Ballschrank
Anti-Kriegs-Signale
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| Donnerstag, 25. März 2004
Josef Kelnberger (SZ 26.3.) kommentiert die Anti-Kriegs-Signale aus der Welt des Sports. „Wenn es um den Sport und den Krieg geht, muss man natürlich als ersten Franz Beckenbauer zu Wort kommen lassen. Der hat die Fußball-WM 2006 nach Deutschland geholt und gilt als deren Kopf, ist daher so etwas wie der oberste Botschafter des deutschen Sports. Franz Beckenbauer also hat, das erklärte er gestern in Berlin, „die Schnauze voll vom Krieg“. Und zwar nicht etwa, weil er so grausam ist, der Krieg, sondern weil zu viel darüber geredet wird. „Ich zähle nicht jeden Tag die Zahl der Einschüsse und der Bombenabwürfe“, sagt er. Er habe in den vergangenen Tagen keine Nachrichtensendung gesehen, „ich verweigere mich dieser Hysterie“. Hysterie also. Das Wort wird Beckenbauer genauer erklären müssen, wenn er in die Stadt Leipzig kommt, die Spielstätte sein wird bei der WM 2006, sich um die Olympischen Spiele 2012 bewirbt und jetzt für Aufsehen sorgt mit Demonstrationen gegen den Krieg. 50.000 gingen am Montag auf die Straße. Leipzig hat damit sogar beim großen Olympia-Konkurrenten New York Widerhall gefunden – zumindest Eingang in die New York Times. Dort wurde in durchaus nachdenklichem Ton vermerkt, dass dieselben Bürger, die in den neunziger Jahren mit ihren friedlichen Demonstrationen ein kommunistisches Regime ins Wanken brachten, jetzt ebenso friedlich und in derselben Zahl gegen die USA demonstrieren (…) Meinungen zum Krieg trudeln von überall aus der Sportwelt ein. Die Mannschaft des FC Barcelona feierte mit ihrem Friedensappell („El Barça per la pau“) den größten Sieg der Saison. Diego Armando Maradona schimpfte von Kuba aus den US-Präsidenten einen „Mörder“, sein ehemaliges Team Boca Juniors demonstrierte wie das kolumbianische Team von Deportivo Cali auf einem Spruchband ein NO A LA GUERRA. Die ungezählten Wortmeldungen – in USA und Großbritannien pro, im Rest der Welt meist contra – interpretiert Beckenbauer vermutlich als Hysterie. Aber so vielstimmig funktioniert eben der öffent liche Diskurs in der Mediengesellschaft, den Beckenbauer selbst schon um viele überflüssige Zitate bereichert hat. Der sympathischste Beitrag zum Thema Krieg und Frieden wurde aus dem Bremer Weserstadion gemeldet. Die Fußballprofis ließen 99 Luftballons steigen. Gar nicht hysterisch.“
René Martens (FTD 24.3.) analysiert das Verhältnis zwischen Fußball und Krieg. „Wenn Sing oder seine Brüder gegen das Spielgerät treten, verwandeln sie es in einen rasenden Feuerball oder eine marschflugkörperähnliche Waffe. Sings Truppe, die Kung Fu mit Fußball kombiniert, steht im Mittelpunkt der Actionkomödie „Shaolin Soccer“, die im April in den deutschen Kinos anlaufen sollte. Im entscheidenden Spiel trifft die familiäre Bande endlich auf einen Gegner, der ihr das Wasser reichen kann. Nach dem Match gibt das Spielfeld ein Bild der Verwüstung ab, einige Kicker liegen wie Schlachtopfer in der Gegend herum. Vermutlich in dem Glauben, dass den Zuschauern derzeit nicht der Sinn nach martialischen Bildern steht, hat der Verleih den Film, der im übrigen ballaballa ist, nun auf Mitte September verschoben. Das ist schade, denn „Shaolin Soccer“ hätte zum richtigen Zeitpunkt daran erinnern können, dass die Zweierbeziehung zwischen Fußball und Krieg seit jeher harmonisch ist. Die Verwandtschaft ist vielfältig: Mal bewährte sich das Kicken als Vorbereitung für den Krieg – vor dem Ersten Weltkrieg tönte der Norddeutsche Fußballverband: „Durch den Sport wurdet ihr für den Krieg erzogen, darum ran an den Feind und nicht gezittert“ –, mal als Ablenkung, wie am 22. Juni 1941. Es war kein Zufall, dass an diesem Tag, als das öffentliche Interesse dem deutschen Meisterschaftsfinale zwischen Rapid Wien und Schalke 04 galt, die Nazis den Überfall auf die UdSSR starteten.“
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