfolgreicher Titelverteidiger – und vermutlich glaubt’s auch schon die Konkurrenz. Denn es ist die alte deutsche Fußball-Geschichte, die sich nach dem Wunsch des Rekordmeisters wiederholen soll. Die aufstrebende, mutige, dynamische, in der Not zusammengestellte und sich gegenseitig stärkende Gemeinschaft stößt an ihre Grenzen bei einem reichen, vermeintlich satten und lustlosen Seriensieger – die Niederlage im Duell der Ungleichen ist dazu noch unglücklich, denn die spielerisch stärkere Mannschaft verliert. Am Ende also – so kennen wir das seit Jahrzehnten – siegt eben doch das alte Geld und der alte Biß.“
Kleinkariert und gar nicht weltmännisch
Michael Ashelm (FAS 14.12.) kritisiert die Offiziellen des FC Bayern: „Der einzige deutsche Verein, der derzeit von sich behaupten kann, alle Voraussetzungen für ein Premiumprodukt der internationalen Branche zu erfüllen, steckt in einem Dilemma, wofür noch nicht einmal der unmittelbare Spielbetrieb alleinige Verantwortung trägt. Hoeneß ist nicht umhingekommen, das nun zum Ende des Jahres einzugestehen. Um zu alter Stärke zurückzufinden, müsse man jeden Stein des Vereins aufheben und drunterschauen, kündigte der Manager an. Das Defizit ist also erkannt, nun geht es über zur Ursachenforschung. Der Eindruck hat sich schon verstärkt, daß nicht nur die Einheit zwischen Trainer und Mannschaft einer genauen Analyse bedarf. Auch das mittelmäßige Wirken außerhalb des Platzes hat sich auf das Spiel in der Arena übertragen. Auf dem Rasen sieht man unsichere junge Männer, die nicht gut sein können, weil ihnen das Selbstbewußtsein fehlt. Die First-Class-Kicker der Bayern sind unfähig, ihre Leistung abzurufen, was nicht heißt, daß das eine oder andere Mal noch mal ein launiges Spitzenergebnis zustande kommt. Der FC Bayern steht für einen hochprofessionell geführten Klub, worauf sich auch die von überall her engagierten Spieler verlassen haben. Doch es scheint, als habe das Grundvertrauen in den Arbeitgeber zuletzt gelitten. Die Einheit der Bayern leidet, und die Verantwortlichen reagieren dünnhäutig auf die Kritik ihrer Kritiker. Das wirkt kleinkariert und gar nicht weltmännisch, wie sich der FC Bayern eigentlich gerne sehen würde.“
Hauptverwaltung für Zauderei und Bewegungsarmut
Beim Siegtor empfindet Philipp Selldorf (SZ 15.12.) das „rational nicht mehr fassbare Glück, das den FC Bayern ereilt. Die Hinserie, in der die Münchner Meistermannschaft überwiegend miserablen, freudlosen Fußball geboten hatte, fand in jenem Moment ihre paradoxe Erfüllung. Was für ein plastisches Bild ihrer Krise sie wieder vorgeführt hatten: Bis zu jenem magischen Augenblick boten die Münchner noch mal ein Potpourri all der individuellen und strategischen Unzulänglichkeiten, die sie in loser, aber regelmäßiger Folge seit dem Saisonstart ihren Anhängern zumuten. Schwerfälliger wirkten die Anstrengungen, besonders die Mittelfeldreihen bildeten einen krassen Kontrast. Hier die unbeschwerten, von großen Ideen inspirierten Heldt und Hleb, dort die Münchner Hauptverwaltung für Zauderei und Bewegungsarmut. Als zentrale Figur eines statischen und einfallslosen Spielaufbaus musste sich vor allem der unglückliche Regisseur Ballack wütende Pfiffe des – herzlosen – Münchner Publikums anhören. Hargreaves und Salihamidzic, seine nicht minder konfusen Nebenmänner im Mittelfeld, leisteten allerdings ebenfalls keinen vernünftigen Beitrag, um die Stürmerflotte mit Pizarro, Makaay und Santa Cruz in Stellung zu bringen. Bis das 1:0 vom Himmel fiel, gelang den Münchnern nur ein einziger ernsthafter Torschuss. Sammy Kuffour, der beste Münchner Feldspieler, fand später für das böse Spiel die passenden Worte: „Wir sind der FC Bayern, wir müssen auch Fußball spielen. Immer nur von hinten lang nach vorn, das geht nicht.“ Trotzdem brachte genau dieses traurige Schema den Sieg für die Bayern. Einer der 100 000 Verzweiflungsabschläge, die Oliver Kahn in dieser Saison blindlings nach vorn gehauen hat, erreichte dank eines Fehlers des Stuttgarters Meira den eigentlich deplatziert herumstreunenden Angreifer Roy Makaay. Prompt traf der Niederländer ins Tor.“
Elisabeth Schlammerl (FAZ 15.12.) gratuliert Uli Hoeneß zur Verpflichtung Roy Makaays: „Die Verpflichtung des Stürmers, der im August für knapp 19 Millionen Euro Ablöse von Deportivo La Coruña nach München wechselte, hat sich für den deutschen Rekordmeister fast schon amortisiert. Allerdings ist Makaay keiner, der sich gerne in den Mittelpunkt rückt. Ohne mich würden die Bayern auch oben stehen, sagt er. Wenn sie mich nicht geholt hätten, hätten sie einen anderen geholt. Oder Giovane Elber behalten. Makaay haben sie zwar in erster Linie zu verdanken, daß sie noch in allen drei Wettbewerben aussichtsreich vertreten sind, aber so grotesk es klingt: Womöglich ist der Holländer auch dafür verantwortlich, daß die Bayern zuletzt nicht einmal mehr eine Spur von Glanz verbreitet haben. Seine Integration hat der Mannschaft Schwierigkeiten bereitet, sein schnörkelloses Spiel läßt nicht viele Variationsmöglichkeiten. Es bedarf stets vieler Versuche, ehe ein Zusammenspiel gelingt. Gegen Stuttgart kam Makaay bis zur 76. Minute kaum einmal an den Ball. Den Treffer hat dann auch kein Feldspieler, sondern Torhüter Oliver Kahn mit einem weiten Abschlag vorbereitet.“
Bleiern München
Oliver Thomas Domzalski (taz 15.12.) schaut zurück und nach vorne: “Im August konnten sie vor Kraft kaum laufen und sahen sich als kommenden Champions-League-Sieger. Jetzt sieht ihr Gang zwar immer noch so aus, aber das liegt daran, dass sie seit der Auslosung des Achtelfinals zumindest die Europacup-Hosen gestrichen voll haben. So viele CeREALien können sie bis Februar gar nicht fressen, damit aus Bleiern München wieder Bayern München wird. Und das muss der Liga Sorgen bereiten, denn eine Bayern-Mannschaft, die im Februar und März gleich zweimal Abschied feiern muss – am Tivoli und im Bernabeu – wird unbekümmert nach der Meisterschale greifen. Zumal die beiden letzten Spieltage der Saison wie geschaffen sind für die Lederhosen, die auf nationaler Ebene ja in puncto Nervenkostüm und Dusel allen anderen überlegen sind.“
Andreas Burkert (SZ 15.12.) fühlt mit: “Man musste die Stuttgarter Depression verstehen nach dem 0:1 in München, denn wirklich nichts hatte 75 Minuten lang auf eine Niederlage hingedeutet. Abgesehen vielleicht von der Tatsache, dass es sich um ein Fußballspiel handelte. Fußball ist manchmal sehr ungerecht. 75 Minuten lang hatte der VfB die Bayern: beherrscht, kontrolliert, dominiert. Mit einer ziemlich simplen Idee: Stuttgart spielte Fußball. Der VfB zeigte all das, was die Bayern offenbar erst nächstes Jahr wieder zeigen wollen: Doppelpässe, mutige Antritte, Ballsicherheit. Und ihre Defensive funktionierte lange fehlerfrei. Dass ihnen mit Bordon und Soldo die Stützen fehlten, ignorierten sie einfach. So gefiel der VfB 75 Minuten.“
In den Mund von Uli Hoeneß passt nichts mehr rein: „Wir haben gestern kein Glück gehabt, Stuttgart hat nur optisch besser gespielt. Aber: Ein Torwart gehört auch dazu, unserer heißt Oliver Kahn und der ist der beste auf der Welt. Und wenn sich die Stuttgarter allein vor ihm in die Hose machen, können wir auch nix dafür.“
OF: Selber, selber! Wenn jemand Angstfussball gespielt hat, dann sind es die zehn Roten gewesen, die sich vor dem eigenen Strafraum postiert haben. Warum ist diese banale Antwort keinem Journalisten eingefallen? Hoeneß hat im „DSF-Doppelpass“ von den Saalzuschauern für diese Bemerkung viel Applaus erhalten. Das DSF beteuert und versichert, es handle sich nicht um Claqueure.
Bayer Leverkusen – Werder Bremen 1:3
Sehr lesenswert! Jörg Stratmann (FAZ 15.12.) schildert perfektes Leverkusens Management: „Die Arbeitsgemeinschaft Stimmung der engsten Anhänger des Fußballklubs Bayer 04 Leverkusen hatte sich wieder etwas einfallen lassen. Nach dem ebenso leb- wie torlosen Auftritt ihres Lieblingsklubs in Köln hielten sie den Spielern von der Nordtribüne der BayArena aus auf großen Plakaten entgegen, was wie das Ergebnis eines Brainstormings zum Thema Die ideale Mannschaft wirkte. Gut gemeint, aber der anrührende Versuch ging nach hinten los. Denn umgekehrt schien sich der Gegner Werder Bremen aus dem Angebot der fast drei Dutzend Begriffe das Passende herauszusuchen, um auf imponierende Weise zu belegen: Genau das sind die Bausteine, die einen Meisterschaftsfavoriten ausmachen. Energie, Maximal, Gewinn, Qualität, Klasse, Kraft, natürlich Einstellung, dazu ein Schuß Angriff und eine kräftige Prise Big Points – schon damit ließe sich aus der Stoffsammlung der Bayer-Fans ein Mosaik legen, das zur Genugtuung vor allem des Bremer Trainers Thomas Schaaf ein Bild zeichnete, das auch die neuen Tabellenführer in dieser Saison noch nicht präsentiert hatten. Daß Werder diesmal auf Samba, Zauber oder Euphorie verzichten konnte, drei weitere Wünsche der Leverkusener Vorweihnachtsliste, machte den Sieg noch eindrucksvoller. Denn die geschlossen, eingespielt und selbstbewußt wirkenden Bremer fügten ihrem Entwurf einer Spitzenmannschaft noch einen Klecks Effizienz hinzu (…) Die Fans der Nordtribüne sollten überlegen, ob sie ihre Plakate Angriff, Freude, Charakter, Ausdauer und vor allem Gloria und 110 Prozent nicht als Weihnachtsgeschenk nach Bremen schicken sollten.“
Hanseatischer Neorealismus
Christoph Biermann (SZ 15.12.) beschreibt die Reifung Werder Bremens: „Irgendwie passte Klaus Allofs die Frage nicht, jedenfalls schaute der Manager von Werder Bremen plötzlich alarmiert und ziemlich misstrauisch drein. So, als wolle er dringend vermeiden, dass seine Mannschaft mit einem neuen Etikett versehen wird. Dabei hatte auch Rudi Völler gesagt, dass Werder „eiskalt“ gespielt hätte, bei fast allen Besuchern hinterließen die Gäste einen kühlen Eindruck. Doch Allofs mochte nicht mit solchen Temperaturen in Verbindung gebracht werden. „Kälte ist auch ein Weg, aber das spektakuläre und schöne Spiel wollen wir nicht aufgeben“, sagte er. Nun ist es erfreulich, dass sich der neue Tabellenführer der Bundesliga einem Konzept von attraktiven Fußball verschrieben hat. Doch der Sieg in Leverkusen hatte genau die Erkennungszeichen, die man gemeinhin Meisterteams unterstellt – deren wichtigstes ist Effektivität. Werder nutzte jede zweite Torchance. Werder schockte den Gegner kurz vor der Pause durch zwei Treffer, die sich durch nichts angekündigt hatten. Werder hielt fast immer die Fäden des Spiels in der Hand. Werder ließ sich auch in Unterzahl nach der Gelb-Roten Karte für Micoud nicht wirklich aus der Ruhe bringen. „Werder hat das Zeug zum Meister“, addierte Bayer-Geschäftsführer Reiner Calmund zusammen. Besonders wertvoll machte diesen Erfolg, dass er nüchtern erarbeitet war als zauberhaft herausgespielt. Es war ein durchaus ordentliches Spiel, aber eben nicht die erhoffte Offensivparty der beiden potenziell schwungvollsten Bundesligateams. Und es siegte der hanseatische Neorealismus.“
Manfred Amerell (TspaS 14.12.) hält die Rote Karte für Jens Nowotny für angebracht: “Ein Freispruch wäre Quatsch. Jens Nowotny ist seinem Gegenspieler lange hinterhergelaufen, hat ihn eingeholt und dann zu Fall gebracht. Natürlich hat Nowotny den Ball gespielt – aber trotzdem beging er ein Foul. In Regel Nummer zwölf ist festgelegt, was „verbotenes Spiel“ ist. Dazu gehört „fahrlässiger, rücksichtsloser und unverhältnismäßiger Körpereinsatz“. Nowotnys Einsatz war mindestens fahrlässig – deshalb finde ich seine nachträgliche Beschwerde nicht nachvollziehbar. Ich kann doch nicht mit dem rechten Fuß den Ball wegspielen und mit dem linken meinen Gegenspieler umhauen. Besonders wichtig ist: Jens Nowotny hat Angelos Charisteas am Trikot festgehalten. Das muss geahndet werden, besonders wenn damit eine klare Torchance verhindert wird. Allein das ist als Notbremse zu werten und mit einem Platzverweis und einem Elfmeter zu ahnden. Einen Freispruch für Nowotny wird es sicherlich nicht geben.“
VfL Bochum – Eintracht Frankfurt 1:0
Ulrich Hartmann (SZ 15.12.) befasst sich mit Bochumer Sprachbarrieren: „Der Brasilianer Eduardo Goncalves de Oliveira ist weder des Deutschen noch des Englischen mächtig, was eine gewisse Mühe erfordert, wenn man ihm am Rande eines Bundesligaspiels erklären soll, dass er sich nach seiner Einwechslung für die restlichen 17 Minuten primär um die Bewachung des Frankfurter Spielers Sven Günther kümmern möge. Der Assistenztrainer des VfL Bochum, Frank Heinemann, hat diese gestenreiche Instruktion deshalb mit viel Liebe zum Detail vorgenommen, und als der in aller Kürze nur „Edu“ gerufene 22-Jährige dann in der 73. Minute auf das Feld lief, um die ihm aufgetragene Bestimmung gewissenhaft zu erledigen, da wurde fünf Meter weiter der Frankfurter Sven Günther gerade gegen den Spieler Stefan Lexa ausgetauscht. Das war nun irgendwie Pech für Edu Goncalves und Frank Heinemann und den VfL Bochum, denn der junge Brasilianer nahm sich daraufhin nur selten des Spielers Lexa an, sondern irrte stattdessen wie ein junges Reh über das Spielfeld, erstolperte sich durch ein Foul auch noch eine Gelbe Karte und wurde neun Minuten später vom Trainer Peter Neururer wieder ausgewechselt. Neururer fürchtete zu jenem Zeitpunkt mit einiger Berechtigung den Verlust der Bochumer 1:0-Führung, aber weil das Spiel gegen die wagemutigen Frankfurter doch noch mit diesem Ergebnis zu Ende gegangen ist, durfte er die kleine Edu-Episode mit einem Lächeln zum Besten geben. „Es war ein kommunikatives Missverständnis“, sagte Neururer, „und in der Kürze der Zeit konnten wir auch keinen Sprachkurs mehr mit ihm machen.““
Die Nummer eins im Pott sind wir
Richard Leipold (FAZ 15.12.) stellt Bochumer Selbstvertrauen fest: “Lobpreisungen finden zumeist nach dem Schlußpfiff statt. Die Fußballprofis und die Fans des VfL Bochum haben diesen Teil der Veranstaltung ausnahmsweise vorgezogen. Sie feierten sich schon vor dem Heimspiel gegen die Frankfurter Eintracht gegenseitig. Die Spieler entrollten ein Transparent mit der Aufschrift Die Nummer eins im Pott seid ihr. Und die Anhänger gaben singend Antwort: Die Nummer eins im Pott sind wir. Das folgende Fußballspiel paßte nicht ganz zu dieser Selbsteinschätzung, auch wenn der VfL sich Chancen ausrechnet, die großen Revierklubs Dortmund und Schalke für ein Weilchen hinter sich zu lassen. Diese Zielkorrektur ist allerdings nur vorübergehend angelegt. Am Ende der Saison so weit oben zu stehen wie kurz vor der Halbzeit das hält nicht einmal der notorisch zuversichtliche VfL-Trainer Peter Neururer für realistisch – sagt er jedenfalls. Er sehe keinen Anlaß, über den UEFA-Pokal nachzudenken. Nach der mäßigen Leistung im letzten Heimspiel des Jahres gaben die Bochumer sich keiner Illusion hin. Die Frankfurter machten sich zwar um den Realitätssinn des Gegners verdient, verloren den eigenen Vorteil aber aus dem Blick, sobald sich die Möglichkeit bot, Nutzen aus ihrem optisch ansprechenden Spiel zu ziehen. Der Abstiegskandidat ebnete den über Monate gewachsenen Unterschied zum VfL für einen Nachmittag ein, doch vor dem Bochumer Tor fehlte es den Hessen an Fortune und auch an Klasse.“
Hertha BSC Berlin – 1860 München 1:1
Thom war ganz Interimstrainer
Christian Zaschke (SZ 15.12.) kommentiert die Berliner Trainerfage: „Seit sich die Hertha von Huub Stevens verabschiedet hat, leitet Andreas Thom das Training. Auf solche Weise hat an gleicher Stätte Falko Götz seinerzeit auf sich aufmerksam gemacht. Noch heute trauern die Berliner Fans Götz nach, sie begrüßten ihn freundlich. Mit einem überzeugenden Sieg hätte Götz das Sehnen der Berliner noch verstärkt. Andersherum hätte Thom mit einem überzeugenden Sieg als Wiedergänger gelten können: Da ist wieder einer, der als Interimstrainer vorgesehen war und der nun hervorragende Arbeit leistet. Das 1:1 war jedoch derart trostlos, dass es weder dem einen noch dem anderen Trainer zum Ruhme gereichte. Hertha-Manager Dieter Hoeneß sagte: „Wir sind heute auf der Stelle getreten.“ Er hat keine Entwicklung in der Mannschaft gesehen, was daran lag, dass es keine gab. Für Thom dürfte das bedeuten, dass er seine geringe Chance, zum Cheftrainer befördert zu werden, bereits verspielt hat. „Ich bin sehr, sehr traurig“, verriet Thom, und er sah auch sehr traurig aus, wie er neben seinem – trotz unglaublichen Horizontalregens im Stadion bereits wieder akkurat frisierten – Freund auf dem Podium zur Pressekonferenz saß. Götz schaute ruhig und selbstbewusst, er sagte, er könne mit dem 1:1 gut leben. Er war ganz Cheftrainer. Thom redete viel, er sagte wenig, vermutlich weiß er auch nicht, warum diese gut besetzte Mannschaft so schrecklichen Fußball spielt. Er war ganz Interimstrainer.“
Mini-Magath
Christof Kneer (BLZ 15.12.) lobt Falko Götz: “Wenn es stimmt, dass das Leben eine Baustelle ist, dann gibt es vermutlich nirgendwo so viel Leben wie im Berliner Olympiastadion. Dort findet sich die Baustelle in Reinform. Dort spielt die Hertha einen vorbildlich unfertigen Fußball, und sie zieht sich in Kabinen um, die im früheren Leben ein Geräteraum waren. Ziemlich lang geht das schon so, aber es musste erst dieser Sonnabend kommen, um eine nahe liegende Baustellen-Frage aufzuwerfen: Gibt es da unten einen Föhn? Falko Götz hat das nicht so gern, wenn man solche Fragen stellt, aber er wird sie jetzt nicht mehr los. Er hat sie selbst heraufbeschworen. Einen Föhn brauche ich nicht: abtrocken, Gel rein, kämmen – fertig. So lauf ich halt rum, verrät der Trainer des TSV 1860 München auf der Homepage www.falkogoetz.de. Nun sitzt dieser Falko Götz also im Presseraum von Hertha BSC und er führt eine sehr geordnete Frisur mit sich, obwohl er gerade ein ziemlich regnerisches 1:1 hinter sich hat. Föhnt Götz etwa heimlich? Falko Götz hat viele Geheimnisse, und eines davon ist, wie man es schafft, mit einer Elf wie 1860 München deutlich vor Hertha zu stehen. Trotz kleinerer Krisen lässt sich sagen, dass Götz bisher das Beste aus dieser Mannschaft herausgeholt hat. Sie spielt einen beweglichen, klar definierten Konterfußball, und wer einmal die aus dem hölzernen Hoffmann und dem langsamen Costa bestehende Innenverteidigung bei der Arbeit sah, ahnt, dass es eine rechte Kunst sein muss, diese Elf im Mittelfeld einzuquartieren. Wenn nicht alles täuscht, hat Götz in München fürs Erste seine Nische gefunden. Hier kann er reifen und gleichzeitig sein Profil als Mini-Magath schärfen.“
Hamburger SV – SC Freiburg 4:1
Roland Zorn (FAZ 15.12.) vermutet den Einfluss Klaus Toppmöllers: „So wie der HSV das Spiel anging, forsch, aggressiv, selbstbewußt bis in die technischen Einzelheiten, verwöhnten die Profis ihr an Entbehrungen gewöhntes Publikum wie lange nicht. Doch der Zauber der Barbarez, Jarolim und Beinlich währte nur 45 Minuten; es folgte eine kurze Phase der Verunsicherung nach dem Freiburger Anschlußtreffer, ehe die Norddeutschen mit Eifer und Fleiß, wenn auch ohne die Brillanz der ersten Halbzeit, ihren deutlichen Sieg absicherten. Die Mannschaft spielt mutig und mit Selbstvertrauen, beschrieb Beiersdorfer den Unterschied des HSV unter Toppmöller gegenüber dem HSV unter Jara. Dabei will Toppmöller anders als unter dem Bayer-Kreuz diesmal nicht von seinen Spielern geliebt werden. Unverdrossen sucht er zum leisen Ärger seiner deutschen Abwehrspezialisten Reinhardt und Kling – beide gehörten zu den besten Hamburgern – in Brasilien nach einem neuen Verteidiger, der sowohl kicken als auch dazwischenhauen kann. Ich bin der Meinung, daß der HSV auf die Jugend setzen sollte, warb Kling für sich, ich wüßte nicht, wofür wir einen Brasilianer brauchen. Reinhardt bekannte ganz im eigenen Sinne, daß man auch ein paar Leute haben muß, die deutsche Tugenden reinwerfen. All den als Vorweihnachtswünschen getarnten Forderungen hat Toppmöller schon unter der Woche ein für ihn untypisches Basta-Diktum entgegengesetzt: Ich bin der Chef. Tatsächlich, wie beim HSV zur Zeit gespielt wird, bestimmt nur einer: der bekennende Fußball-Romantiker Klaus Toppmöller.“
1. FC Kaiserslautern – FC Schalke 0:2
Jörg Hanau (FR 15.12.) prophezeit Kaiserslautern nicht viel Gutes: „Wie geprügelte Hunde sind sie davon geschlichen. Von der eigenen Fans ausgepfiffen und verhöhnt, suchten die Berufsfußballer des 1. FC Kaiserslautern nach verrichteter Arbeit das Weite und sogleich Schutz in der Feste Betze. Dort waren sie sicher vor dem Geschrei ihrer verärgerten Getreuen von der Westtribüne, nicht aber vor den Worten des Schalker Vorturners Jupp Heynckes, der sich im Pfälzer Nieselregen nassforsch daran machte, die Gastgeber für ihren unermüdlichen Einsatz zu loben. Der Mann mag es gut gemeint haben, als er darüber philosophierte, wie couragiert und aufopferungsvoll die Lauterer gekämpft hätten und dass er keinesfalls die Meinung des Publikums teile. In den Ohren der neutralen Beobachter klangen Heynckes Worte nach der Höchststrafe: Nicht nur, dass der FCK verdient verloren hatte, nein, es gab dafür auch noch Lob von Don Jupp. Starker Tobak.“
Hansa Rostock – 1. FC Köln 1:1
BLZ-Bericht
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Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse, Tabellen, Torschützen, Zuschauer NZZ
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