Ballschrank
Berliner Saisonabschluss
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| Donnerstag, 25. März 2004
Christof Kneer (BLZ 26.5.) berichtet einen harmonischen Berliner Saisonabschluss. “Es war ein Tag, den Manager Dieter Hoeneß beim Schicksal vermutlich all inclusive gebucht hatte. Alles war dabei: Sonne, Herzschmerz, die entgegenkommenden Sommerfrischler vom FCK und ein Spiel, das ein Tor zum günstigsten Zeitpunkt (Nando, 45.) ebenso parat hatte wie einen hübschen Drei-Generationen-Treffer, den Beinlich (alt) und Marcelinho (mittelalt) für Nando (jung) anbahnten. Praktischerweise kamen die Anhänger erst gar nicht dazu, die letzten Darbietungen übel zu nehmen. In anschwellender Dramatik, quasi nach Wichtigkeit geordnet, bekamen alle Abgänger (Nene, Maas, Tretschok, Beinlich, Sverrisson, Preetz) ein Bündel Blumen aufgedrängt, während das Volk weiße und blaue Luftballons auf den Rasen regnen ließ. Alex Alves? Ist auch ein Abgänger, blieb aber wegen akuten Pfeifkonzertverdachts unerwähnt. Aber am Ende war der Tag doch ein bisschen zu perfekt, als dass man ihn glauben mochte. Die eine Wahrheit war, dass die Hertha Respekt verdiente, weil sie das Saisonziel erreicht hatte. Die andere Wahrheit lautete, dass es insgesamt eine knirschende, ächzende Saison war, in der jeder frisch erwachte, spielerisch schöne Trend umgehend vom unschönen Gegentrend gekontert wurde. Noch immer ist diese Hertha ein zutiefst störanfälliges Gebilde. Selbst den eigenen Vorgesetzten gilt die Elf als so labil, dass man sie sicherheitshalber überlistet. Es sagt viel über diese Mannschaft, dass auf höchster Ebene ein exaktes Anzeigentafel-Szenario entworfen wurde, wie Geschäftsstellen-Leiter Mattias Huber sagt. Nur freudige Botschaften ab einer gewissen Höhe sollten den sensiblen Sportlern übermittelt werden; so wurde Gladbachs Führung von der Tafel noch bestreikt, erst vom 2:0 wurde das Stadion offiziell in Kenntnis gesetzt. Es taugt als erste Lehre aus dieser Saison, dass sich Hertha noch nicht selbst helfen kann. Sie braucht noch Unterstützung, von Gladbach, Lautern oder der Anzeigentafel.“
Friedhard Teuffel (FAZ 26.5.) schreibt zum selben Thema. „Ein letzter großer Auftritt des älteren Stürmers und ein erster großer des jungen, diese beiden Wege haben sich am Samstag im Berliner Olympiastadion gekreuzt. Michael Preetz, 35 Jahre alt und 84maliger Torschütze für Hertha BSC Berlin, nahm Abschied, um in Zukunft von der Tribüne aus Spieler für den Verein zu beobachten. Nando Rafael, 19 Jahre alt, nahm am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga schon mal den Platz des scheidenden Kapitäns und erfolgreichsten Hertha-Torschützen ein und erzielte zwei Treffer (…) Es ist also doch noch ein glückliches Ende geworden für Hertha mit einer reibungslosen Stabübergabe von einem Stürmer zum anderen. Die Begegnung der beiden war aber vor allem Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem. Denn Preetz‘ Abschied erinnerte an die vergangenen sieben Jahre, in denen die Hertha mit der Unterstützung des langen Stürmers den Aufstieg in die Bundesliga schaffte und dort einmal die Champions League und viermal nacheinander den Uefa-Pokal-Wettbewerb erreichte. Nando Rafaels Tore in seinem zweiten Bundesligaspiel von Beginn an waren dagegen wie ein Ausblick auf die nächste Hertha-Generation. Vielleicht kommt mein Name ja auch irgendwann ins Hertha-Geschichtsbuch, sagt er mit Blick auf Preetz. Rafael kann jedoch nicht nur von der aussichtsreichen Zukunft erzählen, sondern auch von einer bewegten Vergangenheit. Seine Eltern sind im angolanischen Bürgerkrieg umgekommen, sein Onkel schickte ihn darauf nach Holland, wo er in der Fußballschule von Ajax Amsterdam eine offensichtlich vorzügliche Ausbildung erhielt (…) Nur einen kleinen Schönheitsfehler hatte die Zeremonie. Auf den T-Shirts, die sich die Berliner nach dem erreichten Saisonziel überzogen, stand: Uefa-Cup 2003. Werden die Berliner also auch diesmal wieder nur ein halbes Jahr im europäischen Wettbewerb bleiben und schon vor dem Viertelfinale 2004 ausscheiden? Wird es also wieder keine Fortschritte geben in dem Verein, der sich so große Ziele gesetzt hat und in dieser Saison auf der Stelle getreten ist?“
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