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BiermannFuchs – Der Ball ist rund

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für BiermannFuchs – Der Ball ist rund

In der if-Rubrik Hoch und Weit werden Bücher besprochen, die sich mit der Trainingspraxis befassen.

Pflichtlektüre aus Italien

In Sachen Taktik haben die Italiener uns Deutschen schon seit jeher etwas voraus. Daher lohnt sich ein Blick in ihre Lehrbücher. Im vorliegenden wird im ersten Teil das klassische 4:4:2-System (Raumdeckung) in seiner Reinform erläutert. Die Autoren überzeugen durch akribische Detailversessenheit, denn keine vorhersagbare Spielsituation scheint ihnen zu entgehen. So erfährt man zB in anschaulicher Darstellung, wie eine Viererkette gegen alle denkbaren Offensivvariationen (1/2/3 Stürmer) situationsabhängig zu (re)agieren hat. Zudem sind italienischer Fußballauffassung zufolge immer elf Spieler bei der Balleroberung beteiligt, weswegen Marziali Mora Verhalten/Stellungsspiel/ Laufverhalten von Mittelfeldspielern, Stürmern und Torwart (zum Torwartspiel bei einer Abseitsfalle ein Beispiel aus einem Länderspiel) gleichberechtigt behandeln. Abseitsfalle, Doppeldeckung, Pressing sind weitere Stichworte ihre Lehre. Unumstößliche Prinzipien sind dabei immer ballorientiertes Verteidigen in Breite (enge Mannschaft) und Tiefe (kurze Mannschaft), kollektives Verteidigen, sowie Verzicht auf feste Gegnerzuteilung.

Im zweiten Teil widmen sich die Autoren dem Offensivspiel, beginnend beim Spielaufbau in der Abwehrreihe. Sehr populär scheint die Halbmondaufstellung der Viererkette in Ballbesitz geworden zu sein, welche garantiert, dass aus Gründen der Sicherheit „der Ball niemals exakt parallel zur Mittellinie gespielt, sondern von einem Verteidiger zum anderen in der Weise weitergegeben wird, dass sein Weg einen gewissen Winkel zur Horizontalachse des Spielfeldes beschreibt“ (S 134). Wem das zu theoretisch klingt, möge sich das Aufbauspiel der englischen Nationalmannschaft genauer ansehen (zB die Videoaufzeichnung der Demütigung von München) und wird in diesem Punkt merken, dass Sven-Göran Eriksson ein Vertreter italienischer Fußballauffassung ist. Den Abschluss des mit zahlreichen Skizzen versehenen Buches bildet das Angriffsspiel mit zwei Stürmern. Hierbei ist anzumerken, dass sich Offensivspiel wesentlich schwerer einstudieren lässt als Defensivverhalten.

Alles in allem ist Spiel im Raum ein faszinierendes Fachbuch, welches jedem ambitionierten Trainer und Experten Pflichtlektüre sein sollte. Erstens ist es dank seiner umfassenden Vielfalt sehr ergiebig, zweitens sehr klar strukturiert und drittens konsequent in seiner Auffassung vom Fußballspiel. Auch wenn der Trend momentan weg vom festen hin zur flexiblen Anwendung mehrerer Systeme zu gehen scheint, so ist das hier vermittelte Wissen unverzichtbar und zudem auf andere Spielsysteme übertragbar. Freilich sollte man einerseits bedenken, dass ein Buch nicht die zeitlich-räumliche Dynamik einer Spielsituation vermittelbar macht (hierfür eignet sich ein audio-visuelles Medium besser) und andererseits ein Spiel sich niemals schematisch voraussagen lässt. Dafür ist der Ball – zum Glück – zu rund. So bleibt einziges Ärgernis die falsche Verwendung des Plurals von Schema: Schemen. Die Ausführungen und Skizzen von Marziali Mora sind nämlich alles andere als schemenhaft, sondern klar und durchdacht.

Oliver Fritsch

Marziali, Floriano Mora, Vincenzo (1997). Spiel im Raum. Didaktische Einführung in das 4:4:2-System. Leer: bfp (17, 90).

weitere Taktikbücher:

FascettiScaia: 5:3:2

BiermannFuchs: Der Ball ist rund

Gewinnspiel für Experten

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