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Hans Meyer; Günter Netzer; die Diva vom Main hat den Anschluss verpasst

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Hans Meyer; Günter Netzer; die Diva vom Main hat den Anschluss verpasst

Berlin freut sich auf Hans Meyer – FAS-Interview mit Günter Netzer über seine Rolle als Kommentator und natürlich über den Charakter Michael Ballacks – die Diva vom Main hat den Anschluss verpasst – Sodom und Gomorrha in England – Lukas Podolski, Kölner Shooting-Star – SZ-Interview mit Otto Schily – sehr lesenswert! FAZ-Interview mit Bernd Stange – wachsende Anerkennung für Frauenfußball u.v.m.

Christoph Kneer (BLZ 22.12.) freut sich auf Bekanntschaft mit Hans Meyer, vermutlich neuer Trainer in Berlin: “Ist es eine schlechte Nachricht für Hertha BSC, dass nun wohl ausgerechnet dieser Meyer eingestellt wird, der allenfalls verschärftes Rosenzüchten als aktuelle Qualifikation in die Wertung bringen kann? Wahrscheinlich ist eher das Gegenteil der Fall. Wahrscheinlich hat der Headhunter Hoeneß dieses Mal eine taugliche Kraft aufgespürt. Am Ende eines Jahres voller handwerklicher Fehler darf sich Hoeneß anrechnen lassen, dass er in einem Rosengarten in Bad Hersfeld eine Nische ausfindig gemacht hat. Er hat keinen der mäßig beleumundeten Trainer genommen, die auf dem Trainerkarussell lustig von Ort zu Ort zuckeln; keinen Funkel, keinen Lienen, keinen Krauss. Er hat keinen genommen, der anderswo in Amt und Würden steht, was auch damit zusammenhängt, dass Hertha sich das a) finanziell nicht mehr leisten kann und b) kein vernunftbegabter Vertragsinhaber freiwillig zum Tabellenvorletzten überläuft. Vermutlich hat die Lösung mit Meyer mehr Charme als Hertha zurzeit verdient. Meyer hat, was Hertha fehlt: eine natürliche Autorität, eine Vorliebe für schönen, klar definierten Sport und eine verschmitzte, gelegentlich diebische Ironie, die auch vor der eigenen Person nicht zurückschreckt. Der Schelm müsste sich wohl fühlen bei einem Klub, der zuletzt mit unfreiwilliger Ironie verblüffte; bei einem Klub, der die Champions League als Ziel ausrief und auf Platz 17 strandete; bei einem Klub, der im Juli stolz Typen einkaufte und im Dezember merkte, dass ihm Typen fehlen; bei einem Klub, der Ultimaten verhängte und sie Vereinbarung taufte. Wahrscheinlich ist Meyer für den Moment die beste Lösung, aber ein Notlösung bleibt er doch, eine Lösung in der Not. Die taumelnde Hertha kann es sich ja längst nicht mehr leisten, ihre Personalien nach Strategie zu besetzen – das letztverbliebene Geschäftsprinzip heißt Rette-mich-wer-kann.“

Der Fußball bedeutet mir zuviel, um Scherze über ihn zu machen

FAS-Interview mit Günter Netzer

FAS: Ein großer Teil des Publikums und viele Politiker bis hin zu Bundeskanzler Schröder sind Rudi Völler nach seinem wütenden Ausbruch nach dem Länderspiel auf Island trotz dieser Äußerungen beigesprungen – wurde es da nicht ein bißchen einsam um Sie?

GN: Nein, das Gefühl hatte ich nicht. Ich weiß, was Gerhard Delling und ich gesagt haben, ich weiß, was passiert ist. Ich habe bis heute keinen anderen Eindruck von diesen Dingen.

FAS: Ihr Partner Gerhard Delling, so heißt es bei der ARD, sei seit dieser Zeit ein bißchen angeschlagen.

GN: Es ist mehr sein Beruf als meiner.

FAS: Sind Sie nicht auch ein bißchen zurückhaltender, vorsichtiger geworden? Ihre Kritik nach der Lehrstunde gegen Frankreich war zum Beispiel viel harmloser, als viele das erwartet haben.

GN: Da haben Sie völlig recht. Dafür nehme ich auch Kritik entgegen. Aber die Defizite, die in diesem Spiel aufgetreten sind, waren so offensichtlich, daß sie wirklich allen klar wurden. Da habe ich es nicht für notwendig gehalten, auf meine früheren Kritikpunkte zu verweisen, nach dem Motto: Seht her, ich bin der große Meister, ich habe es doch immer gesagt. Dieses Urteil, wie ich die Dinge seit langer Zeit sehe und davor warne, überlasse ich dem Zuschauer. In diesem Moment auch noch draufzuschlagen, das erschien mir – erlauben Sie das Wort – zu primitiv.

FAS: Rudi Völler und einige beim DFB stoßen sich daran, daß Sie im Duett mit Delling nicht mehr den puren Analytiker geben, sondern den Unterhalter im Stil von Kienzle und Hauser.

GN: Diejenigen, die so etwas behaupten, haben wohl nicht richtig zugeschaut. Wenn Gerhard Delling und ich wie Kienzle und Hauser aufgetreten sind, ging es meistens um mich. Er hat mich auf die Schippe genommen oder ich mich selbst. Der Fußball bedeutet mir zuviel, um Scherze über ihn zu machen, ihn zu veralbern, ihm keinen Respekt entgegenzubringen. Deswegen werden in dieser Weise keine Scherze betrieben.

FAS: Kaum hatte sich die Sache mit Völler etwas beruhigt, gerieten Sie wegen Ihrer Kolumne in Sport-Bild mit Michael Ballack aneinander. Motto: Alte DDR-Schule, dem fehlt was zur Führungsfigur. Ziemlich ungeschickt für einen Medienprofi.

GN: Das kann man so sagen. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe es nicht für möglich gehalten, daß man glaubt, ich würde Bürger, die aus der ehemaligen DDR stammen, beleidigen oder abqualifizieren. Das ist absurd. Aber: Es ist passiert. Das ist das einzige, was mir leid tut. Bei der Beurteilung von Ballack habe ich jedoch nichts wegzunehmen oder hinzuzufügen.

FAS: Und wie sieht das Urteil aus?

GN: Ballack ist einer der besten Mittelfeldspieler Europas. Er hat eine Schußtechnik wie kaum ein anderer. Er ist torgefährlich, er ist der kopfballstärkste Mittelfeldspieler. Aber im Zusammenhang mit mir wird immer wieder die Frage nach der Nummer zehn früherer Zeiten gestellt. Daß er ein Dirigent ist, spreche ich ihm ab. Er besitzt nicht die Mentalität dafür, er hat dafür nicht den Charakter. Wenn ich von Charakter spreche, meine ich immer den Fußball-Charakter. Nur wenn man mir Böses will, kann man da etwas anderes hineininterpretieren. Und so ist mir das auch bei meiner Äußerung über die DDR geschehen, und ich bedauere es, daß an dieser Diskussion auch Leute teilgenommen habe, die ich bisher sehr geschätzt habe. Aber Ballack fehlen in seinem Fußball-Charakter gewisse Dinge. Er hat die Führungsmentalität nicht verinnerlicht. Er sollte sich bemerkbar machen, wenn es am schwierigsten ist für die Mannschaft. Aber in diesen Situationen nimmt er zuwenig Einfluß auf das Spiel. Diese Qualität hat er nicht, daher kann man ihm gewisse Aufgaben nicht übertragen.

Schrille, Halbseidene, Unseriöse

Thomas Kilchenstein (FR 22.12.) kennt sie genau, die Diva vom Main: „Der Skandal, die Intrige, die Eifersucht – sie waren niemals fern, wenn es um Eintracht Frankfurt ging. Das gehörte dazu, so wie Sztani, Grabowski, Hölzenbein, Körbel oder Uwe Bein. Dieser Verein, der sich immer als etwas Besonderes, Nicht-Alltägliches verstand, zieht und zog das Schrille, Halbseidene, Unseriöse beinahe magisch an; im Zweifelsfall war alles möglich in diesem Club, im positiven wie im negativen Sinne. Mitte der 90er, als ein jugendlicher Klaus Toppmöller als Trainer den Fußball 2000 kreierte, liefen die Frankfurter Kicker mit dem Slogan Why be normal? rum. Selten passte ein Spruch besser. Normalität, Bescheidenheit, gar Vernunft war es nie, was in den 90ern diesen Club aus der kleinsten Metropole der Welt leitete. Das Schöne daran: Eintracht Frankfurt konnte sich das leisten, damals. Man konnte es sich leisten, als Diva herum gereicht zu werden auf den prächtigsten Bühnen, als gestylte Schöne, die mit allen flirtete und sich niemals band, die Macken und Launen hatte. Ja, man fand, es passte zu Frankfurt, zu diesem Club, eine Diva zu sein, die selbst in der tragischsten Niederlage noch dramatischer, vielleicht sogar strahlender wirkte als andere im größten Erfolg. Immerhin gab der Club für seine ewig währenden Sperenzchen etwas zurück an seine gequälten Anhänger: prima Fußball. Davon ist seit einigen Jahren, seit dem ersten Abstieg 1996, nicht mehr die Rede – und von Ruhe, Harmonie oder Eintracht genauso wenig: Intrigen werden weiter gesponnen, mehr gegen- als miteinander gearbeitet (…) Was alles möglich gewesen wäre mit einem etwas sinnvolleren Einsatz der seinerzeit noch üppig sprudelnden Geldquellen, zeigen die Beispiele des SV Werder Bremen (Konkurrent im Abstiegskampf 1999), VfL Wolfsburg (Aufsteiger 1997) oder VfB Stuttgart (Konkurrent im Abstiegskampf 2001). Die, einst auf Augenhöhe mit den Hessen, sind Eintracht Frankfurt binnen kurzem weit enteilt. Uneinholbar? Fast sieht es so aus. Den Boden, den Eintracht Frankfurt in den letzten entscheidenden Jahren, da der kleiner werdende Kuchen verteilt wurde, verloren hat, ist kaum aufzuholen. Selbst wenn an der Spitze in Heribert Bruchhagen, endlich, ein Mann installiert ist, der für Kompetenz und Solidität steht.“

FR-Interview mit Heribert Bruchhagen, Offizieller Eintracht Frankfurts

Perfekt ausgebildet wie ein skandinavischer Trainer

Nicht nur Matthias Wolf (FAZ 13.12.) lobt Juri Schlünz, Trainer Hansa Rostocks: “Als Hansa noch Letzter war, sechs Wochen ist das her, da ist er sehr laut geworden. Er forderte mehr Identifikation mit dem Verein und der Region. Das hat auch Armin Veh getan. Doch ihn, der mehr in Augsburg als in Rostock zu Hause war, haben die Spieler belächelt, als er über den letzten Ostklub in der Liga fabulierte. Der belesene Diplomsportlehrer Schlünz mit eigener Haus-Bibliothek und Vorliebe für Biographien, Zeitgeschichtliches und Johannes Mario Simmel hat immer schon gesagt, daß Fußball vor allem Teamwork ist. Schlünz gilt als Taktik-Experte. Er sei „einfallsreich und perfekt ausgebildet wie ein skandinavischer Trainer“, lobt Hansas Schwede Marcus Lantz. Hinzu kommen seine Lehrmethoden, die von ebensolcher Raffinesse sind wie einst seine Freistöße. Joakim Persson, ein weiterer Hansa-Schwede, sagt, er habe „noch keinen Trainer erlebt, der sein Ego so zurückstellt wie Juri“.“

Opposition ohne Gesicht und Stimme

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 13.12.) meldet Rückendeckung für René Jäggi: „Als überragender Spielmacher des Abends profilierte sich der Vorstandsvorsitzende René C. Jäggi. Ihm galten die Ovationen der 625 erschienenen Mitglieder, die Bravo-Rufe und der Versuch, ihn über diese Saison zum Verbleib in der Rolle des Vereinsbosses zu bewegen. Doch der starke Mann wurde nicht schwach. Ich bin nicht jemand, der emotional reagiert, begründete der Schweizer seine Standfestigkeit. Vom Juni an könne er sich seine Rolle als Berater oder Aufsichtsratsmitglied vorstellen – aber nicht mehr an der Spitze der an diesem Abend doch sehr zahmen Roten Teufel. Jäggi trat als Retter des 1. FCK, aber nicht als Rächer in Sachen Hans-Peter Briegel auf. Das Idol von einst, vor einem Jahr noch mit den meisten Stimmen des Wählervolks in den Verwaltungsrat gewählt, hatte sich am Dienstag per Rücktritt aus diesem Kontrollgremium verabschiedet. Ich rede nicht gern über Leute, die nicht anwesend sind, sagte Jäggi und machte kurzen Prozeß mit dieser Personalie. Um so ausführlicher widmete sich der Aufsichtsratsvorsitzende Walter Gruda dem einstigen Zehnkämpfer Briegel und dessen versuchter November-Revolution, als dieser Karl-Heinz Feldkamp als Sportdirektor installieren wollte. Ruda redete sich allmählich in Rage. Er schilderte Beobachtungen, die möglicherweise auf eine selbstgewählte Isolation schließen ließen, wähnte Briegelt instrumentalisiert und listete schließlich dessen Fehlzeiten bei den 13 Sitzungen des Aufsichtsrates auf. Während sich Ruda eine hundertprozentige Präzenz attestierte, kam er bei Briegel nur auf 54 Prozent. Stets habe sich Herr Briegel seperat gesetzt, war selbst beim Pokalfinale in Berlin nicht dabei. Die Opposition blieb an diesem Abend ohne Gesicht und Stimme. Der Mann hat uns verlassen, brachte ein leidenschaftlicher FCK-Fan aus Thüringen die Stimmung im Saal auf den Punkt.“

Henning Peitsmeier (FAZ 20.12.) berichtet die Finanzpolitik deutscher Bundesliga-Klubs: “Deutschlands Fußballvereine sind zunehmend gezwungen, sauber zu bilanzieren, wollen sie sich andere Einnahmequellen erschließen. Der Transfermarkt ist zum Erliegen gekommen, und damit schwindet die Hoffnung auf ordentliche Erträge. Erstmals seit Gründung der Bundesliga 1963 gehen auch die Erlöse aus der Vermarktung von Fernsehrechten zurück. Gleichzeitig bestehen aber langfristige Verpflichtungen aus den Spielerverträgen. Die 36 Profivereine, bisher daran gewöhnt, mit steigenden Summen jonglieren zu können, müssen sparen. Wer keine zusätzlichen Sponsoren findet, muß die Kosten senken, sagt Ingo Süßmilch, Finanzexperte der WGZ-Bank. Erst recht die Vereine, die wie Dortmund, Schalke, Kaiserslautern, Hamburg und Berlin früh im UEFA-Pokal gescheitert sind. Ihre Hoffnungen auf zusätzliche Fernseheinnahmen sind damit erloschen. Sportlicher und bilanzieller Erfolg hängen unmittelbar zusammen, weiß Süßmilch. In der Bundesliga verdeutlicht das vermutlich kein Verein besser als der VfB Stuttgart. Zwar legen die Schwaben keine Bilanz vor. Doch darf angenommen werden, daß die Millioneneinnahmen für das Erreichen des Achtelfinales in der Champions League sicher nicht geplant sind und die sparsamen Schwaben für das Berichtsjahr 2003/04 einen satten Gewinn erzielen werden. Zur Erinnerung: Noch vor einem Jahr hatte der VfB Stuttgart einen hohen Schuldenberg aufgetürmt. Angeblich steckte der Klub damals mit mehr als 15 Millionen Euro im Schlamassel. Die neue Vereinsführung mit Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt als Aufsichtsratschef reagierte prompt auf die Unterdeckung im eigenen Etat, verabschiedete einen strammen Sanierungskurs und strich die Siegprämien für die Spieler. Jetzt dürfte der unerwartete sportliche Erfolg das Abtragen des Schuldenbergs erheblich erleichtern.“

Thomas Klemm (FAS 21.12.) porträtiert Lukas Podolski, Kölner Shooting-Star: „Wenn die Fußballprofis des 1. FC Köln nach Lukas Podolski gefragt werden, dann fällt ihnen nicht viel ein. Unbekümmert und frech, lobt Verteidiger Carsten Cullmann den Mitspieler aus der Sturmabteilung. Unbekümmert und frech, genauso beschreibt Mustafa Dogan die herausragenden Qualitäten des Angreifers. Hingegen nimmt FC-Trainer Marcel Koller, der immer zu lächeln beginnt, wenn er auf seine erstbeste Kölner Entdeckung angesprochen wird, an dem Achtzehnjährigen mehr wahr als die frische Kraft der Jugend: Der spielt auch gut. In seinen ersten drei Bundesligabegegnungen habe Podolski zunächst mit feinen Pässen überzeugt, meint Koller; in den vergangenen beiden sei er auch viel in der Defensive gelaufen und habe Supertore erzielt. So ist der Teenager beim Abstiegskandidaten der Fußball-Bundesliga innerhalb von nur wenigen Wochen zum Mann für alle besonderen Fälle avanciert: Er entlastet den Einzelkämpfer Andrej Woronin im Angriff, bringt Schwung und Torgefährlichkeit mit und ist technisch so beschlagen, daß er bei Eckbällen und – in der Nachfolge des Kapitäns Dirk Lottner – sogar bei Freistößen antritt. Diese Verantwortung könne man ihm getrost überantworten, meint Koller, dennoch sollten wir ihn nicht zu sehr unter Druck setzen. Schließlich war der junge Angreifer so frei, Matthias Scherz oder Marius Ebbers aus der Stammelf zu verdrängen. Lukas Podolski, so hat es nach seinen ersten sechs Pflichtspielen den Anschein, kann alles – nur nicht sein Emporkommen in druckreifen Formulierungen erklären. Nach seinem ersten Bundesligator vor acht Tagen beim 1:1 in Rostock plapperte Podolski genauso direkt und unbekümmert in die Mikrofone, wie er zuvor mit einem Flugkopfball getroffen hatte. Er komme halt aus bescheidenen Verhältnissen, wie Andreas Rettig erklärt. Immerhin will der FC-Manager das bisher bescheidene Grundgehalt des Junioren-Nationalspielers Unter 19 Jahren von 800 Euro aufstocken. Der Verein, bei dem der 1985 geborene Angreifer seit der D-Jugend kickt, behandelt ihn stets entgegenkommend. In der Geschäftsstelle des 1. FC Köln leistet er seinen Zivildienst, zum täglichen Training wird der 1985 im polnischen Gleiwitz geborene und zwei Jahre später nach Deutschland gekommene Podolski von einer Vereinsmitarbeiterin chauffiert. Der Jungspund kommt in Köln zwar erstaunlich schnell voran – nur nicht am Steuer eines eigenen Autos. Noch büffelt er für die theoretische Führerscheinprüfung, in zwei Monaten hofft er, den Lappen zu haben.“

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RW Oberhausen, Tabellenführer der Zweiten LigaFR

Brasilien wird zum vierten Mal Junioren-Weltmeister BLZ

Hütet euch vor den Fussballern

Martin Pütter (NZZ 18.12.) schildert Sodom und Gomorrha in England: „Die Szenen vor dem „Funky Buddha“ gleichen sich jedes Wochenende. Eine lange Menschenschlange wartet auf Einlass in den Nachtklub im vornehmen Londoner Stadtteil Mayfair. Bei der Bekleidung dominieren die Designermarken, die Mädchen tragen Miniröcke oder hautenge Jeans, dazu Wildlederstiefel. Als ein Taxi anhält, warnt der Fahrer die aussteigenden Gäste: „Hütet euch vor den Fussballern.“ Die Mädchen lachen. Kaum sind sie von den Türstehern aber in den Klub eingelassen worden, wird ihnen die Bedeutung der mahnenden Worte klar. Eine Gruppe junger Männer, alles Spieler diverser Klubs der Premier League, lässt den Champagner kübelweise auffahren, schaut sich lüstern nach Frauen um und macht obszöne Kommentare. Strafen die Mädchen die unverschämte Anmache mit Ignoranz, werden sie von den Fussballern wüst beschimpft. Und weisen deren Freunde freundlich darauf hin, dass man sich benehmen solle, erhalten sie im günstigsten Fall verächtliche Blicke. Wenige Stunden später ist den Fussballern der Champagner nicht bekommen. Einer erbricht in den Eiskübel, ein anderer uriniert auf der Tanzfläche, ein dritter stellt sich auf den Tisch und bückt sich, während er seine Kehrseite entblösst. Der Check für die Rechnung über einige tausend Pfund wird auf den nächsten Tausender aufgerundet. Danach geht es mit einer Gruppe von Mädchen im Schlepptau ab ins nächste Hotelzimmer. Das ist keine Phantasie. Solche Szenen kommen öfters vor und zeigen, wie gewisse Fussballer ihre Wochenenden zu verbringen pflegen. Was im „Funky Buddha“ mitunter passiert, ist harmlos im Vergleich mit den extremen Auswüchsen, zu denen sich englische Spieler in jüngster Vergangenheit haben hinreissen lassen. In zwei Fällen laufen derzeit Untersuchungen wegen angeblicher Vergewaltigung (…) Was ist bloss mit diesen Fussballern los? Wird ihr Verhalten durch das viele Geld, die zu grosse Aufmerksamkeit durch die Medien und die britische Trinkkultur begünstigt? Oder sind fehlende Vorbilder, ungenügende Ausbildung und das Herausreissen der jungen Spieler aus ihrem sozialen Netz die Gründe für die Exzesse? Selbst das 18-jährige Talent Wayne Rooney kassiert bei Everton mittlerweile knapp 10000 Pfund. Welchen Einfluss diese Summen auf das Ego der Spieler haben können, zeigte Jody Morris. „Weisst du, wie viel ich verdiene? In einem Tag mehr als du in einer Woche. Weisst du, wer wir sind? Wir können dafür sorgen, dass du gefeuert wirst“, hatte er den Türsteher eines Londoner Nachtklubs angebrüllt, wie es im Prozess gegen ihn zutage kam. Der Soziologe Ellis Cashmore stellt zu den hohen Einkünften der Fussballer fest: „Sobald die jungen Profis heutzutage in einem Klub unterschrieben haben, bekommen sie sehr viel Geld und dadurch das trügerische Gefühl, ihnen gehöre die ganze Welt. Sie glauben sodann, sie könnten mit ihr machen, was sie wollten.“ Die in jungen Jahren verdienten Summen hindern die Spieler daran, zu reifen und erwachsen zu werden – viele bleiben geistig Teenager bis in ihre frühen Dreissigerjahre. Allerdings hat sie auch niemand darauf vorbereitet, mit so viel Geld umzugehen. Zahlreiche Professionals haben ihre Schulausbildung ja nur deshalb abgebrochen, um alles auf eine Karriere im Fussball zu setzen. Speziell am Anfang ihrer Karriere sind junge Spieler verunsichert. Sie werden aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen, finden sich plötzlich Hunderte von Kilometern von Eltern und Freunden entfernt. „Diese Spieler, die meistens aus der Arbeiterklasse stammen, kommen nicht mehr mit ihren alten Freunden zusammen, wegen des Geldes und der Eifersucht. Aber sie können sich auch noch nicht in anderen Kreisen bewegen. Deshalb sind sie verunsichert und können mit gewissen Situationen nicht umgehen“, erklärt John Williams, Direktor für Fussballstudien an der Universität Leicester. Kommt hinzu, dass die Klubs ihrem Nachwuchs oft nur wenig helfen. Sie weisen die Spieler weder auf Gefahren noch auf ihre Verantwortung hin, zudem hindern sie die Persönlichkeitsentwicklung. Denn die Klubs übernehmen vieles, was ein junger Mensch im normalen Alltag selber erledigen muss.“

Christoph Biermann (SZ 20.12.) lobt Robert Enke für Verzicht: „Zwölf Tage vor dem Beginn der Saison kam er in Istanbul an. „Die Stadt hat mich erschlagen“, sagt er. Und sein Gefühl trog nicht. Das erste Saisonspiel wurde zu einem schlimmen Erlebnis für ihn. 50 000 Zuschauer waren gegen Istanbulspor gekommen, den kleinsten der vier Erstligisten der Metropole. Sie wollten den Beginn eines Siegeszuges zum Meistertitel erleben. Bei Abpfiff stand es 0:3. „Man kennt es, dass Feuerzeuge und Münzen geflogen kommen, aber nicht unbedingt vom eigenen Publikum“, sagt Enke. Beim ersten Gegentor wollte er den Ball ablaufen, berechnete ihn falsch und wurde überlupft. Damit hatten die Fans ihr Urteil gefällt. Es fiel streng aus, denn der Nationaltorwart Rüstü war von Fenerbahce zu Barcelona gewechselt. Dafür hatten sie diesen Enke bekommen, den Reservisten der Katalanen. Sie entschieden: Es war ein schlechter Tausch. In der Nacht von Sonntag auf Montag fiel Enkes Entschluss, Mittwoch war der Vertrag mit Fenerbahce bereits aufgelöst. „Ich habe eine Verpflichtung gegenüber den Trainern gespürt und wollte ihnen die Möglichkeit geben, einen anderen Torwart zu holen“, sagt Enke. Das war die eine Seite. Vor allem aber wollte er nicht gegen sein schlechtes Gefühl und ein feindseliges Publikum kämpfen – in einem fremden Moloch von Stadt. Enke wusste um die Folgen: Nach den Regeln würde er ein Jahr lang nicht spielen dürfen, pro Spielzeit war nur ein Vereinswechsel erlaubt. So verlief sich auch der Kontakt zu Mönchengladbach, wo sich Jörg Stiel verletzt hatte. Enke verzichtete zugleich auf viel Geld, denn er hatte weder in Istanbul noch in Barcelona einen Vertrag. „Aber das hatte ich nie im Kopf“, sagt er. Von einer Entscheidung für sein „Menschsein“ hat Enke gesprochen. Er weiß, dass er sich ungewöhnlich verhalten hat, „denn gerade im Fußballgeschäft schaut doch jeder, dass er sein Schäflein ins Trockene bringt“. Er kann es sich eher leisten als andere, trotzdem war es für einen 26 Jahre alter Fußballspieler ein beachtlicher Entschluss.“

Wer nichts hat, gibt alles

Dirk Schümer (FAZ 22.12.) wundert sich nicht über den Niedergang des AC Parma: „Der Niedergang des AC Parma ist kein Einzelfall. Nachdem bereits der bankrotte Meister von einst aus Florenz aus dem bezahlten Fußball verschwand, wanderte auch der Spitzenklub Lazio Rom de facto in den Besitz der Banken, weil Eigner Sergio Cragnotti mit seinen verschachtelten Unternehmen in die Krise geriet. In dieser Saison war es dann der AS Rom, der zeitweise die Gehälter der Spieler nicht mehr zahlen konnte. Die goldene Zeit der spendablen Vereinspräsidenten dürfte auch wegen eines Steuerdekretes der Europäischen Union vorbei sein, gemäß dem die Fußballschulden nicht mehr gestreckt und mit positiven Teilbilanzen verquickt werden können. Nun rächt sich bitter, daß die italienischen Vereine seit der Weltmeisterschaft von 1990 nicht mehr in neue Stadien investierten und sich – mit der Ausnahme von Juventus Turin – fast durchweg von milliardenschweren Mäzenen abhängig machten. Der eigentlich ungemein beliebte und betriebswirtschaftlich lukrative Calcio ist dadurch in die Zwangslage eines Drogenabhängigen gekommen, der vielleicht nicht einmal mehr die Entziehungskur übersteht. Ob allerdings der AC Parma ohne die nährende Milch von Parmalat dauerhaft in der Versenkung verschwinden wird, ist noch nicht gänzlich ausgemacht. Paradoxerweise qualifizierte sich Lazio Rom trotz der Geldnot für die diesjährige Champions League, und der marode AS Rom stürmt im Moment mit attraktivem Fußball an die Spitze der Serie A. Das ist vielleicht das Motto für Italiens Fußball der Zukunft: Wer nichts hat, gibt alles.“

Mit dem Weltmeistertitel dieses Jahres sollen die letzten Vorurteile verschwinden

Michael Ashelm (FAS 21.12.) freut sich über Anerkennung des Frauenfußballs: „Vorbei die Zeiten, als die Spielerinnen milde belächelt wurden, als noch jedes Mitglied des Nationalteams für den Gewinn einer Europameisterschaft von den gütigen Verbandsherren ein Kaffeeservice erhielt. Mit dem Weltmeistertitel dieses Jahres sollen die letzten Vorurteile verschwinden, will der Frauenfußball selbst endlich als absolut gleichberechtigter Spitzensport wahrgenommen werden.Die ersten Weichen für eine größere Popularität sind schon in den vergangenen Jahren von den Vorgängerinnen einer Nia Künzer gestellt worden, aber erst der spannungsreiche WM-Gewinn mit dem entscheidenden Golden Goal der 23 Jahre alten Frankfurterin im Finale gegen Schweden hat letztlich für die volle Anerkennung beim breiten Publikum gesorgt. Die Zeit war reif, hört man immer wieder aus den Reihen der Nationalspielerinnen – und wirklich: der Triumph von Los Angeles Anfang Oktober hat eine große Lawine in Gang gesetzt, größer, als auch die am Erfolg maßgeblich beteiligte Bundestrainerin Tina Theune-Meyer gedacht hätte: Was gerade passiert, ist der absolute Wahnsinn.Frauenfußball ist zum Quotenrenner geworden.“

SZ-Interview mit Otto Schily

SZ: Herr Minister, wo waren Sie eigentlich im November, am Tag des Frankreich-Länderspiels?

OS: Lassen Sie mich nachdenken – ich weiß es nicht mehr. Aber ich weiß, worauf Sie anspielen: Rudi Völler betrachtet mich ja als Glücksbringer. Leider kann ich nicht jedes Mal zugegen sein, wenn das Nationalteam spielt. Aber ich gehe zu den Spielen, in denen es drauf ankommt, wie gegen Schottland und Island. Ich habe ein gutes Verhältnis zu Rudi Völler, schätze die Mannschaft und finde, man muss ihr in Höhen und auch in Tiefen beistehen. Ich bin da anders als die Leute, die immer nur kommen, um Siege zu feiern.

SZ: Sie haben kürzlich gesagt, es sei für Sie ausgemachte Sache, dass Deutschland 2006 Weltmeister wird.

OS: Ja, den Ehrgeiz und den Willen müssen wir schon haben. Vor der WM in Japan/Südkorea wurden auch schwärzeste Prognosen erstellt. Und dann wurde Deutschland Vize-Weltmeister.

SZ: Zur Not können Sie immer noch den brasilianischen Torjäger Ailton von Werder Bremen einbürgern . . .

OS: Zunächst einmal haben wir viele deutsche Nachwuchstalente. Aber was Ailton angeht: Warum nicht? Er ist ein hervorragender Spieler. Natürlich müssten die Voraussetzungen stimmen.

SZ: Ernsthaft? Ailton hat es angeregt.

OS: Ich glaube nicht, dass der Verfassungsschutz Bedenken anmelden würde. Die Franzosen haben mit der Integration von Migranten ja auch große Erfolge erzielt. Und der deutsche Fußball hat seine frühen großen Erfolge nicht zuletzt polnischen Einwanderern zu verdanken. Es gibt eine ganze Reihe Spieler polnischer Abstammung, die übrigens der Bundeskanzler viel besser kennt als ich.

SZ: Thema WM 2006. Die Organisation scheint so weit zu stehen. Es hapert aber mit dem gesellschaftlichen Programm: Die geplanten Aktionen in Schulen, Klubs, mit Prominenten etc. sind gefährdet. Hierfür wurden 2001 per Staatsvertrag Überschüsse aus der Oddset-Sportwette vorgesehen, man ging gar von Summen bis zu 120, 130 Millionen Euro aus. Aber die Wettumsätze brachen ein, Oddset bringt bisher vier Millionen Euro, der DFB musste bereits zehn Millionen zuschießen. Der DFB beklagt, das Geld fehlt ausgerechnet für die Erstellung der Visitenkarte Deutschlands.

OS: Aber die Möglichkeiten von Oddset sind längst noch nicht ausgeschöpft. In erster Linie ist das eine Angelegenheit der Länder . . .

SZ: Die schon erklärt haben, sie wollen die Bemessungsgrenze für die Überschussbeteiligung nicht herabsenken.

OS: Die Gespräche sind nicht abgeschlossen. Ich hoffe, man wird sich vernünftig einigen. Wir dürfen die einmalige Chance, uns bei diesem Weltsportereignis im besten Licht zu zeigen, nicht versäumen. Bundesregierung und OK haben mit dem Fußball-Globus ein hervorragendes Projekt aufgelegt, das schon jetzt mit mehr als 110 000 Besuchern ein gigantischer Erfolg ist.

SZ: Das gehört aber zum Kulturprogramm. Nochmal zur Planung mit den Oddset-Geldern: Die Einbrüche der Sportwetten sind so markant, dass nicht anzunehmen ist, dass nennenswerte Beträge hereinkommen ohne Änderung des Staatsvertrags. Gibt es einen Notplan, alternative Überlegungen für Geldquellen?

OS: Wenn ich jetzt in Überlegungen zu einer Alternativfinanzierung einträte, von der ich im Moment nicht sehe, dass wir sie wirklich brauchen, dann käme ich in eine schwache Position gegenüber denen, die sich noch ein Stück bewegen müssen.

Fußball wird nicht nur in Westminster-Demokratien gespielt

Sehr lesenswert! FAZ-Interview mit Bernd Stange

FAZ: Wie konnten Sie glauben, unter Saddam Hussein als unpolitischer Nationaltrainer angesehen zu werden?

BS: Selbstverständlich wurde meine Tätigkeit politisch bewertet. Aber ich gebe zu bedenken, daß Fußball nicht nur in Westminster-Demokratien gespielt wird wie in England, Deutschland, Italien und Spanien. Sondern eben auch in Ländern wie Kuba, Nordkorea, dem Irak und afrikanischen Ländern, wo Amnesty International auch nicht unbedingt glücklich ist. Das ist eben die Stärke, die ich aus meiner Tätigkeit gezogen habe mit der Rückendeckung der FIFA. Aus diesem Grund konnte ich das relativ stabil und konsequent durchziehen, unbeeindruckt von den Attacken, die unter der Gürtellinie und zum Teil sehr unbegründet waren.

FAZ: Welche Vorwürfe haben Sie als besonders unfair empfunden?

BS: Daß ich Saddams Trainer bin und er mich zum Aids-Test geschickt hat. Der Vorwurf gegen mich lautete: Einmal schlecht, immer schlecht – der war schon in der DDR belastet, ein Mann von Honecker und der Stasi. Zu Beginn meiner Tätigkeit im Irak hat man alles in Verbindung mit Saddam Hussein gebracht. Es entstand der Eindruck, daß ich in seinem Vorzimmer sitze. Das war aber überhaupt nicht der Fall. Ich habe einen Vertrag abgeschlossen mit einem Mitgliedsland der FIFA. Die FIFA hatte zwei Monate eine Kommission im Irak, um die Gerüchte über Folterungen und Strafen für Spieler zu überprüfen. Die Kommission hat, kurz bevor ich den Vertrag unterschrieben habe, nichts in dieser Richtung gefunden. Ich habe vor dem Vertragsabschluß auch Kontakt mit der deutschen Botschaft in Bagdad aufgenommen. Ich habe mich vergewissert, daß ich nicht Dinge tue, die man als Deutscher nicht tun sollte. Mir ist beschieden worden, daß ich das als Privatperson machen kann, und dann habe ich den Vertrag unterschrieben und meine Arbeit aufgenommen.

FAZ: Welche Kontakte hatten Sie denn zu Saddam Husseins Regime, wenn Sie nicht im Vorzimmer gesessen haben?

BS: Jetzt muß ich sagen: Glücklicherweise hatte ich überhaupt keinen Kontakt zu Saddam und auch nicht zu seinen Söhnen. Ich habe sie nicht mal aus der Ferne gesehen. Alles, was ich jetzt über sie weiß, habe ich aus den Medien erfahren. Beispielsweise auch die Aussagen von Spielern, die gefoltert und bestraft worden sind, oder daß derjenige, der einen Elfmeter verschoß, Schläge auf die Fußsohlen bekam oder in das Gefängnis gesteckt wurde. In dieser Richtung konnte ich aber während meiner Tätigkeit nichts feststellen. Das stand im Widerspruch zu der Tatsache, daß sich, wenn ich gefragt habe, wer einen Elfmeter schießen will, immer sechs Mann gemeldet haben. Daraus habe ich gefolgert, daß diese Dinge länger zurücklagen. Erst nach dem Sturz von Saddam, während unseres Deutschland-Aufenthalts, habe ich manches Detail von unseren Spielern gehört. Aber bis heute gibt es eine Scheu aller Spieler, über diese Dinge zu reden. Das hängt sicher auch damit zusammen, daß diese bösen Geister noch immer ihr Unwesen im Irak treiben.

FAZ: Erwarten Sie, daß nach der Festnahme von Saddam Hussein offener über die Vergangenheit gesprochen wird?

BS: Ich glaube nicht. Die Festnahme Saddam Husseins wird propagandistisch ausgeschlachtet, und das ganz zu Recht. Das Festsetzen von Diktatoren hat immer auch einen psychologischen Aspekt. Aber der Haß und die Aversion gegen die Amerikaner sitzen so tief im irakischen Volk, daß ich nicht glaube, daß es durch Saddam Husseins Festnahme prinzipielle Änderungen geben wird. Änderungen wird es erst an dem Tag geben – und zwar schlagartig –, wenn die Amerikaner die Macht an die Iraker übertragen. Eher wird sich nichts tun. Ich hege aber den Verdacht, weil ich auf seiten der Iraker lebe und arbeite, daß auch in zehn Jahren noch eine McDonald’s-Bude mit Bomben unterlegt wird.

FAZ: Ist Ihr Trainerjob zur Berufung geworden?

BS: Emotional ist das eine sehr bewegende Geschichte. Das ist ein ganz anderer Job als Profitrainer. Ich fühle mich manchmal wie ein Politiker, Repräsentant und Medienberater. Und als Fußballtrainer habe ich zuvor auch noch nie stundenlang in Botschaften rumgesessen und Visa für meine Spieler durchgepeitscht, zum Teil mit Reisepässen, wo man beide Augen zudrücken mußte. Oder die Nächte auf Flughäfen, wo wir in den Qualifikationsspielen bei unseren Reisen auf dem Gang geschlafen haben, weil wir kein Geld für das Hotel hatten – trotzdem wurden wir Erster. Wir sind eine verschworene Gemeinschaft, die mich an das Wunder von Bern erinnert. Aber ich weiß nicht, wie lange man das durchhalten kann. Vor einem Monat habe ich dann in einer Medienkonferenz die Wahrheit gesagt und betont, wie ich mir das alles vorstelle. Jetzt gab es von seiten der Amerikaner Bemühungen, mit mir zusammenzukommen und offene Fragen zu debattieren. Das hat mittlerweile stattgefunden, mit einem ersten, aber unzureichenden Ergebnis. Es sind so viele Probleme: Jetzt beginnt die WM-Qualifikation, die Vorbereitung auf die Asien-Spiele. Es ist noch kein Pfennig Geld da für die Flugtickets, die Hotels, die Vorbereitung. Ich bin jetzt auf dem Weg, um mit den Amerikanern über Budgets zu sprechen. Ich wollte jedem Klub 100 000 Dollar geben, um wieder anfangen zu können. Bei 25 Profivereinen sind das 2,5 Millionen, 600 000 wurden uns bewilligt.

FAZ: Wie erklären Sie sich die lange Mißachtung durch die Amerikaner?

BS: Ich muß unterstellen, daß sie unter dem Druck der Belastungen die sogenannte unwichtige Sache Fußball erst einmal zurückgestellt haben. Dieser Druck und die Tatsache, daß sie sich selbst schützen müssen, dass sie wichtigere, existentielle Aufgaben zu bewältigen haben, hat sie die Rolle des Fußballs nicht erkennen lassen. Ich will meinen Fußball nicht an eine Stelle befördern, wo er nicht hingehört. Aber er ist ein sehr wichtiger Teil des irakischen Lebens. Früher waren die Punktspiele mit 55 000 Zuschauern ausverkauft. Man nimmt den Irakern seit einem Jahr den Fußball weg. Wenn man den Amerikanern ein Jahr Football und Basketball wegnehmen würde, fehlte ihnen auch etwas. Wenn die Amerikaner die Bedeutung des Fußballs erkannt hätten, hätten sie uns längst einen Rasenplatz für das Training gegeben. Sie hätten den Rasen, den sie nach der Frauen-Weltmeisterschaft serienweise verschenkt und weggeworfen haben, weil ihn niemand mehr wollte, nach Bagdad transportiert. Es muß doch einfach möglich sein, wenn man tonnenschwere Panzer nach Bagdad bringt, auch ein paar Rollen Rasen mitzunehmen. Das wäre mit ein klein wenig Engagement und Herz möglich gewesen. Ich kann den Amerikanern nur raten, daß sie auf solche Dinge achten müssen, wenn sie die Herzen der Menschen im Irak erreichen wollen. Sie könnten damit viel mehr gewinnen als mit der Militärmaschinerie.

Thomas Klemm (FAS 21.12.): „Von Prostitution will Christopher Pauer nichts wissen. Uns geht es nicht drum, Geld zu verdienen. Auch die neuenglische Wortschöpfung Rent-a-fan mißfällt Chrissi, wie der Fußballfan Pauer von seinesgleichen in Göttingen genannt wird. Die deutsche Entsprechung indes treffe es genau: Mieten kann man sie wirklich, die Anhänger des einstigen Gründungsmitgliedes der Zweiten Fußball-Bundesliga, des 1. SC Göttingen 05. Weil der Klub im Oktober aus dem Vereinsregister gestrichen wurde, haben sich die alleinstehenden Anhänger des zuletzt in den Niederungen der Niedersachsenliga aktiven Teams selbst geholfen: Sie gründeten die Initiative Fans ohne Verein, stellten in einer Kontaktanzeige auf ihrer Internetseite (www.leinetalrebellen.de.vu) ihre Dienste zur Verfügung. Intakte Fanszene, z.Z. ohne Verein, bietet ihre Dienste an! heißt es dort. Mieten Sie uns im Schnupperpaket für ein Spiel oder gleich für die ganze Saison! Mittlerweile haben die Göttinger Fans Angebote für jeden zweiten Spieltag im neuen Jahr bis April; für das Rückrundenwochenende der Amateurligen haben sie bereits zwei Offerten aus dem nahen Wolfenbüttel oder dem 220 Kilometer entfernten Frankfurt. Die Fahrt muß gar nicht bezahlt werden, sagt Chrissi, eine Bratwurst und Bier wären klasse. Biete Begeisterung gegen Bratwurst – die fahrenden Fans sind ein Fall für Schnäppchenjäger.“

Leserzuschrift

Jens Ringleben leitet uns ein faktenreiche Kritik weiter die sein „schlauer Freund Gregor am Spiegel-Artikel ‚Reformstau auf dem Rasen’ (Spiegel vom 15.12.; if v. 16.12.) äußert:

‚Dass der Spiegel zu einer in seiner Einseitigkeit verfälschenden und letztlich tendenziösen Darstellung neigt, bestätigt dieser Artikel eindrucksvoll. Statt – wie es für seriöse Berichterstattung selbstverständlich ist – Kritikpunkte zu relativieren und Für und Wider gegeneinander abzuwägen, lässt dieser Artikel alle Fakten konsequent weg, die sein apokalyptisches Gemälde aufhellen würden. Statt zum Schluss zu kommen, dass eine sehr unglückliche Häufung von Krisen bei den wichtigen Vereinen die peinlichen Auftritte im internationalen Wettbewerb bewirkt haben, schon nächste Saison ein ungleich erfolgreicheres Abschneiden der deutschen Vereine zu erwarten ist, statt also die jetzige Situation als Momentaufnahme darzustellen, stimmt der Artikel in das deutsche Klagelied ein und tut der so, als wäre der deutsche Vereinsfußball dauerhaft drittklassig.Was der Spiegel im Dienste einer reißerischen Berichterstattung großzügig verschweigt: 1. dass noch vor einem Jahr alle europäischen Finals mit deutschen Mannschaften stattfanden, 2. dass die deutsche Mannschaft Leverkusen den besten Fußball Europas gespielt hat und dieses Jahr sicherlich auch eine prominente Rolle in Europa spielen würde, wenn nicht 3. mit Leverkusen und Werder die stärksten deutschen Mannschaften wegen vorübergehender Krisen in der letzten Saison im internationalen Wettbewerb fehlen würden, 4. dass in den letzten 8 CL-Finalspielen fünfmal deutsche Vereine vertreten waren, 5. dass wegen Verletzungspechs oder personellen Umbruchs alle großen deutschen Mannschaften zufälligerweise gleichzeitig in der Krise stecken (Bayern, BVB, S04, Hertha), 6. dass sich die ganze Welt um Spieler wie Ballack, Deisler, Schneider, Ze Roberto, Placente, Nowotny, Friedrich reißt und 7. dass Lucio der wichtigste Spieler des Weltmeisters ist, Sagnol und Lizarazu beim amtierenden Europameister Frankreich eine tragende Rolle spielen und Makaay gerade zweimal hintereinander der beste Torschütze der CL geworden ist.“

Wir bitten um eine Spende für die freistoss-Kasse, und empfehlen Sie uns. Vielen Dank!BankverbindungDeutsche Bundesbank (Filiale Gießen)BLZ: 513 000 00Nr.: 513 015 03Empfänger: indirekter-freistoss – Projekt-Nr. 6000 0208

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