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Auslandsfußball
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| Donnerstag, 25. März 2004Francesco Totti, der „Winkelried Roms“ (NZZ), führt den AS Rom zum 4:0 über Juventus Turin, die „eine schlecht geschminkte, kraftlose, gedemütigte Tante“ (NZZ) – EA Guingamp, die Gallier u.v.m.
Eine Art Winkelried, der die Verteidiger und die Fouls auf sich zieht
Peter Hartmann (NZZ 10.2.) berichtet die zweischneidige Situation beim AS Rom nach dem 4:0 über Juventus Turin: „Keiner weiss, wie es weitergeht mit dem Zirkus Roma. Die Hoffnung dauert immer nur 90 Minuten, die Zukunft sieht zappenduster aus. Arm, aber schön, abgrundtief verschuldet und dennoch glücklich: Am Sonntagabend hat die AS Roma im delirierenden Stadio Olimpico ihren Lieblingsgegner vorgeführt, die „alte Dame“ aus Turin, die aussah wie eine schlecht geschminkte, kraftlose, gedemütigte Tante, 4:0 geschlagen und – nach aller Wahrscheinlichkeit – aus dem Meisterschaftsrennen geworfen mit acht Punkten Rückstand auf die führende AC Milan und auch drei Punkte hinter den römischen Desperados. Der Padrone Franco Sensi Romas zahlte, angeblich, unter öffentlichem Druck die Gehälter für Mai und Juni des letzten Jahres aus, nachdem der Capitano Francesco Totti die „Omertà“, die Schweigemauer der Spieler, gebrochen und „Taten statt Worte“, also endlich Geld, eingefordert hatte. Die ganze letzte Woche war Totti mit Komplimenten der Real-Grössen Zidane, Raul, Ronaldo und Roberto Carlos überhäuft worden, die ihn mit Engelszungen zum Wechsel nach Madrid einluden. Gegen die Juve trat Totti, das Gewissen der Mannschaft, als veritable Leaderfigur und auch als eine Art Winkelried auf, der die Verteidiger und die Fouls auf sich zog (…) In Rom feiern sie den Sieg als ein Aufbäumen des Südens gegen den reichen Norden (obwohl in Wirklichkeit das statistische Pro-Kopf-Einkommen in der Metropole mittlerweile höher ist als in Mailand). Wie beim Lokalrivalen Lazio ist die finanzielle Situation auch für die AS Roma höchst brisant. Letzte Woche enthüllte das Wirtschaftsblatt Il Sole – 24 Ore neue irritierende Daten über die Schwierigkeiten des Padrone Franco Sensi. Der 77-jährige Presidente besitzt über die Firma „Roma 2000“ 62 Prozent Anteile an der börsenkotierten AS Roma, die 337 Millionen Euro Schulden hat. Doch auch diese private Gesellschaft weist per Ende Juni 2003 einen Schuldenstand von 601 Millionen Euro und einen Passivsaldo von 463 Millionen Euro aus. Sensis wirkliche Sponsoren waren immer die Bankiers.Doch die Geschäftsbank Capitalia und ihr Präsident Geronzi, der dem Roma-Patriarchen Ende Jahr mit einem Spontankredit von 30 Millionen Euro wieder über die Runden geholfen hat, sind in den Parmalat-Skandal verwickelt und in der Defensive.“
Arnold von Winkelried, Schweizer Nationalheld, 14. Jh.
Winkelried als Brunnenfigur
Julius Müller-Meiningen (Tsp 10.2.) ergänzt: „Eigentlich war er schon dahin, der große Traum vom vierten Titel. Nach einer formidablen Hinrunde und der Tabellenführung verlor der AS Rom zu Jahresbeginn zuhause in der Serie A gegen den AC Mailand, vergangene Woche folgte eine bittere Niederlage gegen Brescia. Die Mannschaft von Trainer Fabio Capello war plötzlich nur noch Tabellenzweiter, Milan wirkte schon außer Reichweite, und in Rom machte man sich auf Schlimmeres gefasst. Doch wie es scheint, können 90 Minuten an einem kühlen Winterabend die Perspektive einer ganzen Stadt verändern.“
Jean-Marie Lenoë (NZZ 10.2.) beschreibt den erfolgreichen Kampf EA Guingamps: „Zuweilen mag die „Asterix und Obelix“-Metapher mit dem kleinen gallischen Dorf, das aufbegehrt, etwas abgedroschen klingen. Im Falle Guingamps ist sie jedoch durchaus angebracht. Lediglich 8000 Einwohner zählt die Ortschaft in der Präfektur Côtes-d‘Armor im Herzen der Bretagne, und eine mehrfache Zahl davon findet sich jeweils im Stade du Roudourou ein, um den Ligue-1-Verein En Avant Guingamp (EAG) zu unterstützen und beizuwohnen, wenn der erst seit zwanzig Jahren professionell arbeitende Provinzklub wieder einmal das französische Fussball- Establishment mit einer bitteren Niederlage nach Hause schickt. Dass es jemals so weit kam nach dem erstmaligen Aufstieg in die Eliteklasse 1995, hängt vor allem mit einer Person zusammen, die damals – vor knapp zehn Jahren – den Klub bereits verlassen hatte: Noël Le Graët. Der charismatische Bretone übernahm 1972 das Amt des Präsidenten von EAG, unterbrach 1991 seine Ägide zugunsten des Vorsitzes in der nationalen Liga und steht seit vergangener Saison nun wieder auf der Kommandobrücke von EAG. Le Graët ist sich der besonderen Stellung des Kleinklubs und – speziell – der beschränkten finanziellen Möglichkeiten bewusst und hat aus der Not eine Tugend entwickelt. Werbeeinnahmen mittels eines dicht gespannten Netzes von 70 kleinen lokalen Sponsoren sind die eine Konsequenz daraus. Der Verkauf der besten Spieler die andere.“