indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Der Spaß kehrt zurück

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Der Spaß kehrt zurück

„Der Spaß kehrt zurück“, titelt die SZ anlässlich „der ersten rundum überzeugenden BVB-Leistung seit fast einem halben Jahr“. Die Dortmunder besiegen den kürzlich noch ambitionierten VfL Wolfsburg nach sehr gutem Spiel mit 4:0; und die Erleichterung der Berichterstatter darüber ist spürbar, dass die Borussen Titelverteidiger Bayern München diese Saison auf Augenhöhe gegenübertreten könnten. Nicht nur die neutralen Fußballfreunde sind sich einig: Die Langeweile des Vorjahres, als die Münchner bereits vier Wochen vor Ende sangen und tanzten, darf sich nicht wiederholen. Obwohl die Dortmunder Ausfälle von Leistungsträgern zu verkraften haben, gelten sie inzwischen wieder als einziger ernsthafter Konkurrent; nicht zuletzt dank Torschütze und Spielmacher Rosicky, der „von Bewunderern auch ‚Mozart’ genannte Genius“ (FAZ).

Des Weiteren: Die SZ kommentiert die Situation in Kaiserslautern, das nach seinem ersten Erfolg widersprüchlicher Weise nun bei null Punkten angekommen ist: „In der Tabelle sind sie schuldenfrei.“ Und: Die Chronisten überbieten sich mit Kalauern und Witzeleien über die tropischen Temperaturen. Die taz schlägt vor, dass Münchner Olympiastadion (am Samstag 48,7 Grad Celsius) in „Hitzfeld“ umzubenennen. Nun, ja, so weit dazu.

Ernst wird der Fußball noch früh genug – wenn’s draußen kalt wird

Roland Zorn (FAZ 11.8.) registrierte bei allen Beteiligten allgemeine Gelassenheit. „Kalte Duschen gab es in dieser zweiten Runde, die anders als die Ouvertüre auch an den gewöhnlichen Alltag der ersten deutschen Fußballklasse erinnerte, nur für die Zuschauer. Auf dem Platz dagegen schlug schon jetzt die Stunde der Trickser und Täuscher. Schlimmer noch: Der mit der Gelb-Roten Karte nach einem groben Foulspiel gut davongekommene Kaiserslauterer Torwart Wiese sowie der nach einer leichteren Tätlichkeit vom Platz gestellte Hannoveraner Angreifer Idrissou leugneten ihre Schuld. Dazu übersahen die Schiedsrichter ein Schalker Handspiel vor dem Ausgleich zum 1:1 und ein korrektes Tor des Münchners Pizarro in Hannover; sie schenkten außerdem den Bremern und den Freiburgern zwei Strafstöße, die keine waren; ihnen blieb zudem verborgen, daß die mit einem Ellbogenschlag garnierte Notbremse des Wolfsburgers Biliskov gegenüber dem Dortmunder Koller eigentlich eine Rotbremse war. Die Palette der kleineren und größeren Unzulänglichkeiten auf seiten der Unparteiischen war etwas zu groß, um allein dem heißesten Spieltag in der Geschichte der Bundesliga angelastet werden zu können. Daß Zuschauer, Spieler und Trainer auf die Aussetzer mit mildem Spott und leisem Verständnis reagierten, war denn doch ein Stück des saisonal üblichen Sommertheaters. Der Fehlgriff des Hannoveraner Torhüters Tremmel bei Ballacks Distanzschuß zum 1:2 oder der Fehlschuß des Kölner Kapitäns Lottner beim Elfmeter gegen Kaiserslautern hätten zu einem späteren Zeitpunkt mehr Aufregung und Ärger verursacht. Am zweiten Spieltag aber, als alle zunächst mehr über das Wetter als über Fußball redeten, muteten derlei Patzer noch wie reparable Pannen an. Ernst wird der Fußball noch früh genug – wenn’s draußen kalt wird.“

Kann man bei solchen Temperaturen ordentlich Fußball spielen?, fragt Thomas Kistner (SZ 11.8.). „Die Antwort: Es geht. Ging sogar recht ordentlich. Überdies erbrachte der erste nationale Herz- und Kreislaufcheck-Tag eine verblüffende Erkenntnis: Bei rund 45 Grad Celsius in den besten Backstuben der Liga schwächelten ausgerechnet jene am meisten, die von Haus aus nur herumstehen müssen. Wir kommen zu den Torhütern. Bezeichnend für den Verfall des Berufszweigs steht der Fakt, dass sein unbestrittener Champion, Oliver Kahn, gleich drei Stück kassierte; in einer Halbzeit, in Hannover. Viel dagegen unternehmen konnte er indes nicht, was schon wieder für seine Klasse spricht – besonders im Vergleich mit dem Kollegen Tremmel auf der Gegenseite, der ebenfalls drei Treffer einsteckte, allerdings just solche, die zu verhindern seine Aufgabe wäre. Doch nicht nur Tremmel ließ den Ball fröhlich von der Brust hüpfen, ob ins Tor oder vor Gegners Füße, auch Rostocks Schober machte sich um die Ergebnisgestaltung verdient. Wolfsburgs Jentzsch kriegte die Kugel vorm 0:2 so wenig zu fassen wie Lauterns Wiese die Endphase des Spiels in Köln mit: Da hatte der Pfälzer Schlussmann das Feld nach wiederholtem Foulspiel längst geräumt.“

Gerade vor und zu Beginn einer Saison ist das Risiko einer Bänderverletzung deutlich höher

Gerd Schneider (FAS 10.8.) sorgt sich im Hinblick auf die Häufung der schweren Verletzungen. „Ob dahinter eine Entwicklung zum Vorschein kommt, ist nicht leicht zu beantworten. Das ist nicht wissenschaftlich evaluiert, deshalb ist es schwierig, Schlüsse zu ziehen, sagt Graf-Baumann. Der Berliner Arzt Professor Peter Hertel, der viele Fußballprofis am Knie operiert hat, hält den vermeintlichen Kreuzband-Fluch schlicht für statistischen Zufall. Eine breitangelegte Untersuchung könnte bald dazu beitragen, die oft noch im dunkeln liegenden Zusammenhänge zwischen der Belastung und den Verletzungsraten aufzuspüren. Bei diesem Gemeinschaftsprojekt der Fifa, des Deutschen Fußball-Bundes und der Deutschen Fußball Liga werden jetzt in der Bundesliga erstmals alle Verletzungen über ein Jahr hinweg wissenschaftlich erfaßt. Bislang gibt es zu diesem Thema nur eine einzige Studie von dieser Größenordnung: Zwei Jahre lang werteten Sportmediziner in den höchsten drei englischen Fußball-Ligen 6000 Verletzungen aus. Eines ihrer Ergebnisse lautet: Gerade vor und zu Beginn einer Saison ist das Risiko einer Bänderverletzung deutlich höher. Eine der Ursachen dafür sehen die Autoren der Studie im plötzlichen Anstieg der Trainingsbelastung – der sich vor allem für die Profis fatal auswirken kann, die im Urlaub dem Nichtstun frönen und wieder bei Null beginnen müssen. Auch Professor Klaus Steinbrück, der Chef der Sportklinik Stuttgart, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die meisten Kreuzbandrisse gibt es am Anfang einer Saison und am Ende. Am Anfang sind die Spieler konditionell und koordinativ noch nicht auf der Höhe, am Ende sind sie müde sagt er.Unbestritten ist, daß das ständig steigende Verletzungsrisiko im Fußball etwas mit der Anzahl der Spiele zu tun hat. Manche Profis bringen es auf 80 bis 90 Einsätze im Jahr – eine Zahl, die jenseits der Schmerzgrenze liegt. Doch gerade die Kreuzbandverletzungen sind weniger damit zu erklären als mit dem extremen Einsatz und Tempo, die den modernen Fußball prägen. Für die Kräfte, die da auf das Kniegelenk einwirken, ist das Kreuzband einfach zu schwach gebaut, sagt Professor Hertel. Da sich auch Fußballer athletisch immer mehr am Limit bewegen, muß man künftig eher mit einer Zunahme schwerer Verletzungen rechnen. Außerdem erhöht indirekt auch die Rezession in der Branche das Verletzungsrisiko. Die meisten Klubs können sich eine breite Personaldecke nicht mehr leisten, es hat sich ausrotiert: Gerade die Leistungsträger kommen deshalb nicht mehr zum Verschnaufen. Weil zudem die Gehälter immer leistungsbezogener werden, ist der Einsatz oft grenzenlos.“

Gewinnspiel für Experten

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

113 queries. 1,060 seconds.