Bundesliga
Akribisches Marketing in Wolfsburg
Kommentare deaktiviert für Akribisches Marketing in Wolfsburg
| Donnerstag, 25. März 2004Tsp-Interview mit Huub Stevens über seine Arbeit bei Hertha BSC Berlin – das akribische Marketing des VfL Wolfsburg (SZ) – Juri Schlünz, einer von Hansa (SZ) u.v.m.
Ich habe mir von Nico Kovac mehr erwartet
Tsp-Interview mit Huub Stevens über seine Arbeit bei Hertha BSC Berlin
Tsp: Ist Ihnen der Verein egal?
HS: Das meinen Sie nicht ernst, oder? Ich gehe mit Manager Dieter Hoeneß essen, telefoniere mit Spielern und meinem Nachfolger Hans Meyer. Mir ist der Verein nicht egal; ich glaube daran, dass Hertha nicht absteigt. Ich trage eine Mitschuld, ich war verantwortlich. Aber ich bin nicht alleine schuld.
Tsp: Wer denn noch?
HS: Ich habe nie einen Spieler öffentlich kritisiert, ich tue das auch heute nicht. Es war eine Verkettung von Missverständnissen und unglücklichen Dingen. Im ersten Spiel bricht sich Marcelinho den Fuß, wir verlieren 0:3 gegen Bremen, kurz danach reißt bei Thorben Marx das Kreuzband. Und dann gab es Spieler, die ihre Aufgabe nicht erfüllt haben.
Tsp: Niko Kovac?
HS: Wir haben ihm gesagt: Niko, du spielst hinter Marcelinho und hältst der Zentrale den Rücken frei. Aber er hat sich in die Offensive eingeschaltet, und das ist nicht seine Stärke. Ich habe mir von ihm mehr erwartet.
Tsp: Wie beurteilen Sie im Nachhinein das Ultimatum von der Vereinsführung an Sie? Sie mussten zwei Spiele hintereinander gewinnen, sonst wären Sie entlassen worden.HS: Ich war nicht gegen die Vereinbarung, aber ich war dagegen, sie öffentlich zu machen. Hoeneß wollte das. Wir wollten die Spieler in die Verantwortung ziehen. Ich hatte mich lange genug vor sie gestellt. Das Team hat abgestimmt und mich in einem offenen Brief unterstützt. Sie stünden 100 Prozent hinter mir, hieß es. Heute habe ich meine Zweifel.
Tsp: Warum?
HS: Als ich entlassen war, kam Andreas Thom als Trainer. Und am nächsten Tag muss ich von einem älteren Spieler mit internationaler Erfahrung lesen: „Er ist einer von uns.“ War ich das nicht? Dieser Satz hat vieles verraten.
Tsp: Sie meinen einen Spieler aus dem Spielerrat.
HS: Ich werde seinen Namen nicht sagen.
Tsp: Sie stellen sich immer noch vor die Spieler.
HS: Sie haben genug zu tun in ihrer Situation. Da muss ich nicht für Unruhe sorgen.
Tsp: Ihr Bild in der Öffentlichkeit ist nicht das beste. Sie wirken aggressiv und abweisend. HS: Wer mit mir täglich zusammenarbeitet, hat ein anderes Bild. Ich bin ehrlich geblieben. Dazu gehört, dass ich eine Meinung habe und diese sage.
Tsp: Das macht Hans Meyer auf humorvolle Art.
HS: Ich kann das nicht jeden Tag. Ich bin kein Schauspieler wie andere in der Branche.
Tsp:Bayern-Coach Hitzfeld tritt smarter auf.
HS: Ich verstelle mich nicht. Und falls Sie meine Trainingsanzüge meinen: Ich bin Trainer. An einem Spieltag geht es nicht um den Coach und seine Kleidung, sondern allein um die Mannschaft. Aber das zählte in Berlin nicht.
Tsp: Sind Sie beleidigt?
HS: Es wurde eine Linie gegen mich gefahren, gegen die ich keine Chance hatte. Verstärkt wurde das durch die „Stevens raus!“-Rufe. In der ersten Saison, nach vier Wochen. Weil ich von Schalke kam. Die Fans mögen sich nicht, der Manager und ich hatten diese Emotionen unterschätzt.
FAZ-Interview mit Gerd Niebaum
FAZ: An diesem Freitag veröffentlicht die börsennotierte Borussia Dortmund KGaA ihre Halbjahresbilanz, die Vorveröffentlichungen zufolge Verluste von mindestens 25 Millionen Euro ausweisen soll.
GN: Die genauen Zahlen kann und darf ich noch nicht nennen, nur so viel: Man wird zwischen dem operativen Verlust und den Abschreibungen unterscheiden müssen. Der operative Verlust ist maßgeblich durch das Nichterreichen der Champions League und das Verfehlen anderer sportlicher Ziele im UEFA-Cup wie im DFB-Pokal bedingt. Wir haben dort überall mit Zitronen gehandelt, so daß für Borussia Dortmund der worst case, ein Super-GAU, eintrat. Dem können wir immerhin noch ein Eigenkapital von rund hundert Millionen Euro entgegenhalten. Das Bilanzbild von Borussia Dortmund kann einen solchen Verlust vertragen, auch wenn das bei unseren schärfsten Kritikern untergeht. Vielleicht hätten wir zum 31. Dezember schon einen Transfer machen können. Das haben wir deshalb nicht gemacht, weil wir einen Gestaltungsspielraum bis zum 30. Juni brauchen. Danach werden wir in erheblichem Maße konsolidieren.
FAZ: Was war Ihr größter Fehler als Präsident des Vereins und Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft auf Aktien?
GN: Nachdem wir im letzten Spiel der vergangenen Saison die direkte Qualifikation für die Champions League verpaßt hatten, hätten wir die Konsolidierung aus rein wirtschaftlichen Gründen vielleicht schon in Angriff nehmen müssen. Dann hätten wir erhebliche Transfererlöse erzielt und sportliche Substanz abgegeben. Das nicht getan zu haben, kann man mir natürlich vorwerfen. Hätten wir das gemacht, wäre es sicher sehr unpopulär gewesen – so kurz vor den Champions-League-Qualifikationsspielen gegen Brügge. Es war eine Fehleinschätzung, zu glauben, daß wir uns für die Champions League qualifizieren.
„Borussia Dortmund veröffentlich heute seine Halbjahresbilanz“ Tsp
Aktion Dr. Fridolin-Kinderklinik-Keks
Jörg Marwedel (SZ 27.2.) erforscht das Marketing des VfL Wolfsburg: „Bei einem herkömmlichen Klub würde Kurt Rippholz Pressesprecher heißen, in Wolfsburg ist er „Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ und steht einem mehrköpfigen „Serviceteam“ vor. Früher leitete Rippholz die Konzernkommunikation von VW, und ähnlich interpretiert er seinen neuen Job – als Lobbyist, der mit klaren Absichten den Kontakt zu den Medien sucht. Nicht einmal der Bayer-Ableger aus Leverkusen arbeitet so konsequent wie die 90-prozentige VW-Tochter VfL an seinem Image als Fußballmarke. Und mehr noch als in Leverkusen wird fehlende Tradition durch einen nahezu perfekten Kundenservice ersetzt. In der schmucken Volkswagen Arena, realisiert von der durch Stadt und Werk getragenen „Wolfsburg-AG“, gibt es kaum eine Klientel, die nicht speziell bedacht würde – von Nichtrauchern über Blinde bis zu den Kindern im „Badeland-Familienblock“. Klaus Fuchs sagt: „Wir haben Mühe, die Vitrinen mit unserer Fußball-Vergangenheit zu füllen, aber viele Ideen, dieses Handicap auszugleichen.“ Fuchs, früher Geschäftsführer beim 1. FC Kaiserslautern und beim Karlsruher SC, ist eine Art Baumeister dieser Arena. Auch soziale Aktivitäten [of: Gequassel! „Aktivität“ ist ein Abstraktum, von dem man kein Plural bilden kann – wie „Glück“ oder „Wut“. „Das Singular Aktivität ist bereits die Summe aller Aktionen“, sagt Wolf Schneider, Stil-Lehrer; Aktivitäten seien überdies ein „falsch übersetzter Anglizismus: activities.“] bis zur Förderung von Terre des Hommes oder der Hospizbewegung sind dem Diplomkaufmann ein Anliegen. Um die „hohe soziale Kompetenz des Vereins“ nachzuweisen, hat man sogar das Berufsbild des Fußballprofis Roy Präger, 32, radikal verändert. Der kontaktfreudige Stürmer, für die Bundesliga nicht mehr gut genug, wird nun als Sympathieträger auf Tingeltour geschickt. Mal taucht er bei einem Jugendtraining in der Umgebung auf, mal in einer Bücherei, mal bei der „Aktion Dr. Fridolin-Kinderklinik-Keks“ in einer Bäckerei. Die Erfolge solcher Offensiven, zu denen noch eine große Plakatkampagne zählt, sind messbar und scheinbar unabhängig von den sportlichen Rückschlägen. In einer Umfrage, die der VfL bei einem Marktforschungsinstitut in Auftrag gab, werden dem Klub nun Attribute wie „aufstrebend“ oder „volksnah“ zugeschrieben. Der Zuschauerschnitt stieg innerhalb eines Jahres um fast 25 Prozent auf über 21 000 Fans.“
Ronny Blaschke (SZ 27.2.) porträtiert Juri Schlünz, Trainer Hansa Rostocks: „Juri Schlünz lässt wenig Raum für Interpretationen. Wahrscheinlich ist es das, was die Fans des FC Hansa Rostock so an ihm schätzen. Sein Gestus ist schwer zu entschlüsseln, ob Freude oder Frust, die Gesichtszüge des Rostocker Fußballlehrers künden selten von großen Gefühlen. So haben sie es gern an der Küste. Wenn da jemand ist, der sich nicht der Konjunktur unterwirft. Der sich die Huldigungen der Spontanjubler verbietet, in Zeiten des Erfolgs. Und den notorischen Nörglern mit Gelassenheit begegnet, wenn der Erfolg einmal ausbleibt. Juri Schlünz, seit fünf Monaten Cheftrainer in Rostock, ist eine Art Emotions-Regler im biederen Mecklenburg. Die Menschen vertrauen ihm, mehr als sie jemals einem Trainer vertraut haben. „Juri ist einer von uns“, sagt Professor Horst Klinkmann, der Aufsichtsratschef des Vereins, „wir brauchen hier keine Hollywood-Komiker.“ Besser hätte man die Gegebenheiten nicht umschreiben können. Schlünz, der seinen Vornamen dem Kosmonauten Jurij Gagarin verdankt, personifiziert die Unscheinbarkeit des FC Hansa wie kein Zweiter. Er pflegt eine liebevolle Beziehung zum Klub. 36 Jahre ist es nun her, als ihn sein Vater bei einem Spaziergang in der Kindermannschaft der Rostocker angemeldet hat. Er reifte rasch zum König der Jongleure heran, schon als Zehnjähriger konnte er den Ball 800 Mal hochhalten, raffiniert waren seine Pässe, gefürchtet seine Freistöße. Fast 400 Pflichtspiele bestritt er für die erste Mannschaft, als Kapitän führte er sie 1991 zur einzigen DDR-Meisterschaft. Die Beförderung auf den wichtigsten Posten im Verein war die logische Konsequenz, man könnte fast sagen, sie war vorhersehbar in der Laufbahn des Juri Schlünz. Vermutlich würden die Fans ihn sogar zum Ministerpräsidenten erheben. „Juri for President“, hatte einmal jemand geschrieben im vereinseigenen Internetforum.“
Was bringt es jetzt, die Spieler in Feldbetten schlafen zu lassen?
FTD-Interview mit Falko Götz
FTD: Herr Götz, nur ein Sieg aus den vergangenen zehn Spielen für die Löwen. Im ganzen Land munkelt man: 1860 München steigt ab. Wie wollen Sie das verhindern?
FG: Mit viel Arbeit – und: Wir müssen den Spielern jetzt die Ohren durchpusten. Sie haben ein Problem im Kopf, ein Psychoproblem. Wolfsburg, dieses klägliche 1:3, war der Tiefpunkt. Seither haben wir an der Analyse gearbeitet, mit den Spielern gesprochen, sie gefragt: Was haben wir in unseren erfolgreichen Spielen anders gemacht?
FTD: Und, Ihr Ergebnis?
FG: Das sieht so aus wie bei unserem 3:1-Sieg gegen Bochum nach einem 0:1-Rückstand. Und die Bochumer sind ja keine Thekenmannschaft. Wir brauchen einfach wieder ein Erfolgserlebnis. In Köln wollen wir damit beginnen. Und ich verspreche: Wir steigen nicht ab!
FTD: Die Öffentlichkeit sieht Sie als smarten Mann. Müssten Sie nicht härter auftreten?
FG: Intern wird knallhart gesprochen. Aber es hilft nicht, in puren Aktionismus zu verfallen. Was bringt es jetzt, die Spieler kaputt zu trainieren oder in Feldbetten schlafen zu lassen? Zum Schluss holt sich einer noch ein schlimmes Kreuz.