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Bundesliga

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Bundesliga

Felix Magath, Stuttgarts Trainer mit „eine populär-pädagogische Ader“ (FAZ) lässt seine Spieler stramm stehen – Bayer Leverkusen tritt kürzer (SZ) – Werder Bremen lässt sich nicht über den Tisch ziehen (SZ) u.a.

Thomas Kistner (SZ 13.2.) staunt über die Erziehungspraxis Felix Magaths, der seine Spieler 90 Minuten stramm stehen lässt: „Wie einst der Löwen-Trainer Max Merkel nach einer happigen Niederlage seine Profispieler im Training eine Viertelstunde lang, angeblich zur „Lockerung der Nackenmuskulatur“, die Köpfe hin und her schütteln ließ, um sie dann aufzuklären: „So müsst ihr antworten, wenn euch jemand fragt, ob ihr Fußballspielen könnt!“ Ein Klassiker; immer wieder gern erzählt. Die hübsche Lästerei hat sich in den sechziger Jahren abgespielt, und dass die Erinnerung daran fast die ganze Bundesliga-Historie überdauert hat, belegt nebenbei, wie schwierig es ist, im allzeit wild bewegten Kickergewerbe mit disziplinarischen Schritten auf die Ewigen-Liste vorzustoßen. Nun endlich hat Merkel, der zu seiner Zeit gern als Dompteur und Peitschenschwinger beschrieben wurde, seinen Jünger gefunden: Den Mann, den sie Quälix nennen. Zwar trägt Felix Magath diesen Spottnamen schon länger, doch erst mit der pädagogischen Sofortmaßnahme nach dem 0:1 seiner Stuttgarter Kicker bei Hertha BSC hat er ihn auf ewig in der Branche zementiert. Coach Magath ließ die Spieler sich umziehen, draußen auf dem Trainingsplatz einen Kreis bilden – dann hieß es stillgestanden. 90 Minuten lang, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Eine arg erfrischende Maßnahme, ganz dem Gedenken an jenes 90-minütige Standfußballspiel gewidmet, das die Mannschaft in Berlin abgeliefert hatte. Der Gefahr, mit der revanchistischen Übungseinheit gegen die Genfer Menschenrechtskonvention zu verstoßen, hatte Magath vorgebeugt, indem er die Zeit für eine Ansprache nutzte, die sich in zentralen Teilen mit der Auswirkung von kollektiver Selbstüberschätzung plus individueller Nachtschwärmerei auf das Leistungsvermögen bei der Arbeit in öffentlich zugänglichen Fußballstadien auseinander setzte.“

Der Mann hat eine populär-pädagogische Ader

Auch Christian Eichler (FAZ 12.2.) reißt die Augen auf: „Endlich Innovatives im deutschen Fußball: Stehen im Kollektiv, neunzig Minuten lang. Daß seine Spieler das konnten, wußte Felix Magath. Er hatte es zwei Tage vorher bei der Niederlage in Berlin gesehen. Standfußball dort, Standpauke hier – man sieht: Der Mann hat eine populär-pädagogische Ader. Ob das beim Fußballer ankommt, bleibt abzuwarten. Beim Fan ist mit Zustimmung zu rechnen. Verhätschelte Stars mal wie kleine Jungen dumm rumstehen lassen, das bedient volksnahe Stimmungen. Und die muß gerade ein Trainer heutzutage beachten: Wenn nicht Spiele gewinnen, dann wenigstens Sympathien. Einer von Magaths Vorgängern in Stuttgart, Winfried Schäfer, scheiterte, weil die Fans ihn nicht wollten. Politisch war die Steh-Idee also nicht blöde. Pädagogisch vielleicht auch nicht. Manchmal gewinnt man gerade durch Statik Dynamik. Wenn Verhaltens- und Verständigungmuster sich verfestigt haben, hilft das Überraschende: Spieler zum Lauftraining bestellen und sie dann stehen lassen, anderthalb Stunden lang, knapp über dem Gefrierpunkt. Erlebnispädagogik mal anders (…) Das satirische Potential der Stand-Pauke und möglicher Nachfolge-Aktionen ist erheblich. Etwa nach der nächsten Niederlage durch Stürmerschwäche: neunzig Minuten Verstecken auf dem Spielfeld. Oder nach einer Schlappe durch Abwehrversagen: neunzig Minuten Schwimmen im Strafraum. Hoffentlich haben alle den Fahrtenschwimmer.“

Es gibt hier zwei Diskussionen am gleichen Objekt

Christoph Biermann (SZ 12.2.) befasst sich mit der Lage Bayer Leverkusens: „Es wirkte in den letzten Tagen so, als wäre der Kalender zwölf Monate zurückgestellt. Auf einmal donnerte es wieder in rheinischem Idiom aus Leverkusen wie zu finstersten Zeiten des Abstiegskampfes in der Vorsaison. Da waren die „Krankheit fehlender Selbstkritik“, das „La-Paloma-Gekicke“ und andere Klassiker aus dem Vokabular des Meisters der Starkrede zu hören. Staunend stellte man fest: Calli ist back! Wie ein wütender Bär, den man aus dem Winterschlaf geweckt hatte, stürzte Reiner Calmund vor die Kameras und machte sich über seine Mannschaft her. Am Dienstag drohte der Geschäftsführer den Spielern bei einer Besprechung mit Gehaltskürzungen. „Das war ein Warnschuss“, sagte er hinterher. Doch was ist eigentlich los in Leverkusen? Hatte sich Calmund nur gelangweilt, so gemütlich zurückgezogen in die zweite Reihe nach seiner Holter-die-Polter-Eheschließung mit der dritten Gattin Sylvia? Oder beginnt gerade die Apokalypse unterm Bayer-Kreuz? Wird Leverkusen das neue Dortmund? Erleben wir ein „Bayer-Beben“ (Express), oder wurde nur der „Watte-Hammer“ (Kölner Stadtanzeiger) herausgeholt? „Es gibt hier eigentlich zwei Diskussionen am gleichen Objekt“, sagt Wolfgang Holzhäuser, der Finanz-Geschäftsführer von Bayer Leverkusen. Die angekündigte 50-prozentige Kürzung der Personalkosten bis 2006 ergibt sich aus einem mittelfristigen Geschäftsplan, „der bereits Mitte vergangenen Jahres aufgestellt wurde“. Die geplante Halbierung der Bezüge folgt den gesunkenen Fernseheinnahmen nach der Kirch-Krise sowie einem Rückgang des Ertrags im internationalen Geschäft. Neu ist das alles nicht. „Wir hatten unsere Planungen nur noch nicht publik gemacht“, sagt Holzhäuser. Dass sie jetzt in der Öffentlichkeit verhandelt werden, hat mit einer sportlichen Krise zu tun. Nicht nur Calmund erkannte „Wiederholungstäter“ auf dem Platz, als sich die Leistungen zuletzt immer mehr denen des desaströsen Vorjahrs anglichen. Aus dem Traum von der Meisterschaft wurde die Sorge, in der kommenden Saison erneut keine internationalen Spiele bestreiten zu können. „Und damit bestünde die Gefahr, dass wir in einen Teufelskreis geraten“, sagt Bayer-Manager Ilja Kaenzig. Dieser würde angesichts fehlender Einnahmen in einem Verkauf teurer Spieler und einer Schwächung sportlicher Substanz bestehen, was wiederum internationale Ambitionen weiter gefährden würde.

Die Leute haben die Schnauze voll vom Gepoker der Spieler

Jörg Marwedel (SZ 11.2.) lobt Bremer Standhaftigkeit: „Jürgen L. Born, der Vorstandsvorsitzende der Werder Bremen GmbH Co KG auf Aktien, lässt sich ungern vorwerfen, nicht alles versucht zu haben. „Wir reden nicht von kleinen Prozentsätzen, sondern von Malnehm-Übungen“, sagt der Kaufmann, wenn die Rede auf die Vertragsverhandlungen mit den Fußballprofis des Bundesliga-Tabellenführers kommt und die Frage gestellt wird, ob man sich womöglich zu wenig bewegt habe. Drei dieser Profis – Ailton, Mladen Krstajic und Krisztian Lisztes – werden den Klub am Saisonende verlassen, des Geldes wegen und trotz mehrmaliger Aufstockung der Angebote. In dieser Woche droht der Verlust der vierten Stammkraft. Dann spricht Sportdirektor Klaus Allofs erneut mit Stürmer Ivan Klasnic, 24, über einen neuen Kontrakt, und viel deutet darauf hin, dass die Vorstellungen auch hier zu weit auseinander liegen. Oder dass, wie Born unkt, „auch noch Ivans Hund knurrt, er wolle eine Luftveränderung“. Schließlich buhlen Leverkusen, der Hamburger SV und Schalke 04 um den „cleveren Jungen“ (Allofs), der angeblich weit über eine Million Euro im Jahr verdienen möchte. Und weil auch Klasnic kein Durchschnittskicker ist, sondern nach Allofs’ Einschätzung „auf dem Weg zum absoluten Topstürmer in der Bundesliga“, erscheint die Lage beim Titelkandidaten inzwischen so dramatisch, dass Skeptiker schon vom „Zerfall der Erfolgself“ sprechen und die besorgten Führungsspieler Frank Baumann und Johan Micoud Auskunft begehrten, wie es weitergehe bei einem solchen Aderlass. Allofs steht unter Erwartungsdruck wie noch nie in seiner bald fünfjährigen Amtszeit an der Weser. Doch der frühere Nationalspieler begegnet den Aufgeregtheiten mit demonstrativer Gelassenheit. „Die Menschen“, sagt er, „haben immer Angst vor Veränderungen. Und wenn man Erster ist, ist die Tendenz, alles konservieren zu wollen, noch ausgeprägter.“ In so einem Satz steckt viel Überzeugung vom eigenen Können (…) Angst vor aufgebrachten Fans müssen die Bremer übrigens angesichts der Spielerverluste nicht haben. Während die glühendsten Anhänger des Klubs früher vehement forderten, die Stars mit allen Mitteln zu halten, gingen zuletzt zahlreiche Briefe auf der Geschäftsstelle ein, in denen Verständnis für die eher konservative Haltung der Klubführung geäußert wird. „Die Leute“, sagt Vorstandschef Born, „haben die Schnauze voll vom Gepoker der Spieler.““

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