Ballschrank
Bayer Leverkusen und Bayern München
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| Donnerstag, 25. März 2004
Das Duell zwischen Bayer Leverkusen und Bayern München stellte alle anderen Ereignisse des Bundesliga-Wochenendes in den Schatten. Die Einschätzung der FAZ, es habe sich angesichts zahlreicher harter Fouls um ein „hässliches Spiel“ gehandelt, wird von allen Beobachtern und nahezu allen Verantwortlichen geteilt. Beim letztjährigen Champions-League-Finalisten überwiegt freilich die Freude über den hart erkämpften 2:1-Sieg, wobei die Fußballromantiker es als traurige Ironie betrachten, dass den einstigen Leverkusener Schönspielern nun ausgerechnet mit einem (wegen der prekären Tabellensituation wenig überraschenden) Stilwechsel ins Destruktive der lang vermisste Erfolg gelingt.
Dahingegen erfahren die Bayern eine deutliche Kritik in Medien und Umfeld, wie auch die NZZ beobachtet hat: „Man diagnostiziert dem Leader ein Leiden. Überheblichkeit, Arroganz oder wie immer die Tatsache genannt werden muss, dass das Starensemble von der Isar nicht in der Lage war, den jahrelangen Konkurrenten richtig in die Krise zu stoßen.“ Vermutlich ist die Rede von der Münchner Krise ebenso übertrieben und vorschnell wie das törichte Etikett „weißes Ballett“, das mit dem Nimbus der vermeintlichen Unbesiegbarkeit versehen wurde.
Erfreulich: Im Gegensatz zu ihren TV-Kollegen vermeiden Deutschlands große Tageszeitungen Schiedsrichterdiskussionen größeren Umfangs. Die Hertha aus Berlin nämlich – allen voran der auf allen Kanälen vertretene Manager Dieter Hoeneß – fühlte sich betrogen, und von dem gnädigen Spielleiter in der BayArena Hellmut Krug forderte nicht nur der unerträgliche SAT1-Reporter Thomas Herrmann (wann endlich wird der Platzverweis für Reporter eingeführt?)den rigorosen Griff in die Kartentasche. Jede Wette: Im gegenteiligen Fall wären die Lamenti über unangemessene Strafen und die Belehrungen über die angeblichen Spielregeln der „internationalen Härte“ zu hören gewesen.
Eine Entscheidung von Krug, den Bayern-Manager Uli Hoeneß vor Jahren einmal vor laufender Kamera maßregelte („Herr Krug wird nie wieder ein Spiel von uns pfeifen dürfen!“), stößt allerdings unisono auf Unverständnis. „Die Rocky Horror Olli Show” (FAZ) hätte eine Rote Karte nach sich ziehen müssen. Für den erneuten Ausraster des Nationalkeepers gegenüber Thomas Brdaric zeigen die Experten in der Tat wenig Verständnis. Stattdessen haben sie wenig schmeichelhafte Beschreibungen parat: „Pascha der Tierwelt“, „Hyäne“ und „Würger aus Grünwald“ liest man in der SZ. „Ein Sheriff im eigenen Strafraum, dort herrscht vermeintlich Kahns Gesetz“, kritisiert die FR die selbstgerechte Vorgehensweise des „Mannes der Selbstjustiz“. Die FAZ geht davon aus, dass Kahns durch das WM-Turnier erreichter öffentlicher Kredit nunmehr aufgebraucht ist: „Auf seinem Weg vom bissigen Kämpfertyp zum schier unangefochtenen Idol machte er einen gewaltigen Rückschritt.“
Den zwischenzeitlichen – und mittlerweile aufgezehrten – Imagegewinn Oliver Kahns kommentiert Ralf Wiegand (SZ 30.9.). „Er muss sich vorgekommen sein wie ein alter, trauriger Zirkuslöwe ohne Zähne, dem der Dompteur den Kopf in den Rachen steckt, weil er weiß, außer Mundgeruch besteht keine größere Gefahr. Darunter hat er gelitten, der Oliver Kahn, für den Mitleid und Zuneigung offenbar den Tatbestand der Beleidigung erfüllen. Er hat diesen Fehler gründlich korrigiert. Indem er Thomas Brdaric, einen braven Jungen, der akkurate Sätze aus seinem Wortschatz stanzt wie Muttern die Weihnachtsplätzchen aus feinem Butterteig, am Kragen packte und aus seinem Hoheitsgebiet verstieß, entspricht er wieder dem Bild, was er vermarktet. Er ist der unerbittliche König der grünen Steppe, der archaische Herrscher über lauter Weicheier. Kahn fleht darum, ihn abzulehnen, zu beschimpfen, womöglich zu hassen. Das macht ihn unverwechselbar. Schlimmstenfalls – man möchte sich das wirklich nicht wünschen – pinkelt der Torwart des FC Bayern demnächst vor dem Anpfiff an beide Pfosten, um sein Revier zu markieren. Das könnte passieren, wenn nicht bald mal ein mutiger Schiedsrichter samstags auf Safari geht.“
Zwei Sieger in Unterzahl beschreibt Thomas Klemm (FAZ 30.9.). „Zweimal zuvor ungeschlagen, zweimal in Überzahl und doch zweimal 1:2 verloren – vermeintliche Wettbewerbsvorteile wie jene von Bayern und Schalke sind keine Erfolgsgarantie, wenn die Übermacht zur Ohnmacht wird. Die plötzliche Umstellung auf das Spielchen elf gegen zehn ist eine Einstellungssache. Während die Bayern so weiterspielten, wie sie es zuvor getan hatten, aber ihr Powerplay nicht zum Abschluss brachten, erzwangen die Leverkusener ihr Glück im Kampf. Als hätten sie, nach Brdarics Platzverweis, in der Kabine in Brad Gilberts Tennisklassiker „winning ugly“ geblättert und besonders Kapitel acht verinnerlicht. „Das gegnerische Spiel zerstören“. Eine Umwertung aller Werte bei dem noch einst im Frühling so ansehnlich spielenden Spitzenklub, der derzeit keiner ist: Lieber hässlich siegen als in Schönheit sterben. Wie der Pokal mit seinen Duellen Klein gegen Groß, so folgt auch ein Aufeinandertreffen zwischen Minderheit und Mehrheit offenbar eigenen Gesetzen. Paragraph eins: Weniger ist mehr (…) „Kahns „losing ugly“ beschädigt nicht nur das wiedererlangte Image des hiesigen Fußballs, sondern bedient auch auf fatale Weise ein verbreitetes Klischee: jenes vom hässlichen Deutschen.“
Thomas Kilchenstein (FR 30.9.) nimmt die Unparteiischen in Schutz. „Es war, man muss es sagen, kein Wochenende, an das sich die Schiedsrichterzunft später einmal gerne erinnern wird. Ein guter Schiedsrichter ist der, der nicht auffällt, der einfach Luft ist. An diesem sechsten Spieltag ist viel, zu viel geredet worden über die Unparteiischen, die viele, zu viele zumindest umstrittene Entscheidungen trafen. Und es ist ja immer ärgerlich für alle, wenn einen das Gefühl beschleicht, das Spiel wäre mit einem anderen Referee ganz anders ausgegangen. Dummerweise werden wir aber mit solchen Unzulänglichkeiten an der Pfeife leben müssen, solange es keine wirkliche Alternative gibt zum Unparteiischen mit all seinen Schwächen – und Videobeweise sind keine. Das ist keine zufrieden stellende Aussicht, aber allemal erträglicher als ständige Auszeiten wegen des Studiums von Mitschnitten. Es ist eine Binsenweisheit, dass auch Schiedsrichter fehlbar sind.“
Bayer Leverkusen – Bayern München 2:1
Zu den Reaktionen der Münchner Verantwortlichen nach dem Spiel heißt es bei Erik Eggers (taz 30.9.). „Die Analyse, die Karl-Heinz Rummenigges nach der ersten Niederlage des FC Bayern München in der laufenden Bundesligasaison betrieb, sie klang nicht nur weinerlich, sie sprach auch für die Arroganz des Branchenführers gegenüber der nationalen Konkurrenz. Es nervte ihn, dass die Leverkusener bei ihrem 2:1-Sieg nicht auf schöngeistige Mittel zurückgegriffen hatten, auf das für Bayer ansonsten charakteristische Kurzpass-Spiel, sondern auf Kampf, Grätsche und Zerstörung. „Das schlechteste Spiel zwischen beiden Mannschaften in den letzten zehn Jahren.“ Als wäre es eines FC Bayern unwürdig, auf diese schnöde Art zu verlieren. All das klang so, als ob die Bayern schon vorher innerlich die drei Punkte in der BayArena auf ihr Konto verbucht hatten (…) Seit Januar 2000 ist Lucio nun schon bei Bayer Leverkusen unter Vertrag, und seitdem hat er sich kontinuierlich verbessert. Schon damals zeichnete ihn eine brutale Athletik aus, und auch die seinem Ehrgeiz geschuldete, zuweilen überbordende Cholerik. Und immer noch wirkt Lucio stark beleidigt, wenn sich irgendein Gegenspieler tatsächlich erdreistet, ihm die Kugel wegzunehmen – so wie ein kleines Kind, das mit allen Mitteln sein Eis verteidigt. Was Lucio aber gelernt hat in den letzten Jahren, ist der kluge Blick für die Situation, das taktische Verständnis. Die Szenen, in denen er wie ein wilder Stier in die andere Hälfte stürmte, sie kommen nicht mehr vor. So ist er peu à peu zu dem gereift, was Leverkusen fehlt nach den Abgängen von Zé Roberto und Ballack: zu einer Führungsfigur.“
Zum Spiel der Münchner meint Andreas Burkert (SZ 30.9.). „Es ist beim FC Bayern nicht mehr viel übrig geblieben von den Schönspielern aus dem August. Nur die Trikots sind noch weiß. Trotzdem haben die Münchner in Leverkusen wie ein ordinäres Ensemble gewirkt; blass, ohne überzeugende Choreografie, ohne Esprit (…) Vielleicht rätseln sie zurzeit in München (…) darüber, wie diese Ansammlung der Popstars und Alleskönner in Stresssituationen als Sportgruppe funktionieren könnte. In der BayArena wehrte sie sich in den mit Hingabe und Feindseligkeit geführten Duellen durchaus robust, doch auf der Suche nach Lösungswegen gegen die in Unterzahl schuftenden Passivfußballer der Gastgeber wirkten sie gedanklich so beweglich wie ein Stempelkissen.“
Jörg Stratmann (FAS 29.9.) zum selben Thema. „Nicht nur, dass aus dem Publikum jede Ballberührung der früheren Leverkusener mit Pfiffen bedacht wurde; auch die Spieler vergaßen untereinander jede kollegiale Rücksicht. Zu gern hätte der brasilianische Jongleur Zé Roberto nun auch für die Münchner seine Kunst gezeigt, Doch darauf waren die Mitarbeiter vorbereitet. Der Leverkusener Verteidiger Zivkovic, aus dem früheren Training offensichtlich bestens bekannt mit den Kunststückchen, ließ sich nie umdribbeln.“
Über den Auftritt der Bayer-Elf schreibt Christoph Biermann (SZ 30.9.). „Gegen den FC Bayern verwandelte sich Schneider von einem vergnügt herumtollenden in einen zähnefletschenden Dobermann. Die erstaunliche Verwandlung des Ballkünstlers in einen Protagonisten enthemmten Kampfspiels entsprach der Mutation von Bayer insgesamt. In der Stunde der Not, nach vier Niederlagen in Serie, entdeckten die einstigen Meister des Offensivfußballs knietiefe Defensive und bissige Underdog-Taktik (…) Bösewichte wurden sie dadurch nicht, denn die Bayern wurden von den Gastgebern nicht nieder geknüppelt, sondern traten selbst fleißig zurück (…) Erfolge gegen den FC Bayern sind doppelt schön, doch in der momentanen Situation war der 2:1-Sieg eine Erlösung von fast allen Übeln. Bayer hatte fast eine Stunde lang in Unterzahl spielen müssen, dabei die Führung erst ausgebaut und dann über die Zeit gerettet. Das allein erspart weitere Diskussionen darüber, ob die behauptet leicht ansteigende Form der letzten beiden Partien nur ein Produkt der Phantasie war.“
Roland Zorn (FAZ 30.9.) warnt. „Dass Bayer Leverkusen, bisher so etwas wie der notorische Pechvogel der Saison, in Unterzahl gut genug war, die 45 Minuten lang überheblichen und danach nur leidlich bemühten, aber ideenarmen Bayern mit der ersten Saisonniederlage gen Süden zu verabschieden, passte ins Bild dieses verkrampften, derben Zweikampfs zweier Champions-League-Repräsentanten des deutschen Spitzenfußballs (…) Ein Remis wäre auch ein unverdienter Lohn für ein Team gewesen, das von der kompromisslosen Härte der Leverkusener anfangs überrascht worden war. „Wenn man unten steht, sind Zweikämpfe gefragt, denn niemand von uns wollte sich vorführen lassen“, erläuterte Trainer Toppmöller die für Bayer Leverkusen atypische Kampfesweise unter Verzicht auf so etwas wie Spielkultur. Während Hitzfeld seinen Stürmerstar Elber zunächst in einem Anflug von Überheblichkeit auf die Ersatzbank ins Abseits rotiert hatte, tauchte Hans-Jörg Butt nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen endlich wieder im Bayer-Tor auf und wurde zum Matchwinner. Bayer lebt wieder, doch der Weg zu neuer Blüte ist nach der Treterei vom Samstag, zu der sogar ein Künstler wie Bernd Schneider mit einem rüden Foul das Seine beitrug, noch weit. Bleibt zu hoffen, dass die jüngste Episode für künftige Begegnungen zwischen Bayer und Bayern die Ausnahme bilden wird. Wo nämlich rohe Kräfte sinnlos walten, hat der Fußball immer von vornherein verloren.“
Spielbericht FR
1860 München – Hertha Berlin 1:0
Ob die Löwen-Fans nach dem knappen Sieg zufrieden nach Hause gingen (wie Trainer Pacult mutmaßte)? Joachim Mölter (FAZ 30.9.) verneint. „Wahrscheinlicher ist, dass sie sich geärgert haben, nicht nur über den flauen Kick. Denn für einen Oktoberfestbesuch war es nach dem Spiel schon zu spät, da waren die Bierzelte seit einer Stunde wegen Überfüllung geschlossen.“
Spielbericht SZ
Arminia Bielefeld – Schalke 04 2:1
Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 30.9.) bilanziert. „Der erste Sieg der Ostwestfalen über den FC Schalke 04 seit 1984. Das erklärt den Ausnahmezustand in dieser Stadt, die Leidenschaft, die die Mannschaft gegen die Prominenz an den Tag legte. Für die Schalker dagegen war der Abstecher zur Arminia, die es schon auf mehrere Kurzgastspiele in der Fußball-Bundesliga gebracht hat, zwischendurch sogar bis in die Regionalliga abstieg, dröger Alltag. Das zur Aufklärung der Schalker Profis, die sich keinen Reim auf das machen konnten, was ihnen da widerfahren war (…) Also nur keine Panik bei einem Klub, den es in der Vergangenheit nach Aufstiegen immer wieder in Tabellenregionen verschlug, in denen der Abstieg droht. Mit seinem formidablen Saisonstart unterscheidet sich der aktuelle Arminen-Jahrgang mit seinem Widerstandsgeist gründlich von allem, was in den vergangenen beiden Jahrzehnten war.“
Jens Kirschneck (FR 30.9.). „Es ist in der Tat das Zauberwort der Bielefelder in dieser Saison: Kompaktheit. Kaum ein Spieler oder Funktionär kommt in seinen Analysen ohne die Vokabel aus und meint das Bündeln sämtlicher verfügbaren Kräfte, um einen überlegenen Gegner in die Knie zu zwingen. Gegen die Gelsenkirchener bedeutete dies: alle um den eigenen Strafraum herum gruppieren, und vorne hilft der liebe Gott.“
Hansa Rostock – Hannover 96 1:2
Ronny Blaschke (FAZ 30.9.) bewertet die Bedeutung des neuen Stürmers für das Hannoveraner Spiel. „Mit Bobic als bestem Profi der fünf zwischenzeitlich auf einen Schlag verpflichteten Spieler scheint die anfängliche Angst vor dem Siegen beim Aufsteiger geschwunden. Das Trikot mit der Nummer 13 rangiert in den internen Verkaufscharts der Hannoveraner unangefochten auf Platz eins. Statt der üblichen 80 verfolgen plötzlich bis zu 500 Zaungäste die täglichen Übungen. Rangnick sieht in seinem Mittelstürmer Bobic den Mann mit dem breiten Kreuz, der 96 gerade noch gefehlt habe. „Fredi ist das Beste, was uns passieren konnte. Er nimmt den Druck von den Spielern, die nach dem schwachen Saisonstart an sich gezweifelt haben, und zieht die Aufmerksamkeit auf sich.“ An den zwischenmenschlichen Eigenschaften des kollegialen Schwaben hat Landsmann Rangnick ohnehin nicht gezweifelt. Schließlich verzichtet Bobic, dessen Familie noch immer in Stuttgart lebt, in Hannover auf einen beträchtlichen Teil seines bisherigen Dortmunder Salärs. Seine neuen Kameraden sind froh, einen wie ihn vorneweg stürmen zu sehen.“
Spielbericht FR
Hamburger SV – VfB Stuttgart 3:2
Jörg Marwedel (SZ 30.9.) schreibt über Hamburger Zuschauerreaktionen. „Vielleicht würde eine Studie über das Massenphänomen HSV-Fan zu Tage fördern, dass der typische Anhänger dieses Klubs seinen Lustgewinn aus Motzen, Fluchen, Pöbeln bezieht. Anders ist kaum zu erklären, weshalb noch immer fast 37.000 Zuschauer den schmeichelhaften 3:2-Sieg gegen den VfB Stuttgart verfolgten (…) Der Siegtreffer durch Romeo war dem einzigen ernsthaften Torschuss der Hamburger in der zweiten Halbzeit entsprungen. Die Stuttgarter hatten nicht nur die bessere Spielanlage gehabt, sie hatten auch ein Tor für Gourmets beigesteuert, wie man es in der Bundesliga nicht alle Tage zu sehen bekommt: Alexander Hleb hatte seinen kongenialen Mittelfeldpartner Balakov angespielt, den Ball postwendend mit der Hacke zurückbekommen und dann aus 116 Metern zum 2:2 unter die Latte des Hamburger Tores gedroschen.“
Karsten Doneck (Tsp 30.9.). „Am 4. Oktober, einen Tag vor dem nächsten Auswärtsspiel beim FC Schalke 04, jährt sich der Tag, an dem Kurt Jara Angestellter beim HSV wurde. Fortschritte unter ihm? Keine. Ohne Herz, ohne Witz, ohne Harmonie kickt die Mannschaft drauflos und spart damit alle Elemente aus, die Fußball gewöhnlich prickelnd und unterhaltsam machen. Auf diese Weise verprellt der HSV seine treue, bisher ja noch recht geduldige und verständnisvolle Kundschaft.“
Achim Lierchert (FAZ 30.9.). „Barbarez muss es als „Lenker“ richten, der Mann, bei dem der neue HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer in den laufenden Vertragsverhandlungen seinen auferlegten Sparkurs kurzzeitig verlassen will. Aber Barbarez, gerade von einer Knieverletzung einigermaßen genesen, stößt in seiner Rolle an Grenzen, nicht nur physisch. In der zerfahrenen zweiten Halbzeit wurde deutlich: Barbarez schoss zwar ein Tor, aber er ist kein dominierender Spielmacher. Zum Glück für den HSV gibt es aber auch noch einen Fußballprofi, der in der Lage sei, so Barbarez, „aus nichts ein Tor zu machen“: Bernardo Romeo. Wie schon vor zwei Wochen, als er beim 2:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern zweimal traf, steuerte der Argentinier auch am Samstag mit zwei Toren wieder Entscheidendes bei. Zwölf Treffer hat der Südamerikaner nun in insgesamt 22 Spielen für den Hamburger SV erzielt. So kann sein Transfer als einziger echter Erfolg der nunmehr fast genau einjährigen Ära des Trainers Jara in Hamburg verbucht werden. Jara weiß genau, bei wem er sich dafür bedanken kann, wenigstens vorübergehend in Ruhe weiterarbeiten zu können. Die Fans hatten angesichts der zweiten Hälfte wie schon zuletzt in Berlin lautstark den Rauswurf des Trainers gefordert.“
Borussia Dortmund – Borussia Mönchengladbach 1:0
„Was passiert, wenn es in Dortmund erst einmal rund läuft?“, Anno Hecker (FAZ 30.9.). „Die Mönchengladbacher spielten solide aus einer kompakten Abwehr heraus, mit gefälligen Kombinationen bis in die Nähe des Dortmunder Tores. Aber mehr war nicht drin. Und deshalb darf man dem unglücklichen Verlierer keinen Vorwurf machen. Er nutzte alle seine Talente, schöpfte mit einer taktisch überzeugenden Leistung sein Potenzial aus – was man von Borussia Dortmund nicht behaupten kann. Mit Kraftfußball von der ersten bis zur letzten Minute rettete sich der Meister ins Ziel, rannte, kämpfte, bis Mönchengladbach umfiel (…) Mit ehrlichem Arbeitseifer kommt die Dortmunder Borussia nun schon eine Weile recht erfolgreich über die Runden. Aber als Malochertruppe spielt die auserlesene Elf eine Rolle, die nicht mehr zu ihrer Besetzung passt. Da tritt der leichtfüßige Mittelfeldstratege und auserkorene Ideenspender Tomas Rosicky über Gebühr als Freund der Grätsche auf, die brasilianische Ballartistengruppe der Borussia übt sich sogar im Bolzen und WM-gestärkte Nationalspieler beim spröden Sicherheitsfußball, damit der Gegner aus Mönchengladbach auf Distanz gehalten werden kann.“
Felix Meininghaus (FR 30.9.) ist enttäuscht. „Ob in der Champions League gegen Arsenal und Auxerre oder in der Bundesliga gegen Schalke, Rostock oder Gladbach – der BVB spielt bemüht, aber ohne Glanz. Und stets lautet das Fazit: Zu wenig für ein Team mit diesen Ambitionen. Gegen die gut organisierten und laufstarken Gladbacher hatte Dortmund vor allem in der ersten Halbzeit Probleme. Die Gäste versäumten es jedoch, die Überlegenheit in Tore umzumünzen. So konnten sich die Gastgeber in der Pause sammeln, um gestärkt in die zweite Hälfte zu gehen, in der sie sich eine Reihe guter Chancen herausarbeiteten. Am Ende hätte der BVB die Partie jedoch durchaus verlieren können (…) Tatsächlich scheint es wieder so zu sein, dass dem BVB die Geduld genügt, auf spärliche Glanzauftritte Einzelner zu warten, um Spiele siegreich zu gestalten.“
Dahingegen wirft Freddie Röckenhaus(SZ 30.9.) ein. „Trotz der zelebrierten Ossie-Solidarität zwischen Sammer und Meyer war das Spiel eine Demonstration der Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Bundesliga, in der sich einer aufs Verteidigen und Kontern beschränkt und der andere sich, trotz überlegener Einzelspieler, die Zähne ausbeißt. Ausnahmen von dieser Regel gibt es nur, wenn dem Favoriten frühe Tore zufallen. Doch diesmal versagte Ewerthon nach rund 20 gespielten Sekunden, als er eine Flanke von Heinrich nicht zum frühen Dortmunder Glück nutzen konnte. Und ein reguläres Tor von Evanilson wurde nach einer Stunde wegen angeblichen Abseits nicht gegeben. Die größere Beweislast in Sachen Klasse hatte weiterhin Dortmund zu tragen. Und die wurde trotz des siebten Bundesliga-Spiels ohne Niederlage (was einen neuen Auftaktrekord der Dortmunder bedeutet) wieder einmal nicht erfüllt. Aber bis auf Durchhalte-Parolen ist wenig Handfestes in Aussicht (…) So konnten sich die Gladbacher mit ihrer vergleichsweise namenlosen Mannschaft und den üblichen Mitteln viel Sympathie ergattern: In Dortmund verbarrikadiert man sich am besten mit zwei Abwehrketten vor dem eigenen Strafraum.“
Energie Cottbus – VfL Wolfsburg 0:1
Frank Ketterer (taz 30.9.). „Kaum war das Spiel zu Ende, begannen wieder die wilden Pöbeleien von jenen, die eigentlich Fans sein wollen. Geyer raus, Profis raus, Ausländer raus. Es war nicht nur einfallslos, was die Energie-Anhänger in ihrer blinden Wut riefen, es war armselig. Wenn das so weitergeht mit den üblen Beschimpfungen gegen Spieler und Trainer bis hin zu Drohbriefen und der Androhung körperlicher Gewalt (sogar gegen Familienmitglieder), wird es am Ende der Bundesligasaison garantiert heißen: Cottbus raus! Noch ist es nicht so weit, nach vier Punkten in sieben Spieltagen ist die Lage nur verfahren.“
Zu den Reaktionen des Cottbuser Trainers nach dem Spiel lesen wir von Friedhard Teuffel (FAZ 30.9.). „So erfolglos ist Eduard Geyer zur Zeit mit dem FC Energie Cottbus, dass er am Samstag ein grundlegendes Prinzip in Frage gestellt hat. Es geht um den Umgang des Trainers mit seinen Fußballspielern nach einer Niederlage. Da war Geyer bisher ein großer Freund des Holzhammers. Einmal sagte er, einige Spieler seien „zu blöd“ für die Bundesliga, ein anderes Mal, dass er genau so gut seine Frau hätte aufstellen können. Er glaubte wohl, dass er mit seiner Härte die Spieler stählen könne für den Abstiegskampf. Am Samstag hat Geyer auf einmal die Verständnispädagogik entdeckt und in sachlicher Analyse Gutes und Schlechtes an der 0:1-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg aufgezählt.“
Spielbericht SZ
VfL Bochum – Werder Bremen 1:4
Spielbericht Tsp
1. FC Nürnberg – 1. FC Kaiserslautern 1:0
Spielbericht Tsp SZ
Gewinnspiel für Experten