Ballschrank
Bundesliga-Finale
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| Donnerstag, 25. März 2004
„Wenn sich alles windet und wendet, ins Gegenteil verkehrt, wenn Ruhm umschlägt in blanke Bedeutungslosigkeit, wenn ein Schuss ins Netz oder an den Pfosten den Schlagbaum niedersausen lässt zwischen dem Land über den Wolken und der Unterwelt bittersten Schmerzes, dann ist Samstagnachmittag gegen 17.20 Uhr. Bundesliga-Finale. Ein ganzes Spieljahr, Dramen und Komödien geronnen vor zwölf Monaten in jener winzigen Sekunde, als Bayern-Libero Andersson in der vierten Minute der Nachspielzeit den Ball ins HSV-Netz schmetterte und republikweit die widersprüchlichsten Gefühlseruptionen hervorrief. Im Fußball schmilzt die Ewigkeit oft zu einem Wimpernschlag.“
Matti Lieske (taz 06.05.02) zieht Resümee:
„War es nicht eine wunderbare Saison? Angefüllt mit partiell sehenswertem Fußball, dramatischen Wendungen, kuriosen Trainerkabalen, slapstickhaften Schiedsrichterleistungen und der Auferstehung komplett undeutscher Tugenden im Europacup. Dazu ein bildfüllender Hauptdarsteller namens Calli, ein gestürzter Oberschurke namens Kirch und als I-Tüpfelchen das klammheimliche Dahinscheiden des berüchtigten Bayern-Dusels, erst im Bernabeu, dann in BayArena und Westfalenstadion (…) Unser Dank gilt ihnen natürlich trotzdem, da sie mit ihrer Zähigkeit jenen Dreikampf ermöglichten, den wir künftig bitte schön jedes Jahr sehen wollen. Auch an die schlussendliche Reihenfolge könnten wir uns gewöhnen, wobei die Dortmunder gern durch jeden beliebigen anderen Klub ersetzt werden dürfen, außer vielleicht Kaiserslautern. Unumstößlich ist nur eins: Leverkusen muss Zweiter werden auf immerdar.“ (Volltext)
Christof Siemes (Die Zeit 02.05.02) über die Umkehrung einer Fußball-Weisheit:
„Geld schießt Tore. Mit Borussia Dortmund steht die Mannschaft ganz oben, die am meisten für neue Spieler ausgegeben hat, 54,5 Millionen Euro. Bayer Leverkusen steht dort, wo es nach der Investitionsrangliste auch hingehört: Rang zwei. Alle Tabellenplätze, die im nächsten Jahr zur Teilnahme am internationalen Geschäft berechtigen, also hinab bis zu Rang sechs, sind gemäß der Investitionsrangliste vergeben. Einzige Ausnahme: Kaiserslautern, nach Investitionen Sechster, ist Siebter, um nur zwei Tore übertroffen vom einzigen nennenswerten Gesetzesbrecher, dem Geldzwölften Werder Bremen. Auch am Tabellenende hat das neue Gesetz sich traurig bewahrheitet: Der SC Freiburg, die große Hoffnung, dass die Freude am Spiel über den Kommerz triumphieren kann, hat nichts investiert – und steigt nun ab. Und der beste Torschütze ist auch der teuerste: Marcio Amoroso, für den Dortmund 55 Millionen Mark zahlte. Erfolg darf, muss ab sofort als käuflich gelten.“
„Was nun, Bundesliga?“ fragt Roland Zorn (FAZ 04.05.02) in Anspielung auf die finanziellen Einbußen der Branche als Folge der Kirch-Krise und sieht sie in einer Situation
„in der sie nur gewinnen kann, wenn sie einen neuen Draht zur Realität findet und die Rückkehr zur längst verlorenen Bescheidenheit schaftt. Im Jahr der Insolvenzen, markiert von der Havarie der Konzerne Holzmann und Kirch, ist es auch im deutschen Profifußball vorbei mit dem Leben in Saus und Braus. Als gäbe es kein Morgen mehr, hat ein Großteil der 36 erst- und zweitklassigen Ligavereine die Millionen, die aus dem noch bis 2004 geschlossenen Fernsehvertrag mit Kirch Media überweisen worden sind, vergeudet, verschwendet und verprasst (…) Das Fußballbusiness war schon vor der Pleite des großen Medienonkels Kirch ein Minusgeschäft, hochgezüchtet mit illusionären Erwartungen, ausstaffiert mit wirklichkeitsfernen Wachstumshoffnungen und betrieben von verblendeten Protagonisten ohne Gespür für den wahren Wert dieses Sports. Denn so selbstverständlich der Fußball weiter die Sportart Nummer eins in Deutschland bleiben wird, sp gesichert ist die Erkenntnis, dass ein Volksvergnügen kein Massenspektakel sein muss, für das Millionen am Bildschirm auch noch extra bezahlen. Überbezahlte Stars, raffgierige Spielerberater, aufgeblähte Personalkosten in den Klubs, Antrittsgelder und Extraprämien haben zu einer unkontrollierten Ausgabenmentalität geführt, der sich nur wenige Verien entziehen mochten. Mehr Schein als Sein (…) Die Bundesliga hat sich im vergangenen Sommer mit der Gründung der Deutschen Fußball Liga vom Deutschen Fußball-Bund abgenabelt. Daruf waren deren führende Köpfe so stolz, wie sie jetzt, da sie gefordert sind, Auswege zu weisen, bis auf wenige Ausnahmen orientierungslos sind. Eine neue Adresse bedeutet wenig, wenn dort kein Führungspersonal von Rang residiert (…) Dem Fan kommt der Sanierungsfall Bundesliga vermutlich ganz recht, da so gut wie jeder Fußballanhänger schon seit langem empfindet, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis aus den Fugen geraten ist. Die Liga gleicht einer Luxusklasse ohne Bodenhaftung. Die Rückbesinnung auf das Machbare, vielleicht sogar auf das Wünschbare, kann dem Fußball nur gut tun.“
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