Ballschrank
Ausscheiden Dortmunds und Schalkes
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| Donnerstag, 25. März 2004
düstere Stimmung in den Sportredaktionen nach dem Ausscheiden Dortmunds und Schalkes, der „erschreckenden deutschen Schadensbilanz“ (FAZ), in der „Phase des Siechtums und der Selbstfindung“ (SZ) – Kritik der BVB-Fans an Matthias Sammer – Anspruchslosigkeit in Schalke – Thomas Schaaf, der „nüchterne Romantiker“ (SZ) auf Bremens Trainerbank – Fabian Ernst, das gereifte Talent in Bremens Mittelfeld u.a.
Deutsche Schadensbilanz
Michael Horeni (FAZ 29.11.) beklagt fehlende Konkurrenzfähigkeit deutscher Vereine: “Es sind gerade drei Monate internationaler Fußball in dieser Saison gespielt, aber die deutsche Schadensbilanz liest sich schon jetzt eindrucksvoll. Nachdem die Schalker Elfmeterfehlschützen in Kopenhagen auch die Erinnerung an die ehemaligen Eurofighter immer weiter verblassen ließen, war der deutsche Fußball-Labilitätspakt 2003 komplett. Im Jahr 2003 heißen die Endstationen Groclin Grodzisk, Dnjepr Dnjepropetrowsk, Sochaux und Kopenhagen für einst stolze Vertreter einer Liga, die ehedem Stabilität nach Europa exportierte – aber nun nur noch an Nummer vier geführt wird, über höhere Ziele nur noch redet, aber in der Realität im Niemandsland des Mittelmaßes zu verschwinden droht. Selbst der FC Bayern München, die Edelmarke der Bundesliga, nimmt sich in dieser Spielzeit schon nicht mehr selbst zum Maßstab. Das 0:0 in Glasgow wurde allein durch die Niederlage Lyons gegen Anderlecht zum Erfolg veredelt – auch das eine völlig europapolitische Abkehr vom bayerischen Ur-Motto: Mir san mir, stark wie die Stier. (…) Internationale Erfolgserlebnisse, auf denen die Nationalmannschaft im Sommer in Portugal aufbauen könnte (wie sie vor zwei Jahren Leverkusen zur WM mitbrachte), kennen in dieser Saison nur der VfB Stuttgart und die unter dem lieblosen Namen U 21-Nationalmannschaft für die EM qualifizierten und dabei imponierenden deutschen Talente. Die Frische, die Laufbereitschaft, der Kampfesmut und sogar die Spielfreude, mit der jene kleine Gruppe, die im Schatten des großen Geldes und der großen Selbstzufriedenheit ihre Zukunft selbst in die Hand nimmt, wirken begeisternd, aber leider nicht ansteckend. Die Etablierten, die sich derzeit nur noch etwas auf ihre Fußballwunder von gestern einbilden können, gehen bisher über jeden neuen Tiefpunkt mit einer Nonchalance hinweg, die nicht auf eine Wende der Mentalität setzt, sondern nur auf das schnelle Vergessen.“
Phase des Siechtums und der Selbstfindung
Klaus Hoeltzenbein (SZ 29.11.) ergänzt: „Die Schwäche wirkt kollektiv und chronisch. Aber wie passt das alles mit den folgenden Fakten zusammen: Gefeiert wurde 2001 der Gewinn der Champions League durch den FC Bayern, 2002 der Einzug von Borussia Dortmund ins Uefa-Pokal-Finale und kurz darauf am Frankfurter Rathausbalkon, wo Ruudiiiii seine WM-Zweiten präsentierte. Und wie passt das alles zum VfB? Diesem schwäbischen Kleinkunstwerk, in dem sich so viele Tugenden spiegeln: der Drang der Jugend, die Akzeptanz der Ausländer, die Leidenschaft der Abwehr, die Rhythmuswechsel der Offensive und die Schachzüge eines Trainers. Das Glück der Stuttgarter lag in der Krise. Dort spürten sie die drohende Pleite und reagierten, während die Dortmunder sich bis heute nicht aus der Neuen-Markt-Mentalität befreit haben, die sie an die Börse trieb und dazu, die dort gewonnenen Millionen mit der Gießkanne über den Transfermarkt zu streuen. Der Verein wurde zur Aktiengesellschaft, die Spieler zu Unternehmern – der Charakter einer Mannschaft ging in diesem Geschäftsklima verloren. Auf andere übertragen lässt sich die Dortmunder Krankheit nicht, jeder Klub unterhalb von Tabellenführer Stuttgart befindet sich in einer anderen Phase des Siechtums und der Selbstfindung – meist abhängig davon, wann und wie darauf geantwortet wurde, dass Leo Kirch seine Fernsehmillionen nicht mehr mit Hochdruck in den Apparat pumpt. Aus Schalke 04 zum Beispiel ist nur schwer schlau zu werden. Bei Bröndby Kopenhagen im Elfmeterschießen zu scheitern ist per se keine Schande, alarmierend ist das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag des Tabellen-13. in der Liga. Jupp Heynckes, der Trainer, der in Spanien Qualität bewiesen hat, hat das Erbe der Assauerschen Transferpolitik zu verwalten, bei Amtsantritt verlangte er zunächst keine neuen Spieler. Jetzt aber bastelt Schalke mit Macht an seiner Elf 2004, kauft Ailton, will Kuranyi, aber findet der Klub so noch Gehör bei der Elf 2003, die bereits Geschichte ist?“
Andreas Lesch (BLZ 29.11.) schreibt: „Der europäische Fußball-Verband Uefa hat alle internationalen Ergebnisse dieser Saison zusammengerechnet. Deutschland rangiert auf Platz 18, freundlich flankiert von Serbien-Montenegro und Polen. Länder wie Bulgarien und Ungarn sind leider außer Reichweite, doch die Bundesligisten sollten sich nicht grämen. Im Zweifel wirkt gegen die Traurigkeit der Trick, der ihnen oft geholfen hat: Scheuklappen aufsetzen, und nicht mehr nach rechts und links gucken. Nur noch die eigene Liga betrachten – läuft sie nicht wunderbar? Die Zuschauer strömen doch wie selten zuvor, da wird das Niveau so schlecht nicht sein. Dass Ausgeglichenheit auch ein Zeichen allgemeiner Mittelmäßigkeit sein kann – geschenkt. Zumal da noch dieses zauberhafte Bonbon ist, das den nationalen Selbstbetrug vollends versüßt. Es gibt, trotz aller Niederlagen, einen deutschen Klub, der die dritte Runde im Uefa-Pokal erreichen kann: den FC Bayern München.“
NZZ-Kommentar über die Lage des Schweizer Vereinsfußballs
Freddie Röckenhaus (SZ 29.11.) berichtet Kritik an Matthias Sammer: „Wohin taumelt der Klub, der nach Einschätzung des Managers Michael Meier „dreimal soviel“ für seine Mannschaft ausgibt wie Tabellenführer VfB Stuttgart? Nach der Pleite in Sochaux rührt sich erstmals massiver Widerstand bei den Dortmunder Fans gegen die Art, wie die strukturellen Probleme von der Klubführung geleugnet werden. Vor allem wird Trainer Matthias Sammer zum ersten Mal in seinen dreieinhalb Trainerjahren scharf in die Kritik genommen. Das in Fankreisen einflussreiche, seriöse Internet-Forum schwatzgelb.de schreibt: „Warum Sammer immer wieder taktische Fehler mit schwersten Konsequenzen begeht, ist einfach nicht nachvollziehbar.“ In Sochaux hatte Sammer Freund und Feind verblüfft, als er Lars Ricken, den seit Wochen neben Wörns stärksten BVB-Spieler, aus der Mannschaft nahm – und damit den kreativen Kopf, der am vergangenen Samstag gegen Leverkusen beide BVB-Tore vorbereitet hatte. Stattdessen nominierte Sammer Flavio Conceição und Tomas Rosicky, zwei rekonvaleszente Spieler, die noch nicht im Besitz all ihrer Kräfte sind. Zudem brachte Sammer den jugendlichen Helden Salvatore Gambino; und überforderte diesen als Stürmer mit den zusätzlich erteilten Defensiv-Aufgaben. Prompt wusste Gambino sich bereits in der fünften Spielminute nicht anders zu helfen, als den Brasilianer Santos im Strafraum von den Beinen zu zerren. Obwohl der BVB es fertig brachte, in der 73. Minute (!) erstmals aus dem Spielverlauf heraus aufs Tor von Sochaux zu schießen, versuchte der Trainer nach dem Spiel, die Niederlage allein mit den Umständen von Gambinos Feldverweis und der Verletzungsmisere zu begründen. „Den Namen nach“, klagte Sammer, „liest sich unsere Aufstellung vielleicht gut. Aber die sind ja noch nicht wieder voll da.“ Dortmunds Fanforum forderte deshalb eine Erklärung, warum formstarke Spieler auf der Bank blieben.“
Richard Leipold (FAZ 29.11.) schildert Schalker Anspruchslosigkeit: “Am Tag danach sah sich Jupp Heynckes nicht nur als Analyst, sondern auch als Trostspender gefordert. Vielleicht kommt dem Trainer des FC Schalke 04 in diesen schwierigen Zeiten zugute, daß er lange in Südeuropa gearbeitet hat. So versprach er, mit seiner Hilfe werde die Mannschaft stark genug sein, die dunklen Wolken am Gelsenkirchener Fußballfirmament beiseite zu schieben: Auch hier wird die Sonne wieder scheinen, darauf werden wir mit allen Mitteln hinarbeiten, sagte Heynckes, dessen Mannschaft am Abend zuvor gegen den dänischen Spitzenklub Bröndby Kopenhagen aus dem UEFA-Pokal ausgeschieden war. Wir brauchen einen langen Atem, und den werden wir auch haben. Schalke in kleinen Schritten wieder auf Kurs zu bringen sei schwierig, aber um so interessanter. Alles halb so schlimm? Wirtschaftlich sehen die Schalker sich weiter auf der sicheren Seite. Nach offizieller Lesart war der Auftritt in Kopenhagen keine Frage des Geldes. Assauer hatte das Spiel zum Charaktertest ausgerufen. An erster Stelle steht die Ehre, nicht der wirtschaftliche Erfolg. Am Ende stand der Mißerfolg, sportlich und wirtschaftlich. Und wie steht es um die Ehre der königsblauen Kämpfer? Gut, sehr gut sogar. So hört es sich jedenfalls an. Heynckes war voll des Lobes. Ich habe eine Mannschaft gesehen, die zusammenhält. Wenn wir uns auf diesen Teamgeist besinnen, werden wir in der Bundesliga punkten. Als Verlierer im Elfmeterschießen fühlen sich die Gelsenkirchener nicht unehrenhaft aus dem Europapokal entlassen. Besondere Meriten haben sie sich aber auch nicht erworben in den zwei Runden, die sie im erweiterten Kreis des europäischen Spitzenfußballs mitkicken durften. Gravierende Folgen für den Verein sieht Assauer nicht. Auch wenn Schalke früher gescheitert ist als erwartet, will der Manager an seiner schon eingeleiteten Offensive auf dem Transfermarkt festhalten. Auch für die umworbenen Profis werde sich an der Attraktivität des Klubs nichts ändern.“
Er paart eine romantische Ader mit der Nüchternheit des kalkulierenden Kaufmanns
Jörg Marwedel (SZ 29.11.) porträtiert Thomas Schaaf, Trainer Werder Bremens: „Er hat schon zweimal erleben müssen, wie es ist, aus der allgemeinen Euphorie in einen Abwärtsstrudel gerissen zu werden. Auch im vergangenen Jahr war der SV Werder Bremen um diese Zeit Zweiter der Bundesliga, doch im Frühjahr verschwanden die Träume von Uefa-Cup und Champions League. Born und Allofs haben damals fest zum Trainer gestanden; Born bekräftigte gar, er gehöre zusammen mit Allofs zu Bremen „wie Schwein und Schwanz“. Aber im Umfeld rumorte es, die Aufsichtsräte Willi Lemke und Josef Hattig stichelten gegen den Trainer, der offenbar nicht mehr weiter wisse. „Auch Bremen“, sagt Schaaf, „ist kein Biotop. Man hat nach einem Opfer gelechzt.“ Und zuhause fragte Tochter Valeska sorgenvoll: „Papa, müssen wir bald umziehen?“ Spätestens dann wäre Thomas Schaaf ein normaler Trainer geworden. Inzwischen spricht viel dafür, dass er noch lange ein Sonderfall bleibt. In Bremen prüfen sie bereits, ob Schaaf im Falle des Titelgewinns nicht ins Guinness-Buch der Rekorde gehöre, weil es wohl nicht sehr viele Trainer gebe, die seit ihrem 16. Lebensjahr Mitglied eines Vereins sind, dort als Spieler Meister und Europacupsieger wurden und schließlich auch als sportlicher Leiter zu höchsten Ehren kamen. Käme es so weit, hätte das nicht nur mit dem trotz gelegentlicher Intrigen sehr familiären Klima in Bremen zu tun. Schaaf, der in seinem hellgrauen Trainer-Sweatshirt zuweilen ausschaut wie der Leiter einer kirchlichen Jugendgruppe, hat nämlich gleich mehrere Eigenschaften, die ihn herausheben aus der Masse der Fußballlehrer: Er paart eine fast romantische Ader für schönen Fußball mit der Nüchternheit des kalkulierenden Kaufmanns. Er achtet wie kein anderer auf den im Profigeschäft selten gewordenen Gemeinschaftssinn. Er kümmert sich bei Bedarf fast wie ein Seelsorger um seine Spieler. Und er ist beharrlich wie kein Zweiter.“
Butler
Frank Heike (FAZ 29.11.) befasst sich mit Fabian Ernst, dem gereiften Bremer Nationalspieler: „Es ist ein langwieriger Prozeß, den Hochbegabten von den einfachen Dingen des Fußballs zu überzeugen: den Ball nur zum Nebenmann spielen. Nur auf den nächsten Zweikampf konzentrieren. Nicht lange mit Fehlern hadern. Fabian Ernst tat all das nicht. Er versuchte lieber den schwierigen Paß, mancher hatte ihn, den jungen Libero des Hamburger SV, ja schon mit Franz Beckenbauer verglichen, und erwartete man da nicht in jeder Situation etwas Besonderes? Der kaum zwanzig Jahre alte Fabian Ernst ließ dann aber den Kopf hängen, wenn ein paar Zuspiele nicht ankamen, er verlor die Lust, wenn er Zweikämpfe verlor oder ihm einmal ein Ball vom Fuß sprang. Das waren keine guten Voraussetzungen für seinen Weg als Profi. Wieder einmal drohte ein deutsches Fußball-Talent an sich selbst zu scheitern (…) Der 24 Jahre alte geborene Hannoveraner spielt seit Wochen in der Form seines Lebens und bildet mit Micoud, Baumann und Lisztes das Mittelfeldquartett, das den schönsten Fußball der Liga zelebriert. Mag Ailton die Tore schießen, mag Micoud den Takt vorgeben, Ernst und Lisztes sind Lunge und Herz des Bremer Spiels. Ernst ist aggressiv und kreativ zugleich. Laufstark, ballsicher und mit gutem Verständnis für Kombinationen wechselt er zwischen halblinks und halbrechts, bekämpft die Kreativen des Gegners und hat noch Zeit für perfekte Zuspiele. Genau das ist neu und macht Ernst so wichtig für Werder: Er selbst ist fast nie torgefährlich, aber als Butler glänzt er wie kein zweiter – neun Vorlagen hat Fabian Ernst bislang serviert, mehr als jeder andere in der Bundesliga.“
vor der EM-Auslosung FR
Tsp: bei der Planung der WM 2006 gibt es Probleme
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