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Ballschrank

Am seidenen Faden

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Am seidenen Faden

Wenig Brisanz im Spitzenspiel, diagnostiziert Martin Hägele (NZZaS 20.4.). „Im Westfalenstadion wurde gejubelt – aber halt nicht so, wie man sich das nach dem ersten Bundesliga-Sieg gegen Bayern München nach sieben Jahren vorgestellt hätte. Dafür hing das 1:0, das der Einwechselspieler Amoroso per Penalty nach einer guten Stunde erzielte, zu sehr am seidenen Faden; und dazu haben sich die finanziellen und sportlichen Kräfteverhältnisse zwischen den beiden Erzrivalen zu sehr zu Gunsten des Rekordmeisters verschoben. Zwölf Punkte Rückstand für Sammers Meisterteam sprechen fünf Spieltage vor Saisonschluss halt eine deutliche Sprache. Immerhin erhalten die drei Punkte die Dortmunder Hoffnung am Leben, zum guten Ende noch auf den zweiten Tabellenplatz und damit direkt in die europäische Königsklasse zu marschieren.“

Neuer Schmusekurs

Felix Meininghaus (Tsp 20.4.) sieht das ähnlich. „Franz Beckenbauer redet viel, wenn der Tag lang ist, und des Öfteren ist auch mal etwas Fundiertes dabei. Vor dem Spiel seines FC Bayern bei Borussia Dortmund hat Beckenbauer verkündet, er könne sich „vorstellen, dass es ein ruhiges Spiel wird“. Und Beckenbauer hat Recht behalten: Schon lange hat es zwischen den beiden Großklubs des deutschen Vereinsfußballs kein Aufeinandertreffen mehr gegeben, das so emotions- und schnörkellos abgehandelt wurde wie das gestrige 1:0 der Dortmunder gegen die Bayern. Inzwischen geht man schon fast automatisch davon aus, dass ein Spiel zwischen beiden Mannschaften nie und nimmer mit allen 22 Spielern beendet wird; gestern aber plätscherte die Begegnung über weite Strecken vor sich hin. Schon in den Tagen zuvor hatten sich die Manager Uli Hoeneß und Michael Meier entschieden, sämtliche rhetorischen Angriffe auf den Gegner zu unterlassen, und der neue Schmusekurs wurde auf dem Rasen nahtlos fortgesetzt (…) Die Bayern wird die zweite Niederlage in Folge kaum umwerfen. Sie nahmen die erste Bundesligaschlappe gegen den BVB seit dem 1. Oktober 1995 mit fast schon provozierender Lässigkeit in Kauf. Wann hat man es schon mal erlebt, dass Oliver Kahn nach einem verlorenen Spiel nicht vor Wut schäumt, sondern sich stattdessen mit Gegenspielern zum entspannten Small Talk trifft?“

Perfect Game

Thomas Lötz (SpOn) sah eine fehlerlose Schiedsrichterleistung – im Gegensatz zu den Münchnern, die die Berechtigung des spielentscheidenden Handelfmeters anzweifelten. „Der beste Mann des Nachmittags stand lange nach dem Abpfiff noch in der Mixed-Zone des Dortmunder Westfalenstadions. Im dunkelblauen Dreiteiler, kombiniert mit stahlblauem Hemd und unauffälliger Streifenkrawatte beantwortete Dr. Markus Merk aufgeräumt die Fragen der Pressevertreter. Die Hände pfälzisch-lässig in die Hosentaschen geschoben lächelte der Fifa-Schiedsrichter aus Kaiserslautern, riss hie und da ein Witzchen und legte auch schon mal ein Spaß beiseite nach. Bei aller Entspanntheit, die Seriösität des Amtes will schließlich gewahrt bleiben. Der ganze Merk strahlte das Selbstbewusstsein aus, einen dieser seltenen Auftritte hingelegt zu haben, nach denen man sich als Unparteiischer wahrscheinlich eine Notiz wie perfect game oder Gut gemacht, Alter ins Tagebuch einträgt. Und in jedem Fall hätte die Wahl zum Spieler des Tages nicht für den Mann mit den meisten Ballkontakten, Dortmunds Dede, sondern klar und deutlich zugunsten des Referees entschieden werden müssen. Tatsächlich hatte Merk den 68.600 Zuschauern im ausverkauften Westfalenstadion jene Spitzenpartie geboten, für die ursprünglich die Profis von Bayern München und Borussia Dortmund vorgesehen gewesen waren. Die aber nervten mit defensivem Langeweilerfußball, neutralisierten sich, wie das im taktisch geprägten Deutsch von Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld heißt. Und so musste schon die Erinnerung an die aktuelle Tabelle bemüht werden, um Gewissheit zu erlangen, dass auf dem Platz der Dritte den Ersten der Fußball-Bundesliga empfing.“

Prophet Matthäus

Thomas Klemm (FAS 20.4.). „Von Fußball weiß Lothar Matthäus viel, und oft weiß er alles besser. Als er noch nicht in Belgrad weilte, sondern in der Bundesliga aktiv war, sprach er Weisheiten wie diese: Es ist wichtig, daß man neunzig Minuten mit voller Konzentration an das nächste Spiel denkt. Eine Lehre, die für den Moment viel Leere verspricht. Was das mit der Bundesliga zu tun hat? Auf den ersten Blick wurde auch dieser Spieltag von einer eigentümlichen Leere bestimmt, die erst gegen Ende der sieben Begegnungen etwas mit Leben gefüllt wurde. Nur drei Tore und ein Platzverweis belebten die erste Halbzeit, sieben Tore und zwei Platzverweise erregten immerhin in der zweiten Häfte Aufsehen. Macht insgesamt 1,43 Törchen pro Spiel – das sieht nach österlicher Ruhe aus. Beim zweiten Blick auf die Gesamtbilanz herrscht eine geradezu gähnende Ausgeglichenheit. Zwei Heimsiege, zwei Auswärtserfolge – allesamt mit einem Tor Differenz – und drei Unentschieden bieten wenig mehr als die Erkenntnis, daß Matthäus manchmal recht zu haben scheint.“

Gewinnspiel für Experten

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