Ballschrank
Arroganz, Großmannssucht und selbstgefälliges Gehabe
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| Donnerstag, 25. März 2004Ingo Durstewitz (FR 28.8.) meldet die bevorstehende Ablösung von Peter Schuster bei Eintracht Frankfurt. “Die Zeit von Peter Schuster als Vorstandsvorsitzender der Eintracht Frankfurt Fußball AG ist abgelaufen. Wie die FR erfuhr, wird der 60-Jährige nach nur 20 Tagen Amtszeit heute den Chefsessel beim hessischen Fußball-Bundesligisten räumen. Von Seiten der Eintracht wird versucht, dem promovierten Juristen einen galanten Abgang zu verschaffen, doch Schuster, heißt es, wehre sich wie ein Löwe gegen eine Demission. Sollte der Unternehmensberater nicht freiwillig seinen Rücktritt verkünden, wird er aber von der Fußball AG von seinen Aufgaben entbunden. Schuster hat damit das Kunststück fertig gebracht, die 30-tägige Regentschaft von Hans-Joachim Otto aus dem Jahr 1996 zu unterbieten. Zum Fabelrekord hat es dennoch nicht gereicht: Im November 1988 stand Joseph Wolf ganze sieben Tage an der Spitze des Vereins. Spätestens nach dem hochnotpeinlichen Auftritt vor der versammelten Frankfurter Sportpresse am Freitag vergangener Woche hatte Schuster, früher jahrzehntelang Hausjurist des Chemieriesen Hoechst AG, auch innerhalb der Gremien von Eintracht Frankfurt keine Lobby mehr. Egal, ob Aufsichtsrat, Vorstand oder Trainer Willi Reimann – allesamt schüttelten über die Arroganz, Großmannssucht und das selbstgefällige Gehabe des Mannes aus Kelkheim entsetzt das Haupt. Selbst die, die sich anfangs für den geltungsbedürftigen Hobbykicker stark gemacht und ihn ins Amt gehievt hatten, die Politiker Franz Josef Jung (CDU), Achim Vandreike (SPD) sowie Fraport-Mann Herbert Becker, rückten in den zurückliegenden Tage von Schuster ab und ließen ihn fallen wie eine heiße Kartoffel.“
Leserbriefe an die FR-Sportredaktion zum Thema „Schuster“
Nur DDR-Ligavereine wie Aktivist Espenhain oder Dynamo Fürstenwalde vermochten germanische Romantik und DDR-Futurismus zu deutscher Einheit zu verschmelzen
Klaus Ungerer (FAZ 27.8.) grüßt aus dem Sprachlabor des Feuilletons. „Ich will meine alte DDR wiederhaben. Bitte. Ich will die tschechischen Märchenfilme wiederhaben und die schöne nackte Frau, die in ihnen einem See entstieg, will die Olsenbande wiederhaben und den Videokünstler von Schnitzler. Vor allem aber und unbedingt möchte ich eines: den DDR-Fußball zurück. Der hatte damals, soweit ich das verfolgen konnte, zunächst einmal eine Oberliga, die aber nicht richtig galt, denn das Ministerium für Fußballsicherheit sorgte dafür, daß jedes Jahr dieselbe Mannschaft Meister wurde. Diesem volkseigenen Betrug beigeordnet gab es auch noch die wirkliche, wahre Liga, die sogenannte Liga. Sie bestand aus zwei Staffeln, A und B (falls eine mal wegkäme), und bot den echten Fußball: Hatte man das jüngste, unter kaum dubiosen Umständen zustande gekommene, in verschiedenen Grautönen auf den Bildschirm überspielte 3:0 jenes dynamischen Siegervereins zur Kenntnis genommen, der dann unter der Woche gegen Austria Wien oder Bröndby Kopenhagen eine Völkerfreundschaft höflicher Zurückhaltung praktizieren sollte, so war man gerüstet für die wahren Bannerträger des Ostfußballs. Vor uns, zwischen den betonierten Trübsalen von DDR-Oberliga und ARD-Obermann, lag der sportliche Höhepunkt des Zonenrandsamstags: die Verlesung der Ergebnisse aus der weder ersten noch achten, sondern gänzlich hierarchiebefreiten Liga, deren geisterhafte Doppelexistenz die kapitalistischeren Elemente des Fußballsports negierte – wo die Vereine sich zur Staffel reihen, hat der Zynismus des Wettbewerbs keinen Platz, sondern wird der Ball zum Ruhme höherer und bärtigerer Existenzen friedensfreundlich über den Rasen geschoben. So verwehten denn auch die herbeigeschwitzten Ergebnisse spurlos im Wohnzimmer, zog aber der Klang der Vereinsnamen in seinen magischen Bann: Kali Werra Tiefenort – Robotron Sömmerda, Aktivist Schwarze Pumpe – Chemie Buna Schkopau, jetzt auf Platz drei: Kernkraftwerk Greifswald. Wir rätselten: Welch enorme gemeinsame Anstrengung der Werktätigen mußte hinter dieser rhetorischen Gigantenliga stecken? Sollte das Land bis auf Kreisebene durchwirkt sein von Sprachkraftwerken: Motor Schmölln, Hydraulik Parchim, Traktor Frießnitz-Niederpöllnitz? Wie gerne wäre ich einmal dabeigewesen, hätte ich mit den Massen vieltausendkehlig geschrien: Fort-schritt-Wei-da!, Auf-bau-Wa-ren!, Kreis-ver-wal-tung-Lud-wigs-lust!? Nur DDR-Ligavereine wie Aktivist Espenhain oder Dynamo Fürstenwalde vermochten germanische Romantik und DDR-Futurismus zu deutscher Einheit zu verschmelzen.“
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