Ballschrank
Bedürfnis nach den Netten und Niedlichen
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| Donnerstag, 25. März 2004
Über einen Mainzer Bundesligisten würde sich Christoph Biermann (SZ 7.5.) freuen. „Die Bundesliga könnte sich schon einmal mit der Idee eines Aufsteigers Mainz 05 befassen. Schwer fallen dürfte das nicht, denn in vielerlei Hinsicht erinnert Mainz 05 an den SC Freiburg vor zehn Jahren, als der Klub mit Volker Finke zum ersten Mal in die Bundesliga aufstieg. Wie einst Freiburg ist Mainz noch auf dem Weg, eine Fußballstadt zu werden. Das Stadion am Bruchweg hat der Verein ausgebaut für ein begeisterungsfähiges Publikum, das noch nicht durch jahrelanges Auf und Ab im Profifußball übellaunig geworden ist, sondern sich mit der Rotbäckigkeit von Novizen freuen kann. Eine Nische fürs Anderssein ist ebenfalls gefunden. „Wir sind nur ein Karnevalsverein“ heißt die Losung und „Helau“ der dazu gehörige Schlachtruf. „Am Rosenmontag bin ich geboren“ singen Tausende vor dem Anpfiff, und schießen die Mainzer ein Tor, donnert aus den Stadionlautsprechern karnevalistisches Humtata. Vielleicht ist die Fasnacht bei Mainz 05 etwas überkommuniziert. In der Bundesliga gibt es ein Bedürfnis nach den Netten und Niedlichen, die kleinen gallischen Dörfern gleich den große Potentaten trotzen. Die Öko-Kicker aus Freiburg haben das bewiesen, die Totenkopf-Piraten aus St.Pauli, warum nicht auch eine rot- weiße Helau-Armee aus Mainz? Den Trainer dazu könnte man kaum passender besetzen. Wie Finke ist Jürgen Klopp ein Coach, dessen Mannschaft man auf dem Platz seine Idee von Fußball ansieht; nur so können geringere Geldmittel sportlich ausgeglichen werden. Zudem fällt der 35-Jährige aus dem üblichen Schema von Profitrainern, weil er nicht nur bemerkenswert eloquent ist, sondern sich im dritten Jahr auf der Bank noch eine humorvolle Leichtigkeit bewahrt hat. Diese zu verlieren hat er jedoch auch schon eine Option: Klopp wird als zukünftiger Trainer von Leverkusen gehandelt.“
Und nun der dritte Versuch
Ralf Weitbrecht (FAZ 7.5.) warnt. „Der Traum vom Aufstieg in die erste Liga, der greifbar nah ist. Zum dritten Mal übrigens innerhalb von sechs Jahren. Beim ersten Versuch scheiterten die Mainzer am letzten Spieltag in einem Krimi 4:5 beim VfL Wolfsburg. Im zweiten Anlauf, der exakt ein Jahr zurückliegt und im Stadion an der Alten Försterei kein Happy-End erfuhr, scheiterte die Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp nicht nur an Union Berlin, sondern auch und vor allem an den eigenen Nerven. Und nun der dritte Versuch. Wochenlang hatte man sich in der Rhein-Main-Region auf dieses als Aufstiegsendspiel titulierte Duell zwischen Mainz 05 und der Frankfurter Eintracht gefreut. Als die Partie gespielt war, sahen sich alle in ihren Hoffnungen auf ein Fußballfest bestätigt. Das ist ein bedeutender Sieg für uns, sagte Harald Strutz hocherfreut. Der Präsident der Mainzer, der stets mit viel Herzblut um das Wohl seiner 05er bemüht ist, wollte es aber auch dabei bewenden lassen. Bedeutend ist dieser Erfolg, weil es ein Derby gewesen ist. Doch alles andere ist nur eine Momentaufnahme. Strutz hat ebenso wie Trainer Jürgen Klopp die Bilder vom vergangenen Jahr im Kopf, als der scheinbar uneinholbare Vorsprung von vier Punkten doch noch schmolz und der VfL Bochum auf dem Aachener Tivoli die Chance zum Last-Minute-Aufstieg nutzte. Die Mainzer, in Sachen Aufstieg Kummer gewohnt, können sich zumindest auch in schwieriger Lage selbst auf die Schippe nehmen. Deshalb besingen sich die Fans des Klubs ganzjährig und stimmgewaltig als Karnevalsverein. Das ändert nichts daran, daß es den Rheinhessen mit dem Unternehmen Bundesliga-Aufstieg aufs neue sehr ernst ist. Der Architekt des Mainzer Erfolgs, Trainer Jürgen Klopp, will spätestens zum Saisonfinale am 25. Mai mit der Auswärtspartie in Braunschweig sein Aufbauwerk vollenden (…) An das 3:2 von diesem 5. Mai wird vor allem der hessische Ministerpräsident Roland Koch zumindest für ein paar Tage zurückdenken. Als Gegenstand einer Wette mit seinem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentenkollegen Kurt Beck galt als abgemacht, eine Woche lang mit dem Sieger zu sympathisieren. Nicht irgendwie, sondern schon richtig greifbar. Und so muß sich Koch in der Wiesbadener Staatskanzlei ab sofort den Vereinswimpel des FSV Mainz 05 auf seinem Schreibtisch anschauen.“
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