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Man muss schon sehr leidensfähig sen, um die Spiele schön zu finden
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| Donnerstag, 25. März 2004Die Kommentatoren sind mit dem letzten Spieltag der Bundesliga-Hinrunde 02/03 – gelinde gesagt – nicht zufrieden
Die Kommentatoren sind mit dem letzten Spieltag der Bundesliga-Hinrunde 02/03 – gelinde gesagt – nicht zufrieden. „Man muss schon ein rechter Lokalpatriot sein und auch noch leidensfähig, um die Spiele momentan schön zu finden“, liest man in der NZZ. „Seit die Bundesliga von Lust und Laune wärmegewohnter Brasilianer abhängig ist, sollte man bei Minusgraden nicht anpfeifen“, schlägt die taz angesichts der Torflaute vor.
Als symptomatisch für den Zustand der Liga wertet man das Spitzenspiel zwischen Herbstmeister Bayern und Schalke, das die Verfolgerrolle konsequent verweigert: „Catenaccio in der Bundesliga“, zeit sich die NZZaS regelrecht erschrocken über das Aufeinandertreffen der beiden Bundesligaprimi. Die FR titelt ähnlich: „Triumph der Trägheit“. Die FAZ erinnert die Bayern-Funktionäre an ihre vor der Saison geäußerten Ambitionen und karikiert die zwischenzeitlichen Lobhudeleien an das „weiße Ballett“: „Die spielerische Darbietung der Münchner glich der eines Seniorentanztees“, während die FTD frotzelt: „Ballettanfall mit dickem Bauch“. Die Urteile fallen auch deswegen so hart aus, weil beide Teams Wiederholungstäter sind. Anfang Dezember trennte man sich im Pokalwettbewerb ebenfalls tor- und höhepunktlos. „Bayern und Schalke bleiben sich treu – sie langweilen“ (FAS). Offenbar hatte man gar nichts anderes erwartet.
Einer der wenigen Lichtblicke dieses Spieltags: „Dortmund fühlt sich wieder in Reichweite zum FC Bayern“, bemerkt die FAZ nach dem 4:0 der Westfalen in Cottbus, dahingegen: „Der FC Energie und sein kauziger Trainer Eduard Geyer werden die Liga wohl grußlos verlassen“ (FAZ). Außerdem: Nach der „Winterdepression“ (FAS) setzt man in Leverkusen große (zu große?) Hoffnung auf die Rückrunde „Aus Memmen sollen wieder Männer werden“ (FAZ).
Fazit
Christoph Biermann (SZ14.12.) bedauert die Dominanz der Defensive. „Derzeit präsentiert sich die Bundesliga insgesamt als eine billige Kopie der kaum bewunderungswürdigen Serie A. Die Abwehrspieler sind aber nicht einmal Abwehrkünstler wie ihre italienischen Kollegen, und das Spiel des Gegners durch Kompaktheit zu ersticken, ist nur ein Teil des Fußballs von heute. Der Enge mit dem Ball zu entkommen, wäre der andere und mindestens so wichtig. Da aber klaffen in der Bundesliga Löcher der Einfallslosigkeit. Technisches Geschick, Eleganz und Lust auf Kombinationen bleiben auf der Strecke, und das Publikum plagt sich bei schalen Spielen ohne Glanz. Bei dieser Klage geht es nicht um eine Geschmacksfrage oder die alten Gegensätze von Kampf und Spiel, von Angriff und Defensive. Wie eine Synthese aussehen müsste, hat Bayer Leverkusen in der letzten Saison so eindrucksvoll gezeigt, dass eine deutsche Mannschaft in ganz Europa endlich einmal nicht nur respektiert, sondern bewundert wurde. Doch scheint das schon eine Ewigkeit her zu sein.“
Peter Penders (FAZ 16.12.) ist erleichtert und blickt zurück. „Geschafft, die Winterpause ist da, und so richtig schwer machte die Bundesliga ihren Kunden den Abschied auf Zeit nun wirklich nicht. Müde taumelten die Profis ihrem Urlaub entgegen, und selbst mancher Platz schien fürs erste genug zu haben. Daß die Fußball-Bundesliga eine Unterhaltungsbranche sei, wird gerne behauptet, aber bei den Kollegen von der Musik käme niemand auf die Idee, hochbezahlte Künstler statt in einer Konzerthalle in einem Schuppen ohne jede Akustik auftreten zu lassen. Eine funktionierende Rasenheizung oder eine ausreichende Belüftung für den Untergrund scheint dagegen in der Bundesliga immer noch ein ungelöstes Rätsel zu sein. So schlitterte die Liga also buchstäblich in die Pause nach einem Jahr, dessen gefühlte Dauer länger war als sonst. Beim Jahresrückblick wird sich mancher überrascht dabei ertappen: Ach, das war auch dieses Jahr? Dazu gehört Leverkusener Zauberfußball genauso wie der dritte Platz des 1. FC Kaiserslautern, den die Pfälzer zu Beginn des Jahres einnahmen. Damit aber sind die größten Verlierer dieser Hinrunde genannt, die völlig überrascht sind, was am Ende des Jahres aus den großen Träumen der Silvesternacht geworden ist: Ein sportlicher Albtraum in Leverkusen, dessen Höhepunkt womöglich nicht einmal das unglückliche Ende der vergangenen Saison war, sondern noch bevorsteht; ein komplettes Rundumdesaster in der Pfalz, bei dem kein Fehler und kein Fettnäpfchen ausgelassen wurde.“
Ralf Wiegand (SZ 16.12.) erklärt die dürftigen Leistungen. „Murmeltiere und Fußballer ähneln sich von daher sehr, als dass sie es beide vortrefflich verstehen, bei sinkenden Temperaturen, abnehmendem Tageslicht und knapper werdenden Nahrungsvorräten alle Lebensfunktionen auf Sparflamme zu setzen. Wunderbar zu beobachten war das Phänomen des Winterschlafs am Samstag in sieben deutschen Fußballstadien, wo die meisten der rund 150 „beteiligten“ Profis intensive Vorbereitungen auf die kalte Jahreszeit trafen, indem sie den Energieverbrauch drosselten. Nur die Atmung blieb aktiv, zu erkennen an einem kleinen weißen Wölkchen über jedem Spieler. Versehentlich fielen zehn Tore.“
Axel Kintzinger (FTD 16.12.) zieht ein deprimierendes Hinrundenfazit. „Die Deutschen und ihre Lebenslügen: Wir sind kein Einwanderungsland, die Rente ist sicher, und die Bundesliga ist die stärkste Liga der Welt. O.k., an die Sache mit dem Deutschtum glaubt nur noch die CSU, das Thema mit der Alterssicherung ist irgendwie durch, und die Qualität des hiesigen Profifußballs hatte sich in den letzten Jahren erkennbar relativiert. Aber im Sommer dieses Jahres sah es wieder anders aus – zumindest im Fußball. Nach dem WM-Finale in Japan wuchsen die Bäume in den Himmel. Deutschland ist wieder wer, glaubten viele, auch wenn die Wirtschaft lahmt und das Wetter schlecht ist. Vizeweltmeister, geschlagen nur von den großen Brasilianern! Und musste sich kurz zuvor nicht mit Leverkusen auch eine deutsche Mannschaft erst im Finale der Champions League den übermächtigen Kickern von Real Madrid geschlagen geben? War Borussia Dortmund nicht erst im Endspiel des Uefa-Cups gescheitert? So könnten sie „weitermachen, weitermachen“ (Oliver Kahn), bis zur WM 2006 im eigenen Land, und vorher bitte noch Europa aufrollen. Es kam anders. Die Nationalmannschaft quält sich gegen Teams wie das von den Färöern, in der Bundesliga regieren Langeweile und, bestenfalls, Mittelmaß. Das 0:0-Festival des letzten Hinrundenspieltags – symptomatisch für die bisherige Saison. Vorne die Bayern mit weitem Abstand, dann Dortmund und der Überraschungsgast in der diesjährigen Spitzengruppe, Werder Bremen. Danach beginnt die Abstiegszone.“
Energie Cottbus – Borussia Dortmund 0:4
Christian Ewers (FAZ 16.12.) skizziert die Perspektiven der beiden Kontrahenten. „Dortmund und Cottbus werden im neuen Jahr versuchen, die Liga zu überraschen. Cottbus trennen neun Punkte von einem Nichtabstiegsplatz, Dortmund benötigt sechs, um zum FC Bayern München aufzuschließen. Sollten die schwachen Cottbuser tatsächlich noch den Klassenerhalt schaffen, wäre dies schlicht eine Sensation; Dortmund hingegen besitzt noch gute Chancen, den Meistertitel zu verteidigen, das wurde beim glanzvollen 4:0-Sieg gegen Cottbus am Samstag deutlich. Die Mannschaft spielte taktisch klug, sie ließ die Cottbuser Rauhbeine erst gar nicht in die Partie finden. Immer wenn ein Energie-Spieler den gefrorenen Rasen als Rutschbahn nutzen wollte, war der Ball schon wieder weg. Die leichtfüßigen Dortmunder Spieler wie Ewerthon, Rosicky und Ricken machten sich einen Spaß daraus, ihre Gegner ins Leere springen zu lassen. Selbst im eigenen Strafraum kamen die Cottbuser dauernd zu spät (…) Sammer überzuckerte sein Team am Samstag mit Komplimenten: Wir waren heute hellwach, laufstark und flexibel. In Mailand zu verlieren und dann so kampfstark gegen Cottbus zurückzukommen – das hat schon Klasse. Die ungewohnt frohe Laune des oft unzufriedenen Trainers darf als Indiz für das gestiegene Selbstbewußtsein des BVB gelten. Die Stunde des Triumphes in Cottbus nutzte Matthias Sammer, um eine Ansage für die zweite Saisonhälfte loszuwerden. Wir werden bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, sagte Sammer. Die martialische Kampfansage ist nur auf dem Hintergrund des verlorenen Spiels gegen den AC Mailand zu verstehen. Diese Partie hatte den ehrgeizigen Sammer noch lange beschäftigt.“
Reaktionen nach dem Spiel SZ
Bayer Leverkusen – 1. FC Nürnberg 0:2
Zur Situation in Leverkusen heißt es bei Roland Zorn (FAZ 16.12.). „Götterdämmerung in der BayArena. Dort, wo die damals noch zauberhaften Leverkusener vor einem Jahr mit 39 Punkten die Herbstmeisterschaft feierten, weht jetzt ein kalter Hauch wie einst 1996 durch das kleine Luxusstadion. Vor sechs Jahren wäre der Werksverein beinahe abgestiegen; danach schwang er sich unter den Trainern Christoph Daum und Klaus Toppmöller zu gänzlich neuen nationalen und internationalen Höhen auf. Jetzt aber droht dem mit Millionen und Millionären aufgefüllten, aber nicht verstärkten Ensemble der tiefe Fall. Tabellen-Vierzehnter, vier Punkte vom Abstiegsrang 16 entfernt: aus dem mal bewunderten, mal bedauerten Dauerzweiten in der Meisterschaft, dem nationalen Pokal und der Champions League ist ein Crashkader geworden, der an sich und der Erinnerung an bessere Tage kränkelt. Der sonst so quietschfidele Geschäftsführer Reiner Calmund sah am Samstag wie ein Mann aus, der Mühe hat, seine Wut und Traurigkeit in die richtigen Worte zu zwängen. Der Rheinländer par excellence war nach dem Erfolg der konterstarken Franken zornig auf die Spieler, die nach dem 1:0 für Nürnberg total die Linie im eigenen Stadion verloren hatten. Calmund konnte aber auch seinen Argwohn gegenüber Klaus Toppmöller, dem Trainer des Jahres, kaum verbergen, der es bei allen Verletzungssorgen (Nowotny, Lucio) und ungeachtet des Weggangs der Stars Ballack und Zé Roberto zu den Bayern nicht geschafft hat, eine neue Mannschaft mit Courage und Passion zu bilden (…) Der Papa und Pate der Bayer-Fußballfamilie hat mit seinen Aussagen vom Samstag eine Ansage an Toppmöller und an die Spieler verbunden, ohne dabei namentlich konkret zu werden: Mit dem ersten Trainingstag im neuen Jahr gilt: Es gibt keine Ausreden mehr. Die neue Konsequenz und Entschlossenheit, der letzte Versuch, endlich ein widerstandsfähiges, angstfreies, diszipliniertes Team zu formen und aus Memmen wieder Männer zu machen.“
Erik Eggers (taz 16.12.) meint dazu. „Sie befürchten in Leverkusen eine Fortsetzung dessen, was man im Sport gern das Momentum nennt. Die Situation in Leverkusen ist diffizil, und sie ist nicht nur damit zu erklären, dass Ballack und Zé Roberto den Klub verlassen haben. Das größte Problem ist vermutlich, dass die Spieler, obwohl sie das ständig verneinen, immer noch wehmütig an spielerische Highlights gegen Juventus, Liverpool oder Manchester zurückdenken. Und nicht nur sie: Ich stelle mich jetzt nicht hin und sage: Was habt ihr hier für einen Mist gegurkt?, sagte Calmund am Samstag, das sind doch dieselben Spieler, mit denen wir noch vor einem halben Jahr die totalen Erfolge gefeiert haben. Vielleicht ändert sich diese Einstellung ja nach dem ersten Ligaspiel in der Rückrunde gegen Cottbus. Oder nach dem Pokalviertelfinale in jenem Ort, dessen Name immer noch als Synonym Leverkusener Versagens gilt: Unterhaching.“
Thomas Kilchenstein (FR 16.12.) resümiert die Leverkusener Hinserie. „Kein einziges Mal ist es den Leverkusenern in der Hinrunde gelungen, zwei Spiele hintereinander zu gewinnen. Oft fehlte die Ordnung, die Abwehr wirkte desolat, der Sturm harmlos, und im Mittelfeld wurde sinnfrei gezaubert. Bei einem Gegentor flatterten die Nerven im Wind, am Samstag traf der Nürnberger Sasa Ciric in der BayArena zum 0:1, was Bayer dann spielte, grenzte an Selbstaufgabe (Calmund). Im vorigen Jahr hatten die Leverkusener fast in jedem zweiten Spiel einen Rückstand noch umgebogen, jetzt brechen alle Dämme. Diese Runde erinnert bislang fatal an jene von 1996, als erst im letzten Spiel gegen Kaiserslautern die Klasse gesichert worden war. Vom Abstiegskampf reden sie in Leverkusen immer noch nicht so gern, es seien auch nur fünf Punkte bis Platz fünf, sagt Calmund treuherzig. Noch immer findet Toppmöller, die Mannschaft gehöre vom Potenzial her unter die ersten Fünf. Für den Fall, dass alle gesund und fit seien, versprach er gar eine Riesen-Rückrunde. Nun hoffen sie in Leverkusen auf die Winterpause, danach fangen wir in der Stunde Null wieder an, gab Calmund die Parole aus. Ausreden und Alibis gebe es keine mehr. Die eigenen Fans haben die Nase jedenfalls gestrichen voll und glauben augenscheinlich nicht an das Prinzip Hoffnung. Sie ließen am Samstag ihrem Frust freien Lauf. Der Gang der Spieler zu ihren Autos auf dem Parkplatz hinter der Haupttribüne glich einem Spießrutenlauf.“
Besonders lesensewet! Christoph Biermann (SZ 16.12.) rezensiert die Darbietung in der BayArena. „Als die Spieler des 1.FC Nürnberg gemeinsam mit ihren Fans das 2:0 in Leverkusen feierten, Trikots über den Zaun und Arme in die Luft warfen, schloss Edgar Geenen für dieses Jahr den Komödienstadel. Aufgeputschte Provinzchargen, so ließ er es erscheinen, hatten in Nürnberg seit der Pokalniederlage gegen Köln für ein Possenspiel gesorgt. Die Verabschiedung von Klaus Augenthaler war dabei gefordert worden, weil der Trainer angeblich nicht nach Leistung sondern allein nach persönlichen Vorlieben aufgestellt hätte. „Es wurde immer von Theater gesprochen“, sagte Nürnbergs Manager, „das ist richtig, denn es waren nur gespielte Rollen und keine Realität.“ Für Geenen waren die Aufregungen lediglich „fränkisches Bauerntheater“ und „für mich nicht ernst zu nehmen“. Die Kritiker innerhalb und außerhalb des Vereins konnte er nun genüsslich kühl als schlechte Komödianten abqualifizieren, weil der Sieg in der BayArena die Bilanz der Hinrunde deutlich verbesserte (…) Als die fränkische Theatertruppe bereits abgereist war, wurde noch Reiner Calmund vom Schnürboden der BayArena hinabgelassen. Schwer vergrippt hatte der Manager von Bayer Leverkusen sich das Spiel aus einer verglasten Reporterkanzel angeschaut. Die Viren waren dabei durch seinen Körper getanzt und hatten doch erst recht für Distanz und Hellsichtigkeit gesorgt. Zudem traten noch einmal all die Malaisen dieser Spielzeit auf, von der bizarren Chancenvergabe bis zu den Lässigkeiten in der Abwehr. „Es wiederholt sich wie ein Drehbuch“, sagte Calmund. In der Vorbereitung auf die Rückrunde ein neues Skript zu schreiben, wird schwerer werden als angenommen. Zu festgeschrieben sind die Rollen, als dass allein ein wenig Pause und die Rückkehr einiger verletzter Spieler das Leverkusener Drama in ein heiteres Schäferspiel verwandeln könnte. „Das Thema von möglichen Ausreden ist nach der Winterpause nicht mehr anzuwenden“, dekretierte Calmund und dürfte dann auch wieder die Kraft für Theaterdonner haben.“
Roland Zorn (FAZ 16.12.) beobachtete die Nürnberger Reaktionen. „Glückliche Menschen sehen anders aus. Klaus Augenthaler, eine ehrliche Haut unter den besten deutschen Fußballtrainern, verbarg am Samstag nicht, daß die vergangene turbulente Woche an ihm gezehrt hatte. Der Coach des 1. FC Nürnberg, dessen Mannschaft soeben in der Bundesligapartie bei Bayer Leverkusen 2:0 gesiegt hatte, hegt deshalb keinerlei Illusionen mehr. Im Fußball zählt nur das Ergebnis. Wenn ich in der Woche drei Purzelbäume schlage und wir gewinnen, habe ich alles richtig gemacht. Wenn wir verlieren, war alles falsch. Die Nürnberger hatten zuletzt drei Bauchlandungen hingelegt. Zunächst war aus einer 1:0-Pausenführung nach couragiertem Spiel eine ängstliche zweite Halbzeit und eine 1:2-Heimniederlage gegen Borussia Dortmund geworden; es folgten, ebenfalls im Frankenstadion, ein 0:2 im DFB-Pokalwettbewerb gegen den Zweitliga-Tabellenführer 1. FC Köln und anschließend ein 2:2 gegen den Erstliga-Letzten Energie Cottbus. Nach dieser Wochenbilanz des Mißbehagens hatte Vereinspräsident Michael A. Roth gemotzt – auch über den Trainer – und war dabei von einem Aufsichtsratsmitglied des Clubs unterstützt worden. Alles fränkisches Bauerntheater, befand FCN-Manager Edgar Geenen am Samstag in Leverkusen und wollte damit abwiegelnd sagen, daß Roths Diktum nicht so ernst gemeint gewesen sei.“
Bayern München – Schalke 04
Jörg Hanau (FR 16.12.) ist enttäuscht. „Träge und lauffaul schleppten sich die Bayern über den Platz. Ohne jedes Engagement. Vorweihnachtliche Zufriedenheit, wohin der Blick auch schweifte. Den klaren Vorsprung in der Liga im Sinn, den Festtagsbraten vor Augen (…) Erst als der Unparteiische dem kühlen Kick ein Ende gemacht hatte, zeigten die Profis, wie wieselflink sie auf den Beinen sein können. Plötzlich konnte es ihnen nicht schnell genug gehen, sie rasten über die Platz – der warmen Kabine entgegen. Wer mag bei solchen Temperaturen auch schon in kurzen Hosen arbeiten? Und doch war es bezeichnend für die mangelhafte Berufsauffassung der Berufsfußballer an diesem Samstag, die überhaupt keine Leidenschaft an den Tag gelegt haben, wie Kahn bemängelte, der sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass da einige schnellstmöglich zur Weihnachtsfeier wollten. Na dann, frohes Fest.“
„Nach dem erneuten 0:0 zwischen Bayern und Schalke geben sich die Beteiligten gegenseitig die Schuld“, lesen wir von Philipp Selldorf (SZ 16.12.). „Woran lag’s also? An Schalke, stellte vorwurfsvoll der Münchner Manager Uli Hoeneß fest. „Schalke stellt sich als renommierte Mannschaft 90 Minuten hinten rein, die verlassen sich auf irgendeinen Fehler von uns, die versuchen ja gar nicht, ein Tor zu schießen.“ Das war tendenziell nicht verkehrt, wie van Hoogdalem bestätigte: „Heute war das wirkliche eine Befreiung, dass wir ganz wenig Chancen zugelassen haben.“ Da staunte sogar Bayerns Verteidiger Lizarazu: „Selbst die offensiven Spieler von Schalke haben defensiv gespielt.“ Dagegen Hoeneß’ Bayern: Attackierten unablässig, kombinierten vorbildlich im Mittelfeld mit Ballack und Zé Roberto, versuchten die immer gefährlichen Angreifer Elber und Santa Cruz einzusetzen… Nein, das hat der Manager zum Glück nicht behauptet, es hätte auch mit keiner Silbe gestimmt, aber über diese Verantwortung fürs Spiel schwieg Hoeneß. Die komplette Wahrheit sprachen stattdessen die Torhüter. Oliver Kahn, als er feststellte: „Das war einfach ein Scheißkick, tschuldigung. Es war überhaupt nie zu spüren, dass wir hier gewinnen wollten. Ich hatte das Gefühl, dass wir nur über die Runden und endlich zur Weihnachtsfeier kommen wollten.“ Und Frank Rost, als er sich gegen die Vorwürfe von Hoeneß verwahrte: „Wenn wir so spielenwürden zuhause wie die, dann würde es ein gellendes Pfeifkonzert geben. “ So aber haben zumindest die Schalker Fans applaudiert.“
Jahresbilanz FC Bayern Tsp
Werder Bremen – Borussia Mönchengladbach 2:0
Frank Heike (FAZ 16.12.) diagnostiziert Bremer Harmonie. „Schaaf war anzumerken, daß diese Bundesliga-Hinrunde auch an dem so spröde und kühl wirkenden Trainer nicht spurlos vorübergegangen ist. Der Ärger mit Ailton zu Saisonbeginn, das Theater um Pascal Borel, das Ausscheiden im Uefa-Pokal – selbst beim Tabellendritten von der Weser hat es in der so erfolgreichen Hinserie 2002 einige Friktionen gegeben, die alle Fähigkeiten Schaafs als Krisenmanager erforderlich gemacht haben. Diese Last schien nun innerhalb weniger Minuten abzufallen, wo doch der Jahresausklang so erfreulich verlaufen war und Schaafs Vorfreude auf ein Weihnachten im Kreis der Lieben durchschimmerte (…) Zwischen Manager und Übungsleiter gibt es seit längerem schon nichts als pure Harmonie. Vor allem, seit Torwart Borel vor ein paar Wochen zu Recht in der Kritik stand, die sportlichen Verantwortlichen aber keinen Millimeter von ihrem jungen Schlußmann abwichen, ist noch mehr Vertrauen zwischen den beiden Männern gewachsen, die manchmal schon wie ein altes Ehepaar wirken – Überraschungen ausgeschlossen. So schätzt man es an der Weser. Aus der Vorstandsetage wird mit zufriedenem Wohlwollen auf das Wirken von Klaus und Thomas geschaut: Die Mitgliederversammlung am vergangenen Dienstag unter der Leitung des dezent aus dem Hintergrund wirkenden Vorsitzenden Jürgen L. Born war fast eine Weihnachtsfeier, keine Redeschlacht.“
Spielbericht und Reaktionen SZ FR
VfL Bochum – 1860 München 1:1
Richard Leipold (FAZ 16.12.) fasst die Bochumer Hinrunde zusammen. „Auch wenn die Bochumer nicht mehr so elanvoll wie im Sommer ihrer vergnüglichen Arbeit nachgingen, so zeigten sie sich den Anforderungen der höchsten Klasse im ersten Halbjahr besser gewachsen, als Fachleute und Laien erwartet hatten. Wer hätte ihnen zugetraut, als bestplazierter Aufsteiger an achter Position zu überwintern, mit sieben Punkten Vorsprung auf Hannover 96, den Drittletzten der Tabelle? Nur aus Sicht des Trainers aber hat die Mannschaft kein außerordentliches Ergebnis erzielt. Neururer sagt, er habe sie von Anfang an dort erwartet, wo sie nach siebzehn Runden steht, auch wenn mancher ihn vorher dafür belächelt habe. Alles ganz normal – rechnerisch betrachtet. Höher als den Ertrag, der sich nach Punkten, Toren und Euro bemißt, stuft er in seiner Halbjahresbilanz den immateriellen Wert der Bochumer Fußballproduktion ein. Die Hinrunde war ein außergewöhnliches Erlebnis, Niederlagen und Punktverluste eingeschlossen. Ohne die großzügige Mitgift von zehn Punkten aus den ersten vier Spielen fiele die sportliche Gewinn-und-Verlust-Rechnung zum Jahresultimo nicht so ermutigend aus. Mit zunehmender Spieldauer hat der VfL sich auf einem Niveau eingependelt, das von solidem Mittelmaß zeugt, mal mehr, mal weniger veredelt mit technischen Feinheiten. So spiegelte die durchschnittliche Leistung gegen München letztlich das Leistungsvermögen, das sich nach Abzug der besten und der schlechtesten Noten ergibt. Im Laufe der Zeit haben die Koordinaten sich ein wenig verschoben: Am Anfang haben die Bochumer bravourös gespielt, zum Schluß haben sie brav gekämpft, wenn auch nicht bieder. Anstelle von Schönheitspreisen sammeln sie nun Fleißkärtchen.”
Christian Zaschke (SZ16.12.). „Man musste inmitten all dieser Harmonie annehmen, dass vor lauter Freude die beiden Trainer Pacult und Neururer ein gemeinsames Weihnachtslied anstimmen würden, und wer weiß, vielleicht wären die beiden mit einem Lied voller Herzenswärme in diesen kalten Zeiten als Schlager-Duo „Peter und Peter“ in München, Bochum und in der Welt berühmt geworden. Doch leider versagten sie sich diesen letzten Schritt, sie sangen nicht, stattdessen lobten sie einander. Sie lobten die Mannschaft des jeweils anderen, sie lobten die eigene Mannschaft, sie lobten alle, die da waren, und Neururer merkte an, man müsse auch an die denken, die nicht da seien. Das hieß: an Fußball denken.“
Hannover 96 – Arminia Bielefeld 0:0
Michael Richter (FAZ 16.12.). „Unter Bedingungen wie vor gut dreißig Jahren, als die beiden Vereine an selber Stätte zum letzten Mal in der höchsten Spielklasse um Punkte kämpften, fand das diesmalige Kräftemessen statt. Die holprige Spielfläche in der vor dem WM-gerechten Umbau stehenden AWD-Arena, in der durch Dauerfrost und eine fehlende Rasenheizung vieles zur Glückssache wurde, nahm beiden Seiten früh jegliche Illusion, mit spielerischen Glanzlichtern zum Erfolg zu kommen. Auch die Strahler an den vier hohen Masten des weiten Runds versagten kurz vor Anpfiff den Dienst. Mit einem Notstromaggregat wurde die Austragung des Spieles gesichert.“
Dietrich zur Nedden (taz16.12.) fragt. „Hat in der Bundesligageschichte etwa schon einmal ein Spielausfall gedroht, weil ein paar Glühweinkübel zu viel ans Stromnetz angeschlossen waren und deshalb die Sicherung rausknallte? Eine Viertelstunde vor Beginn noch schwächelte das Flutlicht, doch die Elektriker bastelten erfolgreich am Notstromaggregat und später brannten die Birnen vorschriftsmäßig volle Pulle. In der Halbzeitpause bat der Stadionsprecher vorsichtshalber um Nachsicht: Der Verkauf von Heißgetränken musste eingestellt werden, auch viele Bratwürste blieben roh und deshalb unverzehrt. Ein völlig erschöpfter Techniker meinte hinterher, er habe die ganze Zeit vorm Amperemeter gesessen und aufgepasst, denn jede Woche komme hier eine Pizzabude dazu.“
Hansa Rostock – Hamburger SV 0:0
Dirk Böttcher (FR16.12.). „Wenn Fußballer von Soll und Haben reden, dann verwechseln sie gern das eine mit dem anderen. Einem Banker hätte sich samt Fußnägeln auch die Krawatte hochgerollt, so wie Hansa und der HSV nach einem 0:0 ohne Torchancen ihre Hinrunden-Bilanzen frisierten. Das Nordderby war ein trauriger Offenbarungseid, der eigentlich nur eines verdient hätte: Nicht mehr darüber zu reden. Dennoch waren sich beide Teams nach Abpfiff einig, bisher im Soll zu liegen. So sagt man im Fußballer-Deutsch, wenn man ein Haben meint. Dass diesem Soll wenig Haben, also Punkte und gute Leistungen gegenüberstehen, störte niemanden. Außer das zahlende Publikum. Die Verantwortlichen aber verwiesen auf noch schlechtere Zeiten – und schon ging das Plus auf. Anstatt Ergebnisse an den eigenen Erwartungen und Möglichkeiten zu messen, glich man im Nachhinein die Erwartungen dem Ergebnis an.“
Spielbericht SZ
1. FC Kaiserslautern – Hertha Berlin 2:1
Elke Rutschmann (FTD 16.12.). „Es wird wirklich Zeit, dass die Bundesliga zur Ruhe kommt. Die Menschen verfolgen die Spiele bei den widrigen Bedingungen in Plastikfolien gehüllt, der seifige Boden lässt keine ästhetischen Auftritte mehr zu und am Ende verlassen die Spieler mit traurigen Augen und hängenden Schultern den Platz wie gestern Abend das Ensemble von Hertha BSC nach der 1:2-Niederlage gegen Kaiserslautern. Wie fast immer, wenn eines dieser Schicksalsspiele ansteht, verabschiedet sich auch das Leichte und Schöne vom Spielfeld.“
VfL Wolfsburg – VfB Stuttgart 1:2
Volkswagen-Arena eingeweiht Tsp
Fußball in Europa: Resultate – Torschützen – Tabellen NZZ
Uefa-Cup
VfB Stuttgart – FC Brügge 1:0
Tobias Schächter (taz 14.12.). „Rund 2 Millionen Euro an Zusatzeinnahmen winken im Achtelfinale. Zählt man die bisher im UI-und Uefa-Cup erwirtschafteten 1,5 Millionen dazu und addiert zudem den Erlös des Adhemar-Transfers, sieht Rüßmann das 5,5-Millionen-Loch geflickt, das durch die Kirch-Krise entstanden ist. Rüßmann ließ sich gar dazu erweichen, erstmals und einmalig eine Prämie an die Spieler auszuschütten, immerhin rund 7.000 Euro. Die finanzielle Situation erlaubt trotzdem keine großen Sprünge, und so wird Rüßmann bei den Vertragsverhandlungen – acht Kontrakte laufen aus – weiter als ein Küchenmeister namens Schmalhans auftreten. Es gab also viel zu verlieren für den VfB an diesem kalten Novemberabend vor 34.000 Zuschauern. So spielten die jungen Wilden denn auch. Was Felix Magath, ihrem Trainer, nicht verborgen blieb. Das war eines unserer schwächsten Spiele, bilanzierte er ohne Umschweife. Und fügte flugs hinzu: Die Versagensangst hat meine junge Mannschaft gelähmt. Hlebs Siegtreffer in der allerletzten Sekunde war entsprechend eine große Erlösung für alle und die Krönung einer starken Vorrunde. Platz 5 in der Liga (bei noch einem ausstehenden Spiel morgen in Wolfsburg) und die Möglichkeit, sich in die Tradition deutscher Europapokalsieger einreihen zu können, sprechen für diese Mannschaft und ihren Trainer. Wenn zudem ganz nebenbei ein bisschen die Finanzen saniert werden können – umso besser.“
Michael Ashelm (FAZ 14.12.). „Die Stuttgarter Spielgemeinschaft scheint gefestigt zu sein, auch wenn auf dem Platz nicht immer alles nach Plan läuft. Weder von dem verschossenen Strafstoß Fernando Meiras (70. Minute) noch den drei guten Einschußmöglichkeiten des schwachen Gegners, der die Europapokalsaison als belgischer Meister zuerst in der Champions League aufgenommen hatte, ließen sich Magaths Profis verunsichern. Auch der nach einer Viruserkrankung wiedererstarkte Torwart Timo Hildebrand trug mit guten Reflexen seinen Teil zum Erfolg bei. Letztlich erzielte der eingewechselte Mittelfeldmann Alexander Hleb in der Nachspielzeit auf Zuspiel des bis zur letzten Minute engagierten Altmeisters Krassimir Balakow sogar noch den Siegtreffer; da stand längst fest, daß vom Verein erstmals in dieser Saison eine Sonderprämie in Höhe von angeblich 7000 Euro pro Mann ausgezahlt werden würde. Die Rechnung übernimmt Manager Rolf Rüssmann, beim VfB mehr in der Rolle des eisernen Sparkommissars, sicher gerne. Er kann nach eigener Aussage durch das Weiterkommen unter dem Strich ein großes Loch stopfen.“
FC Fulham – Hertha Berlin 0:0
Christian Eichler (FAZ 14.12.). „Es war kein 0:0, das man am nächsten Morgen vergessen hatte. Das verhinderte schon der Blick in den Spiegel. Spuren eines Triumphes: Luizão hatte eine tiefe Fleischwunde, Josip Simunic einen Kieferbruch, und Gabor Kiraly, der Held des Abends, mußte gar auf Händen getragen werden. Der ungarische Torwart hatte nach einem heftigen Zusammenprall mit dem Franzosen Steve Marlet in luftiger Höhe eine böse Rückenlandung erlebt und die letzte Viertelstunde zuzüglich fünf Minuten Nachspielzeit nur unter heftigen Schmerzen überstanden. Ein hoher Ball, ich will fausten, erinnerte er sich an die brachiale Szene, und plötzlich hatte ich keine Luft mehr. Danach rettete er trotz einer schweren Becken- und Hüftprellung Hertha BSC Berlin das 0:0. Das erste Saisonziel ist erreicht, sagte Manager Dieter Hoeneß, der nach zuletzt schwachen Liga-Leistungen unter sichtlichem Druck gestanden hatte. Nach dem Schlußpfiff lief er erleichtert über das Feld und gratulierte seinen Spielern, während Kiraly von zwei Helfern vom Platz geschleppt wurde. Hoeneß kennt sich aus mit der imagebildenden Wirkung von fußballerischen Willensleistungen, besonders wenn ihnen äußerliche Kampfspuren die optische Extra-Dramatik verleihen. Er selber schuf ein bis heute unvergessenes Bild des Fußball-Legendenschatzes, als er ein Pokalfinale mit einem blutverschmierten Mullturban weiterspielte und für Bayern München entschied.“
Gewinnspiel für Experten