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Bundesliga-Spieltag

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Bundesliga-Spieltag

Die Anfeindungen zwischen Trainern und Schiedsrichtern erlebten am vergangenen Bundesliga-Spieltag eine Fortsetzung. Dieses Mal trafen Deutschlands renommiertester Referee Markus Merk und Borussencoach Matthias Sammer auf dem Spielfeld sowie vor den Kameras aufeinander. Für den Meistertrainer endete der Vergleich mit der Verbannung auf die Tribüne. „Was war passiert, dass sich zwei erwachsene Menschen öffentlich stritten wie verfeindete Reihenhausnachbarn? Eigentlich – nicht viel“, beantwortet die SZ diejenige Frage, die sich jeder Beobachter im Nürnberger Frankenstadion – wo die Dortmunder mit 2:1 siegten – verwundert stellen musste. Die FAZ erkannte in den gereizten Wortgefechten „ein Duell der Elemente: Hitzkopf gegen Eisblock“. Vermutlich ging es den beiden Zankhähnen ausschließlich ums Prinzip, die Deutungshoheit und die Reichweite ihrer Autorität.

„Leverkusen wäre zur Zeit schon über die Abwesenheit von Pech glücklich“, bedauert die FAZ die durch zahlreiche Verletzungen gebeutelte Bayer-Elf ob deren Hang, Führungen leichtfertig aus der Hand zu geben. Nach der erneuten Heimniederlage (2:3 gegen den Hamburger SV) erfährt der einstige Liebling deutscher Fußballfreunde jedoch auch deutliche Kritik, wobei man den dortigen Verantwortlichen vorwirft, den Ernst der Lage noch nicht oder nur scheinbar erkannt zu haben.

Seit Jahren kursiert eine Legende, die für den Fall einer Münchner Niederlage unwidersprochen bemüht wird: Der Gegner der Bayern strenge sich gegen den vermeintlichen Ligaprimus besonders an und setze ungeahnte Kräfte frei. Die Berliner Hertha, am Samstag zu Gast in München, wiederlegte diese Annahme nachhaltig. „Besonders mutig spielen Gäste des FC Bayern selten im Olympiastadion, doch die Mannschaft des aktuellen Berliner Trainers Huub Stevens sicherte sich beim 0:2 eindrucksvoll eine vordere Platzierung in der Hitparade der Unterwürfigen“, blickt die SZ auf das 2:0 der Bayern, das „so temporeich geführt wurde wie ein Spaziergang über den Weihnachtsmarkt“ (FR).

Außerdem: Ist es rechtens, erfolglosen Fußball-Millionären das Gehalt zu kürzen?

Zur Auseinandersetzung zwischen Merk und Sammer heißt es bei Uwe Marx (FAZ 2.12.). „Es scheint, als sei das gegenseitige Mißtrauen kurz vor Einführung des vierten Schiedsrichters unverhältnismäßig gewachsen. In einem solchen Klima werden selbst vorsichtige Annäherungsversuche als Angriff gewertet und eine zupackende Regelauslegung als Selbstherrlichkeit. Viele begegnen sich so, als würden sie von ihrem Gegenüber in keinem Fall Gutes erwarten. Das ist der, der mir das Leben schwermachen will, denken dann beide vom jeweils anderen – und machen sich damit selbst das Leben schwer. Wer gesehen hat, wie Stevens‘ solidarischer Assistent Holger Gehrke Schiedsrichter Jansen aus sicherer Entfernung anraunzte, als sein Vorgesetzter Richtung Tribüne trottete, bekam eine Vorstellung davon, wieviel fehlgeleitete Energie den Spielleitern entgegenschlägt; solche Ausbrüche sind längst zu Beschimpfungsritualen geworden. Auf der anderen Seite sollten nicht jede Bemerkung und jeder Fingerzeig in der Hitze des Gefechts der Political correctness unterworfen werden. Wir müssen dringend aufeinander zugehen, sagte gerade erst der Freiburger Trainer Volker Finke, der in der zweiten Liga ähnliche Erfahrungen mit der gegenseitigen Verständnislosigkeit macht. Ein Schritt von beiden Seiten, und man ist sich schon ein gutes Stück näher gekommen.“

Bayern München – Hertha Berlin 2:0

Elisabeth Schlammerl (FAZ 2.12.) beurteilt den Sieg der Münchner. „Die Bayern fürchten im Moment offenbar weniger die Konkurrenz als sich selbst und ihren ausgeprägten Hang zur Selbstgefälligkeit, der ihnen in dieser Saison schon einmal zum Verhängnis wurde. Im Sommer sprachen alle und jeder außerhalb des Vereins so lange vom weißen Ballett, bis alle und jeder im Verein, inklusive Mannschaft, daran glaubten, mit ein wenig Ballzauberei ganz Europa erobern zu können. Hitzfeld wähnt deshalb Böses hinter den vielen Huldigungen: Jeder will uns einlullen und sagt: ,Die Meisterschaft ist entschieden.‘ Da müssen wir höllisch aufpassen. Womöglich sieht der Rest der Bundesliga darin tatsächlich die einzige Chance, wieder ins Titelrennen eingreifen zu können. Im Moment besteht für die Münchner nicht wie zu Saisonbeginn die Gefahr, daß sie sich an ihrem Spiel zu sehr ergötzen, denn sie bieten kaum Spektakuläres. Die Bayern sind wieder in der Vergangenheit gelandet, als sie selten schön, dafür aber ziemlich erfolgreich gespielt haben. Die Rückkehr zum zweckorientierten Fußball mit dem dritten Bundesliga-Spiel nacheinander ohne Gegentreffer ist nach den Wochen der Krise aber ein probates Mittel.“

Andreas Burkert (SZ 2.12.) ist über den Gästeauftritt enttäuscht. “Wenn schon zur Halbzeit der Klubpräsident Beckenbauer seinen Bewunderern zuprostet und nebenan der Ministerpräsident Stoiber überhaupt nicht verkrampft den Kaffeetopf leert, wenn Vorstand Rummenigge gar nicht da ist, wenn der Stürmer Elber nach seiner Auswechslung vergnügt mit seinen beiden Kindern die Kabine betritt und später der Torschütze Ballack nebst Filius, dann, ja genau, dann ist Hertha BSC beim FC Bayern zu Gast. Vor 25 Jahren sollen sie ja im Olympiastadion einmal gewonnen haben, damals stand Norbert Nigbur im Berliner Tor und vor ihm grätschte Uwe der Funkturm Kliemann. Einer seiner Nachfolger heißt Marko Rehmer, und der sagte am Samstag, als 90 beklagenswert ereignisfreie Minuten endlich Vergangenheit waren: „Wir sind heute irgendwie nicht vors Tor gekommen.“”

Zur Lage in Berlin Tsp

1. FC Kaiserslautern – VfL Wolfsburg 2:0

Zur Entscheidung des FCK-Chefs Jäggi, die Spielergehälter für den Fall der Erfolglosigkeit um die Hälfte zu kürzen, meint Claus Dieterle (FAZ 2.12.). „Genialer Schachzug oder Akt der Verzweiflung? Der Schweizer selbst hat seinen Vorstoß weniger als letzten Weckversuch verkauft, sondern als Gebot der wirtschaftlichen Not, weil dem hochverschuldeten FCK die Banken im Nacken sitzen. Und weil die Spieler ihren Teil der finanziellen Bürde – einen im Oktober ausgehandelten Verzicht auf anderthalb Millionen Euro an Prämien – bislang mangels Leistung nicht erfüllt haben. Wie dem juristisch auch sei, gegen Wolfsburg krempelten die FCK-Profis jedenfalls brav die Ärmel hoch und legten ein Spiel hin, wie es ihrem früheren Ruf entsprach: heißblütig, druckvoll, aggressiv, oft an der Grenze des Erlaubten, manchmal auch darüber (…) FCK-Boß Jäggi erkennt selbstverständlich keinerlei Zusammenhang zwischen eingefrorenen Gehältern und plötzlich so heißblütigen Profis. Der Mann denkt strategisch und läßt keine Gelegenheit aus, es seinen Widersachern im Verein heimzuzahlen. Ich glaube, die Mannschaft hat heute für den Trainer und für ein Konzept gespielt, sagte der Schweizer. Es ist bekannt, daß im Aufsichtsrat schon ein alternatives Modell zum auf der Abschußliste stehenden Gerets zirkulierte. Das dürfte einstweilen hinfällig sein, zumal auch die 30.000 begeisterten Zuschauer den Belgier derart feierten, daß Gerets nach Worten rang.“

Albert Hefele (taz2.12.) kritisiert dies. „Nicht, dass den Spielern keine Kürzung ihrer sehr reichlich fließenden Kohle zuzumuten wäre. Man kann jedoch Verträge nicht einfach für nichtig erklären, nur weil ein Verein, der über Jahre völlig illusionär über seine Verhältnisse gelebt hat, dem verdienten Bankrott entgegensteuert. Beispielhaft für zig andere Kollegen, denen schon lange jegliches Verhältnis zur Realität verloren gegangen ist. Es ist einfach an der Zeit, diesem bundesligaweit vor sich hin dilettierenden Konglomerat von geltungssüchtigen Unternehmern, größenwahnsinnigen Funktionären und ihr Gnadenbrot fressenden ehemaligen Starspielern, nachhaltig die Ohren lang zu ziehen. Und sie in die Wüste zu schicken. Oder nach Albanien. Wohin sich übrigens René C. Jäggis Vorstandskollege und vormalige Walz von der Pfalz, Hans-Peter Briegel, schon mal aufgemacht hat. Angeblich, um die dortige Nationalmannschaft zu trainieren.“

Spielbericht taz

1.FC Nürnberg – Borussia Dortmund 1:2

Roland Zorn (FAZ 2.12.). „Aus einer eigentlich leicht zu behebenden Verspannung war die Bundesliga-Konfrontation des Wochenendes geworden – und das zwischen dem Meistertrainer und dem Schiedsrichterstar. Zoff auf hohem Niveau, der erst beigelegt wurde, nachdem Sammer weit nach Spielschluß den Herrn Doktor zu einer Privatsprechstunde nach Feierabend besucht hatte. Dort erkannten sowohl der parteiische Fußball-Lehrer als auch der unparteiische Spielleiter, daß sie in ihrem auch aus Eitelkeiten gespeisten Konflikt überzogen hatten. Merk fuhr anschließend wie erlöst zurück in die Pfalz, bei Sammer blieb eine Spur Ungewißheit zurück. Denn er weiß noch nicht, ob ich nächste Woche oder die nächsten Jahre auf die Tribüne muß oder weiter meine Mannschaft betreuen kann. Schließlich kam sich Sammer nicht erst seit dem Samstag in Nürnberg wie ein Mensch hinter Gittern vor. Ausgesperrt wurde er in seiner noch kurzen Trainerkarriere auch schon beim Hamburger SV und beim FC St. Pauli. Die persönlichen Nachwehen der Herren Sammer und Merk knapp vierzehn Tage nach dem deutschen Friedensgipfel zum Thema Schiedsrichter, zu dem Sammer nach Gelsenkirchen geladen, aber wegen einer Trainingseinheit mit seiner Mannschaft nicht gekommen war, überlagerten ein ebenfalls aufregendes Spiel.“

Spielbericht SZ taz

VfL Bochum – Arminia Bielefeld 0:3

Felix Meininghaus (FR 2.12.). „Der Spielverlauf war perfekt auf die Gäste zugeschnitten. Bereits nach vier Minuten kam Benjamin Lense fünf Meter vor dem Tor unbedrängt zum Kopfball. Neururer ärgerte es, dass bei einem Spieler die Zuordnung nicht gestimmt hat. Auf die Nachfrage, welchen seiner Akteure er gemeint habe, antwortete er süffisant, den Spieler Lense. Nur der steht nachweislich bei Bielefeld unter Vertrag. Sie glauben doch wohl selbst nicht, klärte Neururer auf, dass ich einen meiner Spieler in der Öffentlichkeit kritisiere. Benjamin Lense wird es herzlich egal sein, welcher Bochumer ihn vergessen hatte. Er traf an seinem 24. Geburtstag, was für den Newcomer allerdings kein großes Kunststück bedeutete: Es blieb mir ja gar nichts anderes übrig, als den Ball über die Linie zu drücken. Nicht nur aufgrund seines Treffers gehörte Lense zu den auffälligsten Akteuren. Als seine Haupttugenden gibt der defensive Mittelfeldmann Schnelligkeit und Kampfkraft an, die er in Bochum so effizient einsetzte, dass er auf der Alm bereits mit Arne Friedrich verglichen wird. Der zog von Ostwestfalen aus nach Berlin, wo er inzwischen zum Nationalspieler gewachsen ist. Solche Parallelen lässt Lense kühl an sich abprallen: Ich versuche, mein Spiel zu machen und niemandem nachzueifern. Seine Kollegen halten es ähnlich und fahren damit recht gut. Überhaupt haben sich die Aufsteiger zuletzt auffallend aufeinander zu bewegt. Während sich die Bielefelder nach gutem Saisonstart und langer Durststrecke konsolidieren, ist der Bochumer Höhenflug mit der Pleite gegen die Arminia beendet. Mittlerweile haben sich beide Klubs im unteren Mittelfeld eingerichtet.“

Richard Leipold (FAZ 2.12.). „Nach gut einer Stunde vermeldete der Stadionsprecher das einzige Bochumer Erfolgserlebnis dieses grauen Novembernachmittags. Der Fackelwerfer aus dem Fanblock von Arminia Bielefeld sei gefaßt und werde bestraft. Zum Zeitpunkt der Festnahme führten die Fußballspieler, die auf sportliche Weise die Bochumer Ordnung störten, mit zwei Toren Vorsprung gegen den VfL. Die Unruhestifter in weißen Trikots und schwarzen Hosen ließen sich nicht in die Schranken weisen wie jener Störenfried, der zu auffällig mit dem bengalischen Feuer gespielt hatte. Bei ihrem ersten Auswärtssieg in dieser Saison zeigten die Bielefelder sich so souverän und stabil, wie es bei Auftritten auf fremden Bühnen bisher ganz und gar nicht ihre Art gewesen war. Arminias Cheftrainer Benno Möhlmann hatte an der Seitenlinie zwar einige Male wild gestikuliert und herumgeschrien, wenn seine Elf ausnahmsweise in Turbulenzen geriet oder sich Flüchtigkeitsfehler einschlichen. Aber letztlich lieferten seine Gefolgsleute ihm keinen Grund, aus der Haut zu fahren – und die Bochumer schon gar nicht. Beim 3:0 im Ruhrstadion hatte Möhlmanns Mannschaft so effektiv gehandelt, als wäre es eine ihrer leichtesten Übungen, den Spieltrieb eines offensiv eingestellten Gegners zu zähmen.“

Spielbericht SZ

Energie Cottbus – 1860 München 3:4

Christian Ewers (FAZ 2.12.). “Der Ball, so schien es am Samstag nachmittag, hatte seinen eigenen, eisernen Willen. Auf regennassem Rasen in Cottbus suchte er sich seltsame Wege; mal blieb er bleischwer auf der Stelle liegen, mal schoß er unaufhaltsam wie eine Kugel auf der Bundeskegelbahn durch die Wasserlachen. Die Münchner Fußball-Bundesligaprofis hatten sich als erste auf den launischen Ball eingestellt. 4:0 führte die Mannschaft von Trainer Peter Pacult nach einer guten Stunde. Zehn Minuten vor Spielende schloß dann auch Gastgeber Energie Cottbus späte Freundschaft mit dem Spielgerät. Innerhalb von sechs Minuten erzielten die Cottbuser drei Tore. Für einen Sieg reichte das nicht. Die Pfützenlandschaft im Stadion der Freundschaft hatte den Cottbusern eigentlich ein optimales Milieu für ihren Kampf gegen den Abstieg geboten. Hier hätten sie den Gegner niederringen können im Schlamm, hier hätten sie ihr mangelndes technisches Vermögen kompensieren können durch ein entschlossen-rustikales Spiel. An eingesprungenen Grätschen bestand dann zwar kein Mangel, doch was der FC Energie zeigte, wirkte aktionistisch und planlos. Geyers Schutzbefohlene begingen einen Kardinalfehler, als sie zu oft mit Kurzpässen ihr Glück versuchten, statt bei den Platzverhältnissen mit hohen Flanken die Kopfballspezialisten im Angriff zu versorgen. Vielleicht ist dies die bitterste Erkenntnis des verregneten Nachmittags für die Cottbuser: Ihr Scheitern hatte nichts mit fehlender Einsatzbereitschaft zu tun, sondern mit schwer aufzuholender spielerischer Reife.”

Javier Cáceres (SZ2.12.). „Über Nacht war (ausweislich eines Wetterdienstes „mäßig“) Regen über die Lausitz gekommen und hatte den Rasen im Stadion der Freundschaft in ein seenplattenähnliches Gelände verwandelt, auf dem man alles Mögliche hätte veranstalten können. Rasen-Skeleton in den Disziplinen Brust und Gesäß, oder Wildwasserballschaufeln. Schiedsrichter Wagner aber erlag der (zumindest was Fußball im engeren Sinne angeht) irrigen Annahme, dass man dort auch ein Bundesligaspiel austragen könnte.“

Bayer Leverkusen – Hamburger SV 2:3

Zur Situation in Leverkusen schreibt Erik Eggers (Tsp 2.12.). „Nicht wenige soziologisch interessierte Beobachter des Fußballs haben immer wieder die Bayarena in Leverkusen als Beispiel dafür hingestellt, um zu zeigen, wie sehr sich doch die soziale Zusammensetzung der Anhängerschaft in diesen Zeiten wandeln würde. „Plastik-Fans” schalten die anderen die Bayer-Anhänger, virtuelles Publikum. Und alle verhöhnten jenen vom Verein gesteuerten „Arbeitskreis Stimmung“. Andere wiederum wagten die amüsante These, Leverkusens Anhänger würden das, was da unten auf dem Rasen passiert, lediglich als eine Vergrößerung der Fernseher- Diagonale betrachten, so sehr erinnere die beschauliche Stimmung im Stadion an eine Wohnzimmeratmosphäre. Nun, all diese Beobachter werden ihre Urteile seit Samstag, 17.15 Uhr, nach dieser im Wortsinn fantastischen 2:3-Heimniederlage gegen den Hamburger SV zumindest in Teilen zu revidieren haben. Da hatte sich in der Bayarena der Zorn des Volkes, das angeblich gar nicht vorhanden sein sollte, wütend Bahn gebrochen, und die Spieler sahen sich in der Mixedzone wüsten Beschimpfungen ausgesetzt, die bisher so nur im benachbarten Köln beobachtet wurden (…) Und was ist mit Klaus Toppmöller? Der Trainer, der sich im vergangenen Jahr, als sein unterschätztes Team Europa überrannte, noch als Supermotivator und Meisterpsychologe feiern ließ, er beging in den letzten Monaten ganz offenbar schwerwiegende, ja grundsätzliche Fehler. Wie oft hat er nicht gesagt, dass seine Mannschaft erst wieder in der Rückrunde voll angreifen werde, aufgrund der vielen Verletzungen, die er stets gebetsmühlenartig aufzählte. Aber damit, das wird ihm nun vorgeworfen, lieferte er seinen Schützlingen nur einen Vorwand für weitere schlechte Leistungen in der Bundesliga.“

Thomas Kilchenstein (FR 2.12.) meint dazu. „Die Füße schon tief im Schlamassel, der Kopf hingegen im Himmel. Dort, wo Wolkenkuckucksheim liegt. Nein, Bayer Leverkusen ist kein ernsthafter Verfolger der Münchner Bayern mehr, Bayer Leverkusen wird es schwer haben, in der Champions League nochmal zu reüssieren, Bayer Leverkusen, der ewige Zweite, wird kratzen und beißen und spucken müssen, um überhaupt noch erstklassigen Fußball spielen zu dürfen. Die einstigen Schönspieler aus Leverkusen schweben ganz profan in akuter Abstiegsnot. So wie 1996, als Rudi Völler auf Abschiedstournee ging und nur mit vielen Tränen, noch mehr Glück (und ein wenig Unfairness) der Absturz verhindert werden konnte im allerletzten Spiel. Fast so weit sind sie jetzt wieder. Es kracht und knirscht und ächzt an allen Ecken und Strafräumen; es stimmt nicht mehr in der Mannschaft, die verunsichert ist und gelähmt spielt, Fehler macht, dass es einem graust, und von einer Verletzungsserie heimgesucht wird, die Fußballer für gewöhnlich die Seuche nennen (…) Bis vor kurzem gar hat man die sich anbahnenden Schwächen schlicht ignoriert; die paar Punkte bis zur Spitze seien nach der Pause flugs aufgeholt, in Europa spiele man ja noch eine Rolle. Das war Augenwischerei, wie sich jetzt zeigt. Die Millionentruppe spielt zwar in der Champions League, aber realistisch gegen den Abstieg – und muss irgendwie sehen, Teams wie Cottbus, Kaiserslautern, Hannover, Bielefeld hinter sich zu lassen. Daran muss man sich gewöhnen, schnell. Die Fans tun es nicht. Die lachen ihre Lieblinge aus.“

Dirk Graalmann (SZ 2.12.). „Der klare Blick für die Realitäten bleibt, das ist das gefährlichste an der Situation, getrübt in Leverkusen. Verwundern mag das nicht, am Dienstag gastierte hier immerhin noch der ruhmreiche FC Barcelona. Die Ahnung, das Team könnte nicht die entsprechende Qualität zur Einlösung gegebener Versprechen mitbringen, dringt mit jeder neuerlichen Pleite nur millimeterweise durch. Der Trainer bietet stattdessen eine Rechtfertigungsarie dar. „So ein Pech habe ich noch nie erlebt“, dozierte Toppmöller über Ausfälle im Defensivbereich. Vor einer Woche noch forderte er vehement eine neue Offensivkraft, nun ist die Abwehr als Schwachpunkt ausgemacht. In der Tat fehlte gegen den HSV neben dem Rekonvaleszenten Nowotny, dem gesperrten Placente und den maladen Sebescen sowie Juan nach dem Wechsel auch der Brasilianer Lúcio, der nach einem neuerlichen Schlag auf den Fuß sogar operiert werden muss. Es ließ sich nicht zweifelsfrei klären, aber es wäre nur allzu passend, wenn ihm Hans-Jörg Butt den Hieb zugefügt hätte; in jener dritten Minute, als er seinen unsinnigen Klärungsversuch mit der Karambolage des Manndeckers krönte und dem Argentinier Romeo nach 145 Sekunden die Führung ermöglichte. Wieder ein individueller Fehler, wieder durch einen anderen. „Wir haben die Seuche“, sagte Toppmöller. Doch der Verweis auf persönliche Fehlleistungen, die Butt beim entscheidenden Treffer durch Barbarez noch steigerte, werden der Situation nicht gerecht. Die Partie gegen den HSV nämlich hatte die Rahmenbedingungen für eine Auferstehung geboten. Nach dem Rückstand offenbarte Bayer kurzzeitig einen Anflug von spielerischer Qualität, erspielte sich eine Überlegenheit mit zehn zu null Ecken in einer halben Stunde, kam durch fein herauskombinierte Tore von Balitsch und Bastürk sogar zur verdienten Führung. Beängstigend war vielmehr, wie ihnen ein kleiner taktischer Wechsel der Gäste jegliche Ordnung nahm.“

Eine Spielanalyse von Peter Heß (FAZ 2.12.). “Mit der Abwehr ist das Leverkusener Malheur aber nur zur Hälfte beschrieben. Was der Angriff an besten Torchancen ausläßt, kann nur eine Mannschaft verkraften, die nie Gegentore erhält. Ein 5:1 wäre zur Halbzeit der angemessene Ausdruck der Kräfteverhältnisse gewesen. Die ohne ihren Chef Hoogma desolate HSV-Abwehr lud die gefällig spielenden Leverkusener fast im Minutentakt zum Torschuß ein. Aber Bastürk und Neuville erwiesen sich abermals als Umstandskrämer. Ihr Kollege Berbatow wirkte da zielstrebiger. Doch der Bulgare hat das Scheitern am gegnerischen Torwart mittlerweile zur Kunstform erhoben. Am Samstag schaffte er es irgendwie immer, den kleinen Pieckenhagen im großen HSV-Tor zu treffen. Berbatows Zukunft scheint eher in der Berufssparte Torwarttrainer zu liegen. Es ist ihm einfach eine Herzenssache, Torhüter warmzuschießen. Der Sturm vergibt ungezählte Möglichkeiten, das Spiel frühzeitig zu entscheiden, die Abwehr nimmt jede Gelegenheit wahr, das Spiel noch zu verlieren: Bewundernswert, wie Toppmöller in der Öffentlichkeit die Contenance bewahrte.”

Werder Bremen – VfB Stuttgart 3:1

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Hannover 96 – Schalke 04 0:2

Spielbericht SZ

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