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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Ballack leistet sich seit einiger Zeit eine eigene Meinung

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Ballack leistet sich seit einiger Zeit eine eigene Meinung

Bayern München – Hertha Berlin 4:1

Der BLZ(6.10.) gefällt das Rückgrat Michael Ballacks: „Man hat sich ja oft gefragt, was ein Führungsspieler eigentlich sein soll; möglicherweise hat man am Sonnabend erstmals eine einleuchtende Definition gefunden. Führungsspieler wäre demnach, wenn man sagt, was man denkt – ohne Feigheit vor dem Feind. Wir haben am Sonnabend das wichtigste Länderspiel der letzten Monate, brummte Ballack. Also soll er nicht so einen Scheiß erzählen. Das ist unglaublich. Am letzten Wochenende des Oktoberfestes hat also auch der FC Bayern noch seinen Beitrag geliefert. Wie sich das für ein anständiges Festzelt gehört, haben sie ein bisschen Fingerhakeln gespielt unterm Olympiadach. Erst im zweiten Jahr ist dieser Ballack ein Bayer, und doch muss man bilanzieren, dass er schon ein guter Fingerhakler ist. Er ist sich seines Wertes so bewusst, dass er nicht kuschen muss. Er hat dieses bayerische Selbstvertrauen längst so inhaltiert, dass er am Ende als Sieger aus diesem kleinen Wettkampf hervorging. Natürlich wird er zur Nationalelf reisen, und er darf das sogar ungestraft.“

Ballack leistet sich seit einiger Zeit eine eigene Meinung

Daniel Pontzen (Tsp 6.10.) sieht das genauso: „Schwer zu glauben ist, dass dies derselbe Michael Ballack war wie jener, der vor gut einem Jahr im Ruf eines artigen Schulknaben stehend bei den Bayern begann und an dem sich seither in immer kürzeren Abständen die Diskussion um seine Führungsqualitäten entfachte. Er sei genial, aber zu brav, kein Typ, der seine Mannschaft mitreißen kann – so der ausdauernd vorgetragene Vorwurf. Nicht erst Ballacks rau formulierte Adresse an den eigenen Vorstandschef aber lässt an dieser Einschätzung zweifeln. Ballack leistet sich seit einiger Zeit eine eigene Meinung, er trägt sie öffentlich vor, zumeist nicht so polternd wie üblich in dieser Branche, aber bestimmt. Das ist bemerkenswert in einer Firma, in der Meinungsfreiheit zu den weniger penibel geschützten Grundrechten zählt.“

Jan Christian Müller (FR 6.10.) fordert Verständnis für Rummenigge: “Karl-Heinz Rummenigge ist kein Mann des Ausgleichs. Er bevorzugt die klaren Worte. Der AG-Boss begreift seinen FC Bayern München als Familie, nicht aber den deutschen Fußball an sich. Spätestens an der Grenze zu Baden-Württemberg und Hessen beginnt das Feindesland. In Frankfurt – mit Filialen in Stuttgart (DFB-Chef MV) und Leverkusen (Geschäftsführer Holzhäuser) – steht dessen Hochburg. Die Deutsche Fußball-Liga wird nach herrschender Bayern-Meinung von Ahnungslosen verwaltet. Der DFB bleibt suspekt, weil er wenig dagegen unternimmt, dass der internationale Terminkalender zum Wohle der Clubs entrümpelt wird. Rummenigge ist sich einig mit seinem Vorstandskollegen Uli Hoeneß, der neulich nonchalant geäußert hat, er könne sich die Welt auch ohne Nationalmannschaft vorstellen. Es war ein kluger Schachzug von DFB und Völler, Rummenigge ins Boot zu holen und ihm die Verantwortung für die Arbeitsgruppe Nationalmannschaft anzudienen. Der Respekt vor Völler gebot es, mitzumachen. Doch der Respekt ist nicht so groß, dass Rummenigge deshalb die ureigenen Interessen seines Unterhaltungs-Unternehmens FC Bayern aus den Augen verliert.“

Dieser Mann wird bei der WM 2006 nicht im Tor stehen

Marc Schürmann (FTD 6.10.) traut sich: „Wer sagt Oliver Kahn, gepriesen als der Gott zwischen den Pfosten, dass er inzwischen so fehlbar ist wie jeder dahergelaufene Erdentorwart? Dass er ja super war, früher in der Bundesliga und Champions League und bei der WM, doch doch, jedes Fingerzucken eine Offenbarung, aber jetzt – also dass es vielleicht doch andere Götter gibt? Traut sich natürlich niemand. Leider, weil: Es ist nicht nur so, dass er die Unhaltbaren durchlässt, die er früher einfing wie Schmetterlinge. Damals, als er noch King Kahn war, Titan, Torwartgott. Inzwischen scheitert er auch an den Haltbaren. Am Samstag zum Beispiel, das Tor für Hertha BSC durch Niko Kovac – da stand Kahn ohne Grund am Elfmeterpunkt herum, als wäre ihm dort eine hübsche Magnolie aufgefallen. Oder das Tor für Anderlecht am Dienstag: Warum hechtet der Mann so nah an der Außenlinie dem Stürmer entgegen wie ein Hulk? Auch gegen Celtic Glasgow, Wolfsburg, Island: Kahn macht Fehler. Die Konkurrenten spielen seit Monaten beständig besser. Es wirkt wie ein Signal von oben, dass Timo Hildebrand mit 825 Minuten ohne Gegentor den vermeintlich ewigen Rekord Kahns gebrochen hat. Ein Signal von oben, jawohl, und von Kahn kommt es bestimmt nicht. Noch ein Beweis, dass Kahn nicht Gott ist. Bisher schien es, als bestimme Kahn selbst, wann er abtritt. Wer sich nun aber ganz etwas Ketzerisches traut, sagt sogar voraus: Dieser Mann wird bei der WM 2006 nicht im Tor der deutschen Nationalmannschaft stehen. Sicher, so etwas sagt man lieber leise, sonst haut er einen. Aber dass dieser Gedanke überhaupt entstehen kann, hat fast schon etwas Reformatorisches.“

Heldenhaftes 4:1-Unentschieden

Über die Reaktionen der Verlierer schüttelt Christof Kneer (BLZ 6.10.) den Kopf: “Für die Profis von Hertha BSC muss das ein komischer Sonntag gewesen sein. Man muss das ja erst mal verkraften, wenn einem plötzlich die Medien Mut machen. Im Statistikteil eines Sonntagsblattes fanden die Herthaner ein tröstliches Kästchen, und in diesem Kästchen fand sich nichts als die Wahrheit; dort stand, welche Wettbewerbe Hertha BSC gegen den FC Bayern München alle gewonnen hatte. So gilt es nun also für die Nachwelt festzuhalten, dass die Berliner die Rubrik Ecken (6:1) ebenso für sich entschieden wie die Abteilung Flanken (13:10), und als besonders wärmend darf der Doppelsieg veranschlagt werden, der in den anspruchsvollen Disziplinen Lange Pässe (45:42) sowie Angekommene lange Pässe (58 Prozent zu 55 Prozent) gelang. Hertha hatte ein heldenhaftes 4:1-Unentschieden beim FC Bayern errungen, so war das nämlich. Zwar spuckte die mittels Videotext in den Presseraum gestrahlte Tabelle die Hertha später auf Tabellenrang 15 aus, aber hier musste es sich offenbar um eine Verwechslung handeln. Denn war Hertha nicht jener Klub, der in München mutig nach vorne gespielt hatte, wie der zuständige Trainer Huub Stevens referierte? War Hertha nicht jener Klub, der ab der 15. Minute das Spiel diktiert hatte, wie der Spieler Neuendorf fand? Hat Hertha nicht seit drei Spielen eine Tendenz nach oben, wie der Spieler Hartmann zu Protokoll gab? Handelte es sich, mit anderen Worten, bei Hertha nicht um jene Elf, die sechs der ersten sieben Saisonspiele hätte gewinnen können, wie Manager Dieter Hoeneß bündig bilanzierte? Sie haben schon viel probiert bei Hertha, am Sonnabend, nach dem achten

Elisabeth Schlammerl (FAZ 6.10.) ergänzt: „Huub Stevens rang nach den richtigen Worten, und dabei tat sich der holländische Trainer in Diensten von Hertha BSC Berlin sehr schwer. Er versuchte am Samstag krampfhaft alles abzuwenden, was den Spielern, was vor allem ihm schaden könnte, und verlor dabei ein wenig die richtige Sicht für die Dinge aus den Augen. So lobte Stevens den Mut und die Einstellung seiner Mannschaft, die gerade 1:4 gegen einen nicht gerade überragend spielenden FC Bayern München verloren hatte und damit als einziges Team im deutschen Profifußball noch ohne Sieg in dieser Saison ist. Wenn ich nicht optimistisch bin, wer soll es dann sein?, fragte sich Stevens. Allerspätestens jetzt müssen die hochtrabenden Ziele der Berliner aber stark nach unten korrigiert werden, denn statt um den Titel mitzuspielen, stecken sie mit fünf Punkten nach acht Bundesligapartien mittendrin im Abstiegskampf. Allerspätestens jetzt beginnt für Stevens auch der Kampf um seinen Job, wenngleich er in Manager Dieter Hoeneß einen mächtigen Fürsprecher hat. Der ehemalige Nationalstürmer versucht, die Mechanismen, die immer dann greifen, wenn der Erfolg ausbleibt, außer Kraft zu setzen. Die Mechanismen, die seiner Meinung nach ohnehin von außen produziert werden. Wir haben die Frage nach dem Trainer in den letzten Tagen oft genug beantwortet. Das müssen wir nicht immer neu tun. Das klingt nicht nach bloßem Lippenbekenntnis, Dieter Hoeneß scheint es tatsächlich ernst zu meinen. Vielleicht auch, weil ein neuer Trainer nicht automatisch erfolgreicher ist. Beispiele dafür gibt es genug, und der Berliner Manager führt auch eines an: Mein Bruder weint noch heute, wenn er den Namen Jupp Heynckes hört. Bayern-Manager Uli Hoeneß hatte sich im Oktober 1991 dem Druck der Öffentlichkeit gebeugt, nach einer Negativserie den heutigen Schalker Trainer entlassen und den unerfahrenen Sören Lerby verpflichtet, mit dem es noch weiter abwärts gegangen war.“

sid-Interviewmit Dieter Hoeneß, Manager von Hertha Berlin

VfB Stuttgart – 1. FC Köln 0:0

Peter Heß (FAZ 6.10.) beobachtet anhaltende Euphorie im Schwaben-Land: “0:0 gegen den Tabellenletzten – das hört sich ganz danach an, daß der VfB Stuttgart seine Sternstunde in der Champions League nicht verkraftet hätte. Das klingt nach Sich-feiern-lassen, nach Huldigungen annehmen und die Arbeit verweigern. Aber der Verdacht geht ins Leere. Drei Tage nach dem 2:1 über Manchester United zeigte die Mannschaft von Trainer Felix Magath wiederum die Einstellung, die sie groß machte – allerdings nicht ganz die Klasse, zu der sie fähig ist. Gegen einen 1. FC Köln, der sich mit Haut und Haaren gegen eine Niederlage und damit gegen die Entlassung ihres Trainers Friedhelm Funkel wehrte, ergaben alle Bemühungen nur zwei große Torchancen. Ich bin zufrieden mit dem, was ich gesehen habe, ich kann mit dem Unentschieden gut leben, sagte Trainer Magath mit dem Blick für das Große und Ganze. Die Leistung ist ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem Weg nach oben. Auch das Stuttgarter Publikum fand zu einem milden Urteil. Keiner der 52 000 Zuschauer pfiff nach Ende der Partie, obwohl viele allein von der Erwartung eines Sieges ins Gottlieb-Daimler-Stadion gelockt worden waren. Der VfB konnte am Samstag eine Menge neuer oder seltener Gäste begrüßen. Der Triumph über Manchester wirkte wie eine überzeugende Werbebotschaft, noch nie haben so viele Stuttgarter einem Bundesligaspiel gegen den Tabellenletzten zugeschaut.“

911 Freunde müsst ihr sein

Tobias Schächter (taz 6.10.) fügt hinzu: „Geschichten. Do sin a paar Müde dobei heit, meinte ein Zeitgenosse schwäbischen Zungenschlags, ohne dass man auch nur den Hauch eines Vorwurfs in seinem Ton zu erkennen vermochte. Da waren gerade mal 39 Minuten gespielt im Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion, und die Uhr zeigte 16.24 Uhr an, eine Zeit, in der normalerweise unsägliche Musik und nervende Werbespots die Arenen der Bundesliga in einer Lautstärke beschallen, die den Hardrockern von Motörhead, angeblich lauteste Band der Welt, frech Konkurrenz machen. Aber der Anpfiff musste um 15 Minuten nach hinten verschoben werden: Der Andrang war zu groß, die Menschenschlangen stauten sich fast bis zum Volksfest auf den Cannstatter Wasen. Alle wollten dabei sein, drei Tage nach dem Triumph über Manchester United, dieser magischen Nacht (Stuttgarter Nachrichten), dem größten Fußballfest in Stuttgart überhaupt (Verteidiger Andreas Hinkel). 52.000 waren es am Ende, die auch das müde 0:0 gegen die mauernden Betonmischer aus der Stadt der Schnauzbärte und Sonnenstudios feierten, als hätte Magaths Team soeben die Champions League gewonnen. Die von einem geschätzten Kollegen einmal als Bruddler bezeichneten VfB-Zuschauer, die sperrige Skepsis so lustvoll kultivieren wie sie gerne Spätzle essen, sind in Euphorie. Und vielleicht ist das die größte Leistung, die diese junge, wilde Mannschaft, diese aus der finanziellen Not geborene Überfliegertruppe bisher erreicht hat. Erfreulich, bewertete Trainer Felix Magath das Publikumsinteresse schlicht, bevor der ehemals als Feuerwehrmann und Quälix verschriene Architekt und Maestro des Stuttgarter Wunders sich aufmachte nach Karlsruhe zu Wetten, dass..?. So ändern sich die Zeiten. Jetzt also Magath bei Gottschalk. Geschichten eben. Viele wissen nicht, was möglich ist, meinte Visionär Magath noch vor zwei Wochen, aber die unvergesslichen 90 Minuten gegen van Nistelrooy und Co. lassen plötzlich eine ganze Region ahnen, wie hoch hinaus es dauerhaft mit diesem VfB gehen könnte. Die Stuttgarter Nachrichten sehen rosa Zeiten auf die Roten zukommen. Auch die Wirtschaft hat das Potenzial erkannt, das in deren Erfolg liegt. Der Sportwagenhersteller Porsche wirbt mit dem neuen VfB (911 Freunde müsst ihr sein), und es verdichten sich die Anzeichen, dass es Präsident Erwin Staudt gelingt, Firmen wie DaimlerChrysler und Puma zu großen Investitionen zu bewegen. Noch aber drücken die Schwaben Schulden aus der Ära Mayer-Vorfelder in Höhe von 16,9 Millionen Euro.“

Mittelkreis-Immobilie Lottner

Erik Eggers (FR 6.10.) missfällt die Taktik der Kölner: „Die Szene war verstörend. Soeben war das humorfreie Rückzugsgefecht einer auf blanke Zerstörung bedachten Auswärtsmannschaft beendet worden, hatte der Tabellenletzte aus Köln mit brutaler Destruktivität den Schwung der Stuttgarter so drastisch gebremst, dass man eingedenk des glorreichen Champions-League-Erlebnisses nur von einem Kulturschock sprechen konnte. Doch die rund 3000 Gäste-Fans verschlossen sich jeder ästhetischen Erkenntnis und feierten ihre Spieler enthusiastisch. Es war der Triumph des Zwecks über die Mittel. Mögen Taktikfreunde auch von perfekter Zerstörung fabulieren, Romantiker des Fußballs vom Schlag eines Klaus Toppmöller hätten diese 90 Minuten als Sieg des Bösen disqualifiziert. Gleichwohl durfte man diese Verwüstung eines Fußballspiels nach den zuletzt verheerenden Auftritten des 1. FC Köln erwarten. Journalisten, die das Trainingslager des FC in Stuttgart beobachtet hatten, berichteten mit veritablem Entsetzen von einer höchst einseitigen Vorbereitung: Trainer Friedhelm Funkel reichte stets eine Hälfte des Fußballfeldes, um endlich die Schwächen in der Verteidigung in den Griff zu bekommen. Mit Erfolg: Diesmal begann die Abwehrbereitschaft bereits im prall gefüllten Mittelfeld. Zuträglich war der Fußballverhinderung auch die Maßnahme Funkels, in Cichon einen freien Mann aufzubieten. Der rustikale Abräumer avancierte denn auch bezeichnenderweise zum Helden des Tages. Marius Ebbers, fasste den Charakter dieses Stils breit grinsend in einem Satz zusammen: Thomas Cichon habe ich fast nur mit erhobenem Arm gesehen, als Entschuldigung für all die Bälle, die er auf die Tribüne gedroschen hat. Die Pointe des Tages lieferte schließlich Dirk Lottner. Wir mussten uns daran erinnern, was unsere Basis ist, sagte der FC-Kapitän und sprach von der Ordnung in der Defensive als Grundvoraussetzung. Kölner Fans, die ihn seiner Spielweise wegen hämisch als Mittelkreis-Immobilie bezeichnen, dürften das eher als gelungene Satire werten.“

Thomas Hahn (SZ 6.10.) gratuliert: „Noch ganz von Sinnen und im Fieber freudiger Erregung schreiben wir diese Zeilen nieder, nachdem die Nachricht aus der neuen Hauptstadt, pardon Fußballhauptstadt Deutschlands sich in Windeseile durchs ganze Land fortgepflanzt hat: Rekord! Rekord in Stuttgart! Wo auch sonst, wenn nicht in Württembergs frisch erblühter Kapitale des guten Sportgeschmacks, Festung einer vergessen geglaubten Heilslehre, Bastion gegen den kalten Kommerz. Wie eine mächtige Woge wälzt sich die Begeisterung durch Höfe, Haushalte, Wald, Flur und was man sonst noch so finden kann zwischen Berchtesgaden und Flensburg. Und auf ihrem Scheitel surft majestätisch ein blonder Held in Handschuhen. 825 Minuten in der Bundesliga ohne Gegentor. Im Ernst, Timo Hildebrand, tapferer Torwächter des VfB Stuttgart: Glückwunsch. Bei solch einer Marke glänzt selbst ein 0:0 gegen den 1. FC Köln.“

FAZ-Interview mit Timo Hildebrand

FAZ: Was ist Oliver Kahn für Sie: Kollege, Gegner oder Vorbild?

TH: Vorbild – noch. Er ist schon als Welttorhüter ausgezeichnet worden, und er ist auch der Beste.

FAZ: Sind Sie Ihm näher gekommen?

TH: Ich bin ihm auf jeden Fall einen Schritt näher gekommen. Wenn man in einer guten Mannschaft spielt und die Champions League erreicht, steht man mehr im Blickpunkt. Ich habe fehlerlose Leistungen dabei gezeigt. So kann es weiterlaufen.

FAZ: Was fehlt Ihnen noch auf Kahn?

TH: Alles. Mit 24 ist man als Torwart noch jung und kann auf alles noch eine Schippe drauflegen. Als ich vor der WM 2002 einmal mittrainieren konnte, habe ich gemerkt: Das ist noch ein ganz anderes Niveau. Seitdem habe ich mich schon weiterentwickelt.

FAZ: Zum Beispiel?

TH: Daß ich nicht mehr übermotiviert versuche, unbedingt die Fehler meiner Vorderleute auszubügeln. Als Torwart muß man sein Spiel spielen. Das macht Kahn extrem, und dadurch macht er wenige Fehler.

Hannover 96 – Schalke 04 1:2

It was Simak time

Wie alle anderen Stadion-Besucher vermisst Katrin Weber-Klüver (BLZ 6.10.) Jan Simak: „Es war ein eigentümlicher Wunsch, den das Faltblatt des Hannoveraner Fanprojekts zum Spiel gegen den FC Schalke 04 unters Volk brachte: Endlich wieder praktischer Fußball stand als Überschrift über einem 23 Zeilen langen Text. In dem ging es um die hektischen und ungewissen letzten zwei Wochen, um die Ausfälle einiger Spieler, die ihre Spuren hinterlassen, darum, dass der erwartete Hurrafußball momentan schwer zu realisieren sei. Schließlich wurde festgestellt: Die Mannschaft braucht jetzt sicherlich Zeit, sich neu zu ordnen. Der Grund für diesen beklagenswerten Zustand aber wurde mit keinem Wort erwähnt. Der Mensch, um den es ging, geisterte wie ein Gespenst durch die Zeilen. Namenlos. Er ist jetzt nicht nur einfach abwesend in Hannover, sogar seine Abwesenheit wird versuchsweise für abwesend erklärt. Sie fand im offiziellen Stadionmagazin nicht statt und in der Fankurve nur am Rande, mit einem kleinen Transparent, auf dem stand: It was Simak time.“

Dietrich zur Nedden (taz 6.10.) beschreibt den Hergang des Platzverweises gegen Brdaric: „Rost eilte extra 10 Meter aus seinem Tor, um den am Boden liegenden 96-Stürmer einer Schwalbe zu bezichtigen, demonstratives Gezeter, das der Manipulation des Schiedsrichters dienen sollte. Brdaric erhob sich, nickte zurück und flog, während Rost Gelb sah und anschließend den Journalisten die Freude machte, nachzulegen: Der geht mir schon lange auf den Sack, schimpfte er. Brdaric sei einer, der während des Spiels private Dinger unter der Gürtellinie gegen die Mitspieler rauslässt. Was genau, könne er nicht sagen, sonst dürfe Ihre Zeitung nur an Leute über 18 verkauft werden. Jetzt wissen wir also ziemlich genau, was Brdaric Rosts Meinung zufolge für ein Typ ist. Das lässt sich leider nicht über Jan Simak sagen, dessen ungeklärter Verbleib acht Tage lang über die Grenzen Hannovers hinaus für Aufregung sorgte. Auch im … und der böse Wolf, der Stammkneipe vieler undogmatischer 96-Fans, war nach dem Spiel nicht so sehr die erste Heimniederlage das Superdoopertopthema, sondern das seltsame Verhalten von Hannovers genialischem Spielmacher, welches seine Mannschaftskollegen mächtig verunsichert zu haben scheint. Seit Simaks Wiederauftauchen ist zwar ein ärztliches Bulletin über den sensiblen Tschechen bekannt – Chronisches Erschöpfungssyndrom –, aber der medizinische Laie neigt trotz dieser differenzierten Diagnose zu simplifizierenden Äußerungen wie: der habe sowieso einen an der Waffel und sei garantiert etwas unterbelichtet. Dritte wiederum unterstellen Simak, er wolle mit der Nummer in objektiv ungeschickter Form sich seines Vertrages entledigen. Derweil räkelte sich seine Freundin (Freundin?) in der Bildauf Nackedei-Fotos (96-Trainer Rangnick) unter dem Motto: Jan, komm zurück, was die selbe Zeitung eine Ausgabe später nicht davon abhielt, über das Ende des Simak-Theaters erleichtert zu sein.“

Wenn eine Mannschaft auf hohem Niveau spielen soll, muß sie organisch wachsen

FAS-Interview mit Jupp Heynckes

FAS: Müssen Sie nicht fürchten, für die Fehlplanungen anderer verantwortlich gemacht zu werden?

JH: Es hat im Moment keinen Sinn zurückzuschauen, zu lamentieren. Man könnte vieles diskutieren, aber dadurch wird es nicht anders, nicht besser. Es bringt mir überhaupt nichts, die jetzige Situation damit zu erklären, daß ich manches vielleicht anders vorgefunden habe, als man mir das geschildert hatte. Ich bin mit dem Ist-Zustand konfrontiert und muß versuchen, Lösungen zu finden.

FAS: Wie könnten die Lösungen aussehen? Brauchen Sie neue Spieler?

JH: Wenn eine Mannschaft auf hohem Niveau spielen soll, muß sie organisch wachsen, nicht nur fußballspezifisch, sondern auch zwischenmenschlich. Die Spieler müssen sich verstehen, das darf man nicht unterschätzen, auch in der heutigen Zeit nicht. Wir sind in einer Phase der Restrukturierung, dafür müssen wir Geduld aufbringen. Sonst wird es nichts. Ich glaube, daß man auf Schalke nur diese eine Chance hat. Wir können keine Spieler verpflichten, höchstwahrscheinlich im Dezember auch nicht. Wir müssen aus der Situation heraus junge Spieler eingliedern. Wenn die Rekonvaleszenten zurück sind, haben wir wieder eine bessere Mischung. Die Mannschaft muß sich erst einmal stabilisieren.

FAS: Fehlt es der Mannschaft eher an Klasse oder an gutem Willen?

JH: Auch wenn es manchmal auf dem Platz nicht so aussieht, die Spieler ziehen sehr gut mit. Aber unsere Fehlerquote ist in den entscheidenden Situationen zu hoch. Man kann den Spielern nicht absprechen, daß sie kämpfen und rennen. Unser Torwart Frank Rost sagt mir, daß eine viel bessere Harmonie in der Mannschaft sei als in der vergangenen Saison, ein stärkerer Zusammenhalt und zwangsläufig auch eine größere Disziplin. Es ist nicht so, daß die Spieler nicht wollen. Sie rennen noch viel zuviel und riskieren zuviel in den Zweikämpfen.

FAS: Im Heimspiel gegen Aufsteiger Frankfurt stand nur ein Stürmer in der Startelf. Hat Sie schon der Mut verlassen?

JH: Es fehlen die adäquaten Alternativen. Mit wem wollen Sie da vorne spielen? Aber die Leute haben ja recht. Ich würde auch lieber mit zwei Topleuten in der Innenspitze spielen und dann auf den Außenpositionen auch noch Offensivleute bringen. Für so ein System müssen Sie aber geeignete Angreifer zur Verfügung haben. Die haben wir im Moment nicht.

SC Freiburg – 1860 München 1:0

Ballack der zweiten Liga

Christoph Kieslich (FAZ 6.10.) porträtiert den Freiburger Torschützen vom Dienst: „Vor einem Jahr zum Ballack der zweiten Liga geadelt, ist Bajramovic seine Torgefährlichkeit selbst schleierhaft. Ich suche oft den Strafraum, sagt er, und weiß, daß er mit seinen Kräften haushalten muß. Denn eigentlich ist Bajramovic ein Mittelfeldspieler, der, wenn auch gewaltig, aus der Defensive kommt. Zwischen Torabsicherung und Tordrang die richtige Balance zu finden, ist eine Kunst, die außer Ballack vor allem Bajramovic in der Bundesliga beherrscht. Der in Hamburg aufgewachsene Bajramovic hat auf diese Weise auch schon seiner Nationalmannschaft sehr geholfen. Neulich gegen Norwegen schoß er drei Minuten vor dem Abpfiff das Tor zum 1:0-Sieg. Ein Treffer, der Bosnien-Hercegovina nächsten Samstag die große Chance eröffnet, mit einem Heimsieg gegen Dänemark die Direktqualifikation für die Europameisterschaft 2004 in Portugal zu schaffen.“

Hamburger SV – Borussia Mönchengladbach 2:1

„Und täglich grüßt das 0:1“, schreibt Jörg Marwedel (SZ 6.10.) angesichts der erneuten Hamburger Lethargie in der ersten Hälfte: „Pressekonferenzen mit Kurt Jara zählen derzeit zum Besten, was der Hamburger SV zu bieten hat. Das ist keine wirklich gute Nachricht, denn des Trainers rhetorische Form scheint stark von der fußballerischen Form seiner Profis abzuhängen – je schlechter sie zuvor gekickt haben, desto besser ist ihr Chef hernach. Nach dem Sieg hat sich Jara fast in kabarettistische Höhen geredet. Da hat der Tiroler die eigentlich traurige Tatsache, dass der Flügelspieler Mehdi Mahdavikia schon nach 35 Minuten mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus transportiert werden musste, so kommentiert: „Eigentlich hätte der Arzt noch Zehn mitnehmen müssen.“ Er hat auch eine griffige Formel gefunden für das, was man einen kleinen Aufwärtstrend nennen könnte, stünden die jüngsten Punktgewinne und der Sprung vom vorletzten auf den zwölften Platz nicht in krassem Widerspruch zum „absoluten Katastrophen-Fußball“, den Jara dem Team über zwei Drittel der Spielzeit attestierte: „Drei Spiele, sieben Punkte, 90 Minuten Fußball gespielt.“ Und weil viele sich fragen, weshalb die Fans des HSV noch immer scharenweise in die AOL-Arena einfallen, hat Jara auch dieses Phänomen noch erklärt: „Emotionen von tief bis hoch, davon lebt der Fußball, deshalb kommen 50 000 zu uns.“ Von tief bis hoch – das trifft es ziemlich genau. Schon sieben Mal ist die vermeintliche Spitzenmannschaft in dieser Saison nach unsäglichem Larifari-Fußball in Rückstand geraten; die letzten vier Partien hat man allesamt mit wahren Kraftakten noch umgebogen. Das erinnert an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“; der war auch ein Kassenschlager, obwohl sich das Geschehen ständig wiederholte.“

Ich weiß, daß man einen Krieg gegen dieses Medium nicht gewinnen kann

Frank Heike (FAZ 6.10.) porträtiert den zweifachen Torschützen: „Der impulsive, unbeherrschte Profi, der immer wieder mit den Schiedsrichtern aneinandergerät, von den Fans seines vorletzten Vereins Borussia Dortmund im Jahr 2000 geradezu fortgejagt und zuletzt wegen seiner scheinbar laschen Spielweise sogar von den Anhängern des Hamburger SV ausgepfiffen wurde – das ist die öffentliche Seite von Barbarez. Die nichtöffentliche zeigt einen verletzlichen Charakter, einen feinnervigen Spieler, der Respekt fordert, einen Familienmenschen, der in Hamburg heimisch werden möchte und seit Monaten ein Haus in den Elbvororten sucht. Wer weiß schon, daß Barbarez einer Stiftung, die sich für behinderte und benachteiligte Kinder und Jugendliche einsetzt, mit seinem Namen Geld spendet?Barbarez ist mit etwa 1,8 Millionen Euro der Großverdiener beim HSV. Wenn ihn Deutschlands größte Boulevardzeitung nach einigen schwächeren (oder besser: torlosen) Auftritten kritisiert, gehört auch das zum Geschäft. Doch die Bild sprengte den normalen Rahmen und schien Barbarez zum Sündenbock für den schwachen Saisonstart des HSV auserkoren zu haben. Die Fans lasen, die Fans pfiffen, die Fans riefen beim Spiel gegen Dnjepropetrowsk: Sergej raus! Das störte Barbarez maßlos. Mit der Bild spricht er nicht mehr: Ich weiß, daß man einen Krieg gegen dieses Medium nicht gewinnen kann. Aber ich kämpfe um Respekt.“

Frank Heike (FAZ 6.10.) berichtet Gladbacher Enttäuschung: „Um Marcel Ketelaer hatte sich ein Pulk der Unzufriedenen gebildet. Den kleinen Profi von Borussia Mönchengladbach konnte man inmitten der zornigen Fans kaum erkennen, nur sein blondierter Haarschopf lugte hervor. Seit 15 Monaten geht das so, rief ein Anhänger, wir haben keinen Bock mehr darauf! Eben wollte Ketelaer ansetzen und versuchen zu erklären, warum die Gladbacher seit einem Jahr und drei Monaten auswärts nicht gewonnen haben, als sein guter Wille niedergebrüllt wurde: Wir sind Gladbacher und ihr nicht! Als Ketelaer kopfschüttelnd, ja traurig wegging und die Fans ihn nicht ließen, mußten sogar ein paar behelmte Polizisten kommen und den Spieler aus den Kalamitäten vor der AOL-Arena befreien. Daß der Zorn der Gladbacher Fans sich gerade auf den kleinen, eingewechselten Ketelaer entlud, der sich ihnen ja stellte, war natürlich genauso ungerecht wie der Zeitpunkt der Explosion: Borussia Mönchengladbach hatte das beste Auswärtsspiel der vergangenen Monate gemacht. Aber leider nur sechzig Minuten lang, so daß nicht mehr als eine knappe Niederlage mit der Aussicht auf auswärtige Besserung wurde. Doch die ewige Hoffnung reichte den Fans an diesem Nachmittag nicht.“

VfL Bochum – 1. FC Kaiserslautern 4:0

Fußballfreunde sind offenbar nachtragend

Richard Leipold (FAZ 6.10.) beschreibt die Unzufriedenheit Peter Neururers mit der Resonanz im Bochumer Umfeld: “Der höchste Sieg seit mehr als sechs Jahren war in den Augen des Fußball-Lehrers nur die halbe Wahrheit des Bochumer Freudentages. Neururer versteht sich auch als Marketingstratege. Nicht erst seit er den VfL trainiert, kennt ihn die Branche als Vollblutverkäufer der Ware Fußball. Als Vertriebsleiter fühlte Neururer sich nach dem Schlußpfiff noch schlechter als vorher, beinahe deprimiert. Obwohl seine Mannschaft daheim neuerdings ein Qualitätsprodukt anbietet, bleibt die Nachfrage auf niedrigem Niveau. Das Spiel gegen Kaiserslautern wollten im Ruhrstadion kaum mehr als 20 000 Zuschauer sehen. Gemessen an der Leistung auf dem Rasen ein unwürdiger Rahmen, jammerte Neururer. Was sollen wir noch machen? Attraktiver als jetzt können wir mit dieser Mannschaft nicht spielen. Die Zuschauer erlebten im Ruhrstadion ein Fußballspektakel, und sie seien näher dran als anderswo, wenn die Spieler Blut, Schweiß und Tränen vergießen. So hübsch ihr Spiel anzuschauen sein mag: Die Bochumer brauchen viel Zeit, um ihre sportlichen Altlasten abzutragen. Der Pendelverkehr zwischen erster und zweiter Liga hat Teile des Publikums mißtrauisch, ja verdrossen gemacht. Dem VfL geht es wie einem Verbraucher, der lange auf Pump gelebt hat. Wenn der Schuldner wiederholt in Verzug geraten ist, schafft die eine oder andere Ratenzahlung, gerade auf dem Konto der Emotionen, noch kein Vertrauen. Die umworbenen Fußballfreunde sind offenbar nachtragend.“

Immer noch tut sich der VfL schwer im Schatten der Riesen aus der Nachbarschaft

Christoph Biermann (SZ 6.10.) fügt hinzu: „„Von unserem vierten Stock sehen wir die Turnhalle, und die ist immer voll“, sagte Neururer, der in Gelsenkirchen-Buer wohnt und von zu Hause aus die Arena von Schalke sehen kann. Ungerecht findet er das, und wirklich ist es in dieser Saison bislang vergnüglicher gewesen, sich den VfL Bochum anzuschauen als Schalke. Keine große Fußballkunst bieten sie, aber hochwertiges Handwerk, das die finanziellen Möglichkeiten deutlich übersteigt. Wie schwer zudem eine Stabilisierung im Mittelfeld der Tabelle geworden ist, zeigt das verzweifelte Ringen ungleich größerer Vereine wie Borussia Mönchengladbach und 1.FC Köln. Neururer hatte vor der Saison von „Plus Eins“ gesprochen, also den neunten Platz aus dem Vorjahr um eine Position zu verbessern. Nach einem Viertel der Saison scheint das nicht unrealistisch, obwohl mit Thomas Christiansen der erfolgreichste Angreifer nach Hannover wechselte. Das Sturmduo Hashemian/Madsen ist gefährlich und effektiv, daneben gibt es den Gelegenheitszauberer Wosz, den eleganten Thomas Zdebel und den erstarkten Oliseh, den Kämpfer Sören Colding und den weit überdurchschnittlichen Keeper Rein van Duijnhoven zu bestaunen. Die gut ausbalancierte Mischung fügt sich zu einer funktionierenden Mannschaft, die als solche auftritt und „wie gemalt ist für die Erlebniswelt Ruhrstadion“, findet Neururer. Doch immer noch tut sich der VfL Bochum schwer im Schatten der Riesen aus der Nachbarschaft, die fast komplett das Interesse des Publikums im Ruhrgebiet absorbieren. Selbst seine eigenen Versuche, durch lautes Getrommel für Aufmerksamkeit zu sorgen, hält Neururer inzwischen nicht mehr für wirksam: „Mein dämliches Gelaber will sowieso keiner hören.“ Die Chance des Schnauzbarttrainers und seiner Bochumer liegt in einer Verlängerung der Serie von fünf Spielen ohne Niederlage gerade in den beiden kommenden Begegnungen. Zunächst geht es da in besagte „Turnhalle“ des Nachbarn in Gelsenkirchen, dann kommt Borussia Dortmund aus seinem Colosseum am Ruhrschnellweg angereist. Der Charme trutziger, kleiner Dörfer besteht halt darin, übermächtigen Imperien zu widerstehen und sie manchmal richtig zu ärgern.“

Eintracht Frankfurt – Borussia Dortmund 0:1

„Die Frankfurter zeigen, dass auch ihr Bestes wohl zu schlecht für die Bundesliga ist“, kommentiert Ingo Durstewitz (SZ 6.10.) die Frankfurter Leistung: „Matthias Sammer, Dortmunder Trainer im schmucklosen Trainingsanzug und in der Branche für seine Widerborstigkeit bekannt, bleckt die Zähne. Er schiebt die Mundwinkel nach oben, lässt die Augen leuchten. Ja doch, er lacht, der stets meckernde Rotbart, in Fernsehkameras, in Mikrofone und Diktiergeräte, er grinst sogar während der Pressekonferenz. Auch die Reporter freuen sich, weil sie mal nicht unwirsch angeblafft werden. Eitel Sonnenschein also an diesem nasskalten Samstagnachmittag auf der Baustelle Waldstadion in Frankfurt am Main. 1:0 hat Borussia Dortmund gewonnen, nach 294 Tagen und elf erfolglosen Versuchen auf fremden Terrain mal wieder drei Zähler eingetütet – da geht selbst die Kratzbürste auf Schmusekurs. „Vielleicht war der Sieg ein bisschen glücklich“, befindet Sammer – und übt sich lächelnd in Nachsicht, „aber ich sage Ihnen etwas: Das ist mir egal.“ Zwei Meter weiter sitzt sein Kollege Willi Reimann, schüttet Milch in den Kaffee und stiert Löcher in die Wand. Die kollektive Heiterkeit im engen Presseraum prallt an ihm ab. „Alles gegeben, alles versucht, es hat nicht gereicht – Danke.“ Aber nicht nur der Frankfurter Vordenker sieht aus, als sei der Abstieg schon am achten Spieltag besiegelt worden, auch den Spielern steht die Ernüchterung ins Gesicht geschrieben, man kennt das mittlerweile: die Mienen versteinert, der Blick leer, die Köpfe gesenkt, die Schultern hängend. Kapitän Alexander Schur, bester Mann und treuer Kämpfer in Schwarz-Rot, dient durchaus als Sinnbild einer angeschlagenen Frankfurter Fußballmannschaft: Der Resolute schleppt sich mit einer mühsam geflickten Platzwunde am Kopf in den Vip-Raum. Dritte Niederlage im vierten Heimspiel (einziger Punktgewinn ein glückliches 0:0 gegen tumbe Herthaner), allesamt gegen Kontrahenten, die entweder einen rabenschwarzen Tag erwischt hatten (Leverkusen, 1:2), schwer angeknockt waren (Kaiserslautern, 1:3) oder ohne elf Stammkräfte auskommen mussten (Dortmund, 0:1) – das hinterlässt Spuren.“

Roland Zorn (FAZ 6.10.) erfreut sich an der „Erkenntnis, daß die vor kurzem noch als verwöhnt und nicht hart genug gegenüber sich selbst eingeschätzten Dortmunder Widerstandsgeist bewiesen und Kampfesmut unter erschwerten Umständen offenbarten.“

morgen auf indirekter-freistoss: die Sonntags-Spiele in Bremen und Leverkusen

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen – Torschützen – Zuschauerzahlen NZZ

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