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Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Bundesliga

Aufatmen bei befreiten Löwen-Fans; „Wildmoser rein“ (FAZ); „Bananenrepubliken gibt es überall’“ (FR) – SpOn-Interview mit Michael Meier, Borussia Dortmunds Manager u.a.

So ein Tag, so wunderschön wie heute

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 11.3.) schildert Aufatmen bei den befreiten Löwen-Fans: „Ein paar Kilometer weiter, gegenüber dem Grünwalder Stadion, der einstigen Herzkammer des Vereins, herrschen Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die Freunde des Sechz‘ger Stadions treffen sich hier, junge Leute. Vor dem Poldi’s prosten sich jene zu, die drinnen keinen Platz mehr finden. Wildmoser rein lautet der Schlachtruf der Stunde. Wildmoser raus hatte es geheißen, solange sie das Gefühl hatten, gegen diesen Patriarchen, den sie für einen Oligarchen halten, nicht anzukommen. Vor den Fernsehkameras erzählen sie mit dem größten Vergnügen, was sie Wildmoser senior vorwerfen: Er sei das Symbol der Annäherung an den FC Bayern. Aus dem Traditionsverein, dem Arbeiterklub, habe er die Umwandlung des TSV 1860 in eine Art FC Bayern light betrieben. Traditionalisten, die sich dem Trend entgegenstemmten, habe er wegen vereinsschädigenden Verhaltens verfolgt. Dabei hätten sie sich doch nur für den Verbleib im Grünwalder Stadion stark gemacht, nicht in ein gemeinsames Haus mit dem FC Bayern ziehen wollen. Deshalb seien viele nicht mehr ins Stadion gegangen, als der Umzug ins Olympiastadion vollzogen war. Auch deswegen sei der Zuschauerschnitt von 40 000 auf 25 000 abgesackt. Erst wurde das Team bei Auswärtsspielen demonstrativ unterstützt, aber auch da ließ der Elan nach. Als kleine Liebe blieben die Amateure des TSV, die immer noch in der Kultstätte Grünwalder Stadion dem Ball nachrennen, wo einst Radi Radenkovic oder Rudi Brunnenmeier zu alternativen Idolen der damaligen Helden der Bayern wurden. Am geilsten wäre, wenn die Bayern nichts mehr mit uns zu tun haben wollten, malt sich einer seine Vision von der nahen, rosigen Zukunft aus. Sechzig lebt wieder, der TSV ist wieder frei, erschallt es drinnen und draußen vor der Tür des Poldi’s. Das Hintergrundbild für die neuesten heißen Nachrichten wird mit großem Hallo registriert. Die Fotomontage zeigt Karl-Heinz Wildmoser hinter Gittern. Was sie zu hören bekommen, sorgt hier für eine Stimmung wie nach dem letzten Sieg gegen Bayern. Die war schon im Löwen-Forum nachzulesen, nachdem am Dienstag um 11.05 Uhr die erste Meldung mit den brisanten Neuigkeiten via Internet nachzulesen war. Einer mit Schlips und Kragen im Poldi’s spricht von persönlicher Genugtuung. Für die Busfahrt am Sonntag nach Stuttgart braucht er nicht groß zu trommeln. Es werden wahnsinnig viele Leute kommen, die seit Jahren nicht mehr im Stadion waren, versichert einer der Wortführer und Meinungsmacher hier: So ein Tag, so wunderschön wie heute, inbrünstig im Poldi’s geschmettert (…) In München wollen so manche es plötzlich ja schon immer gewußt haben, daß es rund um die Allianz Arena in Fröttmaning zum Himmel stinkt. Wegen der wachsenden Müllberge dahinter und der Kläranlage nebenan. Jetzt ist noch der Geruch von Korruption hinzugekommen. München rümpft die Nase.“

Reinhard Sogl (FR 11.3.) sorgt sich um die Moral der Liga: „Liegt Frankfurt in Südamerika? Ist Köln die Kapitale Kolumbiens? Zieht sich der Weißwurstäquator durch Ecuador? Muss wohl so sein, wenn man Günther Beckstein interpretiert. Nach den Worten des bayerischen Innenministers seien Korruptionsfälle wie jener seiner Landsmänner Karl-Heinz Wildmoser der Ältere und der Jüngere im Zusammenhang mit dem in Bau befindlichen Münchner Fußball-Tempel Allianz-Arena eher aus Südamerika bekannt. Amigo mio. Die Welt, sie ist nicht so. Bananenrepubliken gibt es überall, sogar wenn es sich um Monarchien handelt wie König Fußball. Dunkel erinnern wir uns , da es im sauberen Süden wildmosert wie im tiefsten Regenwald, dass zeitnah zur Wahl des amtierenden Fifa-Präsidenten ein ganz spezieller Entwicklungshilfefonds aufgelegt worden war. Der Fisch stinkt vom Kopf her, und es gibt gar viele Fische im Fußball. Nicht nur am Genfer See (Fifa-Sitz) oder in internationalen Gewässern (AS Rom, Olympique Marseille etc.). Dass den Fahndern jetzt hier zu Lande ein kapitaler Hecht ins Netz ging, mag an der individuellen kriminellen Energie des barocken Brockens liegen, passt aber ins Bild der bisweilen fragwürdigen Geschäftspraktiken, der sich so manche Führungsfiguren in der Bundesliga befleißig(t)en. Steuerhinterziehung in Frankfurt, Untreue in Kaiserslautern und, und, und.“

Roland Zorn (FAZ 11.3.) befasst sich mit der Zukunft der Löwen: „1860 München, seit Jahren von Wildmoser senior wie von einem Duodezfürsten beherrscht, wird seine Zeit brauchen, sich aus den alten Abhängigkeiten und Verstrickungen zu lösen. Um so wichtiger wäre es, wenn sich eine integre Persönlichkeit von anerkanntem Rang rasch bereit fände, die Nachfolge der autoritären Wildmoser-Regentschaft anzutreten. Hans Zehetmair, der frühere bayerische Wissenschaftsminister, wäre sicher eine Ideallösung, den Löwen aus ihrer momentanen Verunsicherung zu helfen. Nichts täte diesem Klub derzeit wohler als ein für jedermann sichtbares Zeichen der Wende weg von den Wildmosers, die unter dem dringenden Verdacht stehen, Schmiergelder in Millionenhöhe beim Bau der Allianz Arena kassiert zu haben. Nicht allein die Löwen sind um einen neuen, demokratischen Vorsitzenden verlegen. Auch der große Nachbar wird darauf dringen, daß der TSV München 1860 seine Führungsämter rasch neu besetzt und seine Führungsstrukturen modernisiert. Der FC Bayern ist in der Münchner Stadion GmbH auf eine gute Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Giesing angewiesen. Was die Wildmosers dem gemeinsamen Stadionprojekt unter dem Primärgesichtspunkt der Glaubwürdigkeit möglicherweise angetan haben, ist derart gravierend, daß nicht nur Bundesinnenminister Otto Schily von schockierenden Korruptionsvorwürfen spricht. Schließlich ist da die Baustelle Deutschland, auf die ab sofort genauer und vielleicht auch skeptischer als zuvor geschaut wird. Ein Skandal, der sich um strafbare Tatbestände wie Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung dreht, schadet auch dem Ausrichter der WM 2006.“

SpOn-Interview mit Michael Meier, Borussia Dortmund

SpOn: Herr Meier, Ihnen und Ihrem Präsidenten Gerd Niebaum ist der Pannekopp 2004 verliehen worden, ein karnevalistischer Orden für Ihre wirtschaftlichen Verdienste um den BVB. Wie sehr schmerzt dieser Sarkasmus?

MM: Wenn es sich dabei tatsächlich um eine karnevalistische Angelegenheit handelt, dann hat das für mich weniger mit Sarkasmus zu tun. Ich bin grundsätzlich ein sehr humorvoller Mensch und habe deshalb damit auch keine Schwierigkeiten.

SpOn: Immerhin aber war das Maß an Humor nicht so groß, dass Sie diese zweifelhafte Auszeichnung auch angenommen hätten. Haben Sie gekniffen?

MM: Ich muss gestehen, dass ich bis heute gar nichts von der Existenz dieses Ordens wusste und auch keine Einladung zur Verleihung bekommen habe. Ich kann aber begreifen, dass so der falsche Eindruck entstehen musste, dass wir nicht auch einmal über uns selbst lachen können, wenn andere sich die Münder über uns zerreißen.

SpOn: Den Mund zerrissen über den BVB haben sich zuletzt vor allem die Süddeutsche Zeitung und der Kicker, gegen deren Berichterstattung Sie auch gerichtlich vorgegangen sind. Beide Blätter haben Ihnen und Club-Chef Gerd Niebaum vorgeworfen, dass Sie die Borussia an den Rand des Ruins geführt hätten.

MM: Ich möchte diesbezüglich zunächst auf einen Leserbrief eines Journalisten an den Kicker verweisen, der uns vorliegt. Dieser Brief ist überschrieben mit dem Titel Die Abrechnung. Besagter Journalist führt dezidiert auf, dass man beim Kicker offensichtlich tatsächlich mit der BVB-Führung abrechnen wollte.

SpOn: Das sind harte Vorwürfe. Wieso sollte man bei SZ und Kicker ein Interesse daran haben, Sie und Niebaum zu diskreditieren?

MM: Aus Sorge um Borussia Dortmund, das sagen zumindest die Beteiligten, mit denen wir uns zu einem Gespräch getroffen haben.

SpOn: Der Informant für SZ und Kicker gehört offensichtlich dem innersten Zirkel Ihres Clubs an.

MM: Es sieht in der Tat so aus, dass es innerhalb des Unternehmens eine Person gibt, die tatsächlich Informationen an die Presse lanciert, ob nun aus Leichtsinn, Unüberlegtheit oder auch ganz gezielt.

SpOn: Haben Sie sich nicht selbst auch durch eine mangelhafte Informationspolitik geschadet? Lange haben Sie den drohenden Verlust von 50 Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr verschwiegen.

MM: Wir haben tatsächlich den Fehler gemacht, nicht unmittelbar zu reagieren, als Focus noch vor SZ und Kicker über die Finanzkrise der Borussia berichtete. Uns aber vorzuwerfen, wir hätten versucht, die Verluste zu verschweigen, ist schlichtweg falsch.

SpOn: Warum?

MM: Weil wir vor etwa zwei Wochen ein Halbjahresergebnis für das laufende Geschäftsjahr veröffentlicht haben.

SpOn: War das nicht eher die Flucht nach vorn, weil Ihnen nach den besagten Veröffentlichungen nichts mehr anderes übrig blieb?

MM: Nein. Nennen Sie mir einen anderen Bundesligisten, der ebenfalls so verfährt wie wir und eine Halbjahres-Bilanz veröffentlicht. Sie werden keinen finden.

SpOn: Dortmund ist als einziger deutscher Club an der Börse notiert. Da gelten andere Veröffentlichungspflichten.

MM: Wir machen unsere Arbeit grundsätzlich transparent. Mich ärgert kolossal, dass sich offensichtlich einige Medien, die über den BVB schreiben, nicht auch intensiv mit den Aussagen beschäftigt haben, die Borussia Dortmund veröffentlicht hat.

SpOn: Welche meinen Sie?

MM: Schon im Geschäftsbericht für die Saison 2002/2003 stand, dass das Verpassen der Champions League in unser Gewinn- und Verlustrechnung deutliche Spuren hinterlassen wird. Unserem Börsenprospekt war zu entnehmen, dass gezielte Transfers zu unser Geschäftpolitik gehören. Wenn wir aber nun ankündigen, dass am Saisonende Spieler abgegeben werden sollen, dann ist sogleich die Rede von einem Ausverkauf beim BVB. Durch diese Art der Berichterstattung ist dem Verein in den vergangenen Wochen ein immenser Schaden entstanden.

SpOn: Würden Sie Ihre Kritiker mit ins Boot holen?

MM: Warum nicht? Nur dazu müssen wir diese Leute erst einmal kennen.

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