Ballschrank
Bundesliga
Kommentare deaktiviert für Bundesliga
| Donnerstag, 25. März 2004Hertha BSC Berlin überrascht erneut; dieses Mal unangenehm – „Was ist in der Winterpause aus der Frankfurter Eintracht geworden?“ (FAZ) – in Dortmund wird die Laune allmählich besser, doch nicht kontinuierlich – „Hat es schon trostlosere Langeweiler gegeben in dieser Runde?“, fragt die FR nach dem Bayern-Sieg gegen den HSV u.v.m.
Mit neuen Frisuren und neuen Jacken
Javier Cáceres (SZ 24.2.) sorgt sich um Hertha BSC Berlin: „Es war wohl strategischen Überlegungen geschuldet, dass sich Hans Meyer, der Trainer von Hertha BSC Berlin, bemüßigt sah, das Ende seines Vortrages nach der 1:2-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt mit einer vergleichsweise überflüssigen Auskunft zu beschließen. „Hertha“, sagte also Meyer, „ist noch nicht abgestiegen, und Eintracht Frankfurt ist noch nicht durch.“ Unter anderen Bedingungen hätte für diese Auskunft der Verweis auf die Bundesligatabelle gereicht. Oder auf den Umstand, dass erst 21 Runden absolviert sind. Doch in Anbetracht der Art und Weise, in der die Hertha sich am Sonntagabend im Olympiastadion gegen die Frankfurter präsentierte, musste man wohl derart deutlich darauf hinweisen, dass der Klub dreizehn Spieltage vor Schluss tatsächlich noch nicht abgestiegen ist. Zwecks Abwendung allzu resignierender Schlagzeilen der lokalen Presse. Denn so, wie Hertha das Spiel führte, „wird es ganz schwer, die Klasse zu halten“, sagte Manager Dieter Hoeneß. So: das heißt ohne Aggressivität und Ordnung, besonders in der Defensive. Dass Meyer die Wechselwirkungen zwischen Medien und Mannschaft besonders interessieren, konnte man auch am gestrigen Montag erfahren; im täglichen Pressegespräch hielt er den Journalisten vor, den U20-Nationalspielern Malik Fathi und Sofian Chahed nach zwei guten Spielen zu große Aufmerksamkeit geschenkt zu haben: „Nicht zufällig kommen sie mit neuen Frisuren und neuen Jacken daher“, sagte Meyer. Dass die Berliner Massenblätter sich nun auf Marcelinho, den Artisten im Mittelfeld, einschießen, hat der Trainer ebenfalls registriert. „Hat er alles verlernt?“, sorgte sich die Bild-Zeitung, derweil die BZ mit der Note 6 aufwartete und sich fragte, wann Meyer den Regisseur auf die Bank setzt.“
„Was ist in der Winterpause aus der Frankfurter Eintracht geworden?“ Michael Eder (FAZ 24.2.) reibt sich die Augen: „Für den überraschenden Aufschwung des Frankfurter Abstiegskandidaten gibt es eine ganze Reihe von Gründen, vor allem die gelungene Personalpolitik in der Winterpause, vorgegeben von Trainer Willi Reimann, umgesetzt vom neuen Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen. Ingo Hertzsch kam von Bayer Leverkusen, Ioannis Amanatidis vom VfB Stuttgart, der eine hält hinten die Abwehr zusammen, der andere sorgt vorn für Wirbel und Tore. Um die beiden Zugänge herum hat Reimann eine Taktik gebastelt, die auf Sicherheit gerichtet ist, aber auch spielerische Elemente nicht aus den Augen verliert. In der Abwehr läßt er seit der Winterpause eine variable Fünferkette spielen, mit Hertzsch und dem Brasilianer Chris als Innenverteidiger und dem jungen Christoph Preuß als Libero – eine Formation, die sich bei Ballbesitz sofort auflöst. Preuß wird dann zum zweiten Spielmacher hinter dem Albaner Ervin Skela, und auch der technisch starke Chris wagt immer wieder gefährliche Ausflüge bis weit in die gegnerische Hälfte. Für die zweite Halbzeit steht als Joker der flinke und ballgewandte Österreicher Stefan Lexa bereit, und weil auch die Außenverteidiger Günther und Bürger weit besser mit dem Ball umgehen können als ihre Vorgänger aus der traurigen Vorrunde, Bindewald und Wiedener, sind die Frankfurter zur Überraschung ihrer Gegner nun auch in der Lage, den Ball mit ansehnlichem Kombinationsfußball zu ihren Angreifern Cha und Amanatidis zu bringen. (…) Wenn die Eintracht den Klassenverbleib nach ihrer desaströsen Hinrunde tatsächlich noch schaffen sollte, und zwar mit Reimann, dann wäre auch dies für Frankfurter Verhältnisse ganz und gar ungewöhnlich. Die letzte Bundesligasaison ohne Trainerentlassung liegt bei der Eintracht ein halbes Fußballerleben zurück – dreizehn Jahre.
Gut geölte Dementiermaschine BVB
Freddie Röckenhaus (SZ 24.2.) kann sich nicht richtig über Dortmunds Sieg gegen Köln freuen: „Über Dortmunds Gesamtstimmung lag an diesem Abend allerdings der Mehltau der finanziellen Schieflage des Klubs – und der daraus resultierenden immer neuen Verstimmungen. So hatte die „gut geölte Dementiermaschine BVB“ (Die Welt) eben erst aus der Welt zu schaffen versucht, dass Torsten Frings und drei andere Spieler vor wenigen Wochen bei Bayern München angeboten wurden. Offenbar hatte man aber vergessen, Trainer Matthias Sammer über das Dementi zu informieren, denn der mokierte sich noch lauthals über „diese Unverschämtheit der Münchner“, als schon mit viel Mühe über die ganze Aktion das Mäntelchen von Münchner Gefälligkeits-Dementis und Versöhnungen gedeckt war. Dann platzte als nächstes die überraschende Meldung heraus, Schatzmeister Hans-Joachim Watzke sei zurückgetreten. Watzke, seit gut zwei Jahren im Amt, werde als „Informant von Journalisten“ verdächtigt. Das Lokalblatt Westfälische Rundschau, oft zuerst und exklusiv durch die Klubführung informiert, hatte bei dem im Sauerland aktiven Unternehmer Watzke angefragt, ob „diese Gerüchte“ stimmen würden. Watzke dementierte gereizt. BVB-Manager Michael Meier dementierte dagegen gegenüber dem Kicker, dass Watzke auf diese Weise der Rücktritt nahe gelegt worden sei: „Das stimmt nicht.“ Zugleich beklagte Meier: „Wir geben in der Öffentlichkeit ein erschreckendes Bild ab.“ So blieb das magere Sonntagsspiel ein wenig im Schatten. Dortmund notierte nüchtern den dritten Sieg hintereinander. Schon werden die Champions-League-Plätze für sichtbar erklärt. Trainer Sammer soll das dementiert haben – aber gesichert ist dieses Dementi nicht.“
Thomas Klemm (FAZ 24.2.) sucht nach Trost für die Kölner: „Während die Jecken um 11.11 Uhr spaßeshalber auf den Zoch warteten, herrschte beim 1. FC Köln längst ernstes Treiben. Für zehn Uhr morgens hatte Trainer Koller seine Mannschaft am Rosenmontag in den Stadtwald bestellt, um jenseits der Spaßkultur im Stadtzentrum am Klassenverbleib zu arbeiten. Dabei war das Motto des Umzuges wie für den Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga gemacht: Laach doch ens, et weed widder wäde! lautete es auf gut kölsch; oder in der hochdeutschen Variante: Lach doch mal, es wird schon wieder! Etwa in diesem Sinne hatte sich am Vorabend, als die Kölner 0:1 in Dortmund verloren und sich der Abstand auf den 15. Platz auf fünf Punkte vergrößert hatte, auch Koller geäußert. Entscheidend sei, sagte der FC-Coach, mit erhobenem Kopf weiterzumachen. Erstaunlich, wie der Schweizer den Kölnern Mut machen will, während ringsherum rheinische Melancholie herrschte – zwischen niedergeschlagen (Manager Rettig) und einfach nur bitter (Mittelfeldspieler Kringe) bewegten sich die Gefühlsäußerungen.“
Hat es schon trostlosere Langeweiler gegeben in dieser Bundesligarunde?
Beim Sieg der Bayern gegen den HSV gähnt Ingo Durstewitz (FR 23.2.): “Begegnungen beider Mannschaften waren mal ’ne große Nummer, ist aber inzwischen schon ein paar Jährchen her. Wer wissen will, wie ein Bundesligaspiel zwischen den Nord- und Südlichtern heute aussieht, hätte sich am Samstagnachmittag auf einen der gut und gerne 20 000 leeren grünen Plastiksitze in der Betonschüssel Olympiastadion hocken und sich das Trauerspiel ansehen sollen. Hat es schon trostlosere Langeweiler gegeben in dieser Bundesligarunde? Es steht zu bezweifeln. Einzig und allein die Kälte verhinderte bei vielen Zuschauern das Nickerchen am Nachmittag. In der Form der Bayern vom Samstag könnten sich Rensing und Kahn gemeinsam in den mehr als sieben Meter breiten Kasten stellen – die Münchner hätten gegen Real dennoch nicht den Hauch einer Chance.“
Europas Fußball vom Wochenende NZZ