Ballschrank
Angespannt in die Zukunft
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| Donnerstag, 25. März 2004Wie die meisten Beobachter erkennt Peter Heß (FAZ 30.4.) einen Kölner Stilwechsel. “Es ist kein Zufall, daß ein Trainer wie Friedhelm Funkel den Klub zurück in die Bundesliga geführt hat. Der 1. FC Köln hat einen Meistertrainer des Machbaren gebraucht, einer, der keine Stars oder namhafte Spieler fordert, sondern Ruhe zum Arbeiten. Mit Balitsch und Timm verließen vor der Saison die beiden Jungstars den FC – es hat nicht geschadet. Daß mit Donkow und Beranek die Profis mit dem größten Stargehabe gingen, erwies sich geradezu als nützlich für das Betriebsklima. Der Rest bildete eine eingeschworene Gemeinschaft, die zudem das Glück des Tüchtigen hatte. Spielerische Brillanz ist nicht die Kölner Stärke, sondern es sind Robustheit und Willensstärke. Die Kölner blicken etwas angespannt in die Zukunft. Reicht unsere Substanz aus, in der Eliteliga zu bleiben? Die Frage ist überflüssig: Teams der Arbeiterklasse können in der Bundesliga bestehen, wie Rostock und Bielefeld beweisen. Sogar Unterhaching und Cottbus vermochten sich einige Zeit zu halten. Funkel glaubt an seinen Weg. Er hat für die neue Saison vornehmlich hungrige Spieler aus der zweiten Liga verpflichtet. Wenn die Vereinsführung nach den ersten Rückschlägen nicht von ihm abrückt, wird der 1. FC Köln in der Bundesliga der unangenehme Gegner sein, der er in der zweiten Liga war. Der alte FC freilich, der FC, wie ihn die Bundesliga kennt, kehrt nicht zurück.“
Mixtur aus Unansehnlichkeit und Unbeugsamkeit
„Köln mag zwar die Hauptstadt der Hybris sein, doch der 1. FC Köln kehrt vergleichsweise demütig in die Bundesliga zurück“, schreibt Christoph Biermann (SZ 30.4.). „Vor den Bierduschen und Jubelgesängen zur Rückkehr in die Bundesliga ließ der 1.FC Köln am Montag gegen den FC St. Pauli noch einmal seine ganze eigenwillige Zweckmäßigkeit triumphieren: ein Tor nach einem Freistoß, eines nach einem Eckball, zwei oder drei gute Kombinationen, und nach dem Anschlusstreffer des Abstiegskandidaten ein Taumelkurs bis ins Ziel. Wieder einmal hatte das Team seine staunenswerte Mixtur aus Unansehnlichkeit und Unbeugsamkeit angerührt, die es zu einem so seltsamen Aufsteiger macht. Die Mannschaft von Trainer Friedhelm Funkel lud bei aller Dominanz in der Zweiten Liga nämlich stets ein wenig zum Spott ein. Übrigens auch beim eigenen Publikum, das wieder einmal kopfschüttelnd aus Müngersdorf nach Hause fuhr und sich fragte, wie ihr Team das schon wieder geschafft hatte. Vielleicht hilft bei der Beantwortung dieser schwierigen Frage das Nachdenken darüber, wer denn beim 1.FC Köln eigentlich der Spieler der Saison war. Naheliegend wäre, Torjäger Matthias Scherz wegen seiner 18 Treffer zu nennen, für Trainer Funkel ist es Florian Kringe, dem der Sprung aus der Amateurmannschaft von Borussia Dortmund in die Bundesliga gelang, und die Fans lieben noch immer vor allem Dirk Lottner wegen seines phantastischen Passspiels und der spektakulären Freistöße. In Wirklichkeit aber repräsentiert den Geist des Aufsteigers wie kein anderer Thomas Cichon. Des Liberos spielerische Fähigkeiten mögen begrenzt sein, seine Willenskraft, Entschlossenheit und Kampfbereitschaft sind es nicht. Cichon definierte als bedingungsloser Teamspieler den Stil des 1.FC Köln.“
Standards und Ergebnisverwaltung
Welche Rolle wird die Erwartungshaltung der Kölner Fans in der Bundesliga spielen? Eine entscheidende Frage, meint Erik Eggers (taz 30.4.). „Na gut, sagte er ein wenig unwirsch, unser Ziel muss natürlich der Klassenerhalt sein. Und dann folgte ein Satz, den die Kölner Fans, so sehr sie den kölschen Jung Lottner auch verehren, nur äußerst ungern vernehmen: Auch wenn wir der 1. FC Köln sind, müssen wir bescheiden sein. Das ist eine Vokabel, die kaum Platz findet im Wortschatz des Kölner Anhangs, dessen Hingabe an seinen Club so ungebremst ist wie sonst nur auf Schalke. Die Fans träumen nun schon wieder, wie betäubt vom Aphrodisiakum Aufstieg, von den ganz großen Fußballfesten; von sagenhaften Siegen gegen Bayern München und sogar schon von nahenden Triumphen über Real Madrid. Dass der Wiederaufstieg auf wahrlich unprätentiöse Art und Weise zustande kam, dass Lottner, Scherz Co. sich stets auf Standards und Ergebnisverwaltung verlassen konnten, ficht den Kölner Fan dabei nicht an. Das Verlangen nach einer Wiederholung des letzten großen Erfolgs vor exakt 25 Jahren, als der FC unter Hennes Weisweiler mit einem Erfolg gegen den St. Pauli das letzte Mal deutscher Meister wurde, ist größer. An solchen Erwartungen sind nicht wenige Trainer zerbrochen (…) Funkel, lässt die brutale Kölner vox populi stets verlauten, sei der richtige Coach um aufzusteigen, für die Bundesliga indes tauge er nicht.“
Komm loß mer fiere, niet lamentiere
Jörg Stratmann (FAZ 30.4.) führt ähnliche Bedenken ins Feld. „Festliche Vorbereitungen für den vorhersehbaren Fall der Fälle hatten sie nicht getroffen. Aber von so etwas hat sich der Rheinländer noch nie hindern lassen. Also haben sie es am späten Montagabend und in der folgenden Nacht kurzerhand so gehalten, wie es hier nun mal Brauch ist, wenn es spontan etwas zu feiern gilt – sie haben den Karneval aufleben lassen mit reichlich Kölsch und den obligatorischen Liedern. Und weil selbst der zur Leichtfertigkeit neigende Kölner durchaus weiß, daß nicht alles Gold ist, was glänzt, war anläßlich des Wiederaufstiegs seines 1. FC Köln in die Bundesliga der passende Refrain schnell gefunden. Also erklang von den Rängen der mit 30.500 Zuschauern ausverkauften Baustelle Rhein-Energie-Stadion vor allem der Schlager: Komm loß mer fiere, niet lamentiere. Feiern wollten sie also – obgleich es durchaus einiges zu beklagen gegeben hätte. Auch nach diesem 2:1 über die abstiegsgefährdete Mannschaft vom FC St. Pauli (…) Zum glücklichen Ende hielten sie es dann alle aufatmend wie der einstige Kölner Nationalspieler und Trainer Hannes Löhr. Laßt uns erst einmal feiern, bevor wir an die Zukunft denken, sagte er. Denn der Aufstieg ist lebenswichtig für den Verein. Der neuerworbene Sinn für Realität blitzte also nur kurz auf an diesem Abend, der vor allem Labsal für die kölsche Fußballseele war. Für die nämlich die Mitgliedschaft in der Eliteliga immer noch als quasi naturgegeben gilt. So wie es der einstige Weltmeister Wolfgang Overath ausdrückte: Wir sind wieder da, wo wir hingehören. Schließlich zählen wir uns immer noch zu den großen Klubs. Davon ließ er sich nicht abbringen, obgleich er selbst, wie er einräumte, auch einige äußerst schwache Spiele seines Klubs hatte miterleben müssen.“
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