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Angriffsfußball in der Serie A – Zaccheroni löst Cuper bei Inter ab – Doping-Vorwürfe an Rio Ferdinand werden schärfer
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| Donnerstag, 25. März 2004Befreiung von der Sklerose der bequemen defensiven Gewissheiten
Peter Hartmann (NZZ 21.10.) erfreut sich an der Entwicklung des italienischen Fußballs: „Ein Vergnügen, Fussball pur: Die AC Milan, beflügelt vom 21-jährigen Brasilianer Kakà mit den „denkenden Füssen“, besiegt im Gipfeltreffen der Serie A in San Siro Lazio Rom 1:0, und das Resultat verrät nichts von der Dramatik, der Intensität und dem Tempo dieses Spektakels. Im Römer Stadio Olimpico spielt die AS Roma mit den 20-jährigen Cassano und De Rossi als Triebfedern die solide Mannschaft aus Parma schwindlig und gewinnt 2:0. Wer es nicht glaubt, muss hingehen und sehen: Der italienische Fussball probt in diesem Herbst eine Revolution. Wie vor 15 Jahren, als Arrigo Sacchi mit Milan das holländische Modell nochmals neu erfand. Wie 1982, als Italien unter dem zuvor ständig angefeindeten Enzo Bearzot Weltmeister wurde. Die Abkehr vom bleiernen Zynismus des Zerstörungs- und Abwartefussballs hat mehrere Gründe. Etwa eine vier Jahre dauernde Phase der Erfolglosigkeit der Klubs in Europa, die in das Debakel der trapattonischen Beton-Taktik am World Cup 2002 mündete (der Nationalcoach selber hat inzwischen mit seiner Flucht nach vorn ein Läuterungs- und Aufklärungssignal gesetzt). Dann das wiedergefundene Vertrauen in die eigenen kreativen Möglichkeiten, vorexerziert von Milan, Juventus und Inter, die unter die letzten vier der Champions League vordrangen. Die kommerzielle Erkenntnis, dass sich mit der offensiven Starparade von Real und Manchester United globale Sympathien und Märkte erobern lassen. Und schliesslich die erdrückende Finanznot: Im Verteilungskampf um den Kuchen der Fernseh- und Sponsorengelder zählt nur die Attraktivität. Milan, die Kombinationsmaschine, und Roma, der Kindergarten der Talente, spielen derzeit den besten Fussball der Serie A. Die Trainer Carlo Ancelotti und Fabio Capello (auch Marcello Lippi beim Meister Juventus, Mancini mit Lazio und, seit zwei Jahren schon, der Aussenseiter Del Neri mit Chievo) befreien den Calcio von den Altlasten des Catenaccio, von der Sklerose der bequemen defensiven Gewissheiten. Wer sich diesem Trend verweigert, macht sich zum Verlierer.“
Birgit Schönau (SZ 21.10.) kommentiert den Trainerwechsel bei Inter – Alberto Zaccheroni löst Hector Cuper ab: „Er hat dann später viele Stunden auf der Trainerbank des Meazza-Stadions gesessen und 1999 sogar einen Meistertitel geholt. Aber für die Falschen, für Milan und für Silvio Berlusconi, der Zaccheroni entließ, weil er ihm zu links war und zu subversiv. Seit Sonntag ist Zaccheroni, 50, nach dem Rauswurf des Argentiniers Hector Cuper neuer Trainer bei Inter. Endlich zu Hause, könnte man sagen. Er wird zwischen Cesenatico und Mailand pendeln. Präsident Massimo Moratti hatte ihn noch in der Nacht angerufen, wenige Stunden nach der blamablen Vorstellung seiner Mannschaft gegen Brescia. Mit viel Glück hatte Inter zwar noch ein Unentschieden ergattert, aber so offensichtlich gegen den eigenen Coach gespielt, dass Moratti endlich Konsequenzen zog. In zwei Jahren hatte Cuper nichts gewonnen, nur den Mythos der ewig leidenden Inter um einige Episoden verstärkt: ein Nullzusechs im Derby gegen Milan, eine am letzten Tag verlorene Meisterschaft (gegen das von Zaccheroni auch nicht sehr glücklich geführte Lazio Rom), ein öffentliches Zerwürfnis mit dem Ausnahmefußballer Ronaldo. „Als Inter-Fan bin ich glücklich, dass Cuper weg ist“, ätzte der Brasilianer. Andere blieben eleganter. „Cuper hat Inter gern gehabt und wir mochten ihn auch“, bemerkte der Schriftsteller Beppe Severgnini. „Unter ihm hat Inter aufgehört, ein Hühnerhaufen zu sein, und ist eine Mannschaft geworden.“ Und Zaccheroni? „Der hat auch nicht diesen militärischen Anstrich wie Capello oder Lippi, der Donald Rumsfeld des Alpenstadions. Alberto Zaccheroni gehört in die Kategorie der poetischen Trainer.“ Wobei er strikt nach dem Versmaß 3-4-3 zu dichten pflegt. Ein richtiger Dreiersturm wäre für Inter eine Revolution. Überhaupt: locker aufspielen, nach vorn spielen, den Ball rollen lassen – unter Cuper alles nicht jugendfreie Obszönitäten. Der Argentinier führte sich in Mailand auf wie der Testamentsvollstrecker des unvergessenen Helenio Herrera. Catenaccio statt Tango, es war die Fortschreibung eines kulturhistorischen Missverständnisses.“
Christian Eichler (FAZ 21.10.) meldet Neues von den Dopingvorwürfen an Rio Ferdinand: “Es könnte die teuerste Handy-Rechnung der Welt werden. Der englische Fußballverband wartete am Montag immer noch darauf, sie vorgelegt zu bekommen: die Auflistung der Verbindungen, die Rio Ferdinand in der Mittagszeit des 23. September hatte. Ein schönes Theater ist das, ein Possenspiel des mobilen Zeitalters. Der teuerste Verteidiger der Welt hatte nach dem Training beim reichsten Klub der Welt vergessen, die geforderte Dopingprobe abzugeben; war danach, während Klubarzt und Dopingfahnder ihn suchten, zwei Stunden unerreichbar; angeblich, weil sein Mobiltelefon ausgestellt war. Doch eine Gesprächsauflistung, die die wacklige Verteidigung des Verteidigers stützen könnte, lag auch fast vier Wochen später nicht bei den Ermittlern vor. Und das, obwohl der Sponsor von Manchester United der größte Mobilfunkanbieter der Welt ist (…) Während die Verbandsermittler immer noch auf Anschluß warteten, gab am Wochenende die Zeitung News of the World Einblick in die Liste der Telefongesellschaft. Demnach hat der vergeßliche Rio während seines Verschollenseins diverse Gespräche geführt und Textmitteilungen gesendet; darunter, so die Recherche, an seine Zweitgeliebte, eine Stewardess der Virgin Airlines. Aber Ferdinand soll auch den Klubdoktor, den Fußballverband und, ein im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Dopingprobe seltsamer Zufall, seinen Urologen angerufen haben. Nun heißt es, die Version des abgeschalteten Telefons sei nicht mehr aktuell. Vielmehr behaupte der Klub, das Handy sei nur auf stumm geschaltet gewesen. Dieser kleine Unterschied in der Erreichbarkeit könnte den großen Unterschied in der Anklage machen: auf unabsichtliches oder absichtliches Versäumen einer Dopingprobe. Absicht liefe auf eine zweijährige Sperre hinaus und wäre für den englischen Meister, der 45 Millionen Euro für den Verteidiger bezahlte, ein Schlag ins Kontor – für Ferdinands Konto und Karriere sowieso.“
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