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Ballschrank

Schwermütiges, gequältes Talent

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Schwermütiges, gequältes Talent

Worüber spricht die Bundesliga am 13. Spieltag?

Der Erfolgsfaden, an dem der VfB Stuttgart hängt, ist reißfester geworden: Andreas Hinkel, Glanz und Hoffnung des Vereins, hat versprochen, auch künftig im VfB-Trikot Gegenspieler aufs Kreuz zu legen und genaue Flanken zu schlagen. Die Fans würden sich Hinkel nun gerne zu Füßen legen, wenn sie nicht bereits dort liegen würden. Nicht nur die FAS gratuliert Hinkel zur Entscheidung, der Geldbörse von Rudi Assauers, Manager von Schalke 04, zu trotzen: „Jetzt bleibt ein Stück Zukunft, das Schalke Beine machen sollte, lieber länger in Stuttgart: der flotte Hinkel. Ein Hinkelstein für den Manager mit der Zigarre.“ Eine Geschichte für Romantiker – wie dieZeit, für die der VfB „unsere Sehnsucht nach Jugend“ erfülle. Doch der VfB Stuttgart gefällt inzwischen auch den Wirtschafts-Redakteuren; die taz erkennt ökonomische Vernunft bei den Schwaben: „Der VfB möchte eine internationale Topfirma werden, allerdings ein vernünftiges und kalkulierbares Unternehmen – ganz gewiss keine Traumfabrik mit wahnsinnigen Gagen für Ballkünstler und deren Agenten.“

Der FC Bayern München muss morgen in Glasgow unbedingt gewinnen, wenn er wieder Erfreuliches über sich lesen will. Zum ersten loben die Zeitungen derzeit allenfalls die Führungsköpfe für ihre geschickte Machtstrategie – und für ihre Begabung, unerwünschte Meinungen und Fragen abzuwerten, bevor sie geäußert werden. Was heißt gelobt? Es ist nicht unbedingt ein Kompliment, wenn die FR schreibt: „In Sachen Machtpolitik macht dem FC Bayern wirklich niemand etwas vor“; es ist Erweisung von Respekt. Zum zweiten sorgen sich die Chronisten um Sebastian Deisler, das schwermütige, gequälte Talent.

Presse-Stimmen zu den Spielen

Die Spieler machen nicht nur außerhalb des Spielfeldes, was sie wollen

Jörg Marwedel (SZ 22.11.) sorgt sich um die Sitten in der Liga: „Gerade hat Volker Roth, der Boss des Schiedsrichterwesens beim DFB, der Fußball-Bundesliga im kicker bescheinigt, dort gehe es zu wie in der Bronx. Tatsächlich gibt es Indizien, dass auf den Fußballfeldern in Deutschlands Arenen eine Verrohung der Sitten zu beklagen ist. Es häufen sich die Fälle grober Rücksichtslosigkeit, es wird hinterhältig getreten und gespuckt. Neben 13 Gelb-Roten Karten notiert die Täter-Statistik vor diesem 13. Spieltag schon 23 direkte Platzverweise. Die Liga grätscht und rempelt im 41. Jahr ihres Bestehens einer unrühmliche Höchstmarke entgegen, die vielen erst durch Fernsehkameras überführten Rüpeleien sind darin noch nicht einmal enthalten (…) Was steckt hinter diesem unerfreulichen Trend? Soziologen führen den Fußball gern als Spiegelbild der Gesellschaft an. Demnach wären die Tritte und Schläge auf dem Rasen Ausdruck der allgemein wachsenden Aggressivität und Rücksichtslosigkeit. Mangelnde Persönlichkeit oder einfach schlechte Erziehung vermutet der Sportjurist Christoph Schickhardt als Grund vieler Entgleisungen – Schickhardt vertritt eine Vielzahl der Profis vor dem Sportgericht. Und Roth selbst, der bei internationalen Spielen eine derartige Häufung von Vergehen nicht festgestellt hat, führt den von ihm beklagten nachlassenden Respekt gegenüber Gegnern und Schiedsrichtern auch auf den sinkenden Einfluss der Bundesligatrainer zurück. Mit anderen Worten: Die Spieler von heute machten nicht nur außerhalb des Spielfeldes, was sie wollen.“

Das einzige, worüber man überall, endlos und sinnlos palavern kann, ist Fußball

Katrin Weber-Klüver (FTD 24.11.) hat, wie wir alle, zu viel Zeit: „Der Mensch, der viele Jahre viel Fußball guckt, sammelt phänomenale Mengen Wissens an, die als frei vernetzte Daten in seinem Hirn mäandern. Mancher von pragmatischer Intelligenz getriebene Mitmensch meint, es sei nutzloses Wissen – Datenschrott. Schlimmer noch: Wissen, das nützlicheres und erhabeneres Wissen blockiert. Über Aktien oder gesunde Ernährung zum Beispiel oder auch über englische Dramen oder russische Nobelpreisträger. Oder Kenntnisse in fremden Sprachen. Man könnte dann jetzt türkisch und schwedisch und spanisch parlieren. Mindestens. Tja. Und dann? In einer türkischen Teestube über Shakespeare dozieren? In einer spanischen Tapasbar gegen Mayonnaise-Dips und für gedünstetes Gemüse sprechen? Schweden den DAX erklären? Hört sich nicht nach Glück und guter Unterhaltung an, oder? Das einzige, worüber man überall, endlos, sinnlos und also mit Vergnügen palavern kann, ist Fußball. Auch ohne gemeinsame Sprache. Man muss nur genug Unsinn im Kopf haben. Und genug kann nie genügen, es geht immer noch ein bisschen mehr.“

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