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Dortmunder Geflecht, Stuttgarter Leasing-Modell, Beckham, die Projektionsfläche

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Dortmunder Geflecht, Stuttgarter Leasing-Modell, Beckham, die Projektionsfläche

Die Auswirkungen der Hitze auf das sportliche Geschehen – Borussia Dortmund: früher ein Fußballverein, heute ”ein komplexes Geflecht aus Beteiligungen und Business-Plänen” (SZ) – zweifelhaftes Stuttgarter Leasing-Modell – neue Leverkusener Kooperation – Beckham, “die Projektionsfläche” (FAZ) u.a.

Gerd Schneider (FAZ 7.8.) bejaht die Rücksichtnahme auf die Hitze. „Früher vertrat Magath die – übrigens widerlegbare – These: Qualität kommt von Qual. Heute sagt er milde: Den älteren und kräftiger gebauten Spielern macht die Hitze enorm zu schaffen, da muß man reagieren. Damit ist Papa Felix gar nicht mehr so weit entfernt von Ralf Rangnick, seinem pädagogisch bewanderten Kollegen aus Hannover: Der war seiner Zeit wieder mal voraus und forderte schon am Dienstag eine Verlegung der Bundesligaspiele in den Abend. Tags darauf schloß sich eine ganze Reihe anderer Fußballehrer an. Wieso kam eigentlich niemand auf die Idee, die Tour-de-France-Etappen im Morgengrauen zu starten, um den Darstellern die Hitzewallungen der Tagesmitte zu ersparen? Es ist jedenfalls kein Zeichen von Gefühlskälte, wenn man sich um die Fußballer keine Sorgen macht. Selbst aus medizinischer Sicht vollbringen Fußballprofis nichts Außergewöhnliches, wenn sie für anderthalb Stunden auch bei Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke ihren Beruf ausüben: Sie leiden zwar, aber ihr Thermosystem ist darauf vorbereitet. Anders sieht es bei Freizeitsportlern aus, für die die Hitze und die hohen Ozonwerte eine extreme Belastung sind, die sie sich am besten ersparen sollten. Daß in manchen Bundesländern die Anstoßzeiten der Amateurligen für dieses Wochenende in die Abendstunden verlegt werden, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern pure Vernunft.“

Sie haben ein anderes Körpergefühl

Richard Leipold (FAZ 7.8.) behauptet, dass die Temperaturen den Brasilianern entgegenkommen. “Das Fußballhoch aus Südamerika scheint nicht zufällig die Wetterlage der Bundesliga zu bestimmen. Fachleute sehen psychologische und auch physiologische Ursachen für das, was (der Dortmunder) Dédé als Sonnenschein im Herzen beschreibt. Es ist nachgewiesen, daß Sonneneinstrahlung zu hormonellen Ausschüttungen führen kann, die ein positiveres Lebensgefühl hervorrufen, sagt Dr. Markus Braun, der Mannschaftsarzt von Borussia Dortmund. Diese Wirkung werde dadurch verstärkt, daß Brasilianer mit Sonnenschein und Wärme ein gewisses Heimatgefühl verbinden. Die neue deutsche Hitzewelle als Integrationshilfe. Sie fühlen sich dann mehr zu Hause. Das Zusammentreffen von Hormonen und heimatlichen Assoziationen steigert offenbar die Belastbarkeit. In extremer Hitze zu kicken empfinden Brasilianer nicht so früh als Streß wie ihre Kollegen aus gemäßigten Klimazonen. Deshalb zeige ein Spieler wie Dédé, der viel übers Laufen kommt, keine Symptome, richtig platt zu sein, sagt Braun. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil der Südamerikaner liegt darin, daß sie von Kindesbeinen an gewohnt sind, sich bei hohen Temperaturen zu bewegen. Sie haben ein anderes Körpergefühl, sagt der Sportmediziner vom renommierten Grönemeyer-Institut in Bochum. Fußball ist für sie in gewisser Weise eine rhythmische Sportart. Da ihre Bewegungsabläufe geschmeidiger seien, liefen sie ihren Gegnern gerade auf den ersten Metern häufig davon. Der schnelle Antritt erspare ihnen einen Sprint über fünfzig Meter. Neben dem Körpergefühl spielt auch die geistige Verfassung eine Rolle. Während Deutsche im Schweiße ihres Angesichts eine seltsame Schwere im Kopf verspüren, entwickeln Südländer gerade bei extremer Hitze eine große Spielintelligenz. Sie verhalten sich auf dem Platz sehr vorausschauend und können viele Situationen antizipieren, sagt Braun. Diese Fähigkeit erspare ihnen unnötige Laufwege.“

Fußballwetter ist am besten, wenn es regnet

Volker Kreisl (SZ 7.8.) „Schon immer waren sie zu verabscheuen, jene Fußballer, die erst den Himmel prüfen, ehe sie ihre Trainingssachen packen. Die als letzte auf den Platz gehen und sich als erste auswechseln lassen. Schon zur Halbzeit eine heiße Dusche nehmen, statt draußen zu helfen, das 0:4 zu halten. Muskelfaserrisse vortäuschen („Au, bloß nicht berühren!“), weil sich ein paar Pfützen auf dem Platz gebildet haben. Pfützen, in die sie niemals grätschen würden. Man nennt sie Schönwetterfußballer. Fußballwetter ist am besten, wenn es regnet, dann beweist man, dass man ein Kerl ist, bei Sonnenschein kann’s jeder. Nun ist das Wetter schön, unerträglich schön, so schön, dass es gefährlich wird, und dass auch große Schlechtwetterfußballer am liebsten kneifen würden. Meteorologen verkünden hohe Ozonwerte, Mediziner warnen, Platzwarte messen Temperaturen und Felix Magath gibt hitzefrei. Anders als die Südamerikaner litten eher die kräftiger gebauten Fußballer, sagt er. Andere Bundesligatrainer fordern, kurz vor Sonnenuntergang anzustoßen, doch das ist nicht ernst zu nehmen, denn dann müsste die neue Sportschau ab 18 Uhr Segeln oder Wasserski bringen.“

Früher ein Fußballverein – heute ein komplexes Geflecht aus Beteiligungen und Business-Plänen

Freddie Röckenhaus (SZ 7.8.) beschreibt das Leitbild von Borussia Dortmund. „Dauerkartenbesitzer Martin R. hadert mit dem Schicksal. Das neue Stadion, das tolle Wetter, alles schön und gut, „aber wenn sie jetzt den Dede verkaufen, weil sie keine Kohle mehr haben, da müsste man doch seine Dauerkarte zurückgeben, weil man die ja unter ganz anderen Voraussetzungen gekauft hat“. Martin R. ist nicht der einzige BVB-Fan, dem der finanzielle Seiltanz seines Vereins zu spitzfindig ist. Heute wimmelt es von Begriffen wie Leasing-Depot und Cash-Position, und vor lauter Finanzgedöns weiß man gar nicht mehr, ob man Anhänger eines Pleiteklubs oder eines Krösus ist. Am Samstag, wenn Borussia Dortmund gegen den VfL Wolfsburg die „Ausbaustufe 3“ des Westfalenstadions einweiht, wird sich die Aufregung legen. Das – angebliche – Angebot des FC Barcelona für den Publikumsliebling Dede wischt BVB-Manager Michael Meier als „kalten Kaffee“ vom Tisch – und gegen die Verletztenmisere käme selbst das dickste Festgeldkonto nicht an. Jedenfalls wird Dortmund mit den geschlossenen Ecken des Stadion-Gevierts ab Samstag über die viertgrößte Fußball-Arena Europas verfügen. 83000 Zuschauer passen künftig bei Bundesligaspielen hinein. Das wird offiziell von Barcelona (98000), Madrid (90200) und Mailand (85700) überboten, aber diese Daten, grummeln sie in Westfalen, seien anzweifelbar. Lieber präsentieren sie in Dortmund deshalb die Tabelle der 150 europäischen Klubs mit der höchsten Stadion-Auslastung. Da steht die Borussia auf Platz zwei (Schnitt von 67765), nur knapp hinter Real Madrid (69232). Und weil für die eben begonnene Saison der BVB schon jetzt über 50000 Dauertickets verkauft hat, „bin ich ziemlich sicher“, sagt Manager Meier, „dass wir Madrid in dieser Saison überholen werden“. Angesichts solch beeindruckender Zahlenhuberei wundert sich der BVB-Anhang über die Sparsamkeit, die seit Saisonbeginn ausgebrochen ist. Doch hinter dem, was einmal ein Fußballverein war, steckt ein komplexes Geflecht aus Beteiligungen und Business-Plänen.“

Einen Beigeschmack aber hat die Geschichte

Martin Hägele (SZ 7.8.) beobachtet das Stuttgarter Leasing-Modell (if zitierte gestern) mit Skepsis. „Welche Personen verbergen sich hinter der Agentur KBM, die Centurión an den Neckar gebracht hatte? Zunächst vermuteten die Stuttgarter Nachrichten, das Firmen-Kürzel stünde für die Initialen von Krassimir Balakov – dass der ehemalige Spielmacher und VfB-Spitzenverdiener, der seit Juli als Co-Trainer und Assistent des Teammanagers sein Geld verdient, seinen eigenen Nachfolger finanziert und somit als Geschäftspartner des Vereins auftritt, wäre schon sehr anrüchig gewesen. Später klärte die Stuttgarter Zeitung, welche Personen sich tatsächlich hinter KBM verbergen, in deren Besitz Centurión mittlerweile ist: Karel Svab, Dusan Bukovac und Gustavo Mascardi – ein tschechischer Spielerscout, ein bulgarischer Agent und ein argentinischer Spielervermittler – haben für KBM den Antrag auf Aufnahme ins Handelsregister von Göppingen gestellt. Die Absichten der mysteriösen neuen Leasinggesellschaft, die mit dem VfB ins Geschäfts gekommen war, prüfte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) – ohne Befund. Einen Beigeschmack aber hat die Geschichte dennoch. Denn Schoetz ist nicht nur Balakovs Spielpartner beim Golfen, er regelt auch dessen Steuererklärung. Und Dusan Bukovac hat sich als Manager des bulgarischen Stars am Canstatter Wasen einen zweifelhaften Ruf erworben. Etwa wenn er über seinen berühmten Landsmann und Klienten Einfluss auf die Klub-Politik zu nehmen versuchte. Einmal forderte er gar öffentlich den Alt-Internationalen Hansi Müller als VfB-Manager, und mit dem vormaligen Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder handelte er Balakovs so genannten Jahrhundertvertrag aus. Ist ein Investorenkreis aus Partnern des vermögenden Fußballers über jeden Verdacht erhaben? (…) Ein Teil der VfB-Fans sieht das kritisch. Im Internet wird die Frage gestellt, wie der Klub sich mit einem Mann einlassen könne, der den Verein seinerzeit bei den Verhandlungen mit Balakov unter Druck gesetzt und finanziell an den Rand des Möglichen gedrängt hatte. Selbst im Führungszirkel des VfB finden die Deals mit der KBM nicht nur Freunde. Ulrich Ruf, Mitglied des Präsidiums und Finanzchef, wehrte sich zu Anfang gegen die Leasing-Geschichte, die ihm suspekt erschien. Erst nachdem die DFL grünes Licht für das Finanzierungsmodell gegeben hatte, gab Ruf seinen Widerstand zähneknirschend auf. Man kann die Tage zählen, bis Balakov-Freund Magath und der konservative Ruf aufeinander prallen.“

Frank Schneller (FTD 7.8.) referiert eine neue Kooperation Bayer Leverkusens. „Auf sportlicher Ebene verbreiten die Fußballer von Bayer 04 Leverkusen mit ihrem Trainer Klaus Augenthaler nach dem gelungenen Saisonauftakt ja schon eine gewisse Aufbruchsstimmung. Und auch abseits des Spielfelds präsentiert sich die Fußball GmbH des Klubs ausgesprochen zukunftsorientiert. Die Kooperationspläne zwischen Bayer 04 und der Anschutz Entertainment Group werden langsam mit Leben erfüllt – und bekommen somit „offiziellen Charakter“, wie Bayer-Manager Ilja Kaenzig erklärt. Telefon- und Videokonferenzen über den großen Teich sind mittlerweile an der Tagesordnung. Im Juni weilten die Leverkusener in Los Angeles, wo der US-Mogul die neue Basis des amerikanischen Fußballs samt Arena eröffnete – das „Home Depot Center“. Bayer 04 und Philip F. Anschutz, eine außergewöhnliche Verbindung. Hier der geläuterte Fußballklub, der in der vergangenen Saison fast in die zweite Liga abgerutscht wäre. Dort der Multi-Unternehmer und Milliardär aus den USA. Hier der volksnahe Werksverein. Dort der riesige Global Player, der gigantische Multifunktionshallen und Sportstätten auf der ganzen Welt bauen lässt, zweitgrößter Konzertpromoter Amerikas und Inhaber mehrerer Sportklubs in den Staaten ist. Fünf Teams der US-Profiliga MLS nennt er sein Eigen. Das klingt nach Elefantenhochzeit und Millionendeals. Doch stattdessen ist diese Variante neuer deutsch-amerikanischer Freundschaft eher eine strategische Partnerschaft. Doppelpässe wollen künftig beispielsweise Bayer und der Anschutz-Klub (Washington) D.C. United spielen. Spieler- und Informationsaustausch, Freundschafts- und Testspiele sowie ein gemeinsames weltweites Scouting-System – „der US-Fußballmarkt wird gerade erst erschlossen und ist noch jungfräulicher als beispielsweise der asiatische Markt. Das wollen wir effektiv nutzen“, sagt Kaenzig. Außerdem seien die MLS-Klubs deutschen Vereinen in der Relation oftmals voraus. Wenn es um Vermarktung gehe, könne man durchaus noch lernen.“

Wollte man die Bibel verfilmen, müßte er Jesus spielen

Paul Ingendaay (FAZ 6.8.). „In Steakhäusern hängen Plakate mit Bildern der leckersten Teile des Schlachtrinds. Daran erinnerte man sich, als die spanische Presse Graphiken mit den teuersten Körperteilen von David Beckham präsentierte. Zahlreiche große Firmen bezahlen den englischen Fußballspieler von Real Madrid dafür, daß er auf Armen, Brust und Beinen ihren Namen trägt: Adidas überweist Beckham 2,1 Millionen Euro im Jahr, Marks Spencer dasselbe, Pepsi ist mit 1,4 Millionen dabei, Vodafone und andere mit je siebenhunderttausend Euro. Alles zusammen ergibt neun Millionen Euro. Das Verblüffende dieses Sommers ist, daß solche Einzelheiten an dem Mann abgleiten, als sei das Schlachtrind synthetisch. Von Geld spricht in Madrid längst niemand mehr nur noch vom „Beckham-Effekt“. Aus Gründen, die vorerst sein Geheimnis sind, strahlt der Brite die gesamte mediale Aufmerksamkeit, die er einfängt, gleichsam unverbraucht wieder ab. Kein Gramm verliert sich, niemand wird betrogen, und alle fühlen sich besser, jünger, heiterer. Denn David Beckham ist reine Projektionsfläche, der Mann ohne Eigenschaften. Wollte man die Bibel verfilmen, müßte er Jesus spielen.“

Vincenzo Delle Donne (Tsp 7.8.) berichtet illegale Methoden in Itlien. “Der AS Rom und der SSC Neapel haben sich durch die Vorlage von gefälschten Bürgschaften der Finanzgesellschaft SBC die Lizenz für die neue Saison erschlichen. Jetzt ermitteln der italienische Fußballverband, die römische Staatsanwaltschaft und auch die Mailänder Börsenaufsicht. Denn der AS Rom ist an der Börse notiert. Die Unterschrift auf den Bürgschaften stammt von einer gewissen Cynthia Ruia, der Geschäftsführerin der Finanzgesellschaft. Diese aber hatte schon am 18. April, Wochen vor Beantragung der Bürgschaften, ihren Rücktritt erklärt. Ihre Unterschrift erwies sich als miserable Fälschung. Auch andere Fußballklubs wie Genua und Drittligist Spal, aber auch der Basketballklub Virtus Bologna legten gefälschte Bürgschaften derselben Finanzgesellschaft vor. Die Basketballer aus Bologna wurden wegen finanzieller Probleme aus der ersten Liga ausgeschlossen. Sollte sich in den Fällen Rom und Neapel eine Mitwisserschaft der Klubs herausstellen, droht auch ihnen der Zwangsabstieg. Die angeblich von SBC gewährten Bürgschaften haben ein Gesamtvolumen von 30 Millionen Euro. Eine bemerkenswerte Summe, verfügt doch die Gesellschaft über ein Stammkapital von lediglich 500 000 Euro. Bayer Leverkusens Brasilianer Lucio muss wohl über die Finanzmisere des AS Rom im Bilde gewesen sein, als er im Juli die lukrative Offerte für einen Wechsel in die Serie A ablehnte. Seit April haben Romas Spieler keine Bezüge mehr erhalten.“

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