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Begleitumstände von Südafrikas Niederlage

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Begleitumstände von Südafrikas Niederlage

Eine fast unglaubliche Geschichte über die Begleitumstände von Südafrikas Niederlage erzählt Christoph Biermann (SZ 13.6.). „Ein Tor mehr hätten sie schießen müssen, um Gegner der deutschen Mannschaft im Achtelfinale zu werden. Ein Tor, um das sie in den letzten Minuten der 2:3-Niederlage gegen Spanien nicht einmal gekämpft hatten. Weil sie glaubten, es nicht mehr schießen zu müssen. Sechs Minuten vor dem Abpfiff war Paraguay in der parallel ausgetragenen Partie mit 3:1 in Führung gegangen. Dadurch hatten Südafrika und das Team aus Südamerika die gleiche Punktzahl, die gleiche Tordifferenz, aber Paraguay einen Treffer mehr erzielt. Sechs Minuten blieben den Südafrikanern, um das zu ändern, aber sie reagierten nicht. Auf der Leinwand im Stadion war das Ergebnis der anderen Partie nicht angezeigt worden. Doch die kleine Schar der südafrikanischen Berichterstatter hatte es auf der Pressetribüne im Fernsehen gesehen. Sie gestikulierten wild, um ihr Team nach vorne zu treiben. Und einer von ihnen, Bonny Schoonakker von der Sunday Times, rief sogar den Pressesprecher des Teams an. Sello Rabotato nahm den Anruf direkt an der Trainerbank an, aber die Information kam nicht richtig an (…) Es war nicht zu fassen. Im Weltcup, der im Zeichen von Hochtechnologie und Kommunikation steht, verschwand das südafrikanische Team in einem Informationsloch.“

Michael Martin (FR 13.6.) ergänzt. „Am schlimmsten traf es Jomo Sono, den Trainer. Er, der sich für sein Fernbleiben von der Pressekonferenz entschuldigte, weil er sich nicht wohl fühlte, erklärte später auf dem Weg zum Bus, er habe geglaubt, Paraguay führe 3:2. Dieses Resultat hätte seinem Team zum Weiterkommen gereicht, weshalb er keinen Offensivspieler mehr einwechselte, wie zunächst vorgesehen, sondern umdisponierte und den Verteidiger Jacob Lekgetho brachte (…) Stellt sich natürlich die Frage, ob alles anders gekommen wäre, wenn Schoonakkers Anruf richtig verstanden worden wäre und Sono anders gewechselt hätte.“

Die NZZ (13.6.) über den 3:1-Sieg Paraguays über Slowenien. „Die drei Treffer gegen Slowenien waren eine reiche Ausbeute für eine Mannschaft, deren Stärken in erster Linie in der Defensive liegen. Diese Qualität wird durch die Fußballauffassung von Maldini zusätzlich unterstrichen. Dass das Team aber auch in offensiver Hinsicht Akzente setzen kann, zeigte es im Spiel gegen Südafrika. Die Equipe erfreut sich ansteigender Form, insbesondere ihr Goalie Chilavert, der den Sturmlauf gegen Slowenien in der zweiten Halbzeit aktiv unterstützte.“

Dass Südafrika gute Aussichten auf das Erreichen des Achtelfinals hat, war vorher nicht abzusehen. Ralf Wiegand (SZ 10.6.) dazu. „Das ausgerechnet die „bofana, bofana“ jene afrikanische Mannschaft sein würde, die nach zwei Runden dem Kontinent die größten Hoffnungen auf wenigstens einen Vertreter im Achtelfinale machen würde, war noch beim Africa-Cup im Winter reine Utopie. Aufgerieben von Querelen und chancenlos auf dem Platz verabschiedeten sich „die Jungs“ bereits im Viertelfinale mit einer Niederlage gegen Gastgeber Mali. Der portugiesische Trainer Carlos Queiroz wurde zum Teufel gejagt und der „schwarze Prinz“, Volksheld Jomo Sono, auf den Trainerthron gehoben. Was er nach eigener Darstellung zum Arbeitsbeginn im März vorfand, war nicht mehr als ein Trümmerhaufen.“

Thomas Kilchenstein (FR 10.6.) referiert die Rede des südafrikanischen Trainers, die dieser bei seinem Antritt im März gehalten haben will. „Dazu hat Sono, der in der Heimat Heldenstatus genießt, eine Rede gehalten. Sie triefte nur so vor Pathos. Sinngemäß hat er gesagt: Menschen haben ihr Leben für Südafrika gegeben und waren in den Tod gegangen, viele haben Entbehrungen und Leid hinnehmen müssen, Familienangehörige verloren, Mandela hat Jahrzehnte seiner Lebens für seine Ideale im Gefängnis verbracht, „und ihr streitet euch wegen Kleinigkeiten. Weil andere starben, seid ihr jetzt Millionäre. Wir sind alle Südafrikaner, lasst uns das Nationaltrikot mit Würde tragen.“ Und dann haben sie sich die Hand gegeben, und alles war wieder gut. So erzählt es Jomo Sono. Vielleicht stimmt es ja.“

Die NZZ (8.6.) zum Spiel Spanien gegen Paraguay. „Schön für einen Trainer, wenn er einen Joker wie Fernando Morientes hat. Denn als Spaniens Coach Camacho nach der Pause den Stürmer von Real Madrid auf das Feld beorderte, kam endlich Dynamik und Wucht in den Angriff des Favoriten. Und das war zu diesem Zeitpunkt auch dringend nötig (…) Während das Vorgehen Paraguays letztlich sehr einfach zu durchschauen war (Flanken von rechts durch Arce auf Santa Cruz im Angriffszentrum), wies das Angriffsspiel der Iberer, die sich mit dem Sieg für den Achtelfinal qualifizierten, dann doch eine andere Qualität auf.“

Christoph Biermann (SZ 3.6.) über die Mannschaft Paraguays, die gegen Südafrika einen 2:0-Vorsprung noch aus der Hand gab. „In beiden Halbzeiten widerlegte die Mannschaft von Trainer Cesare Maldini alle Vorurteile, die über sie im Umlauf sind. Nach seiner Amtsübernahme, so hatte es geheißen, hätte der Italiener die Südamerikaner in die letzten Vertreter des Catenaccio verwandelt. Doch derart in den Klauen des Bösen wirkten Santa Cruz und Mitspieler nicht. Vielmehr agierten sie in der ersten Halbzeit offensiver als vorausgesagt und ließen sich nach der Pause mehr unter Druck setzen als erwartet.“

Dario Venutti (NZZ 3.6.). „Seit etwa vier oder fünf Weltmeisterschaften gilt Spanien jeweils als der geheimste der Geheimfavoriten. In dieser Zeit ist die Mannschaft aber jedes Mal frühzeitig ausgeschieden, meistens schon in der Vorrunde. Jetzt haben die Iberer wenigstens einmal ihr Auftaktspiel gewonnen. Das Ensemble von Trainer Camacho musste auf dem Weg zum Sieg ein hartes Stück Arbeit verrichten. Der WM-Debütant war in spielerischer Hinsicht zwar deutlich unterlegen, im defensiven und taktischen Bereich aber ebenbürtig, so dass es den Spaniern schwer fiel, trotz mehrheitlichem Ballbesitz den Gegner effektiv unter Druck zu setzen.“

Thomas Klemm (FAZ 3.6.) über das Spiel der Spanier. „Unverkrampft gingen die spanischen Profis am Sonntag immer dann ans Werk, wenn sie den Ball am Fuß hatten. Jeder glänzte für sich, doch das Zusammenspiel war in der ersten Halbzeit alles andere als brillant.“

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