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Borussia Dortmund – Real Madrid 1:1

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Borussia Dortmund – Real Madrid 1:1

Martin Hägele (NZZ 26.2.) berichtet von einem hinreißenden Spiel. „Die Dortmunder schienen ihre Lektion aus dem Hinspiel gelernt zu haben: Man darf den Harlem Globetrotters des Fussballs keinen Platz lassen – eine Order, die vor allem Metzelder gegen Roberto Carlos, Reuter gegen Zidane und der junge Franzose Madouni gegen Raul, das Schreckgespenst des deutschen Fussballs, höchst konzentriert befolgten. Und da sich auch der grosse Figo nicht entscheidend in Szene setzen konnte, schien das Konzept von Coach Matthias Sammer aufzugehen: „Lasst sie nicht zaubern, setzt sie selber unter Druck.“ Wobei sich besonders Frings hervortat. Der deutsche Nationalspieler, der sonst immer die Drecksarbeit für den jungen, genialen Regisseur Rosicky erledigen muss, durfte wegen einer Oberschenkelverletzung des Tschechen selbst an die zentrale Schaltstelle – er erledigte seinen Wunschjob mit Bravour. – Wahrscheinlich werden sie im Westfalenstadion noch lange von dieser Partie träumen, endlich einmal ein Spiel mit K.-o.-Charakter. Und für Jens Lehmann, am vergangenen Wochenende im Revier- Derby mit Schalke 04 wegen seiner Unbeherrschtheit noch der Buhmann, nun die Gelegenheit zu zeigen, dass er zu den weltbesten Keepern gehört. Dreimal kam es zum Duell zwischen dem „Weltfussballer des Jahres“ und dem Dortmunder Goalie – jedes Mal bewies der Kerl in dem orangen Sweater die besseren Nerven. Lehmanns Kollegen aber passierte im Finish das, was sie schon in Madrid erlebt und was Metzelder damals mit „Puls 200“ beschrieben hatte. Die „Königlichen“ bekamen die Partie unter Kontrolle, Zidane und Co. nahmen die gelb-schwarzen Kämpfer in den „Schwitzkasten“, und denen ging zusehends die Luft aus. Lediglich Ewerthon und Koller besassen noch die Kraft, ein paar entlastende und obendrein gefährliche Konter zu starten. So war es am Ende eines phantastischen Fussballspiels und eines offenen Schlagabtauschs eine reine Glaubenssache. Hatten die Deutschen dank ihrer Moral, Kampfkraft und Geschlossenheit diesen Sieg verdient, oder wäre auf Grund der Steigerung Reals im zweiten Abschnitt nicht ein Remis gerecht gewesen? Ein 20-Jähriger namens Portillo beendete alle theoretischen Gedankenspiele.“

Roland Zorn (FAZ 27.2.) beschreibt die entscheidende Szene. „Da hatten sich die spielenden Borussen am Dienstag abend bis in die Nachspielzeit darauf verlassen können, daß ihnen Torhüter Jens Lehmann mit einer nicht anders als sensationell zu bezeichnenden Paradenpalette den Rücken frei hielt, während der Torwart sicher sein konnte, daß seine Vorderleute mit einer in dieser Saison nie gesehenen Inbrunst ihren schmalen Vorsprung verteidigen und behalten würden. Und dann passierte es doch: Eine Verquickung ärgerlicher Fehler und vielleicht auch folgenschwerer Fehlentscheidungen brachte die Dortmunder um einen hohen Lohn. Ein Sieg, und sie wären dem Erreichen des Viertelfinales sehr nah gewesen. Zurück zur zweiten Minute der Nachspielzeit, als das Verhängnis für den BVB seinen Lauf nahm. Amoroso, in der 90. Minute für den mit Wadenkrämpfen ausgeschiedenen Dédé eingewechselt, lief sich wie immer in den vergangenen Wochen bei dem Versuch eines Dribblings fest. Reina, in der 87. Minute für Ewerthon gekommen, versuchte dem unglückseligen Brasilianer auch noch zu helfen, obwohl der bisher nur als Stürmer bekannte Deutsch-Italiener von Sammer zum Verteidiger der linken Seite bestimmt worden war. Damit war endlich freie Bahn für Real. Amoroso, mehr noch Reina hatten sich in ihrer Arglosigkeit wie zwei ballhungrige Schüler angestellt und dabei die Gefahr, die von einer Weltklasseauswahl wie Real Madrid jederzeit ausgeht, glatt übersehen. Aber auch der Trainer selbst dürfte sich im nachhinein gefragt haben, warum er den davor unerschütterlich konzentrierten Dédé trotz dessen Wadenkrämpfen herausnahm oder ihn nicht durch dessen Bruder Leandro, der auf Dédés Position spielen kann, ersetzte. Statt dessen kam der zuletzt zum laufenden Dortmunder Ärgernis gewordene Amoroso, während der als Stürmer zu unvorhersehbaren Solotouren neigende Reina auf der linken Abwehrseite dicht machen sollte. Das Thema Amoroso bleibt auf der Dortmunder Tagesordnung, das Thema Champions League könnte schon bald eine Episode von gestern sein.“

Felix Meininghaus (FTD 27.2.) ist vom Dortmunder Spiel angetan. „Dabei hatten die Dortmunder über weite Strecken agiert wie Sieger: Vor allem in der ersten Hälfte, als sie Real mit aggressivem Pressing überfielen und zum Führungstor durch den in diesen Wochen stets überragenden Jan Koller kamen. Die Männer in Schwarz-Gelb umschwirrten das weiße Ballett wie ein wild gewordener Bienenschwarm. Wo immer ein Spieler von Real angespielt wurde, waren schon ein, zwei oder auch drei Dortmund der zur Stelle, um zu stören. Der BVB betrieb sein Spiel mit einer Intensität, wie sie in Fußballarenen nur ganz selten zu sehen ist. Als BVB-Kapitän Stefan Reuter kurz nach Anpfiff den Weltstar Ronaldo abgrätschte und die tobende Südtribüne nach dem Tackling mit geballter Faust grüßte, war das wie ein Fanal: Heute Abend gibt es nur Vollgas. Die Befürchtungen, solch eine Gangart sei nicht über die gesamte Spieldauer durchzuhalten, bestätigten sich nach dem Seitenwechsel. Immer größer wurde der Druck durch die außergewöhnlichen Individualisten in den Reihen Real Madrids, immer schwieriger das Unterfangen der Gastgeber, das Spiel vom eigenen Tor fern zu halten. In der letzten halben Stunde geriet die Partie für den BVB zur reinen Abwehrschlacht. Die hätte Borussia mit großem Kämpferherzen und Torwart Jens Lehmann in Weltklasseform beinahe erfolgreich bewältigt.“

Freddie Röckenhaus (SZ 27.2.) meint dazu. „Die Leidenschaft des Spiels hatte freilich schon vor der Schlüsselszene ihren Tribut gefordert. Mit Blick auf die Tabellen-Konstellation und das Führungstor des erneut grandiosen Jan Koller war Madrids Ensemble gezwungen, bedingungslos alles zu mobilisieren. „Es war das schwerste Spiel der Saison“, adelte Zidane später die Leistung der Borussen. Reals Mannschaft spielte am Limit ihrer eigenen Möglichkeiten – und immer noch mit einer bemerkenswerten Abgeklärtheit. Dortmund dagegen rieb sich am Gegner auf, die größeren spielerischen Möglichkeiten der Madrilenen auf zahllosen Laufwegen kompensierend. Stefan Reuter und Frings wüteten geradezu, um das gnadenlos rasante Pass-Spiel von Real zu stören. Doch Dortmund gelang es nicht, die sich mehrenden Blößen in Madrids Abwehr für den einen, entscheidenden Konter zu nutzen.“

vor dem Spiel Hinspiel

Weitere Spiele

Die NZZ (27.2.) berichtet das Remis in Mailand. “Keine Tore, kaum Torchancen, viele Fehler – nein, berauschend war der Schlager der Gruppe A zwischen Internazionale und Barcelona beileibe nicht. Erstmals in der Fussballgeschichte trennten sich ein spanischer und ein italienischer Klub torlos, kein Ruhmesblatt im 56.Vergleich dieser beiden Fussballtraditionsländer. Die Statistik besagt auch, dass Barcelona nunmehr seit zwölf Europacup-Partien in Folge ungeschlagen bleibt, den angestrebten, noch von keinem Team erreichten 12.Sieg de suite aber verpasste. Dennoch überzeugten die Spanier im Gegensatz zu den ungestüm angreifenden, zur Gala forcierten Mailändern wie schon im Hinspiel punkto Technik, Spielkultur und Dynamik und standen im Finish auch dem Sieg näher. Im Gegensatz zum Fussball als Spektakel gab es wenigstens im Hinblick auf die Viertelfinal-Qualifikation keinen Verlierer. Innert dreier Wochen ist die Stimmung in Barcelona völlig umgeschlagen. Der neue Besen, der serbische Trainer Antic, hat den vielen Staub beseitigt. Ein Haufen von Versagern scheint sich aus dem Nichts in ein strahlendes Ensemble verwandelt zu haben.“

Spielbericht Deportivo La Coruna – FC Basel (1:0) NZZ

Weltenbummler auf der Trainerbank führt Wisla Krakau zum Uefa-Cup-Höhenflug NZZ

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