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Ballschrank

Bayer Leverkusen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Bayer Leverkusen

Die Schlagzeilen der deutschen Tageszeitungen befassen sich in erster Linie mit dem abstiegsbedrohten Bayer Leverkusen. „Der rheinische Patient“ (taz) verlor nämlich erneut: dieses mal mit 1:2 in Bochum an der alten Wirkungsstätte des Bayer-Coachs Klaus Toppmöller, der sich allen Vermutungen zum Trotz noch im Amt hält. Jedoch wertet die SZ die von Manager Reiner Calmund getätigte Rückendeckung als „Freispruch zweiter Klasse“ und empfindet die Lage des Werksvereins als paradox: „Man hätte es fast vergessen, Leverkusen spielt wirklich noch in der Champions League“, so als ob es sich bei der Teilnahme an diesem lukrativen Wettbewerb um eine historische Altlast handeln würde.

„Die schönste Woche des Jahres in der Pfalz“, schreibt die FAZ, nachdem man sich dort durch das 2:0 über Borussia Mönchengladbach dem rettenden Platz 15 angenähert hat. Doch die von dem glücklichen Erfolg ausgehenden Signale sind nicht eindeutig: Einerseits sei der lange vermisste „Geist des Berges“ zurückgekehrt, begrüßt die SZ die alte Heimstärke des 1. FC Kaiserslautern. Andererseits beginne „die einst von unerschütterlicher Treue geprägte Verbindung zwischen Fans und Verein sich in ihrer bundesweiten Einzigartigkeit aufzulösen“, wie die FR das Pfeifkonzert der FCK-Fans nach der Einwechslung von Altstar Ciriaco Sforza kommentiert. Jedenfalls „ist das Glück zurückgekehrt an den Betzenberg, jetzt fehlt nur noch das Geld“ (FAZ).

Zwei Beobachtungen aus dem TV-Sport vom Wochenende: „Viele haben“ wie der Tagesspiegel, „ihren Augen und Ohren nicht getraut“, als der ehemalige FCK-Boss Jürgen „Atze“ Friedrich – in ein Schafpelz gewandt – im ZDF-Sportstudio seine Unschuld an der finanzielle Misere des hoch verschuldeten Klubs beteuerte. Und: Die Macher der SAT1-Fußballshow ran bewiesen aufs neue Sprachsensibilität, als sie den ersten Heimsieg des VfL Wolfsburg im neuen Stadion folgendermaßen beschrieben: „Jetzt haben sie endlich ihre Wolfs-Burg!“ Außerdem: Greift die „ruhelose Rasselbande“ (FTD) aus Stuttgart nach dem 1:0 über Titelverteidiger Dortmund in den Meisterschaftskampf ein?

Bernd Müllender (FTD 10.2.) kommentiert die Lage der Liga augenzwinkernd. „Dieses Land, einst groß und prächtig, ist ökonomisch angefressen wie ein Fußballtrainer nach dem vermeidbaren Ballverlust. Politisch spielen wir sogar, so die Bilanz der vergangenen Woche, nur noch in der gleichen Liga wie die Abseitsstaaten Libyen und Kuba. Deutschland torkelt bergab. Und die Bundesliga ist Schicksalsgenosse auf dem Weg nach unten. Die Tabelle als Beleg – es gibt fast nur noch Abstiegsduelle. Ab Platz acht tobt der Existenzkampf jeder gegen jeden, ein Sumpf aus Agonie, Dilettantismus und Depression: German Ängst in Deutschland einig Abstiegsland. Besonders schlimm steht es auch im Fußball um den Osten, wie die Offenbarung der Hilflosigkeit zwischen Rostock und Cottbus belegte. Auch auf dem Betzenberg, der Hochburg der Hochstapler, wo Stürmer schon verpfändet und mit Rechteverkäufen an den Spielern die Finanzämter locker ausgedribbelt wurden, gurkte der pfälzische Insolvenz-Kandidat seinem Chaos angemessen. Ab Tabellenplatz zwei, wo jeder gegen jeden verliert, herrscht Mittelmaß ohne Konstanz und Klasse.“

VfL Bochum – Bayer Leverkusen 2:1

Bei den Reaktionen des Leverkusener Managers Reiner Calmund nach der Niederlage in Bochum hat Erik Eggers (FTD 10.2.) genau hingehört. „Die Klubführung will zwar auch nach der Niederlage in Bochum bei den Fans und auch bei den Spielern positive Stimmungen für den Trainer ausgelotet haben. Doch überdeckt diese Grundsympathie bei weitem nicht diejenigen Fehler, die ihm seitens des Vereins in aller Öffentlichkeit vorgeworfen wurden. „Ich hätte nicht kurz vor Schluss versucht, vorn das 2:1 zu machen“, konstatierte Calmund zum Beispiel ein taktisches Fehlverhalten seines Trainers in Bochum, in solch einer Situation müsse man den Punkt sichern und dürfe man nicht in einen Konter laufen. Weiterhin kündigte Calmund an, in Zukunft sogar in Aufstellungsfragen eingreifen zu wollen. „Wir werden jeden, der irgendwie angeschlagen ist, in der Champions League schonen“, so Calmund, weil es fortan nur und ausschließlich um den Klassenerhalt gehe. „Ein Bernd Schneider zum Beispiel wird jetzt nicht sechs oder sieben englische Wochen spielen.“ Diese klare Anweisung wird Toppmöller in heutigen Gespräch „von ganz oben“ bekommen, und diese beschneidende Vorgabe allein belegt den fortschreitenden Autoritätsverlust eines Coachs, der vor wenigen Wochen noch zum „Trainer des Jahres“ gewählt wurde. Dass Toppmöller nach dem Spiel in Bochum von einer „kleinen Krise“ gesprochen hat, und davon, dass die Mannschaft immerhin noch in Champions League und DFB-Pokal vertreten sei, auch damit wird er sicherlich in dem heutigen Gespräch konfrontiert werden, und er wird spätestens dann wie ein Schüler dastehen, der seine Hausaufgaben nicht erledigt hat. „Da können wir doch nicht von kleiner Krise reden“, kommentierte Calmund diese Aussage wütend, wo doch der „Supergau Abstieg“ drohe. Sie werfen ihrem Trainer also nicht weniger als Realitätsverlust im Abstiegskampf vor, ein Attribut, mit dem bisher nur wenige Trainer diesen erfolgreich bestritten haben.“

Andreas Burkert (SZ 10.2.) meint dazu. “Im Schauprozess gegen den prominenten Fußball-Lehrer Klaus Toppmöller ist ein erster Richterspruch ergangen. Das chemisch-rheinische Amtsgericht zu Leverkusen verurteilte den Angeklagten wegen unterlassener Hilfeleistung in besonders schwerem Fall zum Verlassen des Arbeitsplatzes, setzte die Strafe allerdings zur Bewährung aus. Die Jury um den Vorsitzenden Richter Calmund verwies in ihrer Urteilsbegründung auf die in letzter Minute im Rahmen einer Sonderermittlung in Bochum erhaltenen Indizien, die trotz des erneuten Spielverlustes Hinweise auf nahende Linderung und Schadensbegrenzung erbracht hätten. Strafmildernd wirkten sich für Toppmöller auch besondere Verdienste aus, die er sich kurz vor seinem Serienvergehen für den Klub erworben habe. Erwähnung fanden zudem die von Sympathie geprägten Zeugenaussagen der Mannschaft sowie der 800 Sachverständigen aus den Fanklubs, deren Vernehmung aus Platzgründen in der Bürgerhalle in Leverkusen-Wiesdorf hatte stattfinden müssen. Prozessbeobachter äußerten indes ihre Befürchtung, Toppmöller sei schon im nächsten Heimspiel gegen Rostock oder darauf in Hannover von einem Rückfall bedroht. Dies werde mit hoher Wahrscheinlichkeit den sofortigen Entzug der Leverkusener Zuneigung zur Folge haben.“

Roland Zorn (FAZ 10.2.) beleuchtet die Perspektiven von Toppmöller. „Romantiker leiden an der Realität, die sich fast nie so spiegelt, wie Schwärmer sie gern sähen. Klaus Toppmöller ist ein bekennender Fußball-Romantiker. Auch deshalb mögen ihn die Fans ganz besonders. Einer, der seine Träume zu leben versucht, erreicht die Herzen derjenigen, die dieses Spiel lieben. Für Toppmöller ist der Fußball eine Lebenschance, das Unmögliche zu wagen und Visionen in Wirklichkeit zu verwandeln. Soviel zum Ideal. Zurück zu den Tatsachen: Sie schauen bei Bayer Leverkusen furchterregend aus. Die Mannschaft, die in der vergangenen Saison von sich selbst berauscht schien und erst in den Endspielen als glorreicher zweiter Sieger Albträume auf höchstem Niveau verkraften mußte, diese Mannschaft gibt es nicht mehr. Inzwischen hat es der Trainer Toppmöller mit einem Team zu tun, das mal ein Torso, mal ein Ensemble der Pechvögel, mal eine Auswahl von Phantasten ist. Mit der Mentalität eines Hans Guckindieluft wurde aus einer europaweit umjubelten Equipe ein allseits bedauerter Abstiegskandidat. Und mittendrin ein Fußballehrer, der lange nicht wahrhaben wollte, was unter seinen Augen und seiner Verantwortung schiefgelaufen ist.“

„Klaus Toppmöller hat mal wieder ein Endspiel verloren“, schreibt Martin Teigeler (taz 10.2.). „Die 90 Minuten im Bochumer Ruhrstadion waren eine Reprise der laufenden Bayer-Saison. Leverkusen hatte seinen Anteil an einem unterhaltsamen Fußballspiel, musste jedoch wie so oft in dieser Spielzeit verletzte Leistungsträger auswechseln und die Punkte dem Gegner überlassen. Der dreimalige Vize-Champion bestimmte ohne die gesperrten Bastürk und Ramelow die erste Spielhälfte vor 20.643 Zuschauern. Die Mehrheitsverhältnisse zwischen den beiden Strafräumen sprachen für Bayer. Doch Marko Babic und Neuzugang Radoslaw Kaluzny beendeten die zumeist vom kommissarischen Kapitän Bernd Schneider inspirierten Spielzüge mit mangelhaften Torabschlüssen. Der VfL Bochum hingegen verließ sich in der ersten Halbzeit ganz auf seinen starken Torwart Rein van Duijhoven – mit Erfolg. Sehr schnelle Lerneffekte attestierte VfL-Trainer Neururer seiner Elf denn auch rückblickend. Nach der Pause nämlich agierte der Aufsteiger spielstark wie zu Saisonbeginn. Der altmodische Regisseur Dariusz Wosz und der neue Bochumer Star Paul Freier bedrohten Bayer nun mit ihrem zuletzt fehleranfälligen Kurzpassspiel (…) Seinen Spieler Jan Simak hatte Klaus Toppmöller unlängst als Pflegefall bezeichnet. Wie ein solcher musste sich der Bayer-Trainer am Samstag selbst vorkommen. Bei der Pressekonferenz stellten die Journalisten nicht eine einzige Frage und nahmen Toppmöllers Spielanalyse rücksichtsvoll schweigend zu Protokoll, als handele es sich dabei um ein letztes, niederschmetterndes Bulletin. Auch der gegnerische Trainer verhielt sich wie bei einem Krankenbesuch. Neururer blickte dem Kollegen tief in die Augen und tätschelte ihm aufmunternd den Arm.“

Leverkusener Reaktionen SZ

VfB Stuttgart – Borussia Dortmund 1:0

Oliver Fritsch (FTD 10.2.) entdeckt einen schwäbischen Lernprozess. „Im bisherigen Verlauf der Saison der Fußball-Bundesliga kam der mit zahlreichen Jugendspielern aus der eigenen Talentschmiede gespickte VfB Stuttgart mit der Rolle des David insgesamt ganz gut zurecht. Schließlich schnuppert man dort mittlerweile an der Teilnahme zur lukrativen Champions League. Doch immer wenn die inzwischen zum Sympathieträger der Fußballnation gewandelten Schwaben auf einen Goliath aus München, Bremen oder Gelsenkirchen trafen, zahlten die Unerfahrenen Lehrgeld. Es ist gerade zwei Monate her, dass das verwöhnte Stuttgarter Publikum erhoffen durfte, durch einen Erfolg gegen Tabellenführer Bayern München in den erwähnten Kreis der Etablierten aufzuschließen. Doch nach ansehnlichem Spiel blieben den Spielern von Trainer Felix Magath nur Komplimente, die Punkte musste man den Gästen überlassen. Offensichtlich hatten die „jungen Wilden“ dieses Mal ihre Lektion gelernt. Noch einmal wollte man sich nicht von einem ausgebufften Konkurrenten auskontern lassen.“

Zur Rolle des bulgarischen Spielmachers in der VfB-Elf heißt es bei Michael Ashelm (FAS 10.2.). „Balakow hält sich derweil außerhalb des Platzes zurück und möchte, solange der Folgevertrag nicht unter Dach und Fach ist, keine öffentlichen Kommentare abgeben. Auf dem Feld redet er dagegen ein gewichtiges Wörtchen mit, organisiert die Offensive und leitet die unerfahrenen Kollegen. Arbeitet sozusagen als Entwicklungshelfer für die junge Garde der Schwaben – von Andreas Hinkel bis Kevin Kuranyi. Vor allem des erst 21 Jahre alten technisch versierten Aliaksandr Hlebs hat sich Balakow ganz besonders angenommen. Der hochtalentierte, aber labile Weißrusse soll nämlich irgendwann in seine Fußstapfen treten. Die beiden kommen aus der gleichen Ecke Europas und können sich natürlich gut verständigen. ,Bala‘ ist für Hleb eine Art Mentor, sagt Felix Magath, der aus dem talentierten Individualisten in einigen Jahren einen Spitzenspieler machen will. So einfühlsam und kollegial wie heute hat sich Balakow nicht immer verhalten. Lange Zeit galt der Bulgare als schwieriger Typ, der vor allem seine Trainer in Atem hielt. Die Diva drehte dabei immer am großen Rad, mischte sich in die Vereinspolitik des VfB Stuttgart ein. Wer sich mit ihm anlegte, war eigentlich schon verloren. Auch seinem Treiben hinter den Kulissen ist es zuzuschreiben, daß Fußball-Lehrer wie Winfried Schäfer oder Ralf Rangnick vorzeitig ihren Platz auf der Trainerbank räumen mußten. Leck mich am Arsch, sagte er einmal zu Rangnick, als der ihn vom Feld nahm. Einen mißliebigen Journalisten soll Balakow 1998 auf dem Weg zum Europapokal-Finale nach Stockholm im Flugzeug geschlagen haben. Die ARD-Sportschau gab ihm den Titel Stinkstiefel des Monats. Gute Kontakte zur Vereinsspitze haben den machtbewußten Spielmacher immer vor weitreichenden Konsequenzen bewahrt (…) Immer hat es diese zwei Seiten des Krassimir Balakow gegeben. Mal der krachende Ärger, mal der große Zauber. Als Zentrum des magischen Dreiecks führte der Mittelfeldregisseur mit seinen Freunden Giovane Elber und Fredi Bobic den VfB zum DFB-Pokalsieg im Jahr 1997. Und Balakow gab auch gute Denkanstöße. Die Verpflichtung zusätzlicher Trainer und Masseure und der Aufbau eines modernen medizinischen Zentrums auf dem Vereinsgelände gehen auf sein Konto. Im Gegenzug setzte Balakow seine Konditionen durch. Im Jahr 1997 unterzeichnete er unter dem vorhergehenden Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder einen wunderbaren Fünfjahresvertrag, der in der Bundesliga seinesgleichen suchte. So wird auch jetzt noch die satte Jahressumme von rund drei Millionen Euro fällig, weil ihm in einer Zusatzklausel zugesichert wurde, daß sich der Vertrag immer um eine Saison verlängert, wenn ein Arzt Bala für bundesligatauglich hält. Rolf Rüssmann, der vor Weihnachten entlassene VfB-Manager, versuchte sich an der Modifizierung des Vertragswerks und scheiterte. Wer Balakow nimmt, wie er ist, und ihn dazu noch bei der Meinungsbildung einbindet, hat mehr Freude an ihm.“

Bayern München – Hamburger SV 1:1

Ralf Wiegand (SZ 10.2.) betrachtet den Ausgleich des HSV-Stürmers Takaharas kurz vor Spielende als „eine gelungene Pointe für einen Tag, der im Zeichen Ostasiens stand. Neulich hatten die Bayern mal laut darüber nachgedacht, sich auch irgendwie an der Kolonialisierung des asiatischen Sport-Marktes zu beteiligen, wie es Sitte geworden ist im westlichen Fußball-Kapitalismus. Die Marke FC Bayern hat weltweit einen guten Klang und ist ein Synonym für Deutschland wie Neuschwanstein, Kindergarten und Pickelhaube. Wie das künftig aussehen wird, konnte man gestern schon bestaunen, als es sich die beträchtliche Gefolgschaft des Sushi-Stürmers Takahara aus Hamburg im Olympiastadion gemütlich machte, oder wenigstens so gemütlich, wie das bei fünf Grad Minus eben geht. Es ist ja bekannt, dass die japanische Presse großen Anteil nimmt an den Auslandskarrieren ihrer Fußballer, Takahara begleiteten gut zwei Dutzend Landsleute aus beruflichen Gründen ins Land der Bayern. Sie werden viel berichten können. Der FC Bayern aber beschenkte die asiatischen Gäste nicht nur mit der Spielaufstellung in japanischen Schriftzeichen, sondern auch mit einer auf japanisch abgefassten Presseerklärung zu den neuesten Expansionsplänen. Das Land des Lächelns darf sich auf eine Marketingoffensive gefasst machen, die natürlich ihresgleichen sucht: „Mit Intensität, Engagement und einem erstklassigen Konzept” werde man sich dem „nach Europa wichtigsten Markt“ widmen, sagt Karl-Heinz Rummenigge, weshalb sich der Chef des FC Bayern mit Partner adidas auf eine Kooperation verständigte, bei der auch noch schöne Reisen rausspringen. Am 15. Mai präsentieren die Bayern und ihr Ausrüster die Ideen in Tokio dem japanischen Volk, das in absehbarer Zeit auch den ganzen Münchner Kader bewundern wird dürfen, denn Japan wird mit „mindestens einem Spiel“ (Rummenigge) Station einer Asientour des Rekordmeisters sein. Im Gepäck werden die Deutschen dann auch eigens für den japanischen Markt kreierte Klamotten-Kollektionen, DVDs und Bücher haben, außerdem ist ein Internet-Auftritt des Klubs auf japanisch geplant.“

Hertha Berlin – Schalke 04 4:2

Nicht nur Frank Ketterer (taz 10.2.) sah ein sehr gutes Spiel. „Im Leben kommt so etwas ja vor: dass aus heiterem Himmel etwas ziemlich Großes geschieht und man selbst es nicht recht glauben mag, weil es ganz einfach zu groß ist und viel zu schön. Das Herz bummert plötzlich ein wenig wilder, die Hände schwitzen, und selbst härteste Männer bekommen dann diesen weichen Blick und sagen Sätze, die sie noch vor kurzem für ziemlichen Unfug gehalten hätten. Mit Dieter Hoeneß ist das am Samstag passiert, nur 90 Minuten hat es dazu gebraucht. Danach stand der Manager, der schon auch mal über seine Mannschaft schimpfen kann, mit kalter Nase und heißem Herzen in den Katakomben des eisigen Berliner Olympiastadions und ließ seinen Gefühlen freie Bahn. Das war Fußball zum Verlieben, säuselte Hoeneß da. So schwärmerisch hat man den Mann lange schon nicht mehr von seiner Hertha reden hören, es gab ja auch lange keinen Grund, in der laufenden Saison schon gleich gar nicht. Bis Samstag eben, bis Schalke kam – und mit einem 2:4 im Gepäck wieder ging. Doch das ist nur das Ergebnis – und sagt noch lange nichts aus über das Wie. Genau davon aber waren sie ja alle so angetan.“

Friedhard Teuffel (FAZ 10.2.). „Als nett gemeinter Rempler gegen seine Mannschaft war Stevens‘ Spielanalyse zu verstehen. Spielerisch die beste Saisonleistung, ja, aber es hätten noch drei, vier Tore mehr fallen müssen. Manager Dieter Hoeneß ließ dagegen seine Gefühle offen sprechen: Das war Fußball zum Verlieben. In dieser Aussage klangen die Entzugserscheinungen mit, unter denen Hoeneß in den vergangenen Wochen und Monaten litt. Wenn die Hertha gewonnen hatte, dann oft im Stile einer Gruppe von Schnäppchenjägern im Winterschlußverkauf: Mit dem erstbesten Griff gleich viel erreichen wollen, es kann ruhig auch mal billig aussehen. Lange gehalten hat die Freude darüber aber nicht. Auf einen Sieg folgte meistens eine Niederlage oder ein langweiliges Unentschieden. Insofern steht das Spiel am Samstag erst einmal nur für sich. Es gibt keine Auskunft über eine Entwicklung, sondern nur über das, was eigentlich möglich wäre in Berlin.“

Spielbericht SZ

Interview mit Arne Friedrich Tsp

Hannover 96 – 1. FC Nürnberg 4:2

Zur Reaktionen des Nürnberger Trainers nach dem Spiel lesen wir von Jörg Marwedel (SZ 10.2.). „Das Spiel war eine halbe Stunde vorüber, als Klaus Augenthaler sich noch einmal mächtig aufregen musste. Jemand hatte ihm zugetragen, dass nur drei Profis des 1. FC Nürnberg nach Schlusspfiff zum Block der mitgereisten Fans getrabt waren. „Typisch“, zischte der Club-Trainer, „die verstecken sich. Das sind doch keine Kerle.” Augenthaler hatte sofort ein Problem grundsätzlicher Natur erkannt – den Zusammenhang zwischen dem Verhalten auf dem Rasen und außerhalb des Spielfeldes. Wer also bis dato allein dem vermeintlichen Fußball-Weisen Adi Preißler („Wat zählt, is’ auf’m Platz“) geglaubt hatte, zog nun einen weiteren Schluss aus dem 2:4 der Nürnberger in Hannover und dem Fehlstart ins Jahr 2003. Nämlich: Es wird auch in dieser Saison ganz eng im Abstiegsschlamassel. Weil die Mannschaft aus mindestens acht Feiglingen besteht.“

Thomas Kilchenstein (FR 10.2.) über den Matchwinner. „Als Mohammadou Idrissou das erste Mal richtig Fußball spielte, war er 15 Jahre alt und hatte so ein komisches Gefühl da unten. Es war nämlich so, dass der Schlaks Fußballschuhe mit Stollen trug, und das war er überhaupt nicht gewohnt. Gewohnt war Idrissou seit frühester Kindheit, mit Kumpels auf den staubigen Straßen Yaoundes, seiner Heimatstadt, zu bolzen, und zwar barfuß. Und jetzt, da er im Fußballinternat Ecole de Foot ernsthaft den Ball vor sich hertreiben sollte, da störte ihn der Schuh, er hatte kein richtiges Gefühl im Fuß. Also ist Mo nach einer Viertelstunde an die Außenlinie gerannt und wollte sich der ungewohnten Treter entledigen. War aber nicht erlaubt, selbst in Kamerun nicht. Das kann der inzwischen 22-Jährige heute fröhlich erzählen. Mittlerweile trägt er natürlich Schuhe und er trifft auch weiterhin. Gleich drei Mal hintereinander binnen 15 Minuten, es war sein erster Hattrick im bezahlten Fußball und seine Tore sechs, sieben und acht. Nicht schlecht für einen, der zu Saisonbeginn für 300.000 Euro Ablöse vom hessischen Regionalligisten SV Wehen an die Leine geholt wurde und nicht unbedingt gleich als allererste Wahl galt. Idrissou selbst freilich war immer von sich überzeugt, drei Tore sind für einen guten Stürmer doch ganz normal, sagte er nach dem Gala-Auftritt. Ohnehin hat er zu Beginn der Saison seinem Trainer Ralf Rangnick 15 Tore versprochen, da wurde es ja mal wieder Zeit zu treffen.“

Nach Auffassung von Sascha Zettler (FAZ 10.2.) ist der Arbeitsplatz von 96-Coach Ralf Rangnick nunmehr sicherer. „Herzlichkeiten, gerade gegenüber Ralf Rangnick, waren bis jetzt nicht die Sache von Martin Kind. Deutschlands größter Hörgerätehersteller war in den vergangenen Wochen in erster Linie in die Schlagzeilen geraten, weil er sich als Präsident von Aufsteiger Hannover 96 nicht nur an der in Niedersachsen entflammten Trainerdiskussion beteiligt, sondern sie bisweilen gar selbst angeheizt hatte. Am vergangenen Wochenende hingegen war plötzlich alles anders. Wir haben mit sieben Punkten einen super Start in die Rückrunde hingelegt, sagte Kind nach dem verdienten 4:2-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg strahlend – und schlug sich auch wieder auf die Seite von Rangnick: Das ist der beste Trainer, seit ich hier Präsident bin. Und er identifiziert sich total mit 96. Neue Töne also in Hannover. Auch der Beginn einer neuen Harmonie zwischen Kind und Rangnick? In erster Linie ist es eine Zweckgemeinschaft. Kind schätzt Rangnick aufgrund dessen Erfolgen im Aufstiegsjahr; er hatte nach dem sportlichen Absturz kurz vor Weihnachten aber auch viel an Vertrauen in den Trainer verloren. Ergebnisse seien nun mal entscheidend, argumentierte Kind – deutlicher hätte er dem Schwaben Rangnick dessen Verfallsdatum als Fußball-Lehrer von Hannover 96 nicht erläutern können. Daß Rangnick immer noch Trainer in der Landeshauptstadt ist, hat einen simplen Grund: Resultate geben nun mal den Ausschlag. Und die stimmen im Jahr 2003 wieder. Und mehr noch: Gegen den 1. FC Nürnberg bewies Hannover 96, daß es auch ohne Torjäger Fredi Bobic sportlich vorankommen kann.“

1. FC Kaiserslautern – Borussia Mönchengladbach 2:0

Peter Heß (FAZ 10.2.) resümiert die Situation der Lauterer. “Das Glück ist zurückgekehrt an den Betzenberg, jetzt fehlt nur noch das Geld. Durch ein erstolpertes 2:0 über Borussia Mönchengladbach hat der 1. FC Kaiserslautern den letzten Tabellenplatz der Bundesliga wieder an Energie Cottbus abgegeben. Der rettende 15. Tabellenrang erscheint wieder erreichbar – auch ohne Fußball-Wunder. Bis die Finanzen geordnet sind, wird es noch dauern. Rene C. Jäggi, der Vorstandsvorsitzende des von der Insolvenz bedrohten 1. FC Kaiserslautern, gab sich nach der schönsten pfälzischen Fußballwoche dieser Saison mit einem Auswärtspunkt in Schalke, dem Einzug ins Pokalhalbfinale und dem Heimsieg über Gladbach keinen Illusionen hin: Die Erfolge verändern nicht die Zahlen. Banker sind durch so etwas nicht zu beeindrucken. Aber durch Bilanzen. Die rund 40 Millionen Euro Verbindlichkeiten des Traditionsklubs, vornehmlich durch den Stadionausbau verursacht, sind mehr oder weniger durch die Immobilie am Betzenberg abgedeckt. Die vom Finanzamt geforderten 12,9 Millionen Euro Steuernachzahlung jedoch nicht mehr. Also stehen die Banken vor der Frage: Was ist das kleinere Übel? Kredite abschreiben durch eine Insolvenz des FCK, oder das Stadion zu einem überhöhten Preis übernehmen? Erleichtert wird die Entscheidung durch den politischen Willen, Kaiserslautern als Standort der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu erhalten. Stadt, Land und Banken erwarten allerdings auch eine Eigenleistung des FCK, das heißt: Die Mannschaft wird noch mal zur Kasse gebeten.“

Martin Hägele (Tsp 10.2.) kommentiert den Fernsehauftritt des in massive Kritik geratenen ehemaligen FCK-Boss Jürgen Friedrich. „Seit Samstagabend haben die Menschen in der Pfalz ein Problem: Sie wissen nicht mehr, welchem Prediger sie glauben sollen. Viele haben ihren Augen und Ohren nicht getraut, als der frühere Chef des 1. FC Kaiserslautern, Jürgen Friedrich, die wirtschaftliche Situation des Klubs beschrieb. Und man kann nur hoffen, dass alle Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse, die Ermittler der Finanzämter in Kaiserslautern und Mainz und die Staatsanwälte aus Zweibrücken besonders gut zugehört haben. Demnach verplempern sie nämlich nur Zeit und Steuergelder bei all ihren Recherchen zur drohenden Insolvenz des Traditionsklubs. Das sei doch eine Investition in die Zukunft gewesen, hatte nämlich Friedrich im Aktuellen Sportstudio gesagt, und er sei sicher, dass der Verein die 40 Millionen Euro Schulden bezahlen werde, und empfinde die Vorwürfe an seine Adresse als ungerecht. Der Transfer des international längst aussortierten Regisseurs Sforza sei sehr vernünftig gewesen, 6,9 Millionen Euro für den Schweizer sehr moderat. Dass man im Winter 1999 dem damals nur schwer vermittelbaren Mario Basler die Rückkehr mit einem Fünf-Millionen-Darlehen schmackhaft gemacht habe – „ganz normal. Genauso wie die Überweisungen auf die Konten diverser Agenturen, die sich die Persönlichkeitsrechte von fast einem Dutzend beim FCK beschäftigter Profis stattlich bezahlen ließen – und für die die Finanzbehörden nun 12,9 Millionen Euro Lohnsteuer nachfordern. Selbst der für die Einladung Friedrichs ins Aktuelle Sportstudio zuständige Redakteur hatte Angst vor dem Risiko gehabt, „dass man dem Mann eine solche Bühne gibt“. Aber vielleicht war dies wirklich das letzte Mal, dass sich der gelernte Boutiquenbesitzer als typisches Opfer der Branche darstellen konnte.“

dazu auch FR

Peter Heß (FAZ 10.2.) liefert einen konstruktiven Beitrag zur von den Gästen initiierten Schiedsrichterdiskussion. “Ein einziges Mal entschied Sippel in schwieriger Situation richtig, als er das Gladbacher 1:0 nach einem herrlichen Solo Forrells aberkannte. Dessen Kollege Ulich stand drei Meter im Abseits, direkt neben dem Lauterer Torwart Wiese. Die Fernsehbilder nährten zwar Zweifel, ob Ulich den Torwart wirklich behindert habe, ob vielleicht ein passives Abseits vorlag und der Treffer hätte anerkannt werden müssen. Aber diese Überlegung hieße zu viel von den Spielleitern verlangen. Die Perspektive von der Seitenlinie ist eine schwierigere als von oben. Und das Getümmel im Strafraum wird für den Schiedsrichter und seine Assistenten nicht von Fernsehkameras eingefroren, als daß sie in Ruhe ihre Abseitsentscheidung auf die Nuance passiv oder aktiv überprüfen könnten.”

Hansa Rostock – Energie Cottbus 0:0

Javier Cáceres (SZ 10.2.) beschreibt die repräsentative Szene des Spiels. „Pricas rüde Attacke gegen Marcel Rozgony trug alle Züge eines Frustfouls – und war auch deshalb Sinnbild für ein überaus uninspirierende Ostderby. Armin Veh hatte hie wie dort wenig Hang zum Risiko beobachtet; Eduard Geyer stellte fest, dass in den letzten zehn Minuten „überhaupt niemand mehr gewinnen wollte“, und aus beiden Spielerlagern war Genugtuung darüber zu hören, wie geschickt man doch das eigene Tor verteidigt habe. Tatsächlich hatten sich die zwei Mannschaften darauf verständigt, mit ihren Abwehrketten zu rasseln, ansonsten aber Drohgebärden zu dosieren. 17.000 Zuschauer dankten es den Akteuren mit einem Pfeifkonzert. Was wiederum das Verständnis von Hansas Mittelfeldspieler René Rydlewicz weckte: dass einem die Zuschauer zujubeln, das müsse man sich erarbeiten. Genau das aber, Begeisterung wecken, das tut Hansa in dieser Saison schon länger nicht mehr, daheim wurden erst zwei von elf Partien gewonnen. Verteidiger Gerd Wimmer führte dies einerseits zu der Vermutung, dass es Hansa leichter falle, auf Konter zu spielen; andererseits aber auch zu der Frage, ob nicht vielleicht doch die Qualität fehle. Dieser Erklärungsansatz ist auch Veh zueigen, immer häufiger vertritt er die Theorie, dass Geld eben doch Tore schießt und Hansa sich aufgrund fehlender Mittel nur Spieler leisten könne, die anderswo zweite Geigen wären.“

Christian Ewers (FAZ 10.2.) ist vom Spiel enttäuscht. “Das torlose Remis im Ostderby zwischen Hansa Rostock und Energie Cottbus besaß ein solch dürftiges Niveau, daß sich beide Mannschaften bei jedem der 17.000 Zuschauer per Handschlag hätten entschuldigen müssen. Beim abstiegsbedrohten FC Energie fehlte selbst der Mut der Verzweiflung, und Hansa Rostock war zu verschüchtert, um im eigenen Stadion das Spiel zu gestalten. Allein Anhängern bedingungslosen Defensivfußballs hatte der Nachmittag Freude bereiten können. Die Vierer-Abwehrketten in beiden Teams arbeiteten nämlich ordentlich. Sie droschen jeden Ball nach vorn, der ihnen vor die Füße kam – was nicht schön anzusehen war, aber immerhin erfolgreich den eigenen Strafraum sicherte. In den letzten zehn Minuten des Spiels wuchs die Angst vor einem Gegentreffer bei beiden Mannschaften gar ins Unermeßliche. Stürmer und Mittelfeldspieler wurden kurzerhand zu Verteidigern umgeschult; das Spiel war wie gelähmt. Der fehlende Siegeswille war schon überraschend, denn beide Teams benötigen dringend Erfolge.”

Friedhard Teuffel (FAZ 8.2.) analysiert das neue Cottbuser Erfolgsrezept. „Es kann eigentlich kein Zufall sein, daß die Fußballspieler des FC Energie in ihrer Not auf einen großen Mann der Stadt zurückgekommen sind: den Cottbuser Postkutscher. So wenig hielten sie nach der Vorrunde in den Händen, daß sie sich einfach selbst etwas zugestellt haben. Wir haben ein kleines Paket geschnürt, das uns jetzt unheimlich viel Spaß macht, sagt Torwart André Lenz. Was hinein sollte, haben sie sich gemeinsam im Trainingslager in Dubai ausgedacht. Trainer Eduard Geyer durfte auch noch einen kritischen Blick draufwerfen, dann haben sie es zugemacht. Ihr Rettungspaket enthält vor allem ein schönes Spielzeug: eine Viererkette. Ihnen selber hat sie bislang viel Freude gebracht – und den beiden ersten Gegnern der Rückrunde dafür die Laune verdorben. Mit ihrem neuen Schmuckstück Viererkette haben die Cottbuser gleich zweimal hintereinander gewonnen, so viel wie in der ganzen Vorrunde zusammen (…) Daß die Cottbuser ein neues taktisches Konzept haben, ist wohl der wichtigste Unterschied zum vergangenen Jahr. Deshalb reden sie jetzt auch wieder gerne über Fußball. Früher haben wir sehr viel mit langen Bällen gespielt. Die Stürmer mußten sich dann alleine gegen vier Abwehrspieler durchsetzen, beschreibt Torwart Lenz das alte System. Das neue sieht so aus: Jeder hat kürzere Wege, aber die muß er exklusiv gehen. Jetzt ist viel mehr spielerisches Vermögen gefragt. Dieses Vermögen hatte der Trainer seinen Spielern wohl bisher einfach nicht zugetraut. Er ließ sie vor allem rennen und kämpfen. Geyer lehrte seine Spieler nach der alten Fußballschule mit einem Libero und zwei Manndeckern. Die Viererkette kam ihm offenbar wie ein Luxusartikel vor, der im Existenzkampf eines ostdeutschen Unternehmens nichts verloren habe. Das System setzt viel mehr Konzentration und Antizipation voraus. Man braucht ganz andere Qualitäten, sagt Geyer. Von sich aus redet der Trainer nicht über die Viererkette, und daß er bei diesem Thema etwas kleinlaut ist, liegt wohl vor allem daran, wie es auf die Tagesordnung gelangt ist. Zwar hat die Mannschaft Geyer dazu nicht breitschlagen müssen, aber es war ihre Initiative, ihre Idee, es in der Abwehr mal anders zu versuchen als mit einem Libero. Im November beim Hamburger SV hatten die Cottbuser schon einmal den Libero aufgelöst und nach einem 0:1-Rückstand noch einen wichtigen Punkt geholt. Es klingt ein wenig widersinnig, aber es scheint, als seien die Cottbuser bislang von Geyer nicht richtig gefordert worden, oder zumindest hat Geyer das Falsche gefordert, zuviel Einsatz und Disziplin und zuwenig Eigenverantwortung und Kreativität.“

Werder Bremen – 1860 München 1:2

Die Bremer Torwartdiskussion analysiert Raimund Witkop (FAZ 10.2.). „Vielleicht war es eine Spur übertrieben, wie Thomas Schaaf den Fall zu einer menschlichen Tragödie deutete: Bei Pascal Borel ist schon viel kaputtgemacht worden. Der hat seinen Knacks weg. Der Trainer von Werder Bremen bestritt nicht, daß der junge Torhüter beim 1:1-Ausgleich des TSV München 1860 einen Fehler begangen hatte, als er eine Flanke im Herauslaufen nicht erreichte. Unzweifelhaft auch, daß dies zur Bremer 1:2-Niederlage entscheidend beitrug. Fragwürdig aber und Anlaß für Schaafs dringende Appelle zur Fairneß waren die Konsequenzen: ein unisono höhnendes Stadion, ein zur Apathie versteinerter junger Fußballprofi und ein massives Problem für eine der Bundesliga-Spitzenmannschaften. Das Publikum folgte dem Sündenbock-Mechanismus (…) Wie vor einem Jahr ist der Beginn der Rückrunde gründlich verpatzt, und Leidtragender ist Borel. 24 Jahre ist der Torwart erst alt. Er kam aus Mannheim und diente sich bei den Amateuren von Werder hoch. Am Samstag muß Borel das Gefühl gehabt haben, 34.000 Augenzeugen etwas Schlimmes angetan zu haben. Nach Lauths Tor traute er sich nicht mehr von der Linie, war später nicht ansprechbar und dürfte das Selbstvertrauen, den eigenen Strafraum zum Herrschaftsgebiet zu machen, für unabsehbare Zeit verloren haben. Seine Leistungen über die Saison waren durchwachsen: gute Spiele und einige Fehlgriffe. Schaaf bezeichnet nun die Urteile über Pascal Borel als gnadenlos und maßlos. Dergleichen hat in Bremen Tradition: Es gab eine langdauernde Phase Mitte der neunziger Jahre, als Oliver Reck das Etikett Pannen-Olli nicht los wurde. Und das war eindeutig einer der besten deutschen Torhüter, sagt Schaaf. Manager Klaus Allofs ließ sich beinahe zu einer Publikumsbeschimpfung hinreißen (so etwas können wir überhaupt nicht brauchen) und versuchte die Wahl der Nummer eins zugleich zu entschuldigen: Man müsse in Bremen aus wirtschaftlichen Gründen nun einmal junge Spieler ausbilden, und Pascal ist ein junger, talentierter Torwart. Nebenbei ließ Allofs keinen Zweifel daran, daß zur nächsten Saison ein Neuer gesucht wird: Ein Guter. Die ganze Diskussion hat sicher weniger mit unterlaufenen Flanken als mit verfehlten Zielen zu tun. Nach aller Erfahrung ist ein Platz in der Spitzengruppe der Bundesliga nur mit einem herausragenden Torwart zu erreichen, aber auch nur mit einer realistischen Selbsteinschätzung.“

Gerald Kleffmann (SZ10.2.) kommentiert das Spiel der Gäste. „Das einzig Konstante im Spiel der Löwen war, wie so oft, das Unkonstante. Beispiel Spieleröffnung. Weil Häßler derzeit verletzt fehlt und Weissenberger sowie Daniel Borimirov über die Außenbahnen spielen, fehlt im zentralen Mittelfeld die Anspielstation. Gegen Bremen sah es so aus: Rodrigo Costa schiebt den Ball in der Abwehr zu Tomas Votava, der zurück. Costa stoppt und drischt, ohne zu gucken, wie ein Quarterback beim American Football die Kugel nach vorne (…) Vor allem Borimirov personifiziert die wechselhaften Leistungen der Löwen vorbildlich. Mal wirkte er, wie in Halbzeit eins, überfordert, passiv, langsam, abwesend. Dann, in Halbzeit zwei, überraschte er als gewiefter, trickreicher Passgeber und Torschütze.“

VfL Wolfsburg – Arminia Bielefeld 2:0

Frank Heike (FAZ 10.2.) fühlte sich gut unterhalten. „An diesem Fußballnachmittag vor trauriger Kulisse mußte jeder der 16.000 Zuschauer froh sein, daß die Bundesliga einen Stefan Effenberg hat. Ich, Effe, wie er sein persönliches Tagebuch einmal in der Bild-Zeitung überschrieb, war vollkommen bei sich, als er den Hauptdarsteller der – neben den zwei Treffern – drei auffälligsten Szenen beim 2:0 des VfL Wolfsburg gegen Arminia Bielefeld gab. Zunächst nahm sich Effenberg, ganz Alpha-Männchen, den 170 Zentimeter großen Rüdiger Kauf vor. Er trat und triezte den schmächtigen Mittelfeldrenner der Bielefelder so lange, bis der sich zurückzog und fortan kaum noch am Spiel teilnahm. Doch seine Duftmarken auf dem aufgewühlten Geläuf der Volkswagen-Arena hinterließ der machtbewußte Altstar nicht nur beim Gegner. Als der größte Schlagzeilenproduzent der vergangenen Wochen, der zu den Münchner Bayern wechselnde Wolfsburger Tobias Rau, zu einem Solo über links ansetzte, rannte Effenberg an ihm vorbei, nahm ihm den Ball ab, um selbst den Konter einzuleiten – der wenig später aber steckenblieb, weil Effenberg ausrutschte. Der scheue Teenager Rau muß sich mächtig erschrocken haben, als der Boß von hinten vorbeibrauste – und überließ ihm den Ball lieber stante pede. Den komödiantischen Höhepunkt der Stefan-Show gab es in der 83. Minute. Assistenztrainer Alfons Higl hob die Tafel mit der Nummer zehn in den Wolfsburger Abendhimmel. Er hatte geglaubt zu erkennen, daß Effenberg um seine Auswechslung bat. Doch das war Majestätsbeleidigung. Effenberg gestikulierte wild, rollte mit den Augen, fuchtelte mit den Händen, lief zu Higl und erklärte, was Sache war. Auf keinen Fall wollte er raus. Also holte Trainer Wolfgang Wolf den schmalen Dänen Thomas Rytter vom Feld. Der war nun auch ziemlich überrascht. Aber er stand eben in der Nähe. Auf den Rängen wurde gelacht, und Effenberg bekam Applaus für sein Imponiergehabe.“

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen- Torschützen NZZ

Gewinnspiel für Experten

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